Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstände als Masseschulden im Gesellschafterkonkurs. Ermessensausübung bei der Erhebung von Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Rückständige Winterbau-Umlage kann auch im Konkurs eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personalgesellschaft Masseschuld sein.

2. Rückstände sind im Gesellschafterkonkurs nur insoweit Masseschulden, als sie in den letzten 6 Monaten vor der Eröffnung dieses Konkurses entstanden sind.

3. Nebenkosten (Säumniszuschläge, Mahnkosten, Pauschale) sind Masseschulden, soweit die entsprechende Hauptforderung Masseschuld ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs 1 SGB 4 wird dem Einzugsberechtigten bzw Versicherungsträger ein doppeltes Ermessen dahin eingeräumt, ob er überhaupt Säumniszuschläge erheben will und ob die Höchstgrenze von 2 vH ausgeschöpft werden soll; sofern der Einzugsberechtigte bzw Versicherungsträger dieses Ermessen ersichtlich nicht ausübt, handelt er ermessensfehlerhaft.

 

Normenkette

AFG § 186a; WinterbauUmlV §§ 1, 3; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 60 Abs. 1 Fassung: 1974-07-17, § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 212; HGB § 128; SGB 4 § 24 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 04.03.1982; Aktenzeichen L 5 Ar 22/81)

SG Bremen (Entscheidung vom 15.07.1981; Aktenzeichen S 9 Ar 176/79)

 

Tatbestand

Streitig ist unter den Beteiligten, ob rückständige Winterbauumlagen Masseschulden sowohl im Konkurs einer Kommanditgesellschaft als auch im Konkurs eines persönlich haftenden Gesellschafters sind.

Persönlich haftende Gesellschafter der C.P.KG sind die "G. P. und Co GmbH" und der Dipl.-Kaufmann B. P.. Die C.P.KG hat ihren Hauptsitz in B., sowie Zweigniederlassungen in H. und N.. Sie ist umlagepflichtig zur produktiven Winterbauförderung gemäß § 186a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).

Über das Vermögen der KG wurde am 16. Januar 1979, über das Vermögen der Komplementäre am 23. Januar 1979 jeweils das Konkursverfahren eröffnet. Zum Konkursverwalter über das Vermögen des B.P. wurde der Kläger bestellt.

Gegenüber dem Konkursverwalter über das Vermögen der KG machte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 1979 einen Rückstand an Winterbauumlage einschließlich von Säumniszuschlägen bezüglich der Zweigniederlassung H. für die Zeit vom 1. Juli 1978 bis zur Konkurseröffnung in Höhe von 54.643,22 DM als Masseschuld geltend. Mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tage machte sie ebenfalls Masseforderungen in derselben Höhe und für dieselbe Zeit gegenüber den Konkursverwaltern der Komplementäre geltend. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1979 zurück.

Mit weiteren während des Klageverfahrens ergangenen Bescheiden vom 14. August 1979 und 31. Oktober 1979 ermäßigte die Beklagte die Forderung auf zuletzt 39.744,57 DM.

