Leitsatz (amtlich)

Es ist mit dem GG vereinbar, daß Kinder nicht berücksichtigt werden, denen aus einem Ausbildungsverhältnis - ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Höhe - Bruttobezüge von 750,-- DM oder mehr monatlich zustehen.

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs 2 S 2 Fassung: 1975-12-18; GG Art 3 Abs 1; GG Art 6 Abs 1; GG Art 14; GG Art 20 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.12.1984; Aktenzeichen L 9 Kg 1841/84)

SG Ulm (Entscheidung vom 28.06.1984; Aktenzeichen S 7 Kg 951/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Jahre 1963 geborene Tochter Freja (F.) des Klägers über den 31. März 1982 hinaus bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen ist, obwohl sie aus einem Ausbildungsverhältnis monatliche Bruttobezüge von mehr als 750,-- DM erhalten hat.

Der Kläger ist im öffentlichen Dienst des beklagten Landes beschäftigt und bezog seit Januar 1979 neben seinen Dienstbezügen Kindergeld, ua auch für seine Tochter F. Diese erhielt aus einer am 1. April 1982 begonnenen Berufsausbildung zur Krankenschwester eine monatliche Bruttovergütung von zunächst 791,-- DM, später von 819,-- DM bis 1.110,-- DM. Nachdem der Kläger vergeblich versucht hatte, bei der Ausbildungsstelle eine Herabsetzung der Ausbildungsvergütung auf einen Betrag von 749,-- DM zu erreichen, teilte er dem Beklagten am 4. November 1982 die Höhe der Ausbildungsvergütung seiner Tochter F. mit.

Mit Bescheid vom 16. März 1983 in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1983 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung der Tochter F. über den 31. März 1982 hinaus ab und forderte das für die Zeit von April bis November 1982 gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.760,-- DM zurück.

Die Klage und die Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung sowie die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes seien gemäß §§ 48 Abs 1, 50 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) rechtmäßig. Da F. ab April 1982 monatliche Bruttobezüge aus dem Ausbildungsverhältnis von mehr als 750,-- DM erhalten habe, sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, so daß F. gemäß § 2 Abs 2 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) beim Kindergeld nicht mehr zu berücksichtigen sei. Obwohl der Kläger gewußt habe, daß die Höhe der Ausbildungsvergütung den Kindergeldanspruch für F. ausschließe, habe er dies nicht unverzüglich angezeigt und habe damit grob fahrlässig seine Mitteilungspflicht verletzt. Die in § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG getroffene Regelung sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich und verstoße insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die Differenzierung nach einer festen Verdienstgrenze von 750,-- DM monatlich sei sachlich gerechtfertigt. Zwar könnte eine stärker differenzierende Lösung, etwa in Form eines Abschmelzens des Kindergeldes, zu gerechteren Ergebnissen führen. Art 3 Abs 1 GG gebiete aber nicht die jeweils ausgefeilteste Lösung, sondern enthalte nur ein Verbot willkürlicher und unsachlicher Regelungen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Die in § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG gezogene starre Grenze von 750,-- DM sei willkürlich und führe dazu, daß Personen, deren Kinder diese Grenze nur unwesentlich überschreiten, erheblich schlechter gestellt seien als diejenigen, deren Kinder mit ihrer Ausbildungsvergütung geringfügig unter dieser Grenze liegen. Besonders gravierend sei der Unterschied, wenn jemand - wie es bei ihm der Fall sei - vier Kinder habe und zudem als Beschäftigter im öffentlichen Dienst wegen der Abhängigkeit des Ortszuschlags vom Kindergeld einen niedrigeren Ortszuschlag erhalte. Die Gesamtfamilieneinkünfte seien, wenn das Kind 751,-- DM Bruttovergütung erhalte, monatlich um 254,64 DM geringer als bei einer Bruttovergütung des Kindes von 749,-- DM. Mit dieser typisierenden Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG werde ein verhältnismäßig großer Personenkreis benachteiligt. Dieses ungerechte Ergebnis könnte etwa durch eine Kürzung des Kindergeldes um die Hälfte der den Betrag von 750,-- DM übersteigenden Bruttovergütung gemildert werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Juni 1984 aufzuheben und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1983 zu verurteilen, ihm über den 31. März 1982 hinaus Kindergeld für seine Tochter F. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung für F. ab April 1982 sowie die Rückforderung des für April bis November 1982 gezahlten Kindergeldes sind rechtmäßig, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben.

