Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Urteil vom 07.02.1975)

SG für das Saarland (Urteil vom 19.09.1974)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 7. Februar 1975 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19. September 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger bezieht als früherer Arbeiter der Saarbergwerke jährlich 2,5 t Deputatkohlen oder 45 Ztr. Koks. Den Wert dieser Leistung rechnete das Versorgungsamt (VersorgA) ständig als Bruttoeinkommen des Klägers bei ablehnenden und zusprechenden Entscheidungen über den Berufsschadensausgleich an, zuletzt im Jahre 1972 mit 34,17 DM und sodann ab 1. Januar 1973 mit 38,08 DM im Bescheid vom 17. August 1973, durch den die Versorgungsbezüge insgesamt neu festgestellt wurden. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 23. Januar 1974). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Urteil vom 19. September 1974). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und den angefochtenen Bescheid dahin abgeändert, daß bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs die Deputatkohlen außer Ansatz zu lassen sind (Urteil vom 7. Februar 1975). Zwar gehören nach Ansicht des LSG Deputate als steuerpflichtige Einkünfte grundsätzlich zum Bruttoeinkommen aus früherer oder gegenwärtiger Tätigkeit, das bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs anzusetzen sei (§ 10 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung –DVO– des § 30 Abs. 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz –BVG– i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 18 DVO zu § 33 BVG und § 3 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung –LStDV–). Im vorliegenden Fall verstoße jedoch die Bewertung kostenloser Deputatkohlen für ehemalige Bergleute als deren Einkommen gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz –GG–) im Vergleich mit den Deputaten für die aktiven Bergleute. Diese erhielten je nach Familienstand und Arbeitszeit 85 bis 150 Ztr. verbilligten Hausbrandes als eine steuerfrei behandelte Leistung, obwohl diese an sich gleichfalls eine steuerpflichtige Einnahme sei; das entspreche wertmäßig im Ergebnis dem kostenlosen Bezug von 80 bis 140 Ztr. Kohlen. Die ungleiche Behandlung der Deputatkohlen für aktive und für ehemalige Bergleute sei willkürlich. Beide Leistungen müßten nach dem vorgegebenen Unterscheidungsmerkmal, der Steuerpflichtigkeit von betrieblichen Vergünstigungen, als wesentlich gleich angesehen werden.

Der Beklagte wendet sich mit der – zugelassenes – Revision gegen die Rechtsauffassung des LSG, daß der Gleichheitsgrundsatz verletzt sei, wenn nur der verbilligte Hausbrand für aktive Bergarbeiter als steuerfreie betriebliche Vergünstigung bei der Entscheidung über den Berufsschadensausgleichs außer Ansatz bleibe. Falls sich die sachgerechte Anknüpfung an die steuerrechtliche Behandlung der kostenlosen Deputatkohlen für ehemalige Bergbauangehörige ungünstig auswirke, so werde dies durch den kostenlosen Bezug der Brennstoffe ausgeglichen. Diese Regelung sei von den Tarifpartnern kraft ihrer unantastbaren Autonomie getroffen worden und entsprechen der unterschiedlichen Beurteilung von aktiven Arbeitern und von Rentnern, die vernünftigerweise im Wirtschaftsleben überall üblich sei. Daran könne im Versorgungsrecht angeknüpft werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, die Berufung sei nicht nach § 148 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen gewesen.

Die Oberfinanzdirektion –OFD– Saarbrücken hat auf Anfrage mitgeteilt, Deputatkohlen gehörten als Sachbezüge zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, bei der Wertfestsetzung würden die unterschiedlichen Mengen für Pensionäre und Aktive angemessen berücksichtigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die kraft Zulassung statthafte Revision ist begründet. Das SG hat mit Recht die Klage abgewiesen, so daß das LSG die Berufung hätte als unbegründet zurückweisen müssen.