Das Sozialgericht (SG) Bremen hat mit seinem Urteil vom 15. Juli 1981 den an den Kläger gerichteten Bescheid vom 21. Februar 1979 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1979 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen mit Urteil vom 4. März 1982 die den Kläger betreffenden Bescheide abgeändert und festgestellt, daß die Beklagte eine Masseforderung in Höhe von 39.744,57 DM gegen den Kläger habe. Der persönlich haftende Gesellschafter habe gemäß §§ 128, 161 des Handelsgesetzbuches (HGB) nicht nur für die fremde Schuld der Gesellschaft einzustehen und nicht nur die Erfüllung durch die Gesellschaft zu erwirken, sondern sei zur persönlichen Erfüllung der Verbindlichkeit voll verpflichtet. Deshalb müsse eine Gesellschaftsforderung in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein. Die Nichtberücksichtigung von Masseschulden der Gesellschaft iS von § 59 Abs 1 Nr 3e der Konkursordnung (KO) nF im Gesellschafterkonkurs würde dem Sinn der persönlichen Haftung des Gesellschafters einer Personalgesellschaft sowie der zwingenden Natur und der starken Ausgestaltung dieses Konkursvorrechts widersprechen. Die Vermögensmassen der Gesellschaft und der Gesellschafter hafteten von Anfang an gemeinsam. Seitdem auch vor der Konkurseröffnung entstandene Forderungen Masseforderungen sein könnten, treffe es nicht mehr zu, daß Masseschulden nur durch Maßnahmen des Konkursverwalters begründet würden, so daß insoweit eine strikte Trennung der Vermögensmassen der Gesellschaft und der Gesellschafter erforderlich sei. Für solche Verbindlichkeiten hafte im Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht nur das Vermögen der Gesellschaft, sondern zugleich auch das Vermögen der Komplementäre. Deshalb müsse eine Forderung gegen die Gesellschaft in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein und das Vorrecht einer Masseforderung sowohl im Konkurs der Gesellschaft als auch im Konkurs der persönlich haftenden Gesellschafter gelten.

Mit seiner von dem LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 59 Abs 1 Nr 3e KO. Es könne nicht rechtens sein, daß die nachrangigen Massegläubiger nach § 59 Abs 1 Nr 3e KO sich ohne weiteres aus der Konkursmasse des Komplementärs befriedigen lassen könnten, während dies den (vorrangigen) Gläubigern nach § 59 Abs 1 Nr 2 KO verwehrt sei. Ein solches Ergebnis widerspräche der Rangfolge des § 60 Abs 1 (Nr 1 bzw Nr 3) KO; es sei nur dadurch vermeidbar, daß man § 59 Abs 1 Nr 3e KO einschränkend auslege und ebenso wie bei § 59 Abs 1 Nrn 1 und 2 KO die Masseschulden einer KG nur in deren eigenem Konkurs als solche behandele und nicht zusätzlich auch noch in den Konkursen ihrer Komplementäre.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 4. März 1982 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 1979, 14. August 1979 und 31. Oktober 1979 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1979 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht (§ 170 Abs 2 SGG). Die Feststellungen des LSG reichen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.

Für Streitigkeiten über Masseschulden (§§ 57 bis 60 KO), denen Beitragsforderungen von Sozialversicherungsträgern zugrunde liegen, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (BSGE 25, 235; 32, 263, 264; SozR 2200 § 28 Nrn 3 und 4). Zu den Masseforderungen nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO gehören auch rückständige Winterbauumlagen nebst der Pauschale nach § 186a Abs 2 AFG und die durch Säumnis entstandenen Nebenkosten wie Säumniszuschläge und Mahnkosten (BSG SozR 4100 § 186a Nr 10; 7910 § 59 Nr 12 sowie das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tag - 10 RAr 13/82 -). Zutreffend hat die Beklagte auch ihre Forderung mit dem streitigen Bescheid gegen den Kläger als Konkursverwalter geltend gemacht (BSG SozR 2200 § 28 Nr 4). Schließlich hat in Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Masseforderung Streitgegenstand ist und der Konkursverwalter einwendet, die Masse werde zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreichen, ein Zwischenurteil zu ergehen, mit dem festgestellt wird, daß der Gläubiger eine Masseforderung hat, deren Höhe unabhängig von der Quote des § 60 KO festzustellen ist, es sei denn, der Gläubiger erklärt ausdrücklich, er mache seine Masseforderung nur in der Höhe der auf ihn entfallenden Quote geltend (BSG SozR 4100 § 186a Nr 10; 7910 § 59 Nr 12). Das LSG hat deshalb mit Recht durch Zwischenurteil entschieden.

