Orientierungssatz

Zur Frage, ob der Wert eines lebenslänglichen Wohn- und Mitbenutzungsrechts wie "Einkünfte aus Hausbesitz" bei einem Einheitswert bis zu 6000 DM von der Anrechnung des Einkommens ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BVG § 41 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, § 33 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28, § 40a Abs. 1 Fassung: 1971-12-16, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1966-12-28, § 33 DV § 1 Abs. 3 Nr. 9 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 3 Abs. 1 Fassung: 1972-01-24, § 3 V § 3 Abs. 3 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 12 Abs. 8 S. 1 Fassung: 1972-01-24

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 29. November 1974 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin bezieht als Witwenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) u. a. Ausgleichsrente und Schadensausgleich. Durch notariellen Vertrag vom 22. Mai 1972 veräußerte und übereignete sie ihr Wohnhaus-Grundstück in E mit einem Einheitswert von 3.700,- DM an ihre Tochter, verzichtete auf den Kaufpreis von 30.000,- DM, der auf ihre drei Kinder zu gleichen Teilen verteilt wurde, und erhielt als "weitere Gegenleistung" - außer einem Pflegeanspruch - ein "lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht" in dem Wohnhaus unter Ausschluß des Eigentümers, und zwar als ausschließliches an zwei Zimmern und einer Küche sowie als Mitbenutzungsrecht an Nebenräumen sowie sonstigen zum gemeinsamen Gebrauch bestimmten Einrichtungen und Anlagen. Die Vertragsparteien bewilligten und beantragten, das vorbehaltene Wohnung- und Mitbenutzungsrecht zu Lasten des Grundstücks in das Grundbuch einzutragen. Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahr sollten sofort übergehen, sofern bestellte Rechte nicht entgegenstehen. Das Versorgungsamt stellte in dem Bescheid vom 17. Oktober 1972, der verbindlich geworden ist, die Versorgungsbezüge der Klägerin ab 1. Mai 1972 nach § 62 BVG neu fest und rechnete auf Ausgleichsrente sowie Schadensausgleich der Wert des Wohnungsrechtes der Klägerin mit 36,75 DM monatlich als eigenes Einkommen an. Gegen die erneute Anrechnung in dem Bescheid vom 15. Dezember 1972, in dem die Versorgung nach dem Vierten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des BVG - 4. AnpG - KOV - vom 24. Juli 1972 (BGBl I 1284) ab 1. Januar 1973 neu festgestellt wurde, erhob die Klägerin Widerspruch unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Saarland vom 3. März 1972 - 4 LV 43/71 -, nach dem Einkünfte aus einem eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht auf die Elternrente nicht einzurechnen sind, falls der Einheitswert des Grundstückes nicht höher als 6.000,- DM ist. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 4. April 1973; Urteil des Sozialgerichts - SG - vom 22. April 1974). Das LSG hat auf die zugelassene Berufung das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 15. Dezember 1972 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei der Berechnung der Ausgleichsrente und des Schadensausgleichs das Wohnungsrecht der Klägerin unberücksichtigt zu lassen (Urteil vom 29. November 1974): Der Wert des lebenslänglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts als eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts sei wie "Einkünfte aus Hausbesitz" bei einem Einheitswert bis zu 6.000,- DM von der Anrechnung als Einkommen ausgeschlossen (§ 12 Abs. 1 und 8 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG - DVO -). Entscheidend für die Gleichbehandlung mit Einkünften aus Hausbesitz sei die Eigentumsähnlichkeit, dagegen nicht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Einkünften und Belastungen. Andernfalls erhielte ein Versorgungsberechtigter nach Aufgabe seines Grundstückseigentums wegen des vorbehaltenen Wohnungsrechtes geringere Leistungen als vor der Übereignung, was ungerecht wäre und eine allgemein gebräuchliche, sinnvolle Verteilung des Vermögens zu Lebzeiten auf die zukünftigen Erben erschwere. Das Dauerwohnrecht sei eigentumsähnlich, weil es wie beim Eigentum die im Grundbuch gesicherte, langfristige Möglichkeit verschaffe, einen Grundstücksteil nach Belieben zu benutzen und andere von der Benutzung auszuschließen.