Zunächst hat das LSG mit Recht die Berufung als statthaft behandelt, was bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen ist (BSG 2, 225, 226 f). Die Berufung war nicht nach § 148 Nr. 3 SGG ausgeschlossen; denn sie betraf keine Neufeststellung wegen Änderung der Verhältnisse. Vom Widerspruch an hat der Kläger weder den nach § 62 BVG erlassenen Neufeststellungsbescheid vom 17. August 1973 insgesamt noch die veränderte Bewerbung der Deputatkohlen – der Höhe Bach – beanstandet, vielmehr ausschließlich dem Grunde nach einen einzelnen Faktor für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs, nämlich schlechthin die Anrechnung der Deputatkohlen als Teil des Bruttoeinkommens, das dem Durchschnittseinkommen in dem ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich ausgeübten Beruf (Vergleichseinkommen) gegenüberzustellen ist (§ 30 Abs. 3 und 4 Satz 1 BVG in der hier maßgebenden, später nicht einschlägig geänderten Fassung des 3. Neuordnungsgesetzes –NOG– vom 28. Dezember 1966 – BGBl I 750 – und des 3. Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG –3. AnpG-KOV– vom 16. Dezember 1971 – BGBl I 1985). Diese Bewertungsweise war unverändert gegenüber dem vorausgegangenen rechtsverbindlichen Bescheid, und in einem solchen Fall betrifft die allein darauf gerichtete Berufung keine Neufeststellung wegen nachträglicher Änderung der wesentlichen Verhältnisse (BSG 10, 282, 284; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, § 148 SGG, Anm. 4, S. III/50 – 3 –); das mag anders sein, wenn der „Anspruch”, der nach dem Berufungsbegehren im Wege der Berichtigung geltend gemacht wird, selbst unter einen der Berufungsausschlußgründe der §§ 144 ff SGG fällt (BSG SozR Nr. 34 zu § 148 SGG; BSG vom 30. August 1968 – 4 RJ 241/68 – Leitsatz in SozR Nr. 22 zu § 146 SGG; Zeihe, § 148 SGG, Anm. 1 b; § 143, Anm. 4 b; § 148, Anm. 9 b). Der Kläger hat zwar mit dem Widerspruch, mit dem er anstrebte, der Wert der Deputatkohlen solle überhaupt nicht berücksichtigt werden, nicht ausdrücklich einen entsprechenden Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) beantragt. Sachlich ging aber sein Begehren dahin, und im Widerspruchsbescheid ist summarisch eine „günstigere Berechnung” abgelehnt worden (vgl. BSG vom 10. Dezember 1975 – 9 RV 116/75 –). Ob die Entscheidung über einzelne Berechnungsfaktoren, die einem Rentenbescheid zugrunde liegt, für spätere Feststellungen rechtsverbindlich ist (§ 77 SGG, § 24 VerwVG, BSG 39, 14, 17 f = SozR 3640 zu § 4 Nr. 2; vgl. zu den andersartig geregelten Umstellungsfällen des Renten- und des Unfallversicherungsrechts: einerseits BSG 26, 98 = SozR Nr. 10 zu § 1278 RVO; BSG SozR Nr. 1 zu § 3 des 1. RAG; SozR 2200 § 558 Nr. 1, andererseits BSG 24, 236 = SozR Nr. 1 zu Art. I § 2 des 6. BAG vom 21. Dezember 1963, BSG 26, 266 = SozR Nr. 2 zu § 1272 RVO), ist hier nicht allgemeingültig zu entscheiden. Eine Neufeststellung nach § 62 BVG hätte jedenfalls nur entsprechend dem Ausmaß der nachträglichen Veränderung der maßgebenden Verhältnisse vorgenommen werden dürfen (BSG 19, 15 = SozR Nr. 21 zu § 62 BVG; BSG 19, 77 = SozR Nr. 23 zu § 62 BVG, andeutend schon BSG 13, 230, 231 f = SozR Nr. 10 zu § 62 BVG), also nicht bezüglich der unveränderten Berechnungsgrundlage, um die es hier geht.

