Leitsatz (amtlich)

1. Die in der Schweiz aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrages vom Arbeitgeber gezahlten Kinderzulagen sind - nach den im Kanton Basel-Stadt geltenden gesetzlichen Vorschriften - mit dem Kindergeld iS des BKGG § 8 Abs 1 Nr 2 "vergleichbar" und schließen den Anspruch auf deutsches Kindergeld aus. GG Art 3 ist insoweit nicht verletzt.

2. Diesem Ergebnis stehen das deutsch-schweizerische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 1964-02-25 bzw Nr 12 des Schlußprotokolls nicht entgegen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kinderzulagen verlieren auch dann nicht ihren Charakter als vergleichbare Leistungen, wenn sie zur Befreiung von einer gesetzlichen Verpflichtung einem deutschen Arbeitnehmer von einem schweizerischen Arbeitgeber aufgrund eines anerkannten Gesamtarbeitsvertrages (Tarifvertrages) gezahlt werden. Freiwillige kindbezogene Leistungen, die von schweizerischen Arbeitgebern gezahlt werden und jederzeit wieder gestrichen werden können, sind keine Ausschlußleistungen in diesem Sinne.

2. Für den Ausschluß des Kindergeldanspruchs ist eine Personenidentität zwischen dem Antragsteller und dem Empfänger der für dasselbe Kind gezahlten vergleichbaren ausländischen Leistung nicht notwendig.

 

Normenkette

BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1974-08-05; SozSichAbk CHE Art. 27 Fassung: 1964-02-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.09.1976; Aktenzeichen L 5 Kg 1475/75)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 11.09.1975; Aktenzeichen S 7c Kg 1018/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. September 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrages in der Schweiz in einen deutschen Arbeitnehmer gezahlte Kinderzulage den Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ausschließt.