Der Beklagte rügt mit der zugelassenen Revision eine Verletzung der §§ 3 und 12 Abs. 1 und 8 DVO. Das Wohnungsrecht der Klägerin müsse nach § 3 Abs. 1 DVO angerechnet werden; die Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 8 DVO sei nicht anzuwenden, weil kein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht i. S. des Ersten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungseigentumsgesetzes bestehe, das veräußerlich und vererblich sein müsse. Die Klägerin habe bloß eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die nicht übertragbar sei (§ 1092 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Außerdem müßte ein Berechtigter i. S. des § 12 Abs. 8 DVO wie ein Eigentümer die mit der Wohnung verbundenen Lasten tragen; von diesen sei die Klägerin freigestellt. Damit sei sie auch nicht schlechter gestellt als vorher.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen. Ergänzend zur Begründung des angefochtenen Urteils legt sie dar, daß sie, wenn es auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankomme, wie ein Nießbraucher für die Erhaltung der Sache zu sorgen habe und dadurch in einem angemessenen Verhältnis zu den Einkünften belastet sei. Sie habe anteilig die Betriebskosten für Strom, Gas, Wasser, Müll, Abwässerung und Schornsteinreinigung zu tragen und Schönheitsreparaturen zu bezahlen.

Selbst wenn die Freistellung von Lasten des Hauses ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht ausschlösse, sei nicht festgestellt, ob und in welcher Höhe mit dem Hauseigentum Belastungen verbunden seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte und sonst zulässige Revision hat insoweit Erfolg, als die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen ist.

Unabhängig von der Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG (Bescheid vom 15. Dezember 1972) entsprechend dem Ausmaß der nachträglichen Einkommensänderung (vgl. für eine Neufeststellung wegen gesundheitlicher Verhältnisse: BSG 19, 15 = SozR Nr. 21 zu § 62 BVG; BSG 19, 77 = SozR Nr. 23 zu § 62 BVG) ist zu prüfen, ob der Beklagte erneut den Wert des Wohnungsrechtes anrechnen durfte. Er hat im Widerspruchsbescheid eine Bewertung der Einkünfte abweichend vom rechtsverbindlichen Bescheid vom 17. Oktober 1972 (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, § 24 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - VerwVG -), d. h. ohne Anwendung des § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG - DVO - i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. November 1967 - BGBl I 1140 - (zuletzt geändert durch die 5. ÄnderungsVO vom 24. Januar 1972 - BGBl I 70 -), durch einen Zugunstenbescheid (§ 40 Abs. 1 VerwVG) abgelehnt. Die Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte andersartige Beurteilung, daß nämlich die frühere Bewertung unrichtig sein müßte, ist von den Gerichten nachzuprüfen.

In der Sache wendet sich die Klägerin gegen die Anrechnung des Wertes ihres Wohnungsrechts als Einkommen, um das die volle Ausgleichsrente (§ 41 Abs. 1 und 2 BVG in der seit 1972 geltenden Fassung des 3. Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 28. Dezember 1966 - BGBl I 750 -, zuletzt geändert durch das 3. AnpG-KOV vom 16. Dezember 1971 - BGBl I 1985 - und durch das 4. AnpG-KOV) gemindert (§ 41 Abs. 3 i. V. m. § 33 Abs. 1 und 6 BVG) und nach dem der Schadensausgleich berechnet worden ist (§ 40 a Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 4, § 30 Abs. 8 Buchst. c BVG). Einkommen in diesem Sinn sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur, soweit nicht vorgeschrieben ist, daß bestimmte Einkünfte unberücksichtigt bleiben (§ 33 Abs. 5 Buchst. a BVG i. V. m. §§ 14, 15, 1 Abs. 1 Satz 1 DVO; § 12 der VO zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG i. d. F. vom 28. Februar 1968 - BGBl I 194 -), insbesondere Einkünfte aus Altenteilsleistungen in Form von "freier Station", d. h. freier Kost und Wohnung (§ 1 Abs. 3 Nr. 9 i. V. m. § 3 Abs. 1 und 3 DVO zu § 33 BVG). Das Wohnrecht der Klägerin ist eine der Altenteilsleistungen aufgrund des Gutsüberlassungsvertrages vom 22. Mai 1972, worunter auch die Übertragung eines nichtlandwirtschaftlichen Grundstücks zu verstehen ist (BSG SozR Nrn. 2 und 3 zu § 9 DVO zu § 33 vom 9. November 1967; BSG vom 23. Mai 1973 - 9 RV 614/72 - mit weiteren Nachweisen; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 7. Aufl. 1973, § 29, D, I, Einleitung und 1; Soergel/Baur, BGB-Kommentar, Bd. 4, 10. Aufl. 1968, § 1105, Rd. Nr. 5; Enneccerus/Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung 1957, § 113, I). Die dafür maßgebende Vorschrift des § 3 DVO dürfte aber überhaupt nicht angewendet werden, falls die Klägerin, wie sie meint, weiterhin ein Einkommen aus Haus- und Grundbesitz i. S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 und 8 DVO hätte. Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz bleiben nach § 12 Abs. 1 DVO unberücksichtigt, wenn der Einheitswert des Grundstücks nicht höher als 6.000,- DM ist. Dies gilt nach § 12 Abs. 8 Satz 1 DVO entsprechend für die Berechnung von Einkünften aus einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht. Ob diese beiden Vorschriften des § 12 DVO hier anzuwenden sind, § 3 Abs. 1 DVO dagegen nicht, kann nur nach weiterer Sachaufklärung entschieden werden.

