Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen durch Ersatzkassen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ersatzkasse ist auch dann nicht berechtigt, Beiträge zur Rentenversicherung für ein Mitglied, das als Arbeitnehmer versicherungspflichtig ist, durch Beitragsbescheid gegenüber dem Mitglied geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber diese Beiträge an das Mitglied gezahlt hat (Bestätigung von BSG vom 23.11.1966 3 RK 75/64 = SozR Nr 2 zu § 520 RVO).

 

Orientierungssatz

Auch bei Ersatzkassenmitgliedern oblag die Entrichtung der Beiträge zur Rentenversicherung an die Einzugsstelle dem Arbeitgeber; der bis zum 31.12.1988 geltende § 520 RVO, wonach das Ersatzkassenmitglied den Beitrag an die Ersatzkasse zu zahlen hatte, betraf nur die Beiträge zur Krankenversicherung.

 

Normenkette

RVO § 1396 Abs 1 Fassung: 1972-10-16, § 1398 Fassung: 1957-02-23, § 1428 Abs 2; AVG § 118 Abs 1 Fassung: 1972-10-16, § 120 Fassung: 1957-02-23; RVO § 520; StGB § 266a

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 15.07.1987; Aktenzeichen L 9 Kr 66/84-W 86)

SG Berlin (Entscheidung vom 27.04.1984; Aktenzeichen S 73 Kr 206/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger Beiträge für die Zeit vom 24. September bis zum 31. Dezember 1980 zu zahlen hat.

Der Kläger war seit dem 1. Juli 1980 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der T.          U.          B.     beschäftigt. Sein Gehalt lag zunächst über der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung. Er war nichtversicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Ersatzkasse.

Vom 24. September 1980 an verringerte der Kläger seine Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden, überschritt jetzt mit seinem Gehalt die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung nicht mehr und wurde daher versicherungspflichtig. Er legte seiner Arbeitgeberin eine Mitgliedsbescheinigung der Beklagten nach § 517 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) vor und blieb deren - nunmehr versicherungspflichtiges - Mitglied. Die Beklagte ging davon aus, die Universität führe die Beiträge - auch zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung - an sie ab, und erstattete dem Kläger daher im Dezember 1980 die für die Zeit vom 24. September bis zum 31. Oktober 1980 im Bankabbuchungsverfahren von ihm eingezogenen Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 405,77 DM. In Wirklichkeit hatte die Universität jedoch für die Zeit vom 24. September bis zum 31. Dezember 1980 keine Beiträge an die Beklagte abgeführt, sondern dem Kläger das Gehalt voll, dh ohne Einbehalt von Arbeitnehmeranteilen und zuzüglich der Arbeitgeberanteile, ausgezahlt. Vom 1.Januar 1981 an führte sie dann jedoch die Beiträge an die Beklagte ab, nachdem das Firmeneinzugsverfahren vereinbart worden war.

Erstmals mit Schreiben vom 18. Mai 1981 forderte die Beklagte vom Kläger rückständige Beiträge für alle drei Versicherungszweige in Höhe von zusammen 2.444,52 DM für die Zeit vom 24. September bis 31. Dezember 1980. Nach längerem Schriftwechsel bestand sie mit Bescheid 11. Januar 1982 auf der Beitragsforderung und bezifferte sie nunmehr in einem Kontoauszug auf 2.310,92DM. Der Widerspruch blieb nach weiterem Schriftwechsel schließlich erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1982 wurde der Beitragsrückstand nebst Säumniszuschlägen auf nunmehr 2.688,62 DM beziffert.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Universität beigeladen (Beigeladene zu 1). Durch Urteil vom 27. April 1984 hat es den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben, soweit er die Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) sowie die entsprechenden Nebenforderungen betrifft; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 20. März 1985 die erstinstanzliche Entscheidung geändert, die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Über die Revision des Klägers hat der erkennende Senat mit Urteil vom 19. Juni 1986 entschieden. Darin hat er das LSG-Urteil hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung und der darauf entfallenden Nebenforderungen aufgehoben, weil die notwendige Beiladung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) unterblieben war; insofern ist die Sache an das LSG zurückverwiesen worden. Im übrigen - wegen der Beiträge zur Krankenversicherung und zur BA - hat der Senat damals die Revision des Klägers als unzulässig verworfen.