Die Klägerin, die zusammen mit ihrem Ehemann ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, ist die Mutter des gemeinsamen Kindes M, geboren am 8. Oktober 1974. Der Ehemann der Klägerin ist in Basel bei der B Versicherungs-Gesellschaft AG - angeblich überwiegend - beschäftigt und erhält eine Kinderzulage aufgrund eines anerkannten Gesamtarbeitsvertrages (GAV), die 1975 70,- Schweizer Franken und ab 1. Januar 1976 80,- Schweizer Franken betrug. Der im November 1974 von der Klägerin beim Arbeitsamt Lörrach gestellte Antrag, ihr ab 1. Januar 1975 Kindergeld zu gewähren, wurde mit Bescheid vom 25. November 1974 abgelehnt, da ihr Ehemann für das Kind außerhalb des Geltungsbereiches des BKGG eine vergleichbare Leistung erhalte. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. (Widerspruchsbescheid vom 24.4.1975; Sozialgerichts-Urteil vom 11.9.1975). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat im Urteil vom 7. September 1976 u.a. ausgeführt, die an den Ehemann der Klägerin gezahlte Kinderzulage schließe einen Anspruch auf Kindergeld aus, weil sie keine freiwillige Zuwendung sei. Sie beruhe auf gesetzlicher Verpflichtung des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern, denn in der Schweiz hätten alle Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Kinderzulage. Von der Unterstellung unter das Gesetz seien manche Arbeitgeber zwar ausgenommen, diese müßten aber einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, der nur anerkannt werde, wenn er die Gewährung von Kinderzulage in gesetzlicher Mindesthöhe vorsehe. Auch eine höhere freiwillige Leistung gelte als eine gesetzliche. Diese diene auch dem gleichen Zweck wie das Kindergeld, nämlich dem Familienlastenausgleich. Die Klägerin müsse die Schweizer Kinderzulage auch nicht versteuern. § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Da die Kinderzulage mit 70 sfr höher sei als das deutsche Kindergeld von 50,- DM, greife die Ausnahmebestimmung des § 8 Abs 2 BKGG nicht ein.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt Verfahrensfehler und meint weiter, das LSG habe verkannt, daß ihr Ehemann als Arbeitnehmer von Basel-Stadt keinen gesetzlichen Anspruch auf Kinderzulage habe; ein unabhängiges Gutachten würde dies bestätigt haben. Auch treffe es nicht zu, daß alle Arbeitnehmer in der Schweiz einen Anspruch auf Familienzulagen hätten. Die Auskunft des Bundesamts für Sozialversicherung in Bern sei falsch. Kinderzulagen von Grenzgängern würden lediglich aus "Billigkeitsgründen" steuerfrei belassen. Notfalls solle das Verfahren bis zur Klärung der Steuerpflicht ausgesetzt werden. Außerdem sei die Kinderzulage nicht mit dem Kindergeld vergleichbar, da sie nicht aus Steuermitteln, sondern von dem Arbeitgeber aufgebracht werde. Sie werde nicht "gewährt" wie das Kindergeld, sondern sei leistungsunabhängiger Gehaltsbestandteil. Ferner verstoße der Ausschluß der Klägerin von der Kindergeldzahlung gegen das Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz vom 25. Februar 1974 (vgl Art 27 Abs 3 des Abkommens). sowie gegen Art 3 GG. Der Vater sei nicht ausschließlich in der Schweiz tätig, weshalb nur die Vorschriften des BKGG anzuwenden seien. Die in der Bundesrepublik tätigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberfirma erhielten deutsche und schweizerische Kindergeldleistungen; hätte das LSG dies aufgeklärt, so hätte es eine Verletzung des Art 3 GG bejahen müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 7. September 1976 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. September 1975 sowie den Bescheid des Arbeitsamts L vom 25. November 1974 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für das Kind Milena ab 1. Januar 1975 monatlich 50,- DM als Kindergeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das deutschschweizerische Sozialversicherungsabkommen erfasse nur landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern. Der deutsche Tochterbetrieb sei ein selbständiges Unternehmen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Klägerin meint, das LSG hätte den Sachverhalt hinsichtlich des Umfangs der Beschäftigung ihres Ehemannes in der Schweiz sowie in bezug auf die Zahlungen von Kinderzulagen an die in Deutschland tätigen Arbeitnehmer der B Versicherungs-Gesellschaft AG näher aufklären müssen. Hiermit will sie offenbar einen Verstoß gegen § 103 Satz 1 SGG rügen. Diese Bestimmung ist jedoch nicht verletzt. Das LSG hat sich zu solchen weiteren Ermittlungen nicht gedrängt fühlen müssen, denn nach seinem Rechtsstandpunkt kam es hierauf nicht an. Ebensowenig war es rechtsfehlerhaft, daß das LSG seiner Entscheidung die Auskunft des Schweizer Bundesamtes für Sozialversicherung vom 2. Juli 1975 zugrunde gelegt und nicht ein - von der Revision für erforderlich gehaltenes - Gutachten über den Schweizer Rechtszustand eingeholt hat. Die Beurteilung der Auskunft war Teil der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) des LSG, bei der Verstöße gegen die Denkgesetze oder sonstige Rechtsfehler nicht zu erkennen sind.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für ihre Tochter Milena hat. Nach § 1 Nr 1 BKGG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung vom 31. Januar 1975 (BGBl I S. 412/413) hat Anspruch auf Kindergeld u.a. für seine ehelichen Kinder (§ 2 Abs 1 Ziff 1 BKGG), wer im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, daß diese Vorschrift auf die Klägerin keine Anwendung findet, weil für sie der Ausschlußtatbestand des § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG eingreift. Danach wird Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs 1 BKGG berücksichtigt wird, außerhalb der Bundesrepublik und West-Berlins dem Kindergeld vergleichbare Leistungen erhält. Die Zahlungen der Kinderzulage des Schweizer Arbeitgebers des Ehemannes der Klägerin an diesen stellen eine vergleichbare Leistung i S dieser Bestimmung dar.