Die Entscheidung des LSG zugunsten der Klägerin beruht auf der Ansicht, wenn die Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 1 DVO auf die Einkünfte der Klägerin als Eigentümerin des gesamten Hausgrundstücks anzuwenden gewesen sei, müsse ihr dieser Rechtsvorteil erst recht zugute kommen, nachdem sie jene Rechtsstellung aufgegeben und sich auf die schwächere des Wohnungsrechtes in einem Teil des Hauses beschränkt habe. Diese Schlußfolgerung vom Größeren zum Kleineren (a maiore ad minus) wäre nur dann berechtigt, wenn zwei nur im Ausmaß abgestufte, sonst gleichwertige Tatbestände gegeben wären, die nicht ungleich behandelt werden dürften (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 375 f), dagegen unzutreffend, falls die Klägerin ein andersartiges, d. h. nicht eigentumsähnliches Recht erworben hätte. Entscheidend für diesen Vergleich ist nach dem Sinn und Zweck des § 33 BVG und der dazu ergangen DVO, ob sich das verlorene und das erworbene Recht qualitativ verschieden oder bloß dem Umfang nach unterschiedlich auf die Einkommenslage der Klägerin wirtschaftlich auswirken. Das hat das LSG nicht beachtet.

Eine Gemeinsamkeit zwischen Eigentum und Wohnungsrecht, die den vom Berufungsgericht angewendeten Schluß rechtfertigen könnte, ist nicht dadurch gegeben, daß beide Rechte zu Einkünften aus Haus- und Grund-"Besitz" (§ 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Überschrift zu § 12, § 12 Abs. 1, 3 und 9 DVO) führen (Urteil des erkennenden Senats vom 6. Mai 1969, SozR Nr. 5 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 11.1.1961 = Breithaupt 1969, 881). Wohl ist die Klägerin - ebenso wie als Grundeigentümerin - aufgrund ihres Wohnungsrechtes als einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090, 1093, 1036 Abs. 1 BGB; Staudinger/Spreng, BGB-Kommentar, Bd. III, 11. Aufl. 1963, § 1093, Rd. Nr. 6) zum Besitz (§ 854 BGB) an den Gebäudeteilen, die ihr zur Allein- oder Mitbenutzung überlassen sind, berechtigt. Besitzberechtigt ist aber auch der Mieter (§ 535 Satz 1, § 868 BGB; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, § 29, E, 2, a und 4); sein Recht zum Gebrauch der vermieteten Sache kann jedoch deshalb nicht als sein "Einkommen" in diesem versorgungsrechtlichen Sinn gewertet werden, weil es auf dem Mietverhältnis als einem gegenseitigen Schuldverhältnis mit einander entsprechenden Hauptpflichter der Gebrauchsüberlassung und der Mietzahlung (§ 535 BGB; Palandt/Putzo, Kommentar zum BGB, 34. Aufl. 1975, Vorbemerkung 5 vor § 535 BGB) beruht.

Anders als der Eigentümer (§§ 903, 925, 928 f, 959, 535 ff BGB) kann der aufgrund einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit Wohnberechtigte nicht beliebig mit den Räumen verfahren (§ 1092 Abs. 1, § 1093 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 1036 Abs. 2, § 1037 Abs. 1, § 1041 BGB; Palandt/Degenhart, § 1093, Anm. 1, d). Maßgebend ist indes ein wirtschaftlicher Vergleich, der auf die Einkommenslage abgestellt ist, wie noch im einzelnen (ergänzend zum Urteil des Senats vom 6. Mai 1969) dargelegt wird.

