Beteiligte

Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Beiträge für eine Nachversicherung des Beigeladenen in der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) verjährt sind.

Der 1941 geborene Beigeladene war ab 1. April 1964 als Krankenkassen-Sachbearbeiter mit sogenannter A-Prüfung in den Dienst der klagenden Innungskrankenkasse (IKK) getreten. Diese beschäftigte ihn zunächst als Tarifangestellten (VI b), ab 1. Juli 1964 - nach Zusicherung der dienstordnungsmäßigen Anstellung mit Vollendung des 27. Lebensjahres - als von der Versicherungspflicht befreiten Tarifangestellten (V b) und schließlich ab 1. Juni 1968 als dienstordnungsmäßigen Angestellten in der Dienststellung zuletzt eines Verwaltungsoberinspektors. Zum 31. März 1971 kündigte der Beigeladene, um Geschäftsführer einer Betriebskrankenkasse zu werden. Für die Zeit der dienstordnungsmäßigen Beschäftigung bei der Klägerin vom 1. Juni 1968 bis 31. März 1971 versicherte ihn der Württembergische Kommunalversorgungsverband nach und überwies der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Jahre 1972 für den Beigeladenen Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 7.629,76 DM.

Schon unter dem 26. Mai 1971 hatte sich die Beklagte, vom Beigeladenen unterrichtet, an die Klägerin gewandt und gebeten, für diesen für die übrige Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung gemäß §§ 124 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) Beiträge in Höhe von 17 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts nachzuentrichten. Am 15. Februar 1972 erwiderte die Klägerin, allenfalls stünden der Beklagten die Arbeitgeberanteile für die Zeit der versicherungsfreien Beschäftigung des Beigeladenen vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968 zu; die eingesparten Arbeitnehmeranteile sollte der Beigeladene billigerweise selbst nachentrichten.

In der Folge erbat die Beklagte von der Klägerin wiederholt weitere Angaben und Unterlagen. Hierauf reagierte diese nicht.

Am 22. April 1977 teilte die Beklagte der Klägerin - dort eingegangen am 28. April 1977 - schließlich schriftlich mit, daß der Beigeladene in der Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968 nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG i.V.m. den entsprechenden Erlassen des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung in Baden-Württemberg versicherungsfrei gewesen sei. Die Nachversicherungsbeiträge seien in voller Höhe von der Klägerin zu zahlen, und zwar im Betrag von 17 v.H. des maßgebenden Bruttoarbeitsentgelts und auf eines der angegebenen Konten unter Verwendung der zugleich übergebenen Vordrucksätze. Um nunmehr unverzügliche weitere Bearbeitung der bislang hinhaltend betriebenen Sache werde gebeten.

Auch hierauf reagierte die Klägerin nicht. Nach zahlreichen Erinnerungen teilte sie der Beklagten am 1. Juli 1978 mit, es sei Aufgabe des Rentenversicherungsträgers, den nach § 29 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) binnen zwei Jahren nach Fälligkeit der Verjährung unterliegenden Nachversicherungsbeitrag gegen den früheren Arbeitgeber geltend zu machen. Unter dem 18. Oktober 1978 erklärte sie sich, nachdem sich die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde eingeschaltet hatte, "ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung zur Nachversicherung im Wege eines gegenseitigen Vergleichs bereit, die Hälfte der im Wege der Nachversicherung zu entrichtenden Beiträge zu übernehmen". Dies lehnte die Beklagte am 16. November 1978 ab und bat um "umgehende weitere Behandlung der Angelegenheit". Dem kam die Klägerin nicht nach.

Mit dem angefochtenen, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 17. Juli 1979 forderte die Beklagte schließlich von der Klägerin anhand der von dem Beigeladenen zur Verfügung gestellten Gehaltsunterlagen für die Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968 Nachversicherungsbeiträge im Betrag von 7.628,82 DM. In der Begründung heißt es u.a., ihr formloser Verwaltungsakt vom 26. Mai 1971 sei längst für die Klägerin bindend geworden.