Zutreffend hat das LSG angenommen, daß rückständige Winterbau- Umlagen Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO nicht nur im Konkurs einer Personalgesellschaft, sondern auch im Konkurs der persönlich haftenden Gesellschafter sind. Das folgt aus der persönlichen gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft (§ 128 HGB) und der Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB). Diese der Gesellschaftsschuld akzessorische Haftung (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts: Die Personalgesellschaft 1977 § 16 S 282, 325f) ist eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Sie steht gleichrangig und nicht subsidiär neben der Schuld der Gesellschaft. Die Vermögensmassen der Gesellschaft und der Gesellschafter haften für dieselbe Schuld auf gleicher Stufe. Ein Gesellschaftsgläubiger kann deshalb nach seiner Wahl auch sofort die persönliche Haftung der Gesellschafter realisieren (Fischer in Großkommentar HGB § 128 RdNrn 9, 11).

Aus dieser gleichrangigen Haftung haben schon das frühere Reichsarbeitsgericht (RAGE 11, 321 f) und der Bundesgerichtshof (BGHZ 34, 293, 295, 297) hergeleitet, daß das Konkursvorrecht des § 61 Abs 1 Nr 1 KO aF wegen rückständigen Arbeitslohnes oder rückständiger Sozialversicherungsbeiträge (§ 28 Abs 3 RVO aF) den Arbeitnehmern bzw den Sozialversicherungsträgern sowohl im Konkurs der Gesellschaft als auch im Konkurs der Gesellschafter zusteht. Die Personalgesellschaft sei von der Persönlichkeit der Gesellschafter nicht zu trennen. Die Haftung nach §§ 128, 161 HGB bedeute, daß die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zugleich Schulden der Gesellschafter seien. Gesellschaft und Gesellschafter seien keine Gesamtschuldner, sondern es bestehe eine einheitliche Verpflichtung und Schuld, für die zwei verschiedene Vermögensmassen hafteten. Der Gesellschafter habe nicht nur für eine fremde Schuld einzustehen und nicht nur die Erfüllung durch die Gesellschaft zu erwirken, sondern jeder Gesellschafter sei zur persönlichen Erfüllung der Verbindlichkeit voll verpflichtet. Die enge Verknüpfung der persönlich haftenden Gesellschafter einer Personalgesellschaft mit der Gesellschaft und ihren Verbindlichkeiten wirke sich im Rechtsverkehr und im Wirtschaftsleben so aus, daß die Persönlichkeit der Gesellschafter den Kredit der Gesellschaft, ihr Ansehen und ihre Geltung im Geschäftsverkehr bestimmten und daß die persönlich haftenden Gesellschafter fast mit der Gesellschaft gleichgestellt würden. Das Vertrauen zu den Gesellschaftern bestimme den Kredit der Personalgesellschaft. Ihr Vermögen sowie ihre wirtschaftliche Kraft seien für den Abschluß aller Verträge von wesentlicher Bedeutung und für die Abwicklung aller Verbindlichkeiten maßgeblich. Deshalb müsse eine Gesellschaftsforderung in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein und das Vorrecht einer Konkursforderung sowohl im Konkurs der Gesellschaft als auch im Konkurs der persönlich haftenden Gesellschafter gelten. Das Konkursvorrecht sei kein neben der Forderung bestehendes weiteres Recht, sondern eine besondere Eigenschaft dieses Rechts. Beide Vermögensmassen hafteten von Anfang an gemeinsam. § 61 Nr 1 KO diene dem Lohnschutz, § 28 Abs 3 RVO dem Schutz der im öffentlichen Interesse errichteten Sozialversicherungen. Die Sozialversicherungsträger dürften für die einbehaltenen Lohnanteile wirtschaftlich nicht ungünstiger gestellt werden, als die Arbeitnehmer für ihre Lohnforderungen. Die Sozialversicherungsträger sollten durch ihr Konkursvorrecht ebenfalls für alle Beitragsarten davon abgehalten werden, zu schnell Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Betriebsinhaber zu ergreifen. Deshalb sei es gleichgültig, ob es sich um die Durchsetzung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftern handele, gegen die alle Gläubiger in beliebiger Reihenfolge vorgehen dürften.