Der streitige Bescheid enthält seinem Wortlaut nach zwei Verfügungssätze: 1.) Ablehnung des Antrags des Klägers, seine Tochter F. über den 31. März 1982 hinaus beim Kindergeld zu berücksichtigen; 2.) Rückforderung der vom 1. April bis 30. November 1982 geleisteten Kindergeldzahlungen. Das LSG hat den ersten Verfügungssatz zutreffend dahin verstanden, daß damit die Kindergeldbewilligung für F. rückwirkend ab 1. April 1982 aufgehoben worden ist.

Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid zutreffend auf § 48 SGB X gestützt. Gemäß Art II § 40 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) sind die §§ 44 bis 49 SGB X erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist.

Seit der Bewilligung des Kindergeldes für F. im Jahre 1979 als regelmäßig wiederkehrende Leistung ist eine wesentliche Änderung in den rechtserheblichen Verhältnissen eingetreten. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 19). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem materiellen Recht. Nach § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG, eingefügt durch Art 44 Nr 1 des Haushaltsstrukturgesetzes (HStruktG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3091), in Kraft getreten am 1. Juli 1976 (Art 47 § 2 Nr 4 HStruktG), iVm § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG idF des Art 1 Nr 1 Buchst a des Neunten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1566), in Kraft getreten am 1. Januar 1982 (Art 5 aaO), werden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden, nicht berücksichtigt, wenn ihnen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,-- DM monatlich zustehen. Demnach sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Kindergeld für F. ab 1. April 1982 entfallen. Seit diesem Zeitpunkt hat F. aus ihrem Ausbildungsverhältnis monatliche Bruttobezüge von über 750,-- DM erhalten.

Die Nichtberücksichtigung von Kindern, denen aus dem Ausbildungsverhältnis monatliche Bruttobezüge von mindestens 750,-- DM zustehen, ist nicht verfassungswidrig. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat bisher auch keinen Anlaß gesehen, zur Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ausdrücklich Stellung zu nehmen (vgl Urteile des erkennenden Senats in SozR 5870 § 2 Nr 20 und vom 12. Juni 1986 - 10 RKg 17/85 -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 2200 § 1262 Nrn 13 und 19, beide zu den ebenfalls mit dem HStruktG eingefügten entsprechenden Vorschriften für den Kinderzuschuß in der Rentenversicherung, § 39 Abs 3 Satz 4 AVG = § 1262 Abs 3 Satz 4 RVO).

§ 2 Abs 2 Satz 2 BKGG ist insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist dieses Grundrecht verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 14, 52; 14, 142, 150; 18, 121, 124; 23, 258, 263). Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG kann nicht darin gesehen werden, daß Kinder mit einer monatlichen Ausbildungsvergütung von mindestens 750,-- DM von der Berücksichtigung beim Kindergeld ausgeschlossen sind, während der Berechtigte für Kinder, deren Ausbildungsvergütung unter dieser Grenze liegt, ein Kindergeldanspruch in der vollen Höhe des § 10 BKGG hat. Für diese Differenzierung bestehen sachlich einleuchtende Gründe, die sich aus dem Ziel und dem System der Kindergeldregelung ergeben. Das Kindergeld dient allgemein dem sozialpolitischen Zweck eines Familienlastenausgleichs. Der durch Kinder bedingte höhere Aufwand soll teilweise ausgeglichen werden (BVerfGE 29, 71, 79). Diejenigen, die dem Kind eine Heimstatt bieten und sich um sein persönliches Wohl sowie um seine Erziehung kümmern, sollen für die damit verbundenen finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer einen Ausgleich von der Gemeinschaft erhalten (BVerfGE 23, 258, 263 f).

Angesichts dieser sehr allgemeinen Zielsetzung und im Hinblick darauf, daß es sich beim Kindergeld um eine Leistung der gewährenden Staatstätigkeit handelt, hat der Gesetzgeber eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 11, 50, 60; 23, 258, 264). Sie findet ihre äußerste Grenze zwar im Willkürverbot. Die Regelung ist aber nicht darauf zu überprüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat (BVerfGE 3, 58, 135; 4, 7, 18; 19, 354, 367 f; BSG SozR 5870 § 2 Nrn 11 und 42).