Mit der nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Mai 1980) erhobenen, auf Verjährung gestützten Klage hatte die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) ganz, vor dem Landessozialgericht (LSG) zum Teil Erfolg. Im angefochtenen Urteil vom 26. Januar 1982 hat das LSG das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten dahin abgeändert, daß die Klägerin einen Nachversicherungsbetrag von nur 3.814,41 DM zu entrichten habe; im übrigen hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, die klagende IKK habe die Arbeitgeberanteile für die Tätigkeit des Beigeladenen in der Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968 im Sinne von § 29 Abs. 1 RVO in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung (Hinweis auf den bis 31. Dezember 1980 gültig gewesenen § 205 AVG) absichtlich hinterzogen, so daß sie nicht verjährt seien. Die Arbeitnehmeranteile habe die Klägerin zumindest mit bedingtem Vorsatz zwar ebenfalls hinterzogen; eine Absicht sei freilich insoweit nicht zweifelsfrei festzustellen, so daß Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1973 eingetreten sei. Ein die Verjährung unterbrechender Verwaltungsakt der Beklagten liege nicht vor, ebensowenig eine unzulässige Rechtsausübung seitens der Klägerin.

Gegen dieses Urteil hat der Senat die Revision zugelassen (Beschluß vom 7. September 1982).

Klägerin und Beklagte haben die Revision eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, das LSG habe unzulässig die Nachversicherungsbeträge in Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile aufgespalten. Die Beklagte habe die Verjährung von Amts wegen zu beachten und könne deshalb keine Beiträge nachfordern. Für eine absichtliche Hinterziehung der Beiträge durch sie, Klägerin, spreche nichts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Januar 1982 - schlüssig: im verurteilenden Teil - aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. November 1980 zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 24. November 1980 die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, unter Rückständen im Sinne von § 29 Abs. 1 RVO a.F. könne bei einer Nachversicherung nur der vom Dienstherrn zahlende Gesamtbeitrag verstanden werden, der nicht in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile aufgespalten werden könne. Im vorliegenden Fall dürfte dieser Gesamtbeitrag einer 30-jährigen Verjährung unterliegen, weil ihn die Klägerin absichtlich vorenthalten habe.

Der Beigeladene war im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten (vgl. § 166 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen sind zulässig. In der Sache begründet ist nur das Rechtsmittel der Beklagten.

Scheiden Beschäftigte u.a. der Träger der Sozialversicherung, denen Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet war, aus der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG versicherungsfreien Beschäftigung ohne entsprechende Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen aus, so sind sie nach § 9 Abs. 1 AVG für die Zeit, in der sie sonst in der AnV versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern. Im Hinblick auf den von den Beteiligten zutreffend zitierten Erlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung in Baden-Württemberg vom 11. Oktober 1961 - IV/4612/61 - war der Beigeladene bereits in seiner Beschäftigung bei der Klägerin vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968, in der ihm dienstordnungsmäßige Anstellung nach Erreichen des 27. Lebensjahres schriftlich zugesichert worden war, nach der soeben genannten Vorschrift versicherungsfrei. Auch für den Beigeladenen war die Nachversicherung in der Weise durchzuführen, daß die Klägerin als dessen frühere - öffentlich-rechtliche - Arbeitgeberin die Beiträge gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AVG für die ursprünglich versicherungsfreie Beschäftigung an den Träger der AnV nachentrichtete. Das Recht, hiervon einen Arbeitnehmeranteil des Nachzuversichernden im Sinne von § 119 Abs. 1 AVG abzuziehen, ist durch § 124 Abs. 1 Satz 3 AVG ausdrücklich ausgeschlossen; der frühere öffentliche Arbeitgeber hat daher den Beitrag des Nachzuversichernden in vollem Umfange aufzubringen und zu zahlen. Die Argumentation der Klägerin mit einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmeranteil am nachzuentrichtenden Beitrag, von der sie erst in der Revisionsbegründung abgerückt ist, entbehrt hiernach schon anhand des Gesetzeswortlauts evident der Rechtsgrundlage.

Gleichwohl hat das LSG im angefochtenen Urteil zwischen einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmer-Hälfteanteil unterschieden und nur gegen letzteren den von der Klägerin erhobenen Einwand der Verjährung durchdringen lassen.