Zutreffend haben sich sowohl das Bundesarbeitsgericht (AP § 59 Nr 12 Bl 931) und das LSG in seinem angefochtenen Urteil auf diese Erwägungen gestützt. Sie gelten in gleicher Weise für die Entscheidung der Frage, ob Masseschulden der Gesellschaft auch Masseschulden der persönlich haftenden Gesellschafter sein können. Zwar hat der BGH (aaO im Anschluß an RGZ 135, 62) ausgesprochen, daß Masseschulden im Konkurs der Gesellschaft nicht auch Masseschulden im Konkurs der Gesellschafter seien, weil Masseschulden nur während des Konkurses auf Grund von Maßnahmen des Konkursverwalters entstünden. Das trifft aber nicht für die seit dem 20. Juli 1974 zu Masseschulden erklärten Forderungen des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a bis e KO nF und des § 28 Abs 3 RVO aF zu (Art 2 §§ 1 und 4 des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 - BGBl I 1481 -). Diese Forderungen, insbesondere also auch die Beitragsrückstände (jetzt seit dem 1. Juli 1977 § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO - Art 2 §§ 10, 21 SGB - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - vom 23. Dezember 1976 - BGBl I 3845) für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Konkurses, sind nicht durch Handlungen des Konkursverwalters entstanden, sondern sind ebenso wie die Konkursforderungen nach § 61 KO Forderungen gegen den Gemeinschuldner aus der Zeit vor der Konkurseröffnung. Die Aufnahme dieser Forderungen in den Kreis der Masseschulden durchbricht das herkömmliche System der Konkursordnung. Für sie kann deshalb nicht der Grundsatz gelten, daß Masseschulden in jedem Konkurs gesondert festzustellen sind und insbesondere nicht, daß Masseschulden im Gesellschaftskonkurs nicht auch Masseschulden im Gesellschafterkonkurs sein können. Durch die Gesetzesänderung ist der Begriff der Lohnforderungen aus früheren Arbeitsverhältnissen inhaltlich ebensowenig geändert worden, wie der der Beitragsrückstände (BAGE 31, 176; BGH Urteil vom 10. Dezember 1980 in ZIP 1981 132, 133). Der mit der Heraufstufung der in § 59 Abs 1 Nr 3 KO genannten Forderungen zu Masseschulden im herkömmlichen System der Masseschulden entstandene "Fremdkörper" muß dem System der KO soweit wie möglich angepaßt werden (BGH aaO). Mit der genannten Gesetzesänderung sollte erreicht werden, daß diese Forderungen aus der Masse vorweg und damit vor allem auch schneller befriedigt werden können (BT-Drucks 7/1750 S 1 und 11). Die Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO unterscheiden sich von den bevorrechtigten Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO nur durch die Zeit, für die sie rückständig sind (sechs Monate bzw ein Jahr vor der Konkurseröffnung). Deshalb ist es gerechtfertigt, die Erwägungen zu § 61 Nr 1 KO aF auch für die Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO nF gelten zu lassen. Auch für diese Masseschulden ergibt sich die Gleichstellung in bezug auf die Befriedigungsmöglichkeit im Gesellschafts- und Gesellschafterkonkurs aus der gleichrangigen Einstandspflicht der persönlich haftenden Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft (vgl die zustimmende Anmerkung zum Urteil des BAG vom 26. August 1981 von Beitzke in AP § 59 KO Nr 12 Bl 933 f). Würde man diesen Grundsatz für solche Masseschulden nicht gelten lassen, würde der mit der Änderung erstrebte Gesetzeszweck nicht erreicht, wenn sowohl die Gesellschaft als auch die persönlich haftenden Gesellschafter in Konkurs gefallen sind. Rückstände aus den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung wären anderenfalls im Gesellschafterkonkurs sogar nicht einmal bevorrechtigte, sondern nur nachrangige Konkursforderungen, womit das erstrebte gesetzgeberische Ziel in sein Gegenteil verkehrt würde.

