Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnungszeit. Ausbildung. Berufspraktikum. unvermeidliche Zwischenzeit. Gesamtausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Anrechnungszeit ist auch eine unvermeidliche, in organisationsbedingt typischer Weise begrenzte Zeit zwischen Fachschulstudium und versicherungspflichtigem Ausbildungspraktikum (Fortführung von BSGE 70, 220 = SozR 3-2600 § 252 Nr. 1).

 

Normenkette

SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 149 Abs. 5

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 09.12.1994; Aktenzeichen L 11 An 82/94)

SG Nürnberg (Entscheidung vom 26.04.1994; Aktenzeichen S 6 An 256/93)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Dezember 1994 wird zurückgewiesen,

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Vormerkung einer Anrechnungszeit.

Die 1967 geborene Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Nach dem Studium an der Fachakademie für Sozialpädagogik in N. legte sie am 29. Juli 1992 ihre – staatliche – Prüfung ab. In der Zeit vom 1. September 1992 bis 31. August 1993 nahm sie an einem gemäß der „Schulordnung für die Fachakademien für Sozialpädagogik”, erlassen vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, vorgeschriebenen versicherungspflichtigen Berufspraktikum teil. Dieses Berufspraktikum berechtigte sie nach Bestehen eines Colloquiums die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte Erzieherin” zu führen.

Die von der Klägerin im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens beantragte Anerkennung einer Anrechnungszeit zwischen dem Ende des Studiums an der Fachakademie und Beginn des Berufspraktikums für den Monat August 1992 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 1993 ab. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit der Begründung zurück, daß Zeiten zwischen einer Fachschulausbildung und einem versicherungspflichtigem Praktikum nicht berücksichtigungsfähig seien (Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 1993).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, den Monat August 1992 als Anrechnungszeit vorzumerken (Urteil vom 26. April 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 9. Dezember 1994). Es hat die Ansicht vertreten: Der streitige Zeitraum falle zwar nicht unter einen der in §§ 58, 252 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) beschriebenen Tatbestände. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch bereits wiederholt auch die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegende unvermeidliche Zwischenzeit der vorangegangenen Ausbildungszeit zugerechnet und als Anrechnungszeit anerkannt. Voraussetzung hierfür sei, daß Fach- oder Hochschulausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt begonnen worden seien und die generell unvermeidbare, organisationsbedingt typische Zwischenzeit nicht länger als die üblichen Schul- oder Semesterferien gedauert habe, also höchstens drei bis vier Monate. Das BSG habe eine derartige Zwischenzeit nicht nur zwischen zwei „Ausbildungsausfallzeiten” angenommen, die zu einer einheitlichen Ausbildung gehörten, sondern auch bei einer rentenrechtlich relevanten Übergangszeit zwischen Hochschulabschluß und Wehrdienst (Ersatzzeit) und zwischen Schulentlassung und Lehre. Ein vergleichbarer Fall liege hier vor. Die Klägerin habe nach Beendigung ihres Studiums mit ihrem Praktikum nicht vor September 1992 beginnen können, da im August – wie eine Auskunft der Fachakademie für Sozialpädagogik der Stadt N. ergeben habe – sämtliche sozialpädagogischen Einrichtungen gemäß der staatlichen Ferienordnung geschlossen gewesen seien.

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung von § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI und trägt vor:

Es sei eine Rechtsfrage rechtsgrundsätzlicher Art. ob eine Übergangszeit als Anrechnungszeit iS von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI zu berücksichtigen sei, wenn die der Übergangszeit folgende Zeit – wie hier – dem Grunde nach keine Ausbildung iS des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder des § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI sei, sondern – lediglich – eine sonstige Berufsausbildung.

Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Anerkennung einer beitragslosen Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Anrechnungszeit gebe es nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 70, 220 ff = SozR 3-2600 § 252 Nr. 1) sei entscheidend, ob es sich bei der der Übergangszeit folgenden Zeit um eine Ausbildung dem Grunde nach handele. Nicht ausreichend sei danach, daß die nachfolgende Ausbildung eine sonstige Berufsausbildung oder als solche anzusehen sei. Die Rechtsprechung habe klargestellt, daß eine lückenlose Erfassung von Ausbildungszeiten vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei. Vergleiche man § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI mit anderen gesetzlichen Regelungen (§ 1 Satz 1 Nr. 1, § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchst a, § 53 Abs. 2 SGB VI), in denen ausdrücklich von einer Ausbildung oder Berufsausbildung gesprochen werde, so zeige sich, daß der Gesetzgeber nicht alle Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten habe anerkennen wollen, sondern grundsätzlich nur diejenigen der Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung. Praktische Ausbildungsabschnitte zählten danach nicht zu den Anrechnungszeiten. Das Berufspraktikum diene dem Sammeln praktischer Erfahrungen und damit anderen Zwecken als die Fach- oder Hochschulausbildung. Wenn bereits nicht jede Ausbildungszeit eine Anrechnungszeit sei, dann könne erst recht nicht jede Lücke zwischen zwei Ausbildungszeiten, von denen eine keine Ausbildung iS von § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sei, als Anrechnungszeit anerkannt werden. Die von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme, nach der als Anrechnungszeit auch die unvermeidbare Zwischenzeit zwischen Schulabschluß und Beginn der Lehre vorzumerken sei, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie knüpfe an die frühere Rechtssituation an, wonach eine versicherungsfreie Lehre Anrechnungszeit sei, für eine versicherungspflichtige Lehrzeit habe insoweit kein Regelungsbedarf bestanden. Praktikantenzeiten seien keine Lehrzeiten iS von § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Das Berufspraktikum sei auch nicht in die Fachschulausbildung integriert gewesen, es sei ein selbständiger „Ausbildungsabschnitt”; die Zeit zwischen dem Studium und dem Praktikum sei daher nicht als Ausbildungs-/Anrechnungszeit vorzumerken. Hätte der Gesetzgeber eine Erweiterung der Anrechnungszeittatbestände auf unvermeidbare Zeiten zwischen Ausbildung und versicherungspflichtiger Beschäftigung für sozialpolitisch wünschenswert und notwendig erachtet, hätte er dies unmißverständlich im SGB VI regeln müssen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Dezember 1994 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. April 1994 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 9: Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1993 abzuweisen.

Die nicht vertretene Klägerin hat sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Zutreffend haben die Vorinstanzen die Beklagte zur Vormerkung der streitigen Anrechnungs-/Ausbildungszeit für den Monat August 1992 verpflichtet.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 149 Abs. 5 SGB VI iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Nach § 149 Abs. 5 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits geklärten Daten durch Bescheid fest. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden (Satz 2 aaO). Infolgedessen wird im Rahmen eines Vormerkungsverfahrens nur geprüft, ob der behauptete Anrechnungszeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Ob und in welchem Umfang diese Zeit sodann jeweils bei der Berechnung der Rente Berücksichtigung findet, kann erst bei Eintritt des Leistungsfalles entschieden werden (vgl. BSGE 49, 44, 46 = SozR 2200 § 1259 Nr. 44 S 119; BSGE 56, 151, 153 = SozR 2200 § 1259 Nr. 82 S 225).

Die Klägerin hat die Voraussetzungen für die Vormerkung einer Anrechnungszeit im og Zeitraum erfüllt (§ 149 Abs. 5 iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI). Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr eine Schule, eine Fach- oder Hochschule besucht und diese abgeschlossen hat. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist zwar seinem Wortlaut nach hier nicht gegeben. Denn die Klägerin hatte bereits am 29. Juli 1992 die Fachschulausbildung erfolgreich beendet und am 1. September 1992 mit ihrem Berufspraktikum begonnen, das – wovon auch die Beteiligten ausgehen – keine Anrechnungszeit iS des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sondern Beitragszeit ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21. März 1991 – 4/1 RA 33/89). Denn ein – wie hier – nicht in die Fachschulausbildung integrierter, vielmehr nach abgeschlossener Fachschule getrennter praktischer Ausbildungsabschnitt mit eigenem Charakter kann auch dann nicht als Zeit einer Fachschulausbildung gewertet werden, wenn er mit einer solchen zu einer Gesamtausbildung verbunden ist und die Ausbildung insgesamt durch eine weitere – erfolgreiche – „Prüfung” (Colloquium) beendet wird.

Dennoch ist die Zeit zwischen dem erfolgreichen Besuch der Fachschule und dem Beginn des Praktikums als Anrechnungszeit im Sinne einer sog „unvermeidlichen Zwischenzeit” vorzumerken. Dies folgt aus Sinn und Zweck der og Ausbildungs-/Anrechnungszeiten.