Die Klägerin kann indessen mit ihrem Einwand der Verjährung nicht gehört werden, soweit sie sich mit ihrem Rechtsmittel sogar dagegen wendet, daß sie das LSG zur Zahlung nur eines "Arbeitgeberanteils" - genauer: zur Zahlung selbst nur der Hälfte der von der Beklagten angeforderten Beiträge - verurteilt hat:

Die mit Wirkung vom 1. Juli 1977 (Art. II § 21 Abs. 1 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches - SGB 4) durch § 25 Abs. 1 SGB 4 neu geordnete Verjährung von Beiträgen gilt nach den Überleitungsbestimmungen in Art. 2 § 15 aaO auch für die schon vorher fällig gewordenen, noch nicht verjährten Beitrags- und Erstattungsansprüche. Nicht verjährt in diesem Sinne sind diejenigen vor dem 1. Juli 1977 fällig gewordenen Beitragsansprüche, hinsichtlich derer die bis dahin in § 205 AVG i.V.m. § 29 Abs. 1 RVO festgelegte Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. dazu Verbandskommentar, SGB IV, § 25 Anm. 6). Da die vom Arbeitgeber zu leistenden Nachversicherungsbeiträge nach §§ 124, 9 Abs. 1 AVG schon mit dem "Ausscheiden" des seinerzeit versicherungsfrei Beschäftigten bei dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber fällig werden (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen z.B. Zweng/Buschmann/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, § 1402 Anm. B 1), ist im vorliegenden Fall die in § 29 Abs. 1 RVO festgelegte Zweijahresfrist längst abgelaufen; der Beigeladene ist bei der Klägerin mit dem 31. März 1971 ausgeschieden. Im vorliegenden Fall richtet sich die Frage der Verjährung der Nachversicherungsbeiträge mithin - über § 205 AVG - noch nach § 29 Abs. 1 RVO.

Nach dieser Vorschrift verjährt der Anspruch auf rückständige Beiträge in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit, "soweit sie nicht absichtlich hinterzogen worden sind". Insoweit gilt in entsprechender, lückenfüllender Anwendung der die Verjährung betreffenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - (vgl. z.B. BSGE 35, 236, 237 = SozR Nr. 26 zu § 29 RVO) eine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB; vgl. die rechtsähnliche Vorschrift des neuen Rechts in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB 4). Das LSG hat im angefochtenen Urteil dargelegt, daß die Klägerin in diesem Sinne die Nachversicherungsbeiträge für den Beigeladenen absichtlich hinterzogen hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, daß das LSG hierbei den Rechtsbegriff des absichtlichen Hinterziehens verkannt hätte: Beiträge werden dann absichtlich hinterzogen, wenn sie wider besseres Wissen und trotz Kenntnis der Verpflichtung zur Leistung nicht gezahlt werden, um sie dem Rentenversicherungsträger - und damit dem früher versicherungsfrei Beschäftigten zu entziehen (RVA AN 1935, 175; EuM 43, 75; BSGE 28, 61, 63 SozR Nr. 15 zu § 29 RVO; SozR 2200 § 29 Nr. 1 und 9). Daß das LSG rechtsirrig anderes angenommen hätte, wird selbst von der Klägerin nicht behauptet. Da der Umstand, daß die Klägerin im konkreten Fall eine entsprechende Absicht zur Hinterziehung von Beiträgen hatte, im übrigen tatsächlicher Natur ist (sog innere Tatsache), ist der erkennende Senat an die entsprechende Feststellung des LSG im angefochtenen Urteil nach § 163 SGG gebunden. Eine insoweit verfahrensfehlerhafte Feststellung von Tatsachen durch das LSG (vgl. §§ 163, 164 Abs. 2 Satz 3 Regelung 3 SGG) hat die Klägerin nicht, insbesondere auch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gerügt; sie hat sich damit begnügt vorzutragen, daß für eine absichtliche Hinterziehung durch sie nichts spreche, sie hat also den Sachverhalt anders als das LSG gewürdigt; dies enthält keine für den Senat beachtliche Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht.

In bezug auf den "Arbeitgeberanteil" der Nachversicherungsbeiträge ist sonach die 30 Jahre umfassende Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, so daß das LSG die Klägerin zu Recht verurteilt hat, Beiträge in diesem Umfang zu leisten; die Revision der Klägerin war insoweit unbegründet und zurückzuweisen.