Nach Beiladung der BfA (Beigeladene zu 2) hat das LSG auf die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 15. Juli 1987 das Urteil des SG hinsichtlich der Beiträge zur Angestelltenversicherung und der darauf entfallenden Nebenforderungen wiederum geändert, und die Klage hinsichtlich dieser Beiträge abgewiesen, nunmehr allerdings mit der Maßgabe, daß der Kläger als Gesamtschuldner haftet. Das LSG hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Kläger könne auf Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werden. Zwar sei gemäß § 118 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) der Arbeitgeber Schuldner der Pflichtbeiträge. Dies schließe aber nicht aus, daß auch das Ersatzkassenmitglied selbst, das die Beiträge von seinem Arbeitgeber ausgezahlt erhalten habe, als Gesamtschuldner hafte. Denn gemäß § 150 Abs 2 AVG, der inzwischen durch § 266a Abs 3 des Strafgesetzbuches (StGB) ersetzt worden sei, sei das Ersatzkassenmitglied strafbar, wenn es die Weiterleitung von Beitragsteilen unterlasse, die für die Rentenversicherung bestimmt seien. Geschütztes Rechtsgut seien die wirtschaftlichen Interessen der Solidargemeinschaft. Der Straftatbestand setze eine Garantenstellung des Ersatzkassenmitglieds und seine Zahlungspflicht im Verhältnis zur Einzugsstelle voraus. Bei anderer Betrachtungsweise laufe die Strafnorm weitgehend leer. Dies rechtfertige die Annahme der Gesamtschuldnerschaft des Klägers.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger wiederum - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt, mit der er ua die Verletzung der §§ 118, 120 und 150 AVG rügt und im wesentlichen geltend macht: Der Schluß des LSG von der Strafbarkeit einer Nichtweiterleitung der Beiträge auf das Bestehen einer Beitragsforderung der Ersatzkasse gegen den Versicherten sei nicht zwingend. Eine solche Forderung komme allenfalls in Betracht, wenn der Versicherte den Erhalt der Beiträge erkannt und sie dann vorsätzlich nicht weitergeleitet habe. Er, der Kläger, habe die Auszahlung von Beiträgen durch die Beigeladene zu 1) an ihn jedoch nicht bemerkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 15. Juli 1987 und das Urteil des SG vom 27. April 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1982 in vollem Umfang aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie macht im wesentlichen geltend: Der Rechtsstreit sei hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung bereits durch das Urteil des Senats vom 19. Juni 1986 rechtskräftig abgeschlossen. Es gehe daher nur noch um die Beiträge zur Rentenversicherung. Die dazu vom LSG vertretene Ansicht treffe zu. Eine Beitragsschuld des Ersatzkassenmitgliedes bestehe auch für die Rentenversicherungsbeiträge, wenn der Arbeitgeber diese einschließlich der auf ihn entfallenden Beitragsanteile an das Ersatzkassenmitglied abgeführt habe. In diesem Fall sei § 520 RVO gemäß § 122 Abs 1 AVG entsprechend anwendbar. § 122 Abs 1 AVG verweise insoweit nicht nur auf die verwaltungsmäßigen Regelungen der Beitragsentrichtung in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch auf den die Beitragsschuld regelnden § 520 Abs 1 RVO. Dagegen spreche nicht die außerdem bestehende Beitragsschuld des Arbeitgebers gemäß § 118 Abs 1 AVG. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 1966 (SozR Nr 2 zu § 520 RVO) stehe der entsprechenden Anwendung des § 520 Abs 1 RVO nicht entgegen, denn dort sei nur die Pflicht des Ersatzkassenmitgliedes zur Zahlung des Arbeitnehmeranteiles im Streit gewesen, während der Arbeitgeber den auf ihn entfallenden Beitragsanteil an die Ersatzkasse entrichtet gehabt habe. Schließlich sei nur § 118 Abs 1 AVG als Vorschrift über die Beitragstragung zwingend. Regelungen über die Zahlungspflicht hingegen könnten vereinbart werden. Durch die Entgegennahme der Beiträge habe der Kläger stillschweigend seinen Schuldbeitritt erklärt. Wenn er mit dieser Rechtsfolge nicht einverstanden gewesen sei, hätte er dies nach Treu und Glauben erklären müssen.