Die Sonderregelung des § 212 KO, wonach in dem Konkursverfahren des persönlich haftenden Gesellschafters die Gesellschaftsgläubiger, wenn das Konkursverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet worden ist, Befriedigung nur mit dem Betrag suchen dürfen, mit dem sie im Gesellschaftskonkurs ausgefallen sind, steht der Möglichkeit, daß Beitrags- und Umlagerückstände Masseschulden auch im Gesellschafterkonkurs sein können, nicht entgegen. Die Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter wird dadurch nicht berührt. Sie bleibt voll erhalten. Verzichtet etwa ein Gesellschaftsgläubiger auf seine Forderung im Gesellschaftskonkurs, so kann er die ganze Forderung im Gesellschafterkonkurs geltend machen (Jaeger/Weber aaO Anm 3 und 12; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung 9. Aufl § 212, RdNr 11). Nimmt er jedoch an beiden Konkursen teil, kann er seine Forderung mit dem vollen Betrag auch im Gesellschafterkonkurs anmelden und feststellen lassen. Nicht getilgte Konkursforderungen gegen die Gesellschaft werden im Gesellschafterkonkurs bei der Verteilung bis zur Feststellung des im Gesellschaftskonkurs ausgefallenen Betrages zurückgehalten (§ 212 Abs 2 KO). Damit wird die volle Haftung des Gesellschafters sichergestellt. § 212 KO ist aber hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich um eine Verteilungsvorschrift handelt, die sich ihrem Wesen nach auf Konkursforderungen, nicht aber auf Masseforderungen bezieht. Sie ist trotz der weitgehenden Ähnlichkeit der Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO mit den vorrangigen Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO, die beide vor der Konkurseröffnung entstanden sind (vgl BGH Urteil vom 10. Dezember 1980 aaO), auch nicht entsprechend anwendbar. Es würde nämlich dem mit der Qualifizierung dieser Forderungen als Masseschulden verfolgten Ziel der vorrangigen und schnelleren Befriedigungsmöglichkeit widersprechen, wenn den Gläubigern dieser Forderungen der unmittelbare wahlweise Zugriff auf beide Konkursmassen verwehrt würde und sie auf ein Quasi-Verteilungsverfahren verwiesen würden, was der prozessualen Durchsetzungsmöglichkeit von Masseforderungen im Unterschied zu dem Verteilungsverfahren der Konkursforderungen, abgesehen von der Quotierung nach § 60 KO, gerade fremd ist. Der Gläubiger, der eine Masseforderung nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO gegen eine Personalgesellschaft hat, kann diese deshalb im Konkurs eines persönlich haftenden Gesellschafters auch dann als solche geltend machen, wenn er sie auch im Gesellschaftskonkurs geltend gemacht hat, ohne vorher dort Befriedigung suchen zu müssen. Macht er seine Masseforderung gleichzeitig gegen beide Massen geltend, muß er sich dann allerdings die völlige oder teilweise Erfüllung entgegenhalten lassen, je nachdem in welchem Verfahren er zuerst befriedigt worden ist.

Eine gesetzwidrige Änderung der Rangordnung der Masseschulden nach § 60 KO infolge der Berücksichtigung der Forderungen nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO im Gesellschafts- und Gesellschafterkonkurs tritt nicht ein. Die "klassischen" Masseschulden (§ 59 Abs 1 Nrn 1, 2 und 4 KO) sind nach wie vor für jeden Konkurs gesondert festzustellen. Für sie haftet allein die jeweilige Masse. Die Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO nehmen dagegen in jedem einzelnen Konkurs den Rang nach Abs 1 Nrn 2 und 3 und vor Nr 4 ein. In der Tat sind damit die Gläubiger dieser Forderungen bevorzugt. Das folgt aber daraus, daß für sie beide Massen gleichrangig nebeneinander haften, was bei den Forderungen iS von § 59 Abs 1 Nrn 1, 2 und 4 nicht der Fall ist.