Was die andere Hälfte der für den Beigeladenen nachzuentrichtenden Beiträge - den "Arbeitnehmeranteil" - betrifft, so hat das LSG die Absicht der Klägerin zur Beitragshinterziehung - für den Senat ebenfalls bindend - verneint und allein Vorsatz angenommen. Vorsatz allein genügt aber nicht, wie das LSG zutreffend angenommen hat, um die Verjährungsfrist des § 29 Abs. 1 RVO auf 30 Jahre auszudehnen (vgl. zur Unterscheidung zwischen absichtlicher und vorsätzlicher Vorenthaltung von Beiträgen auch Hauck/Haines SGB IV/l, § 25 RdNr. 4 und eben dort Fußnote 5). Gleichwohl ist der von der Beklagten eingeforderte Beitrag auch in diesem Umfange nicht verjährt:

Die während der zeitlichen Geltung des § 29 Abs. 1 RVO vom BSG vertretene Auffassung, daß die Verjährung von Beiträgen anders als im bürgerlichen Recht (§ 222 BGB) unter Würdigung des öffentlich-rechtlichen, dem versicherungspflichtig Beschäftigten zugedachten Schutzes, also zugunsten des Versicherten auch von Amts wegen zu beachten sei (vgl. z.B. BSGE 22, 173; 25, 73, 74 f), vermag die Klägerin nicht zu begünstigen. Als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 225 Abs. 1, 250 RVO) in der Rechtsfigur der Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 29 Abs. 1 SGB 4) hatte sie ihre Aufgaben immer schon "im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts in eigener Verantwortung" zu erfüllen (vgl. Abs. 3 aaO). Der von der Rechtsprechung bei Anwendung des § 29 Abs. 1 RVO auf den Versicherten gemünzte Schutz steht der Klägerin daher nicht zu. Es kommt hinzu, daß den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber die Rechtspflicht zur Nachversicherung in bezug auf bei ihm versicherungsfrei beschäftigt gewesene Personen nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AVG mit deren Ausscheiden, also kraft Gesetzes unmittelbar trifft, ohne daß es der Aufforderung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger bedürfte (vgl. dazu z.B. die - zur Veröffentlichung bestimmte - Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. April 1982 - 1 RA 25/81 -). Die Auffassung der Klägerin, die Einforderung der Beiträge sei Sache allein des Rentenversicherungsträgers, die sie auch im konkreten Falle untätig habe abwarten können, ist hiernach rechtsirrig. Die ihr kraft Gesetzes überbürdete Pflicht zur Beitragsnachentrichtung gemäß § 124 Abs. 1 AVG könnte z.B. rechtsaufsichtlich durchgesetzt werden; ihre Verletzung könnte Folgenbeseitigungsansprüche auslösen, soweit fortwirkende Fürsorgepflichten gegenüber dem früheren Arbeitnehmer verletzt sind.