Ohne Bedeutung ist es, daß diese Zahlungen nicht an die Klägerin selbst, sondern an ihren das hier streitige Kindergeld nicht beanspruchenden Ehemann erfolgen. § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG stellt nach seinem Wortlaut allein darauf ab, daß vergleichbare Leistungen "einer" nach § 2 Abs 1 berechtigten "Person" zustehen. Die Zahlung an einen Elternteil schließt dann jeden Kindergeldanspruch für dieses Kind aus, auch den Anspruch des anderen Elternteils. Das ergibt sich aus der allgemeinen Regelung des § 3 Abs 1 BKGG, wonach für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gewährt wird. Erhält diese eine vergleichbare ausländische Leistung, ist damit jeder andere Kindergeldanspruch für dieses Kind ausgeschlossen (vgl Wickenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz, Stand November 1976, Rdnr 3 zu § 8; vgl auch BSGE 32, 46, 47 zu dem mit dem 1.1.1975 weggefallenen § 7 Abs 1 Nr 3 BKGG; sowie BSGE 30, 31, 33).

Das LSG hat zutreffend angenommen, daß die dem Ehemann der Klägerin gezahlten Kinderzulagen vergleichbare Leistungen iS von § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG sind. Dies sind solche, die ihrem Zweck nach dem deutschen Kindergeld entsprechen und die aufgrund gesetzlicher Regelungen gezahlt werden. Das ergibt sich aus dem den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Sinn des § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG. Diese Vorschrift ist der Bestimmung des § 3 Abs 2 Nr 9 des Kindergeldgesetzes vom 13. November 1954 (KGG) in der durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften der Kindergeldgesetze vom 27. Juli 1957 - BGBl I S 1061 - (KGÄndG) eingefügten Fassung nachgebildet. In der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung zu diesem KGÄndG heißt es dazu (Bundestagsdrucksache II/3490 S 10/11): "Für die Kinder von Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz erfüllen, werden - insbesondere auf Grund der mit verschiedenen Nachbarstaaten getroffenen Regelungen für Grenzgänger - unter Umständen gleichzeitig Leistungen auf Grund der Gesetzgebung der Nachbarstaaten gewährt. Es entspricht dem Grundsatz des § 3 Abs 1 Satz 1 des Kindergeldgesetzes, wonach Kindergeld nur einmal zu gewähren ist, wenn der Entwurf den Anspruch auf Kindergeld in diesen Fällen ausschließt." Durch den Hinweis auf § 3 Abs 1 KGG kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzentwurf dann eine ausländische Leistung als ausreichend für den Anspruchsausschluß nach dem KGG ansah, wenn sie nach ihrem Zweck "Kindergeld" darstellte, da anderenfalls Kindergeld mehr als einmal gewährt würde. Daß die Zahlungen im Ausland aufgrund gesetzlicher Regelungen erfolgen mußten, d.h. nicht allein auf vertraglicher Vereinbarung oder freiwilliger Verpflichtung beruhen durften, um anspruchsausschließend zu wirken, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt; jedoch ergibt sich dies einmal aus dem Wort "vergleichbar" und zum anderen ist es in der oben zitierten Entwurfsbegründung durch die Bezugnahme auf die "Gesetzgebung der Nachbarstaaten" hinreichend klargestellt. In der Begründung des Entwurfs zum BKGG (Bundestagsdrucksache IV/818) ist zwar zu § 8 Abs 1 Nr 4 (jetzt Nr 2 BKGG) lediglich gesagt, daß diese Vorschrift § 3 Abs 2 Nr 9 KGG entspricht (aaO S 16). Zu § 7 BKGG heißt es aber dann eindeutig, ein Anspruch auf Kindergeld solle ausgeschlossen sein, "wenn für das Kind bereits auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Leistungen gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind (vgl § 8)" (aaO S 15). Hier wurde somit nochmals als Voraussetzung für die Vergleichbarkeit darauf abgestellt, daß die ausländischen Zahlungen auf Grund der Gesetzgebung der ausländischen Staaten gewährt werden müssen, woraus sich ergibt, daß freiwillige Leistungen, die von Unternehmern gezahlt werden, nicht darunter fallen (so zutreffend auch Wickenhagen/Krebs, aaO, Rdnr 5 zu § 8).