Bis zum Inkrafttreten des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG sind Bezüge aus einem Ausbildungsverhältnis für das Kindergeld ohne Bedeutung gewesen. Die Gründe, die den Gesetzgeber zur Einfügung dieser Vorschrift bewogen haben, sind nicht willkürlich oder sachfremd. Nach der Begründung (vgl BT-Drucks 7/4243 S 15 zu Art 42b) wurde es nicht länger für vertretbar gehalten, die in Ausbildung stehenden Kinder über das 16. Lebensjahr hinaus ohne Rücksicht auf die Höhe der ihnen zustehenden Ausbildungsvergütung beim Familienlastenausgleich als Kinder zu behandeln. Bei der Verabschiedung des BKGG (1964) habe man noch davon ausgehen können, daß auch die in Ausbildung stehenden Kinder im allgemeinen noch auf Unterhaltsleistungen ihrer Eltern angewiesen seien. Zwischenzeitlich seien jedoch zahlreiche Ausbildungsvergütungen so stark angestiegen, daß die Auszubildenden häufig hiermit ihren Unterhaltsbedarf selbst decken könnten. Die maßgebliche Grenze, bei deren Erreichung die Berücksichtigung der Auszubildenden entfällt, wurde mit monatlich 750,-- DM angesetzt, wobei diese Grenze im Interesse der Verwaltungsvereinfachung auf die Bruttovergütung bezogen wurde (vgl BT-Drucks aaO).

Diese Erwägungen und auch die Festsetzung eines Betrages von 750,-- DM als Abgrenzungsmerkmal sind sachlich vertretbar. Wie sich aus § 2 BKGG ergibt, werden Kinder, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ohne weiteres berücksichtigt, ältere Kinder jedoch nur dann, wenn besondere weitere Voraussetzungen vorliegen (§ 2 Abs 2 bis Abs 4 BKGG). Mehr als bei Kindern unterhalb der Altersgrenze von 16 Jahren bezweckt das Kindergeld für über 16 Jahre alte Kinder einen Ausgleich von finanziellen und weniger von persönlichen Belastungen der Familie. Dieser Grund für die Kindergeldgewährung entfällt, wenn auszubildende Kinder in der Lage sind, mit dem aus dem Ausbildungsverhältnis fließenden Einkommen ihren Unterhalt selbst zu bestreiten. Wenn der Gesetzgeber einerseits davon ausgeht, daß Kinder während der Berufsausbildung eine für den Berechtigten mit Kindergeld auszugleichende Belastung darstellen, ist es andererseits gerechtfertigt, wenn er eine solche Belastung in Fällen verneint, in denen Kinder aus dem Ausbildungsverhältnis Einkünfte haben, die ihren Unterhaltsbedarf decken. Eine durch die Ausbildung bedingte Belastung besteht dann weitgehend nicht, so daß es keines Ausgleichs bedarf. Dies ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Auszubildenden mit einer monatlichen Bruttovergütung von 750,-- DM in der Regel der Fall. Hiervon konnte der Gesetzgeber auch ausgehen, wenn man berücksichtigt, daß der Regelsatz der Sozialhilfe nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes für Haushaltsvorstände und Alleinstehende im Jahre 1982 im Bundesdurchschnitt etwa 338,-- DM betrug und seit Juli 1986 bei ca 394,-- DM liegt (vgl ZfF 1982, 11; 1986, 154) und nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) der monatliche Bedarf 1983 für Schüler 490,-- DM oder 595,-- DM und für Studenten zwischen 500,-- DM und 690,-- DM betrug (§§ 12 und 13 BAFöG) . Es mag zwar Fälle geben, in denen dieser Betrag den Unterhaltsbedarf des Kindes nicht vollständig deckt. Da es sich dabei aber um atypische Fälle handelt, mußte der Gesetzgeber derartige Ausnahmen nicht berücksichtigen. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nicht gehindert, typisierende Regelungen unter Vernachlässigung der Besonderheiten einzelner Fälle zu erlassen (BVerfGE 17, 1, 23 f; 23, 135, 144; 28, 324, 355 f; 36, 237, 245; 40, 121, 136; 51, 115, 122 f; 63, 119, 128). Hinzu kommt, daß das Kindergeld - wie bereits ausgeführt - nicht dem Ausgleich jeglicher von Kindern ausgehenden Belastungen dient.