Die Beigeladene zu 1) hält das Urteil des LSG für zutreffend und tritt der Ansicht der Beklagten bei. Die Beigeladene zu 2) sieht von einer Äußerung zur Sache und von einer Antragstellung ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nur teilweise zulässig. Soweit der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in vollem Umfang und damit auch hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung beantragt, ist die Revision unzulässig. Insofern ist das erste Urteil des LSG (vom 20. März 1985) rechtskräftig geworden, nachdem der Senat durch das frühere Urteil vom 19. Juni 1986 die Revision hinsichtlich der Beiträge zu diesen beiden Versicherungszweigen als unzulässig verworfen hat. Dementsprechend betrifft auch das nunmehr mit der Revision angefochtene zweite Urteil des LSG (vom 15. Juli 1987) nur die Beiträge zur Rentenversicherung. Insofern ist die gegen dieses Urteil gerichtete Revision zulässig. Da der Kläger hinsichtlich dieser Beiträge in erster Instanz obsiegt hatte, ist sein Revisionsantrag, soweit er die genannten Beiträge und die darauf entfallenden Nebenforderungen betrifft, dahin aufzufassen, daß er insoweit die Aufhebung des Urteils des LSG vom 15. Juli 1987 und die Zurückverweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG begehrt.

Die Revision des Klägers ist, soweit hiernach zulässig, auch begründet. Entgegen der Ansicht des LSG ist der angefochtene Bescheid, wie das SG zutreffend erkannt hat, hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung rechtswidrig. Die Beklagte kann vom Kläger die Zahlung dieser Beiträge nicht verlangen. Da der Kläger während der Zeit, um die es geht (24. September bis 31. Dezember 1980), der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterlag, war die Beklagte zwar Einzugsstelle für die Beiträge zur Rentenversicherung (§ 121 Abs 1 AVG). Zu ihrer Entrichtung war jedoch nach § 118 Abs 1 AVG (§ 1396 Abs 1 RVO) nur die Arbeitgeberin des Klägers, die Beigeladene zu 1), verpflichtet. Für eine Inanspruchnahme des Klägers selbst durch die Beklagte besteht keine Rechtsgrundlage.

Wenn der Gesetzgeber - anstelle oder neben dem Arbeitgeber - dem bei einer Ersatzkasse versicherten Arbeitnehmer eine eigene Pflicht zur Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge hätte auferlegen wollen, müßte dieses im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommen. Diese Anforderung zu stellen, gebieten der Eingriffscharakter einer Beitragsforderung und die gerade für die Beitragserhebung in einer Vielzahl von Fällen unverzichtbare Rechtsklarheit. Dem Gesetz läßt sich eine Beitragsschuldnerschaft des Arbeitnehmers nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen.

Wie sich aus § 120 AVG (§ 1398 RVO) ergibt, soll der Versicherte von Gesetzes wegen lediglich berechtigt sein, anstelle des Arbeitgebers selbst die Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten. Diese Regelung wäre für Versicherungspflichtige wie den Kläger nicht verständlich, wenn der Versicherte zur Entrichtung dieser Beiträge an die Ersatzkasse verpflichtet wäre. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Versicherte durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber und/oder der Ersatzkasse eine eigene Zahlungspflicht gegenüber der Ersatzkasse übernehmen könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil für eine solche Vereinbarung hier kein hinreichender Anhalt besteht. Aus der Auszahlung der Beiträge an den Kläger läßt sich, auch wenn die Arbeitgeberin ihn hierauf, wie die Beklagte vorträgt, hingewiesen haben sollte, allein nicht entnehmen, daß sich der Kläger zur Zahlung der Beiträge an die Beklagte verpflichtet hätte.

Auch aus § 520 RVO läßt sich eine Zahlungspflicht des Klägers nicht entnehmen. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift hat die Ersatzkasse für die nach § 517 RVO von der Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse Befreiten wie den Kläger Anspruch auf den vollen Beitragsteil, den der Arbeitgeber an die Krankenkasse abzuführen hätte, bei der der Beschäftigte ohne die Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse versichert sein würde; der Arbeitgeber hat nach Satz 2 den Beitragsteil unmittelbar an den Versicherten bei der Lohn- und Gehaltszahlung abzuführen. Diese Regelung, die von einer Beitragsschuldnerschaft des Versicherten gegenüber der Ersatzkasse ausgeht, gilt jedoch unmittelbar nur für die Beiträge zur Krankenversicherung sowie entsprechend für die Beiträge zur BA (§ 179 Nr 2 AFG). Sie weicht von der erwähnten, für die Beiträge zur Rentenversicherung geltenden Vorschriften der §§ 118, 120 AVG (§§ 1396, 1398 RVO) eindeutig ab. § 122 Abs 1 AVG (§ 1400 Abs 1 RVO), wonach für die An-, Um- und Abmeldung, für die Fälligkeit und Zahlung der Beiträge, ihren Einzug und die Erhebung von Säumniszuschlägen und Zinsen die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung mit Ausnahme des § 397 RVO entsprechend gelten, betrifft nicht die materiell-rechtliche Verpflichtung zur Beitragszahlung und vermag daher eine entsprechende Anwendung des § 520 RVO nicht zu begründen. Dieses hat das BSG schon mit Urteil vom 23. November 1966 (SozR Nr 2 zu § 520 RVO) entschieden. Hieran hält der Senat fest. Entgegen der Ansicht der Beklagten macht es dabei keinen entscheidenden Unterschied, daß es in jenem Verfahren nur um die Pflicht des Versicherten zur Zahlung der Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen ging, während hier die Zahlungspflicht des Versicherten auch hinsichtlich der Arbeitgeberanteile umstritten ist. Hätte der Gesetzgeber entgegen dieser seit vielen Jahren bekannten Entscheidung eine Zahlungspflicht des Versicherten gegenüber der Ersatzkasse begründen wollen, hätte er dieses entsprechend und klar erkennbar regeln können.