Der Wert der kostenlosen Deputatkohlen für Bergrentner aus ihrem früheren Arbeitsverhältnis (§§ 52 ff des Tarifvertrages für die Arbeiter des Saarbergbaus – Manteltarifvertrag [ArbMTV] – vom 2. Juli 1959 in den jeweils geltenden Fassungen) ist als Bestandteil des derzeitigen Bruttoeinkommens i. S. des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG anzusehen. Als Bruttoeinkommen in diesem Sinn gelten nach § 9 Abs. 1 Halbsatz 1 Buchst. a der aufgrund des § 30 Abs. 7 Buchst. c BVG (i.d.F. des 3. NOG) und des Absatzes 8 Buchst. c BVG (i.d.F. des 3. AnpG-KOV) erlassenen DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG – in der bis zum 31. Dezember 1973 geltenden Fassung vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194) und in der ab 1. Januar 1974 geltenden Fassung vom 11. April 1974 (BGBl I 927) – u. a. alle Einnahmen in Geldeswert aus einer früheren unselbständigen Tätigkeit, soweit nicht in § 10 DVO etwas anderes bestimmt ist. Zu den Einnahmen aus früherer unselbständiger Tätigkeit gehören insbesondere – neben Warte- und Ruhegeldern – andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 DVO). Darunter fällt ein Kohlendeputat, das ein früherer Bergmann nach einer bestimmten Beschäftigungszeit im Saarbergbau, wenn er Rentner ist (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3 Buchst. a, Nr. 4 Buchst. a, § 57 ArbMTV) oder infolge Arbeitsunfalls oder Berufsunfähigkeit ausgeschieden und mindestens 50 v.H. erwerbsbeschränkt ist (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), kostenlos (§ 58) bezieht. Zu den Bruttoeinkünften in diesem Sinn gehören nach § 10 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht die Einkünfte, die in § 2 Abs. 1 der DVO zu § 33 BVG (i.d.F. vom 9. November 1967 – BGBl I 1140 –, vom 7. August 1968 – BGBl I 965 –, vom 24. Januar 1972 – BGBl I 70 –, gültig ab 1. Januar 1971, und vom 23. Dezember 1974 – BGBl I 107 –, gültig ab 1. Januar 1974, vgl. die Bekanntmachung der Neufassung vom 1. Juli 1975 – BGBl I 1769 –) aufgeführt werden. Dazu rechnen nach § 2 Abs. 1 Nr. 18 DVO zu § 33 BVG betriebliche Vergünstigungen, z. B. Freimilch, unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten, soweit sie lohnsteuerfrei bleiben (vgl. dazu Abschn. 13 der Lohnsteuer-Richtlinien i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. Dezember 1969 – BStBl 1970 I 25 –, die während des Verwaltungsverfahrens nicht einschlägig geändert worden ist), d. h. Annehmlichkeiten, die kein Entgelt darstellen (Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, I, 10. Aufl. 1971, § 8, Anm. 3, S. 1282; § 19, Anm. 7, S. 2019; Anm. 9, S. 2034). Bei diesen Vergünstigungen, die im Steuer- und im Kriegsopferrecht außer Betracht bleiben, handelt es sich naturgemäß um Zuwendungen an Arbeitnehmer während ihrer Betriebszugehörigkeit, mithin in der Zeit, in der sie noch in einem Dienstverhältnis stehen. Diese Leistungen sollen die Arbeitsbedingungen verbessern, nicht aber die Vermögenslage der Arbeiter durch einen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil. Ob sie die Hausbranddeputate der (aktiven) Arbeiter umfassen (verneinend: Volker Dahlgrün, Die Rechtsnatur der Hausbrandversorgung des Kohlenbergarbeiters sowie Aspekte der Rechtsnatur von Naturalleistungen in Arbeitsverhältnissen im allgemeinen, Dissertation, Würzburg 1970, s. 149), ist hier nicht zu entscheiden. Die Deputatkohlen der Bergbaurentner sind