Schon unter der Geltung des § 29 Abs. 1 RVO unterbrach, in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 209 BGB, ein zur Durchsetzung des Beitragsanspruchs erlassener Bescheid des Rentenversicherungsträgers dessen Verjährung (vgl. die dementsprechende ausdrückliche Neuregelung in § 25 Abs. 2 SGB 4, die an diese Rechtsprechung anknüpft). Bei einem dem Arbeitgeber nach § 124 Abs. 1 AVG erteilten Beitragsbescheid des Rentenversicherungsträgers handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von 5 31 SGB 10, da der Arbeitgeber des Nachzuversichernden der öffentlich-rechtlichen Regelungsbefugnis des Rentenversicherungsträgers unterworfen ist (so z.B. der erkennende Senat in der Entscheidung vom 27. April 1982 aaO). Es mag dahinstehen, ob die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin vom 26. Mai 1971, für die versicherungsfreie Beschäftigung des Beigeladenen Beiträge nach §§ 9, 124 AVG nachzuentrichten, "sofern (dessen) Angaben zutreffen", ein die Unterbrechung der Verjährung bewirkender Bescheid (Verwaltungsakt) war. Spätestens die schriftliche, rechtlich eingehend begründete Aufforderung der Beklagten vom 22. April 1977 an die Klägerin, für den Beigeladenen für die Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai1968 einen Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 17 v.H. des maßgeblichen Bruttoentgelts für die Zeit vom 1. Juli 1964 bis 31. Mai 1968" zu entrichten, weil dieser nach den gepflogenen Ermittlungen in der genannten Zeit bei ihr im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG versicherungsfrei beschäftigt gewesen sei, ist ein solcher Verwaltungsakt. Hieran ändert der Umstand nichts, daß diese Zahlungsaufforderung der Beklagten an die Klägerin keine Rechtsbehelfsbelehrung hatte; dies hatte allein zur Folge, daß die Einlegung des Rechtsbehelfs binnen Jahresfrist möglich war (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da die Verjährung des Beitragsanspruchs gegen die Klägerin von der Beklagten, wie ausgeführt, nicht von Amts wegen zu beachten war und diese eine Verjährung bis dahin nicht eingewendet hatte - zum ersten Mal hat sie im Schriftsatz an die Beklagte vom 1. Juli 1978 von Verjährung gesprochen -, betraf der Bescheid der Beklagten auch keinen Anspruch, bezüglich dessen sie Verjährungsfragen zu prüfen hatte. Selbst wenn angenommen würde, daß der Bescheid der Beklagten vom 22. April 1977 kein Beitragsbescheid im engeren Sinne war, weil noch die genaue Bezifferung des geltend gemachten Beitragsanspruchs fehlte - freilich war er für die Beklagte, wie ihr ausdrücklich aufgegeben, mit 17 v.H. des Bruttoentgelts des Beigeladenen ganz leicht selbst zu beziffern -, so war er doch ein rechtlich beachtlicher Beitragsbescheid "dem Grunde nach". Leistungsbescheide dem Grunde nach sind sowohl von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch im Schrifttum anerkannt (vgl. BSGE 39, 86 = SozR 2200 § 628 Nr. 1 mit zustimmender Anmerkung von Tannen in DRV 1975, 318 und Schimanski in Sgb 1975, 424). Sie sind dort zulässig, wo die Bezifferung der von dem Sozialleistungsträger zu fordernden Leistung noch nicht möglich ist, andererseits aber eine Feststellung der Leistung dem Grunde nach bereits angezeigt oder zumindest tunlich ist. Solche Leistungsbescheide dem Grunde nach haben die Rechtsqualität eines die Leistungspflicht feststellenden Verwaltungsakts (BSG aaO). Da sich die Klägerin gegen den Leistungsbescheid der Beklagten "dem Grunde nach" vom 22. April 1977 erstmals am 1. Juli 1978 gewandt hatte, ist er mangels eines rechtzeitigen Rechtsbehelfs im Sinne von § 77 SGG auch für die Klägerin in der Sache bindend geworden. Mit ihm hat die Beklagte nach allem die Beitragsforderung zugunsten des Beigeladenen unmißverständlich geltend gemacht, so daß die Anforderungen analog § 209 BGB erfüllt sind und die Verjährung unterbrochen war. Da die Beklagte nach Erlaß des Bescheids gegenüber der Klägerin die Beitragsforderung mit zahlreichen nachdrücklichen Aufforderungen und Mahnungen weiterbetrieb und den Bescheid vom 22. April 1977 "dem Grunde nach" mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 1979 in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 1980 schließlich in einen bezifferten Beitragsbescheid aufgehen ließ, ist die Verjährung seit Zustellung des erstgenannten Bescheids fortlaufend unterbrochen; die Unterbrechung der von der Beklagten seit 1977 zielstrebig und ohne Pause betriebenen Beitragssache wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Verfahrens fortbestehen (vgl. §§ 211, 217 BGB und § 52 Abs. 1 SGB 10). Die Verjährungseinreden, die die Klägerin erst nach Erlaß des Bescheids vom 22. April 1977 erhoben hatte, nachdem dessen sachliche Bindung bereits eingetreten war, gehen daher fehl.

Ist nach alledem der Anspruch der Beklagten auch auf den "Arbeitnehmeranteil" des Nachversicherungsbeitrags nicht verjährt, so läßt sich der angefochtene bezifferte Beitragsbescheid der Beklagten vom 17. Juli 1979 in der Gestalt des ihn bestätigenden Widerspruchsbescheids nicht beanstanden. Auf die Revision der beklagten war unter Abänderung des angefochtenen Urteils insoweit und unter Aufhebung des Urteils des SG die Klage der Klägerin gegen diesen Bescheid in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518357

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