Das ist indes nicht geschehen, auch nicht durch die Schaffung des im Jahre 1980 noch geltenden § 150 Abs 2 AVG. Nach dieser Vorschrift wurde bestraft, wer als Mitglied einer Ersatzkasse Beitragsteile, die er von seinem Arbeitgeber oder Auftraggeber erhalten hatte, der berechtigten Kasse vorenthielt. § 150 AVG hatte seine hier in Betracht kommende Fassung durch Art 253 Nr 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2. März 1974 (BGBl I S 469, 619) erhalten. Durch Art 252 Nr 18 und Nr 48 EGStGB (aaO S 613/614 und S 617) sind mit § 529 Abs 2 RVO für die Krankenversicherung sowie mit § 1428 Abs 2 RVO für die Rentenversicherung der Arbeiter dem § 150 Abs 2 AVG nahezu wortgleiche Vorschriften eingeführt worden. Im Regierungsentwurf war eine solche Strafvorschrift als § 533 RVO nur für die Krankenversicherung vorgesehen (Art 233 Nr 21, BT-Drucks 7/550, S 154), während in § 1428 des Entwurfs (Art 233 Nr 46, BT-Drucks 7/550, S 156) für die Arbeiterrentenversicherung und in § 150 des Entwurfs (Art 234 Nr 5, BT-Drucks 7/550, S 158) für die Angestelltenversicherung die entsprechende Geltung des § 533 RVO vorgesehen war. Ob bei einer nur entsprechenden Geltung ein Arbeitnehmer wegen Vorenthaltens von Rentenversicherungsbeiträgen strafbar gewesen wäre, obwohl die Regelung über die Beitragsentrichtung zu diesem Versicherungszweig mit der über die Entrichtung der Krankenversicherungsbeiträge nicht übereinstimmte, hätte fraglich sein können. Während der Ausschußberatungen hat dann der Sonderausschuß des Bundestages für die Strafrechtsreform die Art 233 bis 236 des Regierungsentwurfs in der Fassung einer Arbeitsgruppe angenommen (Protokoll der 17. Sitzung des Sonderausschusses vom 17. Oktober 1973, S 734). In dieser Fassung wurde nunmehr nicht mehr die entsprechende Geltung des § 533 RVO des Entwurfs (§ 529 des Gesetzes) für die Rentenversicherung angeordnet, sondern der Inhalt des § 533 RVO in § 1428 RVO und in § 150 AVG nahezu wortgleich wiederholt (vgl die Synopse aaO S 903/904 und S 908). Eine Begründung dafür ist den Protokollen nicht zu entnehmen. Möglicherweise ist die ursprünglich vorgesehene Regelung wegen des im Strafrecht geltenden Analogieverbots (vgl Art 103 Abs 2 des Grundgesetzes und § 1 des StGB) als bedenklich erschienen und dann bei der Neufassung übersehen worden, daß der Beitragseinzug in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung nicht übereinstimmend geregelt ist.

Hiernach bestehen schon erhebliche Zweifel daran, daß der Gesetzgeber, als er den genannten Straftatbestand schuf, von einer - bis dahin nach der Rechtsprechung des BSG gegenüber der Ersatzkasse nicht bestehenden - Beitragsschuldnerschaft des Arbeitnehmers auch hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung ausgegangen ist. Jedenfalls hatte der Gesetzgeber eine solche Vorstellung nicht zum Anlaß genommen, das einschlägige Beitragsrecht zu ändern. Daß in diesem Recht eine Änderung eingetreten sei, kann - entgegen der Ansicht des LSG - auch nicht damit begründet werden, daß der Straftatbestand des Vorenthaltens von Beiträgen ein echtes Unterlassungsdelikt ist. Dieses geht zwar bei einer strafrechtlichen Betrachtungsweise gedanklich von einer bestehenden Handlungspflicht des Täters aus. Eine solche, dem Straftatbestand zugrunde liegende Handlungspflicht reicht hier aber nicht aus, um darauf eine mittels eines Verwaltungsakts durchsetzbare Beitragszahlungspflicht des Versicherten gegenüber der Ersatzkasse zu gründen.

