Leitsatz (amtlich)

Säumniszuschläge zur Winterbau-Umlage sind Masseschulden. Das gilt auch für solche Säumniszuschläge, die erst für Zeiten nach Konkurseröffnung anfallen.

 

Normenkette

KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 60 Abs. 1 Fassung: 1974-07-17, § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 63 Nr. 1; AFG § 179 Nr. 1 Fassung: 1976-12-23, § 186a; SGB 4 § 24 Fassung: 1976-12-23; WinterbauUmlV § 3 Abs. 2 Fassung: 1972-07-13

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 29.01.1982; Aktenzeichen L 6 Ar 69/81)

SG Speyer (Entscheidung vom 28.08.1981; Aktenzeichen S 1 Ar 42/81)

 

Tatbestand

Unter den Beteiligten ist streitig, ob Säumniszuschläge zur Winterbau-Umlage im Konkurs des Unternehmers Masseschulden sind.

Über das Vermögen der H GmbH, K, wurde am 10. Juni 1980 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Konkursverwalter bestellt.

Die Beklagte meldete rückständige Umlagebeträge einschließlich Nebenkosten für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung als Masseforderung in Höhe von insgesamt 2.022,59 DM an. Der Kläger wandte Masseunzulänglichkeit ein und leistete keine Zahlungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Januar 1981 machte die Beklagte daraufhin bis zum 16. Dezember 1980 angefallene Säumniszuschläge in Höhe von 138,40 DM als weitere Masseforderung geltend. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger erneut vor, die Masse reiche nicht zur Deckung aller Masseschulden aus; im übrigen seien aber Säumniszuschläge keine Masseschulden. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1981). Die Unzulänglichkeit der Masse stehe der Geltendmachung von Masseforderungen nicht entgegen.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 28. August 1981). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, sie beanspruche die geltend gemachten Säumniszuschläge nur entsprechend der Quote des § 60 der Konkursordnung (KO). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 29. Januar 1982). Nach § 59 Abs 1 Nr 3e KO seien Säumniszuschläge Masseschulden nur, soweit sie rückständige Beiträge beträfen, nicht aber in bezug auf Umlagen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 59 Abs 1 Nr 3e KO iVm § 186a Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 3 Abs 2 Winterbau-Umlage VO, § 179 Nr 1 AFG, § 24 SGB IV.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des LSG sowie das Urteil des SG Speyer vom

28. August 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Die Beklagte hat die der Höhe nach unstreitigen Säumniszuschläge zu der bis zur Eröffnung des Konkurses rückständigen Winterbau-Umlage zu Recht als Masseschulden gegen den beklagten Konkursverwalter mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemacht.

Der erkennende Senat hat mit seinem (nicht veröffentlichten) Urteil vom 13. Mai 1982 - 10 RAr 16/81 - bereits entschieden, daß Säumniszuschläge wegen rückständiger Winterbau-Umlage aus den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung auch dann Masseschulden iS von § 59 Abs 1 Nr 3e KO nF sind, wenn sie erst nach der Konkurseröffnung entstanden sind. Der Senat sieht keinen Anlaß, diese Rechtsprechung aufzugeben.

Nach § 28 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der vom 20. Juli 1974 bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung waren Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung Masseschulden iS von § 59 Abs 1 Nr 3 KO (früher bevorrechtigte Konkursforderungen). Hierzu  gehörten nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch die durch Säumnis entstandenen Nebenkosten wie Säumniszuschläge und Verzugszinsen (vgl BSG SozR 4230 § 3 Nr 1).

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers und der Vorinstanzen hat die Änderung des § 59 KO durch Art II § 10 Nr 1 Buchst a SGB IV vom 23. September 1976 (BGBl I 3845) ab 1. Juli 1977 keine Änderung gegenüber dem voraufgegangenen Rechtszustand bewirkt (vgl BSG in SozR 4100 § 186a Nrn 10 und 11 = ZIP 1981 1108, 1111).