Ein lebenslängliches Nießbrauchrecht in Form eines Wohnungsrechts hat der erkennende Senat im Urteil vom 6. Mai 1969 einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht nach § 12 Abs. 9 (jetzt Abs. 8) DVO gleichgeachtet und bei einem Einheitswert bis zu 6.000,- DM für anrechnungsfrei erklärt, sofern der Nießbraucher die auf dem Wohngrundstück beruhenden Lasten trägt. Dieser Beurteilungsmaßstab gilt auch für das Wohnungsrecht der Klägerin; allerdings ist die Belastung mit Aufwendungen in einem weiteren Sinn entscheidend, wie noch ausgeführt wird. In dieser Entscheidung ist der Senat darauf eingegangen, was das eigentumsähnliche Dauerwohnrecht, das den Berechtigten wirtschaftlich dem Eigentümer gleichstellt, in anderen Rechtsgebieten bedeutet. Dieser Begriff stammt aus § 20 Abs. 4 des Ersten Wohnungsbaugesetzes i. d. F. vom 25. August 1953 (BGBl I 1047), ist später in andere Gesetze übernommen worden, z. B. § 7 b Abs. 4 Einkommensteuergesetz (vgl. Palandt/Degenhart, § 31 Wohnungseigentumsgesetz, Anm. 5; Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1973, Vorbemerkung 15 zu § 31) und wird in verschiedenen Rechtsgebieten von einem der Miete verwandten Nutzungsrecht auf Zeit unterschieden (z. B. BGHZ 52, 243, 247 f, 249; BFH, BStBl 1953 III 171 zur früheren Fassung des § 7 b EStG; BFH, BStBl 1960 III 289; BStBl 1965 III 8 zur Neufassung; Weitnauer/Wirths, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 1974, Vorbemerkung 6, 6 b vor §§ 31 ff). Diese Unterscheidung bezieht sich vor allem auf die Eigentums- und Vermögensbildung. Sie mag sich auch auf das Recht der Kapitalabfindung nach den §§ 72 ff BVG übertragen lassen (vgl. die Zweckbestimmung in § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BVG; Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - BMA - vom 9. Juli 1957, BVBl 1957, 116 Nr. 61). Gleiches kann jedoch nicht ohne weiteres für ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht i. S. des § 12 Abs. 8 Satz 1 DVO gelten; das hat der BMA im Rundschreiben vom 11. Februar 1959 (BVBl 1959, 31 Nr. 17) verkannt. Insbesondere kann nicht uneingeschränkt der steuerrechtliche Begriff des "Einkommens" und der "Einkünfte" ins Versorgungsrecht übernommen werden (§ 1 Abs. 1 DVO; BSG 2, 10, 15; 4, 121, 125; 5, 208, 209; SozR Nr. 3 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 11.1.1961; SozR Nr. 2 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 9.11.1967). Für den zum laufenden Einkommen zu rechnenden Nutzungsvorteil aus einem eigentumsähnlichen Recht, um den es hier geht, ist vorrangig bedeutsam, ob dem Berechtigten ein wirtschaftlicher Vorteil aufgrund bestimmter rechtlicher Regelungen laufend zufließt. Das folgt aus dem Zweck der Anrechnung von "Einkünften" auf Versorgungsleistungen, die fortlaufend einen Einkommensausgleich gewähren sollen (§§ 60 bis 62, 32 f, 40 a, 41 BVG). Dieser Nutzen besteht im Fall der Klägerin in dem lebenslänglichen (§ 1090 Abs. 2 i. V. m. § 1061 BGB), dinglich gesicherten Recht zum Wohnen, das ein Mieten einer Wohnung gegen den gesetzlichen Mietzins, das notwendige Entgelt, und damit eine entsprechende Auslage aus dem laufenden Einkommen ersparen läßt. Dieser ständige Vorteil, der grundsätzlich ein "Einkommen" im versorgungsrechtlichen Sinne sein kann, ist nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil er neben dem auf die drei Kinder verteilten "Übernahmepreis" eine "Gegenleistung" für die einmalige Übereignung des gesamten Grundstücks auf die Tochter ist und deshalb als allmählicher Verbrauch dieses Vermögenswertes zu deuten wäre, der nicht als Einkommen i. S. des § 33 BVG einzuordnen ist; Einkommen in diesem Sinn ist wohl der laufende Ertrag des Vermögens (Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, 1970/71, S. 175). Für den Einkommensbegriff ist entscheidend, ob laufende Einnahmen den Lebensstandard verbessern, so daß sie versorgungsrechtlich auf Leistungen anzurechnen sind, die vom Bedarf abhängen. Ein Wohnrecht, wie es die Klägerin erworben hat, verschafft einen Nutzen, der die Einkommenslage fortwährend verbessert und deshalb als "Einkommen" i. S. des § 33 BVG und des § 12 DVO zu behandeln ist, falls der Berechtigte nicht ständig eine Gegenleistung nach der Art des Mietzinses dem Eigentümer zuwenden oder unmittelbar aufgrund seines dinglichen Wohnrechts Aufwendungen für diesen Vorteil tragen muß. Solche mit dem Wohnungsrecht verbundenen Aufwendungen sind hier deshalb nicht - wie auf anderen Rechtsgebieten - von der Abwälzung der den Vermieter primär treffenden Belastungen (§ 546 BGB) auf den Mieter abzugrenzen, weil, wie schon dargelegt, das Wohnen aufgrund eines Mietverhältnisses niemals als Einkommen im versorgungsrechtlichen Sinn zu werten ist.