dagegen eine von der Rente abhängige und sie ergänzende Zuwendung (vgl. insbesondere § 57 ArbMTV) aufgrund der früheren, nicht durch fristlose Entlassung beendeten Tätigkeit im Bergbau (§§ 56, 61, 65 ArbMTV) und damit eine betriebliche Altersversorgung (Nipperdey in: Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II, 1, 7. Aufl. 1967, S. 255, 538). Selbst wenn diese Leistungen aus einem früheren Dienstverhältnis in einem weiteren Sinn als „betriebliche Vergünstigungen” gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 18 DVO zu § 33 BVG gewertet werden könnten, erfaßte dieser Ausnahmetatbestand sie deshalb nicht, weil diese Deputatkohlen nicht lohnsteuerfrei bleiben. Zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die einkommen- oder lohnsteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 Einkommensteuergesetz –EStG– in der später während dieses Verfahrens nicht einschlägig geänderten Fassung vom 1. Dezember 1971 – BGBl I 1882 –), gehören u. a. Ruhegelder oder andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Von den „Versorgungsbezügen” aus früheren Dienstverhältnissen sind wohl die Bezüge wegen Erreichens der Altersgrenze, wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, aber nicht Sachbezüge wie die hier umstrittenen Hausbranddeputate teilweise lohnsteuerfrei (§ 19 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Nr. 2 EStG). Einnahmen, die grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegen, sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten zufließen (§ 8 Abs. 1 EStG), u. a. Sachbezüge (Abs. 2), auch Hausbranddeputate (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LStDV; Abschn. 14 der Lohnsteuer-Richtlinien; Dahlgrün, aaO, S. 140 ff, insbesondere 153; zum Entgeltcharakter: S. 34 ff; zum Entgelt im Sinn von § 160 RVO: S. 168 f, 194; Blümich/Falk, § 8 EStG, Anm. 6, S. 1288 unter Bezug auf BFH, BStBl 1966 III 607; allgemein zur Bewertung: Erlaß des Saarländischen Ministers für Finanzen und Forsten betreffend die Bewertung der Sachbezüge vom 25. Januar 1972 – Amtsblatt für das Saarland –AB– 1972, 61 –, Erlaß vom 4. Januar 1971 – AB 59 –, Abschn. II Abs. 1 und Abschn. III, Erlaß vom 19. Dezember 1972 – AB 1973, 35 –, Erlaß vom 18. Dezember 1973 – AB 1974, 68 –). Steuerfrei sind u. a. Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe einer Rechtsverordnung, soweit es aus sozialen Gründen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens geboten erscheint, die Zuwendung ganz- oder teilweise steuerfrei zu lassen (§ 3 Nr. 52 EStG). Die LStDV sieht eine Steuerfreiheit von Deputatkohlen an frühere Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis im Bergbau nicht vor (vgl. die Auskunft der OFD Saarbrücken vom 18. Februar 1976 – S 2334 B – 33 – St 221 – gegenüber dem Senat). Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Versorgungsverwaltung die Steuerrechtslage selbständig prüfen darf oder ob sie sich nach der tatsächlichen Behandlung solcher Bezüge durch die Finanzverwaltung richten muß. Auch tatsächlich bleiben in der Praxis der Finanzverwaltung des Saarlandes diese Leistungen nicht steuerfrei (vgl. die Stellungnahme der OFD Saarbrücken vom 12. Dezember 1973 – S 2334 B – 22 – St 221 – zu den im Schreiben des Landesversorgungsamtes vom 6. November 1973 – III/1 – 4945 a – 784/73 – vertretenen Ansichten, mitgeteilt im Parallelverfahren Koch gegen Saarland – 9 RV 102/75 –).