Die an den Ehemann der Klägerin für das gemeinsame Kind Milena gezahlte Kinderzulage ist eine dem deutschen Kindergeldrecht vergleichbare Leistung im obigen Sinne. Zwar ist bei der Entscheidung dieser Frage ausländisches Recht heranzuziehen, dessen Auslegung dem Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist (§ 162 SGG). Der Senat sieht sich jedoch mit Rücksicht auf das Revisionsvorbringen veranlaßt, die vom LSG vorgenommene Auslegung näher zu erläutern. Im übrigen ist die Frage, ob die vom LSG festgestellte ausländische Leistung dem Kindergeld i S der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG "vergleichbar" ist, vom erkennenden Senat uneingeschränkt zu prüfen. Zu Recht hat das LSG festgestellt, daß der Zweck der beiden Leistungen derselbe ist. Mit dem deutschen Kindergeld soll der durch Kinder bedingte erhöhte finanzielle Mehraufwand einer Familie zumindest teilweise ausgeglichen werden (BSGE 26, 160, 162 mwN). Die Kindergeldgesetze dienen somit dem sozialpolitischen Zweck eines "Familienlastenausgleichs" (BVerfG in SozR Nr 63 zu Art 3 GG). Dasselbe gilt für die Zahlung der Kinderzulagen in der Schweiz. Sie haben den Zweck, die Erfüllung der Unterhaltspflicht zu erleichtern (Vasella, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung, 1961, 14, 30), also die mit dem Unterhalt der Kinder verbundenen finanziellen Lasten zu vermindern; sie haben somit ebenfalls familienpolitischen Charakter (Vasella, aaO, S 29; vgl auch Lüthi, Arbeitsrecht und Sozialversicherung, Bern 1974, S 103). Dieses wird verdeutlicht durch das an dem Beschäftigungsort des Ehemannes der Klägerin geltende Gesetz von Basel-Stadt über Kinderzulagen für Arbeitnehmer vom 12. April 1962 idF vom 13. November 1975 (KZLG). Hierin heißt es eingangs: "Der Große Rat, in der Absicht, die Familienlasten teilweise auszugleichen, ohne daß dadurch der Leistungslohn beeinträchtigt wird, erläßt auf den Antrag des Regierungsrates folgendes Gesetz:".

Die an den Ehemann der Klägerin gezahlten Kinderzulagen werden auf Grund gesetzlicher Vorschriften gewährt und sind deshalb auch aus diesem Grund dem Kindergeld nach dem BKGG vergleichbar. Das LSG hat hierzu auf Grund einer Auskunft des Schweizer Bundesamtes für Sozialversicherung vom 2. Juli 1975 ausgeführt, es bestünden ausnahmslos in allen Kantonen der Schweiz gesetzliche Regelungen über Familienzulagen (Kinderzulagen) für alle Arbeitnehmer. Ob dies zutrifft, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles unwesentlich, denn hier ist allein von Bedeutung, ob der Ehemann der Klägerin für das Kind Milena eine Kinderzulage erhält, die auf gesetzlicher Vorschrift beruht. Nach dem KZLG ist dies der Fall. Nach § 3 Abs 1 KZLG besitzen alle Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber diesem Gesetz unterstehen, Anspruch auf Kinderzulagen für ihre in der Schweiz oder im Ausland lebenden Kinder. Der Begriff des Arbeitnehmers richtet sich nach den Vorschriften der Eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung. Hiernach ist der Ehemann der Klägerin Arbeitnehmer, denn er leistet Arbeit in unselbständiger Stellung (Art 5 Abs 1, 2; Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung - AHVG - vom 20. Dezember 1946). Nach § 1 KZLG unterstehen diesem Gesetz alle Arbeitgeber, die im Kanton B-Stadt ihren Geschäftssitz, eine Zweigniederlassung oder eine Betriebsstätte haben und darin Arbeitnehmer beschäftigen. Die B Versicherungs-Gesellschaft AG, bei der der Ehemann der Klägerin tätig ist, ist Arbeitgeber in diesem Sinne, denn sie "richtet obligatorisch versicherten Personen Arbeitsentgelte aus" (Art 12 Abs 1 AHVG iVm § 1 Satz 2 KZLG). - Daß der Ehemann (seit 1975 als Prokurist) "Arbeitnehmer" ist, ergibt sich eindeutig aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag (vgl Art 2,3,4,5,6, 7 und 8). Der gesetzliche Kinderzulagenanspruch des Ehemannes der Klägerin beträgt nach den Feststellungen des LSG 70 Schweizer Franken (ab 1. Januar 1976 mindestens 80,- Franken - § 5 KZLG).