Als Grundstückseigentümerin hatte die Klägerin einerseits den Vorteil der uneingeschränkten Nutzung des Hauses, evtl. auch durch Vermieten, andererseits die gesamten Aufwendungen für das Grundstück zu tragen, die durch dessen Existenz und durch seine Nutzung entstanden. Dies bestimmte ihre Einkommenslage. Abgesehen vom Ausnahmefall des geringen Einheitswertes (§ 12 Abs. 1 DVO) und von der besonderen Berechnungsvorschrift für das Bewohnen des Einfamilienhauses (§ 12 Abs. 2 DVO), sind für den Eigentümer anzurechnende Einkünfte der Überschuß der Roheinnahmen - zuzüglich des Mietwertes der eigenen Wohnung - über die Werbungskosten (§ 12 Abs. 3 und 7 DVO). Die derart bestimmten Einkünfte bleiben bei einem Einheitswert bis zu 6.000,- DM nur deshalb unberücksichtigt, weil sie erfahrungsgemäß im allgemeinen so gering sind, daß zwischen dem an sich anzurechnenden Betrag und dem Verwaltungsaufwand, der durch die Ermittlung entstände, kein vertretbares Verhältnis zu erwarten ist (BSG 22, 214, 215 = SozR Nr. 1 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 11.1.1961; SozR Nrn. 2 und 4 zu § 12 DVO vom 11.1.1961; SozR Nr. 1 zu § 12 DVO vom 9.1.1967). Auch dann stehen dem Nutzungsvorteil beträchtliche Lasten gegenüber. Eine solche Lage müßte grundsätzlich ebenfalls bei einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht gegeben sein, um § 12 Abs. 1 DVO anwenden zu können. Fehlt es aber an einem solchen Verhältnis, nutzt also ein Wohnungsberechtigter die überlassene Wohnung kosten- und lastenfrei, dann ist seine Stellung nicht allein rechtlich, sondern auch wirtschaftlich in der laufenden Einkommenslage völlig anders als die eines Eigentümers; ein durch Belastungen erheblich geminderter Vorteil und ein entsprechender Anlaß für eine Verwaltungsvereinfachung, wie er dem § 12 Abs. 1 DVO zugrundeliegt, sind dann nicht gegeben, und das Wohnungsrecht kann nicht als "eigentumsähnlich" in dem hier gemeinten Sinn gewertet werden. Die Vorschrift des § 12 Abs. 9 DVO bestätigt, daß Abs. 1 auf ein Dauerwohnrecht als eine abgeschwächte Rechtsbeziehung zum Hausgrundstück nach dessen Übereignung an einen anderen anwendbar ist, falls dem Vorteil aus der Nutzung entsprechende Belastungen nach der Art, wie sie in den Absätzen 4 bis 6 geregelt sind, gegenüberstehen. Nach Abs. 9 gelten die vorhergehenden Absätze (über Einkünfte aus Grundeigentum) entsprechend, wenn jemand noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, also rechtlich das Eigentum noch nicht erworben (§ 873 BGB), jedoch bereits "die Nutzungen und Lastungen aus dem Haus- und Grundbesitz wie ein Eigentümer übernommen hat".