Diese an sich dem Versicherungsprinzip widersprechende Berücksichtigung von Ausbildungs-/Anrechnungszeiten als Zeiten ohne Beitragsleistung sind ein rentenrechtlicher Ausgleich dafür, daß der Versicherte durch sie ohne sein Verschulden gehindert war, einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und so Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten Wegen der fehlenden Beitragsleistungen sind diese Zeiten Solidarleistungen der Versichertengemeinschaft. Sie beruhen überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind Ausdruck staatlicher Fürsorge. Im Hinblick hierauf hat der Gesetzgeber im Rahmen des ihm bei ihrer Ausgestaltung zustehenden weiten Gestaltungsspielraums zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Versichertengemeinschaft davon abgesehen, Ausbildungszeiten schlechthin den Charakter von Anrechnungszeiten zu verleihen. Er hat lediglich bestimmte typische Ausbildungen als Ausbildungsanrechnungstatbestände normiert (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr. 2; BSGE 55, 224, 229 f = SozR 2200 § 1259 Nr. 77, BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 102). Bei der Normierung hat sich der Gesetzgeber orientiert an bestimmten typischen Ausbildungswegen, die wiederum typischerweise durch den Charakter der Ausbildungsstätte geprägt sind; dabei wird in Rechnung gestellt, daß der Versicherte bei erfolgreichem Abschluß eine berufliche Qualifikation erreicht, die ihm die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Berufstätigkeit ermöglicht.

Die Rechtsprechung hat über die og normierten Fallgruppen hinaus auch solche Zeiten als Anrechnungszeiten (früher Ausfallzeiten) gewertet, die zwischen zwei anrechenbaren Ausbildungszeiten liegen, wenn sie generell unvermeidbar, organisationsbedingt typisch, dementsprechend häufig vorkommen und nicht länger als vier Monate andauern (vgl. hierzu BSGE 70, 220, 222 = SozR 3-2600 § 252 Nr. 1). Es hat sie als den Schul- und Semesterferien gleichstehend erachtet, weil sie sich als einheitliche, notwendig zusammenhängende Ausbildung darstellen (vgl. BSGE 56, 148, 149 f = SozR 2200 § 1259 Nr. 81). Berücksichtigt wird damit, daß der Versicherte, der eine – vom Gesetzgeber vorgesehene typisierte – Ausbildung aus von ihm nicht zu vertretenden – organisationsbedingten – Gründen, ungewollt und unvermeidbar nicht zügig fortsetzen und daher erst dementsprechend später eine – rentenversicherungspflichtige – Erwerbstätigkeit ausüben kann, – ebenfalls in dem entsprechenden zeitlichen Rahmen – keinen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden soll. Gemäß dieser Rechtsprechung wurde als „anrechenbare Zwischenzeiten” auch die Zeit zwischen Schulabschluß und Beginn eines Hochschul- oder Fachschulstudiums angesehen.

Das BSG hat in der Entscheidung vom 31. März 1992 (BSGE 70, 220 ff = SozR 3-2600 § 252 Nr. 1), bei einer sich an den Schulbesuch nicht nahtlos anschließenden versicherungspflichtigen Lehre, also einer Beitragszeit, diese Rechtsprechung weiterentwickelt und auch insoweit eine generell unvermeidliche Zwischenzeit angenommen. Es hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß – unabhängig davon, ob es sich um eine versicherungspflichtige oder versicherungsfreie Lehrzeit handele – Lehre und – der als Anrechnungstatbestand grundsätzlich anzuerkennende – Schulbesuch in gleicher Weise der Vorbereitung der regelmäßig versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit dienten; erst mit dem Lehrabschluß werde der „Weg ins Berufsleben” eröffnet. Damit wurde die Rechtsprechung, die als generell unvermeidliche Zwischenzeit ausschließlich die Zeit zwischen zwei Anrechnungstatbeständen angesehen hatte (vgl. BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 97), insoweit aufgegeben. Maßgebend für die Annahme einer derartigen unvermeidlichen Zwischenzeit ist nunmehr „lediglich”, daß diese Zwischenzeit im og Sinne von zwei Ausbildungsabschnitten umgeben ist, wovon der erste Ausbildungsabschnitt ein Anrechnungszeittatbestand gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sein muß; diesem muß ein weiterer, vom Ausbildungsziel gesehen notwendiger Ausbildungsabschnitt folgen, der den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit erfüllen muß und nach dessen Beendigung erst der Weg ins Berufsleben und damit die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Berufstätigkeit eröffnet wird. Diese unvermeidliche Zwischenzeit im og Sinne ist letztlich Ausfluß der im Vordergrund stehenden ersten Anrechnungs-/Ausbildungszeit die das Ausbildungsziel und damit die Gesamtausbildung, auch die nichtschulische, maßgeblich prägt. Der erweiternden Auslegung liegt der Gedanke zugrunde, daß auch der „zukünftige” Versicherte, dessen in Ausbildungsabschnitten gegliederte Gesamtausbildung durch eine unvermeidliche Zwischenzeit „unterbrochen” wird, nicht etwa deshalb einen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden soll, weil die unvermeidliche Zwischenzeit nicht zwischen zwei Anrechnungszeit-/Ausbildungstatbeständen liegt, sondern zwischen einem Anrechnungszeittatbestand und einem Tatbestand einer anderen rentenrechtlichen Zeit; auf die nähere rentenrechtliche Qualifizierung des auf die Zwischenzeit folgenden Ausbildungsabschnitts kommt es also nicht an.