Die Klägerin meint zu Unrecht, ihr Ehemann erhalte deshalb keine vergleichbaren Leistungen iS von § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG, weil die Kinderzulage von seinem Arbeitgeber auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages (vgl Art 9 Abs 6, Nachtrag 3 Nr 3) gezahlt, sie also nicht von einer staatlichen Stelle "gewährt" werde. Der im Gesetz verwendete Begriff "gewähren" bedeutet indessen nicht, daß nur staatliche Leistungen den Anspruch auf deutsches Kindergeld ausschließen. Zwar ist es richtig, daß nach allgemeinem Sprachgebrauch "gewähren" hauptsächlich im Zusammenhang mit hoheitlichen Leistungen verwendet wird. Der Gesetzgeber hat diese Wortwahl offenbar in Anlehnung an die derzeitige deutsche Kindergeldregelung getroffen. Nach dem Zweck des § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG liegt aber der Schwerpunkt der Regelung nicht auf dem Wort "gewähren", sondern auf dem Begriff "vergleichbar", denn die Regelung soll verhindern, daß Kindergeld für ein Kind aufgewendet wird, für das entsprechende Leistungen bereits gezahlt werden, eine Notwendigkeit für eine Minderung der finanziellen Familienlast deshalb nicht besteht. Da es in erster Linie auf die Tatsache der Zuwendung anderweitiger Geldbeträge zu demselben Zweck ankommt, ist in dieser Vorschrift die Rechtsnatur der auszahlenden Stelle von untergeordneter Bedeutung. Auch eine nicht von einem staatlichen ausländischen Organ zu diesem Zweck gezahlte Leistung ist deshalb "vergleichbar" iS von § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG, wenn sie auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht.

Dies ist auch bei den Leistungen der Fall, die der Ehemann der Klägerin von seinem Arbeitgeber auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages erhält. Hierbei handelt es sich nicht um freiwillige oder auf privatrechtlicher Vereinbarung beruhende Zuwendungen, etwa vergleichbar den von der Klägerin genannten "Kinderzuschlägen", die angeblich an die in Deutschland tätigen Arbeitnehmer des Zweigbetriebes auf Grund eines Tarifvertrages mit der Gewerkschaft neben dem deutschen Kindergeld gezahlt werden. Da es sich dabei um nicht vergleichbare Zahlungen handelt, kann dahinstehen, ob es sich dort um eine "unselbständige" Betriebsstätte oder um ein "rechtlich selbständiges Unternehmen" (so die Revisionsbeklagte) handelt. Nach § 9 KZLG wird der - den Arbeitnehmern zustehende (auf Gesetz beruhende) - Anspruch auf Kinderzulagen entweder über einen Gesamtarbeitsvertrag oder durch eine Familienausgleichskasse erfüllt. In § 10 Abs 1 KZLG heißt es: "Gesamtarbeitsvertragliche Bestimmungen über Kinderzulagen werden vom Regierungsrat auf Gesuch der beteiligten Vertragsparteien als Erfüllung dieses Gesetzes anerkannt, wenn....". Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Arbeitnehmer - und damit auch der Ehemann der Klägerin - einen gesetzlich abgesicherten Anspruch auf Kinderzulage haben. Hieran ändert, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch § 8 Abs 1 KZLG nichts, in dem es heißt: "Es besteht kein Anspruch auf Kinderzulagen gemäß diesem Gesetz, wenn für das gleiche Kind ein Anspruch auf die volle Kinderzulage... gemäß einem vom Regierungsrat anerkannten Gesamtarbeitsvertrag vorgeht."