Das LSG hat darüber, ob und in welchem Umfang die Klägerin "Lasten" und sonstige Aufwendungen wie ein Eigentümer tragen muß, nichts mit Verbindlichkeit für das Revisionsgericht (§ 163 SGG) festgestellt. Insbesondere fehlen Feststellungen darüber, was die Parteien des Vertrages vom 22. Mai 1972 unter der vereinbarten "Unentgeltlichkeit" des Wohnungsrechtes (S. 3) im einzelnen verstehen, ob etwa damit eine Abwälzung von Aufwendungen i. S. der Werbungskosten auf die Wohnungsberechtigte ausgeschlossen sein soll. Der Vertrag, auf den der Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug nimmt, bestimmt, daß u. a. die "Lasten" sofort übergehen sollen, "sofern bestellte Rechte nicht entgegenstehen" (S. 4). Was die Vertragspartner damit gemeint haben, hat das LSG nicht geklärt. Diese Regelung wird im Sinn einer Veränderung des bisherigen Rechtszustandes zu verstehen sein; die Lasten, die die Klägerin bis dahin als Eigentümerin des Grundstücks zu tragen hatte, sollten demnach auf die neue Eigentümerin übergehen. Das entspricht der Rechtslage nach dem BGB. Mit der Wohnungsberechtigung aufgrund einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ist nach der abschließend zu verstehenden Verweisungsvorschrift des § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB, die gerade § 1047 BGB nicht für entsprechend anwendbar erklärt, abweichend von dieser für den Nießbrauch, mithin eine Bewirtschaftung (vgl. Soergel/Baur, § 1047, Rd. Nr. 1) geltenden Bestimmung nicht die Lastentragung im Verhältnis zum Eigentümer verbunden (Staudinger/Spreng, § 1093, Rd. Nr. 2 und 6).

Für den Fall, daß kein "eigentumsähnliches Dauerwohnrecht" und auch kein mietähnliches Recht, das ebenfalls anrechnungsfrei bleibt, anzunehmen ist, fehlen außerdem ausreichende Feststellungen für eine Entscheidung darüber, ob das Wohnungsrecht der Klägerin als Altenteilsleistung in Form von "freier" Wohnung mit oder ohne Heizung und Beleuchtung (§ 3 Abs. 1 DVO i. V. m. der Anlage dazu) zu bewerten ist. Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag im Revisionsverfahren für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen und die erforderlichen Schönheitsreparaturen und Erneuerungsarbeiten sowie die anteiligen Betriebskosten für Strom, Wasser, Gas, Müllabfuhr, Abwässerung und Schornsteinreinigung zu tragen. Auch dies bleibt noch aufzuklären und auszuwerten.

Da, auch ungeachtet dieses neuen Vorbringens, ausreichende Tatsachenfeststellungen für die rechtliche Beurteilung der Sache fehlen, muß der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), was bei einer zugelassenen Revision auch ohne Verfahrensrüge zulässig ist (BSG SozR Nr. 6 zu § 163 SGG).

In rechtlicher Hinsicht hat das LSG bei der gebotenen Sachaufklärung und Entscheidung ergänzend folgendes zu beachten:

Der Wohnungsberechtigte hat nach dem BGB den Erhaltungsaufwand, der zu den Werbungskosten (vgl. zu dem Begriff: BSG SozR Nr. 2 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 9.11.1967 = BVBl 1972, 8) gehört (§ 12 Abs. 4 Buchst. d DVO) und den Roheinnahmen gegenüberzustellen ist, nicht voll zu tragen; vielmehr hat er nur für die Erhaltung der von ihm benutzten Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen und die zur "gewöhnlichen Unterhaltung" gehörenden Ausbesserungen sowie Erneuerungen zu übernehmen (§ 1093 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 1041 BGB). Dem Eigentümer obliegen die "außergewöhnlichen" Reparaturen (vgl. §§ 1042, 1044 BGB; Staudinger/Spreng, 1093, Rd. Nr. 4 und 6; Soergel/Baur, § 1093, Rd. Nr. 11). Dagegen hat nach preußischem Landesrecht (Art. 96 EGBGB, Art. 15 § 5 Abs. 1 des Preußischen AGBGB vom 20. September 1899 - GS 177 -) der aus einem Gutsüberlassungsvertrag Verpflichtete eine abgesonderte Wohnung, die er einem Berechtigten gewähren muß, in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und während der Dauer seiner Verpflichtung diesen Zustand zu erhalten (vgl. Enneccerus/Wolff/Raiser, § 113, II, 3, Fußnote 8; Hobrecht/Crusen/Müller, Das Preußische Ausführungsgesetz zum BGB vom 20. September 1899, 1901, Art. 15 § 5, Erl. I: Wöhrmann, Das Landwirtschaftsrecht mit ausführlicher Erläuterung der Höfeordnung, 2. Aufl. 1966, S. 374) Das LSG hat zu prüfen, ob diese landesrechtliche Vorschrift auf das 1972 begründete Wohnungsrecht der Klägerin anzuwenden ist und ob damit eine entsprechende Belastung für die Klägerin entfällt.