Nach den og Kriterien war der Monat August 1992 eine unvermeidliche Zwischenzeit und damit eine – vorzumerkende – Anrechnungszeit. Der Fachschulbesuch der Klägerin war bei der Berufsausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin grundlegender und wesentlicher Bestandteil der Ausbildung. Zur Berufsausübung – und damit zur „vollständigen Ausbildung” – benötigte sie jedoch ferner gemäß der Schulordnung ein – ebenfalls erfolgreich – abgeschlossenes Praktikum zum Erwerb berufspraktischer Erfahrungen. Im Hinblick darauf, daß – nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG – nach der Ferienordnung des Landes Bayern die entsprechenden, für das Praktikum in Frage kommenden sozialpädagogischer Einrichtungen im August 1992 geschlossen hatten war die Anrechnungs-/Zwischenzeit der Klägerin (August 1992) auch „generell unvermeidlich” entsprechend den weitgehend vergleichbaren gleichzeitigen Schulferien (vgl. BSGE 56, 148, 150 = SozR 2200 § 1259 Nr. 81).

Dieses Ergebnis entspricht der Entscheidung des Senats vom 31. März 1992 (BSGE 70, 220 ff = SozR 3-2600 § 252 Nr. 1). Dort hat der Senat ausgeführt, er weiche insoweit vom Urteil des – nicht mehr zuständigen – 11 a-Senats vom 17. Dezember 1986 (SozR 2200 § 1259 Nr. 97) ab; der 11 a-Senat hatte in einem entsprechenden Fall damals festgestellt, die Zeit zwischen dem Ende der Fachschulausbildung und dem für den Beruf einer staatlich anerkannten Erzieherin notwendigen Berufspraktikum sei keine Ausfall-(heute: Anrechnungs-)Zeit, da lediglich die zwischen zwei anrechenbaren Ausbildungs-/Ausfallzeiten eingelagerten Zeitabschnitte als generell unvermeidliche Zwischenzeit anzuerkennen seien. Im Einklang mit dem og Urteil des 4. Senats vom 31. März 1992 (aaO) steht, daß Lehrzeit und versicherungspflichtige Praktikantenzeit als zur Gesamtausbildung gehörende weitere Ausbildungsabschnitte vergleichbar sind; sie sind zwar keine Anrechnungs-/Ausbildungszeiten gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, weil sie nicht zu den dort normierten Fallgruppen gehören. Beide dienen jedoch ebenso wie das nach dem Abitur nach einer unvermeidlichen Zwischenzeit aufgenommene Studium, der Vorbereitung auf den späteren Beruf (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 3) und damit der Aufnahme einer regelmäßig versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Auch insoweit ist in Anlehnung an das Kindergeldrecht die „Übergangszeit” zwischen zwei Ausbildungsabschnitten der og Art. unter der Voraussetzung einer generellen unvermeidlichen Zwischenzeit als Anrechnungszeit anzuerkennen, sofern beide Ausbildungsabschnitte Tatbestände rentenrechtlicher Zeiten erfüllen. Nur insoweit liegt eine sich aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung ergebende schutzwürdige Rechtsposition vor.

Nach alledem hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1050471

Breith. 1997, 707

SozSi 1997, 398

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