Diese Vorschrift stellt lediglich sicher, daß die Kinderzulage nur einmal gezahlt wird und regelt die Reihenfolge etwaiger Ansprüche. Durch sie werden aber die Ansprüche der Arbeitnehmer auf die auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages zu zahlende Kinderzulage nicht zu solchen privatrechtlicher Natur, vergleichbar den genannten Sozialzulagen nach deutschen Tarifverträgen. Durch die §§ 9, 10 KZLG ist gewährleistet, daß jeder Arbeitnehmer den in § 5 KZLG genannten Mindestbetrag erhält. Der wesentliche Unterscheid zu den oben erwähnten tariflichen "Kinderzuschlägen" besteht darin, daß jeder Arbeitnehmer für den Fall, daß in einem Gesamtarbeitsvertrag eine bisher geregelte Kinderzulagenzahlung nicht mehr enthalten sein sollte, kraft Gesetzes einen Anspruch auf diese Leistung behält, dann erfüllbar durch die Familienausgleichskasse, während frei vereinbarte Sozialzulagen gegebenenfalls ersatzlos wegfallen können. Die Klägerin kann ihre Auffassung auch nicht damit begründen, daß nach § 8 Abs 1 Ziff. 3 BKGG lediglich die Zahlung von Kinderzuschlag auf Grund von tariflichen Vorschriften für den Bereich des öffentlichen Dienstes den Anspruch auf Kindergeld ausschließe, so daß Leistungen nach anderen Tarifverträgen nicht anrechenbar seien. Dieses ist zwar richtig; die Klägerin läßt aber außer acht, daß der hier anzuwendende § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG Sachverhalte betrifft, die mit der Ziff 3 nichts zu tun haben. Bei ausländischen Leistungen kommt es allein auf die Vergleichbarkeit an, unabhängig davon, ob entsprechende Zahlungen in Deutschland ebenfalls anrechenbar wären. Außerdem ergibt sich aus dem Ausgeführten, daß sich die genannten deutschen tariflichen Sozialzulagen von den dem Ehemann der Klägerin gewährten Leistungen wesentlich unterscheiden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert sich an dem Ergebnis nichts durch die sich vom deutschen Rechtszustand unterscheidende Schweizer Regelung über die Aufbringung der Mittel für die Kinderzulagen und die Modalitäten der Auszahlung. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Zahlung durch die Arbeitgeber - sei es "für" die Familienausgleichskasse des Kantons (vgl § 4 Abs 2 des Reglements über die Familienausgleichskasse des Kantons Basel-Stadt vom 22. Dezember 1956) oder für eine andere anerkannte Sozialeinrichtung (§ 12 KZLG) oder schließlich auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages - der Kinderzulage nicht den Charakter eines leistungsunabhängigen Gehaltsbestandteiles gilt. Die Arbeitgeber erfüllen vielmehr Pflichten, die ihnen der Gesetzgeber des Kantons zur Verwirklichung seiner im Eingang des KZLG genannten Absicht, Familienlasten auszugleichen, auferlegt hat. Durch die Regelung solcher Zahlungen in einem anerkannten Gesamtarbeitsvertrag werden die von diesem Vertrag erfaßten Arbeitgeber von der Entrichtung der Arbeitgeberbeiträge (§ 15 KZLG) entbunden. Zu Lohnbestandteilen - wie etwaige in Deutschland gezahlte Sozialzulagen - werden die Kinderzulagen aber dadurch nicht.