Außerdem ist zu prüfen, von welchen "Lasten" öffentlich- und privatrechtlicher Art die Klägerin freigestellt ist. Aufwendungen, die nicht auf das Hausgrundstück als solches entfallen, sondern durch dessen Bewohnen entstehen sowie von Art und Umfang dieser Gebäudenutzung abhängen, z. B. für Wasser, Strom, Müllabfuhr, sind im allgemeinen vom Wohnungsberechtigten zu tragen (vgl. Soergel/Baur, § 1093, Rd. Nr. 10; Palandt/Degenhart, 1093, Anm. 4). Für den vorliegenden Fall ist es unerheblich, ob die Klägerin solche Aufwendungen als unmittelbar Verpflichtete - wie eine Eigentümerin - oder infolge einer der Mieterin vergleichbaren Stellung tragen muß. Im zweiten Fall wäre der Wohnwert wie für einen Mieter anrechnungsfrei, im ersten Fall wie für den Eigentümer nach § 12 Abs. 1 DVO.

Falls dagegen § 12 Abs. 8 DVO und daher auch Abs. 1 nicht anwendbar ist, darf der Sachwert des Wohnens nicht ohne weiteres nach § 3 Abs. 1 DVO berechnet werden. Diese Vorschrift setzt ein "freies Wohnen" als Altenteilsleistung voraus. Die Anlage zu § 3 DVO unterscheidet lediglich zwischen dem "freies Wohnen" mit und ohne Heizung und Beleuchtung. Das entspricht der Bewertung derartiger Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts (vgl. § 3 Abs. 2 DVO) aufgrund des § 160 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) (vgl. die für die Jahre 1972 ff maßgebenden Verordnungen über die Bewertung der Sachbezüge für die Sozialversicherung im Saarland; Amtsblatt des Saarlandes 1970, 991; 1972, 18; 1973, 28; 1974, 17 und 1066). Auch hierfür ist der reine Vorteil und Nutzen maßgebend. Jede andere Auslage außer der in der Anlage zu § 3 DVO besonders bewerteten Heizung und Beleuchtung, die mit einem Wohnrecht verbunden sind, und zwar eine solche, die durch das Wohnen selbst und eine solche, die durch die Existenz des Gebäudes bedingt ist, schließt eine Bewertung von Einkünften nach § 3 Abs. 1 DVO aus. Da diese Bewertungsvorschrift nicht zwischen der Sachleistung des Wohnens innerhalb der Wohnung eines anderen und derjenigen in einer abgeschlossenen Wohnung unterscheidet, da aber im ersten Fall im allgemeinen jegliche Beteiligung an "Nebenkosten" wie für Wasser, Müllabfuhr, Schornsteinreinigung und ähnliches ausgeschlossen sein wird, besteht auch im zweiten Fall die Belastung der Wohnungsberechtigten mit solchen Bewirtschaftungskosten der Anwendung des § 3 Abs. 1 DVO entgegen.

Falls das LSG der Klägerin Recht gibt, ist der Bescheid vom 15. Dezember 1972 nur entsprechend abzuändern, hingegen über den bisherigen Tenor hinaus unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG).

Für die während des Gerichtsverfahrens ergangenen Bescheide, die nach § 153 Abs. 1, § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind (BSG 37, 93, 94 = SozR 3660 § 2 Nr. 1), besteht keine abweichende Rechtslage (§§ 41, 33 und 40 a BVG i. d. F. des 5. AnpG-KOV vom 18. Dezember 1973 - BGBl I 1909 -; 5. VO zur Änderung der DVO zu § 33 BVG vom 24. Januar 1972 - BGBl I 70 -).

Das Berufungsgericht hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646899

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