Die Grenzen zulässiger Typisierung sind auch nicht dadurch überschritten, daß Berechtigte, deren Kinder mit ihrer Ausbildungsvergütung nur geringfügig unter dem Grenzbetrag liegen, weiterhin Anspruch auf Kindergeld haben. Wenn der Gesetzgeber diesen Personenkreis noch begünstigen will und eine strikte Abgrenzung vorsieht, liegt dies in seinem politischen Ermessen. Eine besondere nicht hinnehmbare Härte für den ausgeschlossenen Personenkreis tritt nicht ein, wenn Kinder, die sich mit der ihnen zustehenden Ausbildungsvergütung selbst unterhalten können, nicht mehr als Kinder im Sinne des Kindergeldrechts berücksichtigt werden. Die vom Kläger dargestellten Auswirkungen auf die Ge- Gesamtfamilieneinkünfte zwingen den Gesetzgeber nicht zu einer andersartigen Regelung. Sie sind unvermeidbar, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen aus sachlich gerechtfertigten Gründen davon abhängig gemacht wird, daß eine bestimmte Verdienst- oder Einkommensgrenze nicht erreicht wird, die der Gesetzgeber als Kriterium dafür wählt, daß eine Verpflichtung der Allgemeinheit zu einem sozialen Ausgleich besteht oder nicht. So wie der Gesetzgeber von der Verfassung nicht gehindert wird zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Familienlastenausgleich mit einer besonderen Leistung - nämlich dem aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten Kindergeld - erfolgen soll, steht es ihm frei, soweit er nicht willkürlich handelt, die Sachverhalte zu bestimmen, die einen solchen Anspruch begründen sollen. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, eine denkbare schonendere oder differenzierte Regelung zu schaffen - etwa einen vom Kläger vorgeschlagenen Anrechnungsmodus - besteht daher nicht.

Auch der Umstand, daß die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für den Unterhalt von Kindern seit der Einfügung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG im Jahre 1976 nicht unerheblich gestiegen sind, führt nicht dazu, daß der Gesetzgeber gezwungen wäre, den gestiegenen Belastungen durch Erhöhung der festgelegten Grenze von 750,-- DM Rechnung zu tragen (vgl BSG SozR 5870 § 10 Nr 8).

Die Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG widerspricht auch nicht Art 6 Abs 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Für eine wirtschaftliche Entlastung von Familien mit Kindern besteht kein Anlaß, wenn die betreffenden Kinder aufgrund von eigenen Einkünften aus dem Ausbildungsverhältnis nicht mehr auf Unterhaltsleistungen der Eltern angewiesen sind.

Ebensowenig ist das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG verletzt. Nach diesem Grundsatz besteht ein Anspruch des Einzelnen auf Leistungen des Staates nur insoweit, als sein Existenzminimum nicht gewährleistet ist (BSG aaO).

Schließlich scheidet auch eine Verletzung von Art 14 GG aus. Der Empfang von Leistungen des Familienlastenausgleichs begründet keine Eigentums- oder eigentumsähnlichen Rechte, wie etwa diejenigen, die Versicherte mit der Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung erlangen (BVerfG in SozR 4100 § 104 Nr 13). Das Kindergeld wird aus allgemeinen Steuermitteln einem bestimmten Personenkreis gewährt, den der Gesetzgeber nach Gesichtspunkten umschreibt, die er für erheblich hält, und die er ändern kann (BSG SozR 5870 § 2 Nr 42; § 10 Nr 8).

Während die Kindergeldbewilligung für die Zukunft gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X aufzuheben ist, ist die Aufhebung mit Wirkung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zusätzlich davon abhängig, daß einer der in Nrn 1 bis 4 des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Tatbestände erfüllt ist. Das LSG hat zu Recht angenommen, daß der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Darüber hinaus liegen aber auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 2 Nr 3 SGB X vor. Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Wie schon dargelegt wurde, hat F. nach der Kindergeldbewilligung im Jahre 1979 ab 1. April 1982 Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs des Klägers auf Kindergeld geführt haben würde (§ 2 Abs 2 Satz 2 BKGG iVm § 9 Abs 1 BKGG). Dabei kommt es nicht darauf an, daß das Einkommen nicht vom Kläger selbst als dem Kindergeldanspruchsberechtigten erzielt worden ist. § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X stellt lediglich darauf ab, daß das Erzielen von Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (BSG SozR 5870 § 2 Nr 30; SozR 1300 § 48 Nr 19).

Der rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldbewilligung steht nicht entgegen, daß der Beklagte nach den vom LSG getroffenen Feststellungen diesbezüglich kein Ermessen ausgeübt hat. Das in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X verwendete Wort "soll" bedeutet, daß die Verwaltung den Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit im Regelfall aufzuheben hat, von der rückwirkenden Aufhebung indessen in atypischen Fällen absehen darf, bei denen dies insbesondere mit Rücksicht auf die sich aus § 50 Abs 1 SGB X ergebende Erstattungspflicht als unbillige Härte empfunden werden müßte (BSG aaO). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der Kläger bei Erhalt des ab April 1982 ausgezahlten Kindergeldes nicht darauf vertrauen, daß ihm dieses verbleiben würde.

Da der Beklagte die Kindergeldbewilligung somit mit Wirkung vom 1. April 1982 zu Recht aufgehoben hat, hat der Kläger gemäß § 50 Abs 1 SGB X das seitdem für F. gezahlte Kindergeld zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BB 1987, 131

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