Daß die Aufbringung der Mittel in der Schweiz allein durch die Arbeitgeber erfolgt (§ 15 KZLG), während das Kindergeld in der Bundesrepublik aus Steuermitteln gezahlt wird, ändert an der Vergleichbarkeit ebenfalls nichts. Die Art der Finanzierung beeinflußt nicht den Zweck der Kinderzulagen. Dem Gesetzgeber bleibt es bis zu einem gewissen Grade selbst überlassen zu entscheiden, wie er die Aufbringung der Mittel für gesetzlich festgelegte Leistungen regelt. Auch in der Bundesrepublik hat sich die Finanzierung des Kindergeldes im Laufe der Zeit geändert. Unter der Geltung des KGG vom 13. November 1954 wurde das (erst) vom 3. Kind an zu zahlende Kindergeld - ähnlich wie heute noch in der Schweiz - in der Hauptsache von den Unternehmern (Arbeitgebern) aufgebracht (§ 10 Abs 1 KGG). Das durch das Kindergeld-Kassengesetz von 18. Juli 1961 - BGBl I S 1001 - (KGKG) eingeführte Kindergeld für das 2. Kind trug der Bund (§ 20 KGKG), so daß es eine Zeitlang nebeneinander unterschiedliche Finanzierungssysteme für Kindergeld gab. Erst seit Inkrafttreten des BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I S 265) wird das Kindergeld einheitlich aus Steuermitteln gezahlt (§ 16). Der Zweck der Zahlungen (Familienlastenausgleich) hat sich aber während der gesamten Zeit nicht geändert.

Wie die Klägerin selbst ausgeführt hat, ist auch die steuerrechtliche Einstufung der Kinderzulagen für die hier zu entscheidende Frage ohne wesentliche Bedeutung. Ob eine im Ausland gezahlte Leistung mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar ist, beurteilt sich allein nach den oben näher erläuterten Kriterien. Weder kann eine nicht vergleichbare ausländische Zahlung deshalb zum Anspruchsausschluß führen, weil sie ebenso wie das Kindergeld nicht versteuert wird, noch würde umgekehrt trotz einer vergleichbaren Leistung ein Kindergeldanspruch dem Grunde nach bestehen, weil die ausländische Kinderzulage etwa versteuert wird. Wäre letzteres der Fall, so könnte dies allenfalls für die Frage der "Höhe" der vergleichbaren Leistung möglicherweise von Bedeutung sein (vgl § 8 Abs 2 BKGG). Darum geht es aber im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Somit kann dahinstehen, ob die Auffassung der Klägerin richtig ist, die an ihren Ehemann gezahlte Kinderzulage sei entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung doch Teil des zu versteuernden Einkommens; denn tatsächlich wird sie nicht versteuert. Der Senat vermag der Ansicht der Revision, § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG verstoße gegen Art 3 GG, nicht zu folgen. Wie ausgeführt, soll das BKGG die durch den Unterhalt der Kinder anfallenden finanziellen Familienlasten auf Kosten der allgemeinen Steuermittel in gewissem Umfang ausgleichen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - in SozR Nr 61 zu Art 3 GG, Ab 51). Schließt der Gesetzgeber einen Personenkreis von der Kindergeldzahlung aus, so ist im Rahmen des Art 3 GG lediglich zu prüfen, ob es für diese Differenzierung einen sachlich einleuchtenden Grund gibt, wobei die dem Gesetzgeber zustehende große Gestaltungsfreiheit zu beachten ist (BVerfG in SozR aaO Ab 51 Rs; vgl auch BVerfG in Deutsches Steuerrecht 1977, 51, 54). Ob eine andere Regelung sozialpolitisch sinnvoller und zweckmäßiger wäre, hat das Gericht im Rahmen des Art 3 GG nicht zu beurteilen (BVerfG in SozR Nr 89 zu Art 3 GG, Ab 87). Die in § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG vorgenommene Differenzierung ist sachlich einleuchtend. Der in dieser Bestimmung genannte Personenkreis unterscheidet sich von demjenigen, der Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG hat, durch den Empfang ausländischer vergleichbarer Leistungen. Bei diesen Personen besteht deshalb kein Anlaß, auf Kosten der Allgemeinheit Familienlasten zusätzlich teilweise auszugleichen. Der Gesetzgeber will nur die Familien mit Kindern erfassen, die nicht schon auf andere Weise einen gesetzlich abgesicherten Ausgleich für die durch die Kinder bedingten besonderen finanziellen Lasten erhalten. Werden entsprechende Zahlungen durch ausländische Stellen gewährt, ist ein Bedürfnis für einen Ausgleich in dem durch das BKGG festgelegten Umfang nicht vorhanden. Deshalb hat das Kindergeld zu Recht nur subsidiären Charakter (BVerfG in SozR Nr 63 zu Art 3 GG, Ab 55 Rs). - Da sich die dem Ehemann der Klägerin gewährten Kinderzulagen von den zusätzlichen Beträgen, die den in Deutschland tätigen Arbeitnehmern des Basler Zweigbetriebes gezahlt werden, im oben dargelegten Sinne wesentlich unterscheiden, ist auch insoweit eine unterschiedliche Regelung bezüglich der Anrechnung ausländischer Leistungen einleuchtend.