Allerdings sind die rückständigen Umlagen im Gesellschafterkonkurs nicht grundsätzlich im selben Umfang Masseschulden wie im Gesellschaftskonkurs. Wenn die Zeitschranke (sechs Monate vor Konkurseröffnung) auch nicht die Qualifizierung solcher Rückstände in beiden Konkursen als Masseschulden ausschließt, so ist sie doch in jedem Konkurs zu beachten. Diese Forderungen erhalten im Konkurs ihre Qualität als Masseschulden, bevorrechtigte oder nachrangige Konkursforderungen allein durch die Zuordnung zu den Zeiträumen vor der Konkurseröffnung, für die sie geschuldet werden. Je größer der Abstand von dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung ist, um so schlechter wird der Rang im Konkurs. Je länger der Gläubiger Rückstände hat auflaufen lassen, um so weniger ist er im Konkurs geschützt. Kann der Gläubiger einer Personalgesellschaft jedoch wahlweise Befriedigung bei der Gesellschaft oder den persönlich haftenden Gesellschaftern suchen, so hat er diese Möglichkeit gegenüber den nicht in Konkurs gefallenen Gesellschaftern auch noch dann, wenn über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden ist oder umgekehrt (Jaeger/Weber, Konkursordnung, 1973, § 212 Anm 1). Es besteht also kein Anlaß, den zeitlichen Abstand von dem Zeitpunkt der jeweiligen Konkurseröffnung nicht in jedem einzelnen Konkurs für die Qualität oder den Rang der Forderung maßgebend sein zu lassen, ohne daß dadurch der mit der Qualifizierung der Forderungen verfolgte Schutz der Gläubiger beeinträchtigt wird. Masseschulden sind also in jedem einzelnen Konkurs nur die (rückständigen) Beiträge oder Umlagen nebst Nebenkosten, die für die letzten sechs Monate vor der jeweiligen Konkurseröffnung rückständig sind.

Da die Konkurse zu unterschiedlichen Zeitpunkten eröffnet worden sind, nämlich über das Vermögen der KG am 16. Januar 1979, über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters B.P. am 23. Januar 1979, ist nicht auszuschließen, daß die rückständigen Winterbau-Umlagen nicht, wovon die Beklagte offenbar ausgeht, in derselben Höhe Masseschulden sowohl im Konkurs der KG als auch der persönlich haftenden Gesellschafter sind. Insoweit wird also zunächst die Höhe der streitigen Masseforderung gegen den Kläger festzustellen sein.

Im übrigen fordert die Beklagte Rückstände seit dem 1. Juli 1978 bis zur Konkurseröffnung. Diese Zeitspanne umfaßt jedoch mehr als sechs Monate. Maßgebend ist aber nach § 59 Abs 1 Nr 3e KO nicht die Fälligkeit der Forderung, sondern die Zeit, für die die Umlagen geschuldet werden (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 59 RdNr 15a; Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14. Aufl, § 61 Anm 4 S 272 mN). Der Anspruch auf Winterbauumlage folgt aus § 186a AFG, wonach die Umlage nach einem Vomhundertsatz des Bruttoarbeitsentgelts der Beschäftigten erhoben wird, iVm den Bestimmungen der Winterbauumlage-Verordnung (WBU-VO) vom 13. Juli 1972 (BGBl I S 1201). Dort ist der Prozentsatz für die Berechnung der Umlage und das Nähere über ihre Zahlung und Einziehung geregelt. § 1 WBU-VO spricht für die Berechnung der Umlage zwar von einem Prozentsatz der lohnsteuerpflichtigen Bruttoarbeitsentgelte der Arbeiter. Daraus ist aber ua nicht zu folgern, daß Winterbau-Umlage nur für tatsächlich zugeflossenes und deshalb steuerpflichtiges Arbeitsentgelt zu zahlen ist. § 1 WBU-VO bestimmt nur einen bestimmten Berechnungsmodus. Jedoch geht bereits aus § 3 WBU-VO hervor, daß die Winterbau-Umlage nach dem "zu zahlenden", dh geschuldeten, Lohn zu berechnen ist (vgl das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - 10 RAr 13/82 -).