Entgegen der Ansicht des LSG und des Klägers ist die Bewertung der den Bergbaurentnern gewährten Deputatkohlen als Einkünfte nicht verfassungswidrig; sie verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Wohl wird der nicht zu bezahlende Anteil der Deputatkohlen der (aktiven) Bergbauarbeiter (§§ 39 bis 51 ArbMTV), der nach der Berechnung des LSG einen größeren wirtschaftlichen Wert als der Hausbrand für Berginvaliden hat, nicht als Bruttoeinkommen nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG behandelt, wie der Beklagte berichtet hat (vgl. auch Erlaß des Ministers für Familie, Gesundheit und Sozialordnung des Saarlandes vom 22. März 1974 – B IV – 4941 – Tgb Nr. 177/74 – an das Landesversorgungsamt, vorgelegt im Rechtsstreit Koch gegen Saarland). Aber wegen dieser Verwaltungspraxis ist keine Verletzung des Gleichheitssatzes anzunehmen, aus der ehemalige Bergleute ein gleiches Recht für sich herleiten könnten. Der Kläger könnte nicht unter Berufung auf Art. 3 GG bei der Rechtsanwendung (Leibholz/Rinck, Kommentar zum GG, 5. Aufl. 1975, Art. 3, Rd.-Nr. 16, S. 122 f; 17) vom Beklagten verlangen, ebenso behandelt zu werden wie der andere Personenkreis, zu dem er nicht gehört, falls das Verhalten der Versorgungsverwaltung gegenüber den Bergarbeitern rechtswidrig wäre; dem stünde die verfassungsrechtliche Bindung der Verwaltung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) entgegen (BVerfG 25, 216, 228, 229; BVerwG 34, 278, 280, 282 ff bezüglich gesetzeswidriger Verwaltungsvorschriften). Auch dann, wenn die Freistellung der Arbeitnehmer-Kohlendeputate vom Bruttoeinkommen im Sinn des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG – eventuell entsprechend einer Lohnsteuerfreiheit – rechtmäßig wäre, müßte der Hausbrand für Bergbaurentner nicht nach Art. 3 GG im Recht der Kriegsopferversorgung (KOV) ebenso behandelt werden. Der Gleichheitssatz „gebietet, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich” und „wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich” zu behandeln (BVerfG 36, 73, 79; weitere Nachweise bei Leibholz/Rinck, Art. 3, Rd.-Nr. 2 und 9); er verbietet „eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung”, d. h. „für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung müssen sachlich einleuchtende, sich aus der Natur der Sache, besonders aus dem Gesetzeszweck ergebende Gründe bestehen” (BVerfG 35, 226, 272; 324, 335). Wenn die beiden Leistungen unter dem gemeinsamen Oberbegriff eines wirtschaftlichen Vorteils, der einer Person zufließt, miteinander verglichen werden, ergeben sich erhebliche Sachunterschiede. Die verschiedenartige Bewertung der beiden Deputat arten im Versorgungsrecht ließe sich mit wesentlichen Unterschieden in der arbeitsrechtlichen Ebene, in der diese Zuwendungen ihren Entstehungsgrund haben, erklären. Im Arbeitsrecht, das naturgemäß die Auswirkungen im Steuer- und im Kriegsopferversorgungsrecht nicht regeln kann, wohl die Belastungen der Bezugsberechtigten im Innenverhältnis (§§ 50 und 63 ArbMTV), und zwar im Tarifvertragsrecht und auch im entsprechenden Hecht des Bergmannversorgungsscheines (Gesetz Nr. 768 über einen Bergmannversorgungsschein im Saarland vom 11. Juli 1962 – AB 605 –; Gerhard Boldt, Das Recht des Bergmanns unter besonderer Berücksichtigung des Ruhrbergbaus, 3. Aufl. 1960, S. 364 ff), sind die Hausbrandansprüche für beide Personenkreise verschiedenartig begründet und ausgestaltet (Boldt, aaO). Diese Sachbezüge für Arbeitnehmer werden, ungeachtet der umstrittenen Rechtsnatur (Dahlgrün, aaO, S. 34 ff), aus sozialen Gründen während ihrer Tätigkeit gewährt und stehen den betrieblichen Vergünstigungen wie kostenlosen oder verbilligten Getränken und Mahlzeiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 18 DVO zu § 33 BVG) verhältnismäßig nahe. Das kann – wie schon dargelegt – nicht für die Deputate angenommen werden, die die Rentner zusätzlich zu solchen, bereits früher erhaltenen Sachzuwendungen nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben beziehen. Dieser Hausbrand wird auch nur für den eigenen Kohlenbedarf im eigenen Haushalt gewährt (§§ 54 und 64 ArbMTV), während die aktiven Arbeiter im Rahmen des Wertes der Höchstmenge eine finanzielle Beihilfe wegen bestimmter Aufwendungen für Strom und Gas verlangen können (§ 45 ArbMTV). Wenn diese für die Dienstzeit zugesagten Deputate einen Anreiz zum Eintritt und Verbleiben im Bergbau schaffen wollen, könnte es legitim sein, mit einer günstigen Behandlung im Recht der KOV diesen versorgungsfremden Zweck zu unterstützen, wie auch mit Steuergesetzen zusätzliche wirtschafts- und sozialpolitische Zwecke verfolgt werden dürfen (Tipke, Steuerrecht, 2. Aufl. 1974, S. 43, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dieser Gesichtspunkt trifft für Bergbaurentner nicht zu.

Aus diesen Gründen hat das SG im Ergebnis mit Recht die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Baresel, Dr. Ecker, Dr. Wulfhorst

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926409

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