Nach alledem ist der Kindergeldanspruch der Klägerin durch § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG ausgeschlossen.

Der Klageanspruch kann schließlich auch nicht auf das deutschschweizerische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 gestützt werden (vgl Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten von Plöger/Wortmann Stand Jan. 1977; Gesetz vom 15. September 1965, BGBl II S 1293). Wie alle Abkommen dieser Art regelt auch dieses in der Hauptsache die Rechtsstellung von Angehörigen einer Vertragspartei gegenüber der anderen Vertragspartei, also hier etwaige Ansprüche auf Schweizer Kinderzulagen deutscher Arbeitnehmer, die in der Schweiz tätig sind, aber in Deutschland ihren Familienwohnsitz haben. Dies ergibt sich für Kinder aus Art 27 Abs 1 des Abkommens. Hier dagegen ist die Zahlung von deutschem Kindergeld für ein in Deutschland lebendes Kind streitig. Insoweit gelten allein die deutschen Gesetze, hier das BKGG. Abgesehen von dem Umstand, daß das Abkommen nur auf Kinderzulagen Anwendung findet, die nach schweizerischen bundesrechtlichen Vorschriften gezahlt werden (vgl Art 1 Ziff 5, Art 2 Ziff 2d des Abkommens), also nicht auf kantonal geregelte Leistungen, wie sie der Ehemann der Klägerin erhält, ergibt sich aus dem Abkommen nichts darüber, daß solche Leistungen keinen Einfluß auf entsprechende deutsche Ansprüche haben sollen. Das gilt auch für Nr. 12 des Schlußprotokolls und den früheren Abs 3 des Artikels 27 des Abkommens, auf den sich die Klägerin bezieht, ganz abgesehen davon, daß die letztere Vorschrift nur dann Bedeutung hatte, wenn für denselben Zeitraum gegen beide Vertragsparteien ein Anspruch bestand. Das ist hier gerade nicht der Fall. Hier gelten also allein die innerstaatlichen Konkurrenzregelungen des § 8 Abs 1 Ziff 2 BKGG. Deshalb kann auch dahinstehen, ob der Ehemann der Klägerin "überwiegend" oder "ausschließlich" in der Schweiz beschäftigt ist und ob der frühere Art 27 Abs 3 des Abkommens insoweit noch weiter gilt.

Die Revision war nach alledem mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652696

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