Verfahrensgang

SG Köln (Urteil vom 22.02.1985)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Februar 1985 wird zurückgewiesen

Der Kläger hat der Beigeladenen auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der geschiedene Ehemann einen seiner früheren Ehefrau nach Durchführung des Versorgungsausgleichs erteilten Rentenbescheid anfechten darf.

Der Kläger bezieht seit Juni 1978 Ruhegehalt als Hauptmann der Bundeswehr. Seine mit der Beigeladenen 1954 geschlossene Ehe wurde 1979 rechtskräftig geschieden. Mit am 2. Januar 1981 wirksam gewordenem Beschluß begründete das Familiengericht Rentenanwartschaften der Beigeladenen zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Klägers. Dessen Ruhegehalt blieb hiervon zunächst unberührt.

Im Oktober 1981 beantragte die Beigeladene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Vor dem Sozialgericht (SG) erkannte die Beklagte den Anspruch an und bewilligte mit Bescheid vom 16. August 1982 EU-Rente auf Zeit von April 1982 bis Juli 1985. Hierauf kürzte das Wehrbereichsgebührnisamt die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Dezember 1982 um monatlich 801, 95 DM (Bescheid vom 10. November 1982 ). Aus diesem Grunde erhob der Kläger im März 1983 Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 16. August 1982. Die Beklagte wies ihn zurück, weil der Kläger durch die Rentengewährung an die Beigeladene nicht beschwert sei (Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1983).

Die Klage dagegen hat das SG mit Urteil vom 22. Februar 1985 als unzulässig abgewiesen. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da der Rentenbescheid nicht seine Rechtssphäre, sondern nur seine wirtschaftlichen Interessen beeinträchtige. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle der Rentenanspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten von der sozialen Sicherung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten unabhängig sein. Es sei hierbei keine Norm zu berücksichtigen, die – zumindest auch – dessen Schutz bezwecke. Ebensowenig würden Grundrechte des Klägers durch die Rentengewährung an die Beigeladene verletzt.

Mit der zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 55c des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG), 54 SGG und des Art 103 des Grundgesetzes (GG). Seine Interessenlage sei mit der bei Minderung der Witwenrente infolge der Gewährung von Hinterbliebenenrente an eine frühere Ehefrau zu vergleichen; dort könne die Witwe den der früheren Ehefrau erteilten Rentenbescheid anfechten. Auch in seinem Falle berühre die Kürzung seine Rechtssphäre. In seinen versorgungsrechtlichen Status habe zwar schon der Versorgungsausgleich eingegriffen. Die Wirkung des Eingriffs sei jedoch erst mit der Rentengewährung eingetreten; sie habe für seine Versorgungsansprüche Tatbestandswirkung. Daß er an dem Rentenverfahren der Beigeladenen nicht beteiligt bzw beigeladen worden sei, habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt; die Verletzung dürfe nicht durch Verwehrung des Anfechtungsrechtes fortgesetzt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 16. August 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1983 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist die Kürzung der Versorgungsbezüge nur ein wirtschaftlicher Reflex des durchgeführten Versorgungsausgleichs.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers kann keinen Erfolg haben; sie ist unbegründet, weil das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen hat.

Allerdings kann der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis mit der Begründung abgesprochen werden, der Kläger habe sein Ziel des ungekürzten Versorgungsbezuges schon durch Anfechtung des ihm erteilten Kürzungsbescheides erreichen können. In § 55c Abs 1 Satz 2 SVG – und ebenso in den Parallelvorschriften der §§ 57 Abs 1 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes, 1304a Abs 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung, 83a Abs 4 Satz 2 AVG, 96a Abs 4 Satz 2 des Reichsknappschaftsgesetzes dieses sog Pensionisten-bzw Rentnerprivilegs – heißt es zwar, das Ruhegehalt (die Rente) des ausgleichsverpflichteten Ehegatten werde erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente “zu gewähren ist”. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, der Versorgungsträger (Versicherungsträger) des ausgleichsverpflichteten Ehegatten und im Streitfall das für die Anfechtung der Kürzung zuständige Gericht (hier: das Verwaltungsgericht) hätten darüber zu entscheiden, ob dem ausgleichsberechtigten Ehegatten Rente zusteht oder nicht ungeachtet dessen, ob und welche Entscheidung der für diesen zuständige Versicherungsträger hierüber trifft bzw getroffen hat. In dieser Frage darf es nämlich keine unterschiedliche Beurteilung unter den Leistungsträgern geben (SozR 2600 § 96a Nr 1, S 3 f); nach dem Sinn der Kürzungsvorschriften kann die Kürzung nur davon abhängen, ob dem ausgleichsberechtigten Ehegatten tatsächlich Rente gewährt wird. Der Kläger mußte daher von seinem Standpunkt aus die Rentengewährung angreifen, die trotz der Gewährung auf Zeit sein Ruhegehalt zeitlich unbegrenzt kürzt. Dabei durfte er annehmen, daß er im Erfolgsfalle von seiner Versorgungsbehörde die Aufhebung des von ihm nicht angefochtenen Kürzungsbescheides nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§ 48 bzw § 51) erreichen könnte.