Dieses gilt auch für den vom LSG herangezogenen § 266a Abs 3 StGB, der durch Art 1 Nr 11 des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 (BGBl I S 721) eingeführt worden ist und den § 150 Abs 2 AVG ersetzt hat. Die neue Vorschrift galt in der Zeit, um die es hier geht (24. September bis 31. Dezember 1980), noch nicht. Davon abgesehen würde aber auch die Äußerung im Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, nach der Abs 2 des § 266a StGB ein untreueähnliches Verhalten des Arbeitgebers betreffe, es aber in Abs 1 (und ähnlich bei Abs 3) um den Schutz der Solidargemeinschaft gehe (BT-Drucks 10/5058, S 31 zu Art 1 Nr 5 - § 266a StGB -), nicht ausreichen, um daraus eine beitragsrechtliche Grundlage für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch die Ersatzkasse zu entnehmen. Dieses nunmehr, dh nach dem Inkrafttreten des § 266a Abs 3 StGB, erstmals zu tun, wäre auch insofern bedenklich, als im Regierungsentwurf zu dem genannten Gesetz der Strafnorm bei Mitgliedern von Ersatzkassen nur eine weniger große Bedeutung beigemessen und auch eine - Gesetz gewordene - erhebliche Herabsetzung der Höchststrafe befürwortet wurde (vgl BT-Drucks 10/318, S 30).

Bei der demnach vom Senat für zutreffend gehaltenen Lösung, daß die Ersatzkasse hier die Beiträge zur Rentenversicherung nur vom Arbeitgeber fordern kann, läuft die Strafnorm keineswegs leer. Auch wenn ihr eine Rechtsgrundlage für eine Beitragsforderung gegen den Arbeitnehmer nicht entnommen werden kann, ist sie geeignet, den Arbeitnehmer anzuhalten, vom Arbeitgeber empfangene Beiträge an die Ersatzkasse weiterzuleiten und dadurch den Arbeitgeber tatsächlich davor zu schützen, von der Ersatzkasse auf Zahlung von Beiträgen in Anspruch genommen zu werden, obwohl er sie schon an den Arbeitnehmer gezahlt hat. Es kann schließlich nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Auffassung des Senats führe zu einem gespaltenen Beitragseinzug hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung einerseits und zur Rentenversicherung andererseits. Dieses trifft zwar zu, liegt aber in der Verschiedenheit der gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Versicherungszweigen begründet. Im übrigen würde die vom LSG befürwortete Gesamtschuldnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht in das bisherige gesetzliche System der Beitragsschuldnerschaft bei versicherungspflichtigen Arbeitnehmern passen. Dieses stellt den Einzugsstellen jeweils nur einen Beitragsschuldner gegenüber. Soweit neben dem Beitragsschuldner ein anderer für Beiträge haftet, ist dieses ausdrücklich - und nur auf der Arbeitgeberseite - etwa in § 393 Abs 3 RVO geregelt, der nach § 118 Abs 1 Satz 2 AVG (§ 1396 Abs 1 Satz 2 RVO) auch in der Rentenversicherung gilt. Eine solche spezielle Regelung des Gesetzgebers kann nicht allein durch die Rechtsprechung über die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf andere Sachverhalte ausgedehnt und damit verallgemeinert werden.

Da sich die Revision des Klägers, soweit zulässig, hiernach auch als begründet erwies, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung und die darauf entfallenden Nebenforderungen zurückzuweisen. Im übrigen, dh hinsichtlich der Beiträge zur Kranken- und zur Arbeitslosenversicherung, war die Revision dagegen als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger hat im gesamten Rechtsstreit hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung obsiegt und ist wegen der Beiträge zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung unterlegen. Da der Bevollmächtigte des Klägers auch nach rechtskräftiger Entscheidung über die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung im zweiten Revisionsverfahren wiederum beantragt hat, den angefochtenen Bescheid in vollem Umfang aufzuheben, hat der Senat dem Kläger auch für das zweite Verfahren vor dem LSG und dem BSG nur die Erstattung der Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zugestanden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663963

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