Bezüglich der geforderten Nebenkosten, insbesondere der Säumniszuschläge, lassen die Feststellungen des LSG ebenfalls nicht erkennen, für welche Zeiträume und in welcher Höhe sie in der geltend gemachten Gesamtforderung enthalten sind. Sie sind der Hauptforderung akzessorisch. Im Konkurs teilen sie daher das Schicksal der Hauptforderung. Sie sind deshalb nur insoweit Masseschulden, als auch die Hauptforderung Masseschuld ist. Sie können auch für Zeiten nach der Konkurseröffnung erhoben werden, weil die Säumnis des Schuldners der Hauptforderung weiter andauert (SozR 4100 § 186a Nr 10).

Schließlich wird das LSG auch zu prüfen haben, ob der streitige Bescheid hinsichtlich der geforderten Säumniszuschläge überhaupt rechtmäßig ist. Das Recht, Säumniszuschläge für rückständige Winterbau-Umlage zu erheben, folgt aus § 3 Abs 2 WBU-VO, § 179 Nr 1 AFG iVm § 24 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Hiernach kann der Einzugsberechtigte für Forderungen, die eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet sind, einen einmaligen Säumniszuschlag bis zur Höhe von 2 vH der rückständigen Beiträge erheben (Abs 1) und für mehr als 3 Monate rückständige Umlagen für jeden Monat in Höhe von 1 vH (Abs 2). Damit ist dem Einziehungsberechtigten ein doppeltes Ermessen eingeräumt, nämlich einerseits hinsichtlich der Entscheidung, ob überhaupt Säumniszuschläge erhoben werden und andererseits, in welcher Höhe - bis zu 2 vH der Hauptforderung - das geschehen soll. Die gerichtliche Nachprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob der Einziehungsberechtigte bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen sich an das ihm eingeräumte Ermessen gehalten hat. Ermessensfehlerhaft handelt der Einzugsberechtigte auch dann, wenn er sein Ermessen ersichtlich nicht ausübt (Urteile des erkennenden Senats vom 26. Mai 1983 - 10 RKg 13/82 - und vom heutigen Tage - 10 RAr 13/82 - beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Im vorliegenden Fall lassen weder der streitige Bescheid noch die Ausführungen der Beklagten erkennen, ob diese ihren Ermessensspielraum erkannt und sodann ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat oder die Erhebung und die Höhe der Säumniszuschläge als zwangsläufige Folge der Säumnis angesehen hat. Bei einem derartigen Nichtgebrauch des eingeräumten Ermessens wäre der streitige Bescheid insoweit rechtswidrig. Es ist jedoch nicht zweckmäßig, den streitigen Bescheid insoweit schon jetzt aufzuheben, weil das angefochtene Urteil ohnehin aufgehoben werden muß. Nach der Zurückverweisung hat die Beklagte die Möglichkeit, ihr Ermessen in einem neuen Bescheid auszuüben, der Gegenstand des Berufungsverfahrens würde.

Das LSG hat zwar festgestellt, die geforderten Rückstände seien der Höhe nach unstreitig. Ergeben die sonstigen Feststellungen jedoch, daß die Beteiligten von einer unzutreffenden rechtlichen Wertung ausgehen, so ist das LSG dadurch jedenfalls nicht seiner Pflicht enthoben, die tatsächliche Höhe der Forderung festzustellen, wenn, wie hier, das Klagebegehren auf einen bestimmten Betrag gerichtet ist.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

BSGE, 55

ZIP 1984, 724

Breith. 1984, 717

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