Die Klage ist jedoch unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis nach § 54 SGG fehlt. Aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht, daß ihn die Rentengewährung an die Beigeladene in einer Weise beschwert, daß er zur Anfechtung des Rentenbescheides berechtigt wäre. Der Rentenbescheid hat nur Rechtsbeziehungen zwischen der Beigeladenen und der Beklagten geregelt, an denen der Kläger nicht beteiligt ist. Aufgrund des § 55c Abs 1 SVG wird er allerdings durch die Rentengewährung mittelbar betroffen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden, wenn im Versorgungsausgleich – wie hier – Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs 2 BGB begründet worden sind, nach der Rechtskraft (idF vom 18. Juli 1985: nach der Wirksamkeit) der Entscheidung des Familiengerichts die Versorgungsbezüge des verpflichteten Ehegatten um den für das Ruhegehalt in Abs 2 bestimmten Betrag gekürzt. Nach Satz 2 wird jedoch das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils (idF vom 18. Juli 1985: der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich) erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Der verpflichtete Ehegatte hat danach in den Fällen des Satzes 2 ein Recht zum ungekürzten Weiterbezug der Versorgung bis zur Rentengewährung. In diesem Recht und nicht nur in wirtschaftlichen Interessen wird er durch den Rentenbescheid betroffen. Der Rentenbescheid hat im Rahmen des Satzes 2 “Tatbestandswirkung” mit der Folge, daß daraufhin das Recht zum ungekürzten Bezug beendet wird. Gleichwohl gibt diese mittelbare Betroffenheit in der Rechtssphäre dem Kläger nicht das Recht zur Anfechtung des Rentenbescheides.

Dem steht nicht entgegen, daß die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei einer mittelbaren Betroffenheit in den rechtlichen Interessen schon mehrfach die Klagebefugnis zugesprochen hat (BSGE 34, 289; 35, 224; 37, 28; 52, 281; SozR 2200 § 205 Nr 55; SozR Nr 3 zu § 1268 RVO und Nr 5 = BSGE 21, 125); sie hat diese andererseits nämlich bei vergleichbarem Ausgangspunkt auch mehrfach verneint (BSGE 42, 256; SozR Nr 5 zu § 1431 AVAVG; SozR Nrn 115 und 141 zu § 54 SGG; Urteil vom 22. Oktober 1986, 9a RVs 3/84). Dabei hat die Rechtsprechung im Laufe ihrer Entwicklung differenzierend darauf abgestellt, wie des näheren die Rechtsstellung des mittelbar Betroffenen mit Blick auf die durch den Verwaltungsakt geregelten Rechtsbeziehungen beschaffen ist, und hiervon die Klagebefugnis abhängig gemacht. Die Rechtsprechung hat zB in dem von dem Kläger angeführten Fall der Rentengewährung an eine geschiedene Frau des Versicherten seiner Witwe das Anfechtungsrecht mit der Begründung eröffnet, daß wegen des Zusammenhangs der Hinterbliebenenbescheide nur so ein einheitliches, die Versichertengemeinschaft vor Nachteilen bewahrendes Ergebnis erreicht werden könne (SozR zu § 1268 RVO aaO). Der vorliegende Fall hat dazu keine rechtliche Parallele.

Das Pensionisten- bzw Rentnerprivileg, in dem der Kläger hier betroffen wird, bedeutet eine vorläufige “Stornierung der Auswirkungen des Versorgungsausgleichs” (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). Der Ausgleichsverpflichtete soll dadurch vor unangemessenen Opfern bewahrt werden, weil er die Leistungsminderung nicht mehr ausgleichen könnte und nur der Versorgungs- bzw Versicherungsträger von dieser einen finanziellen Vorteil hätte (BVerfG aaO; SozR 2600 § 96a Nr 1); zudem kann der ungekürzte Weiterbezug auch für Unterhaltsansprüche des anderen geschiedenen Ehegatten von Nutzen sein. Für das Privileg, vorerst bis zur Rentengewährung an den ausgleichsberechtigten Ehegatten das Ruhegehalt bzw die Rente ungekürzt weiterzubeziehen, ist somit der Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich kennzeichnend. Diesem liegt jedoch der Gedanke zugrunde, durch Teilung der Versorgungsanwartschaften die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der geschiedenen Ehegatten umfassend und abschließend zu regeln, um so spätere Auseinandersetzungen unter ihnen über die wirtschaftlichen Folgen von Ehe und Scheidung zu vermeiden (BVerfG aaO; BT-Drucks 7/650 S 159). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn der Ausgleichsverpflichtete in den Fällen des Pensionisten- bzw Rentnerprivilegs noch nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich auf die dem Ausgleichsberechtigten übertragenen Rentenanwartschaften durch Anfechtung des Rentenbescheides Einfluß nehmen dürfte. Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte schon zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich Rente bezieht, kommt es zu keinem Pensionisten- bzw Rentnerprivileg des ausgleichsverpflichteten Ehegatten; er kann es nicht dadurch herbeiführen, daß er den Rentenbescheid anficht. Nichts anderes kann dann auch für den später erteilten Rentenbescheid gelten; das Pensionisten- bzw Rentnerprivileg soll dem Begünstigten nicht das Recht verschaffen, nunmehr am Rentenverfahren des ausgleichsberechtigten Ehegatten beteiligt zu werden und insoweit Rechtsbehelfe zu betreiben. Das gilt unabhängig davon, ob das Recht zum ungekürzten Weiterbezug bis zur Rentengewährung an den ausgleichsberechtigten Ehegatten Eigentumsschutz nach Art 14 GG genießt.

Somit kann durch die Nichtbeteiligung des Klägers an dem zum Rentenbescheid führenden Verwaltungsverfahren der Beklagten und die Nichtbeiladung zum anschließenden Klageverfahren vor dem SG auch kein Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt worden sein. Ebensowenig vermag Art 19 Abs 4 GG zur Zulässigkeit der Klage zu führen, weil danach der Rechtsweg nur demjenigen zur Verfügung steht, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird; steht ein Klagerecht aufgrund von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG nicht zu, dann kann die Rechtsweggarantie nicht berührt sein.

Nach alledem war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 27

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