Es ist zuzugeben, daß der Wortlaut des § 59 Abs 1 Nr 3e KO "... auf Beiträge einschließlich Säumniszuschläge und auf Umlagen" dahin verstanden werden kann, daß hiervon nur Säumniszuschläge für rückständige Beiträge, nicht aber für rückständige Umlagen erfaßt werden sollten. Es fehlt aber jeder sachliche Grund für eine derartige unterschiedliche Behandlung dieser Nebenforderungen im Konkurs. Die gleiche Fassung enthält auch § 61 Abs 1 Nr 1e KO für die Rückstände bis zu einem Jahr vor Konkurseröffnung. Säumniszuschläge zu rückständigen Umlagen könnten also nur letztrangige Konkursforderungen (§ 61 Abs 1 Nr 6 KO) sein. Hätte der Gesetzgeber des SGB IV eine solche Rangverschlechterung gegenüber der früheren Rechtslage beabsichtigt, so hätte das in den Gesetzesmaterialien seinen Niederschlag finden müssen. Mit der Streichung des § 28 Abs 3 RVO aF und der Einfügung der Buchstaben e in § 59 Abs 1 Nr 3 und § 61 Abs 1 Nr 1 KO waren aber nur gesetzestechnisch notwendige Änderungen beabsichtigt (BT-Drucks 300/75 zu Art 2 § 1 und § 10 - S 39, 41). Es hat sich daher, wie auch bereits der 2. Senat des BSG (BSGE 49, 276 ff) und der erkennende Senat (SozR 4100 § 186a Nr 10) ausgeführt haben, nur um die systematisch richtige Einordnung dieser Regelung gehandelt (vgl auch im Ergebnis ebenso Kautza in "Die Beiträge" 1982 S 321, 323 ff). Im übrigen würde es der Regelung in § 62 Nr 3 KO widersprechen, Säumniszuschläge wegen rückständiger Umlagen, jedenfalls soweit diese Konkursforderungen sind (§ 61 Abs 1 Nr 1e KO), nicht an der gleichen Rangstelle anzusetzen wie die Hauptforderung. Masseschulden haben allerdings eine grundsätzlich andere Qualität als Konkursforderungen. Sie sind nicht im eigentlichen Konkursverfahren zu berichtigen, sondern davon unabhängig im normalen Streit- und Vollstreckungsverfahren, wobei lediglich die Quotierung nach § 60 KO bei Unzulänglichkeit der Masse zu beachten ist. Bei der wörtlichen Übereinstimmung von § 59 Abs 1 Nr 3e und § 61 Abs 1 Nr 1e KO kann aber nur davon ausgegangen werden, daß auch die Säumniszuschläge, seien sei Masse- oder Konkursforderungen, gleichermaßen einzuordnen sind. Die Fassung beider Bestimmungen, in denen Beiträge und Umlagen genannt sind, Säumniszuschläge aber nur wegen der Beiträge, ist deshalb eine redaktionelle Ungenauigkeit ohne materiell-rechtliche Bedeutung. Beiträge wie Umlagen dienen dazu, die Mittel zur Finanzierung bestimmter Sozialleistungen aufzubringen (etwa Renten aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitslose, Schlechtwettergeld, Konkursausfallgeld). In allen Fällen belegt das Gesetz den säumigen Beitrags- oder Umlagepflichtigen gleichermaßen mit Sanktionen (Verzugszinsen, Säumniszuschläge). Sachlich wäre es daher nicht zu rechtfertigen, nach Eröffnung des Konkurses gegen den säumigen Beitrags- und Umlagepflichtigen Säumniszuschläge auf Umlagen rechtlich anders zu behandeln als Säumniszuschläge auf die den Umlagen gleichrangigen Beiträge.

Masseschulden sind aber nicht nur die Säumniszuschläge, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Konkursverfahrens angefallen, sondern auch solche, die später entstanden sind. Was der erkennende Senat insoweit in seinem Urteil vom 5. Juni 1981 (10/8b RAr 15/80 = SozR 4100 § 186a Nr 10 = ZIP 1981 S 1108) zur rechtlichen Qualität von Verzugszinsen wegen rückständiger Winterbau-Umlage, die nach Konkurseröffnung angefallen sind, ausgeführt hat, gilt gleichermaßen für Säumniszuschläge (vgl Urteil vom 13. Mai 1982 - 10 RAr 16/81). Mit der Eröffnung des Konkurses wird die Säumnis der bis dahin rückständigen Beiträge und Umlagen nicht beseitigt. Auch während des Konkursverfahrens können daher weitere Säumniszuschläge anfallen. Nach § 63 Nr 1 KO können zwar im Konkursverfahren die seit Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen nicht geltend gemacht werden. Das betrifft aber nur Zinsen für Konkursforderungen, nicht aber solche wegen Masseschulden. Zinsen wegen Forderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Konkursverfahrens unterliegen also keiner Einschränkung im Konkurs. Die zeitliche Einschränkung (sechs Monate vor Konkurseröffnung) begrenzt lediglich die Hauptforderung, nicht aber die Nebenforderungen wie Zinsen und Säumniszuschläge.

Da der angefochtene Bescheid - wie die Beklagte schon im Widerspruchsbescheid und auch im Berufungsverfahren klargestellt hat - in Form eines "Feststellungsbescheides" die Geltendmachung der Forderung nur unter Beachtung des § 60 Abs 1 KO betrifft, bedarf es keines Zwischenfeststellungsurteils iS der Entscheidung 10/8b RAr 15/80 (vgl SozR 7910 § 59 Nr 12).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

ZIP 1983, 707

Breith. 1983, 834

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