Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Begriffs " Altenteilslast"

 

Orientierungssatz

"Altenteil" oder "Altenteillast" ist nach allgemeinen Sprachgebrauch in der Rechtssprache ein aus verschiedenen Rechten zusammengesetztes, hauptsächlich der Versorgung einer Person dienendes Rechtsinstitut, das in Gutsüberlassungsverträgen, insbesondere bei der Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben, vereinbart zu werden pflegt, auch in einigen Gesetzen vorgeschrieben ist und den Übernehmer zu entsprechenden Leistungen verpflichtet; Berechtigter kann auch eine am Vertrag nicht beteiligte Person (hier: Schwester) sein.

 

Normenkette

BVG§33DV § 9 Abs. 3 Buchst. c Fassung: 1967-11-09

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. September 1972 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Revisionsverfahren zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist Schwerbeschädigter. Als selbständiger Landwirt ist er nicht buchführungspflichtig; sein Betrieb umfaßt 8,21 ha. Den Hof hat der Kläger durch Übergabevertrag vom 19. Juli 1946 gegen Altenteilsleistungen für seine Mutter, die 1959 verstorben ist, übernommen. Außerdem hat er nach dem Vertrag seiner 1916 geborenen Schwester A H, die infolge einer unfallbedingten Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes beschränkt erwerbsfähig und besonders versorgungsbedürftig ist, bis zu einer evtl. Eheschließung gegen eine ihren Alters- und Gesundheitsverhältnissen entsprechende Mitarbeit etwa die gleichen Leistungen zu gewähren, ab vollendetem 50. Lebensjahr und nach dem Tod der Mutter erweiterte Naturalleistungen.

Mit Bescheid vom 18. November 1968 stellte das Versorgungsamt L die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Januar 1967 neu fest; die vertraglichen Leistungen an die Schwester des Klägers zog es nicht mehr - wie zuvor - vom anrechenbaren Einkommen ab; bei der Neuberechnung des Einkommens ergab sich ab 1. Juli 1968 kein Ausgleichsrentenanspruch; bis zum 31. Dezember 1969 wurde ein Übergangszuschlag gemäß der Berechnung nach früherem Recht gewährt.

Der Widerspruch, mit dem der Kläger die weitere Berücksichtigung des an seine Schwester zu leistenden "Austrags" begehrte, wurde zurückgewiesen, weil diese Leistungen weder Altenteilslasten noch Betriebsausgaben i. S. des § 9 Abs. 3 Buchst. c Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 Bundesversorgungsgesetz (BVG) seien (Bescheid vom 27. Juni 1969). Im Zugunstenbescheid vom 17. April 1970, durch den die schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 70 v. H. statt mit 50 v. H. festgesetzt wurde, blieben die Leistungen an die Schwester des Klägers bei der Ausgleichsrentenberechnung ebenfalls unberücksichtigt. Das Sozialgericht (SG) Landshut änderte durch Urteil vom 30. Juli 1971 die angefochtenen Bescheide ab und verurteilte den Beklagten, bei dem gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 DVO zu § 33 BVG zu ermittelnden Einkommen des Klägers den Wert der im Übergabevertrag vom 19. Juli 1946 vereinbarten Leistungen an die Schwester Anna abzusetzen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 27. September 1972). Im Anschluß an das Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Mai 1972 - 8 RV 809/71 - (SozR Nr. 2 zu § 9 DVO zu § 33 BVG vom 9. November 1967) hat das LSG die vertragsmäßigen Leistungen des Klägers an seine Schwester (freies Wohnrecht, Naturalleistungen, laufendes Taschengeld, freie Verpflegung, ärztliche Versorgung und Heilmittel) als Altenteilslasten bewertet, die nach § 9 Abs. 3 Buchst. c DVO zu § 33 BVG von dem nach § 9 Abs. 1 und 2 DVO zu ermittelnden Bruttoeinkommen des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft abzuziehen seien. Der Begriff "Altenteilslasten" umfasse die in einem Grundstücksüberlassungsvertrag ausbedungene übliche Versorgung anderer Familienangehöriger als der Übergebenden jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Schwester des Übernehmers wegen einer beschränkten Erwerbsfähigkeit besonders versorgungsbedürftig sei, nicht mehr in der Landwirtschaft mitarbeiten könne und auf diese Versorgung zur Sicherung ihrer Existenz angewiesen sei. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte rügt mit der Revision eine unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 3 Buchst. c DVO zu § 33 BVG. Nach allgemeinem Sprachgebrauch umfasse der Begriff "Altenteilslasten" nicht die auf Grund eines Gutsüberlassungsvertrages an Geschwister des Übernehmers zu leistenden Werte. Der "Austrag" an die Tochter der verstorbenen Altbäuerin sei, wie das BSG mit Recht angenommen habe, nur eine altenteilsähnliche Verpflichtung und daher nicht als "Altenteilslast" i. S. der genannten Vorschrift zu behandeln. Diese Aufwendung sei auch keine Dauerlast, die eine Betriebsausgabe darstelle, sondern steuerrechtlich als Sonderausgabe einzuordnen. An Stelle eines Gutsabstandsgeldes für die Schwester des Übernehmenden sei hier eine Abfindung in Form von dauernden Naturalleistungen vereinbart worden; dabei handele es sich nach unbestrittener Auffassung nicht um "Altenteilslasten".

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Die Revision des Beklagten ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist aber sachlich nicht begründet.

Das LSG hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG, das der Klage stattgegeben hat, mit Recht zurückgewiesen. Von dem Einkommen des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft, um das die volle Ausgleichsrente zu mindern (§§ 32, 33 BVG i. d. F. des 3. Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 28. Dezember 1966 i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I 141, 180) und das pauschaliert zu bestimmen ist (§ 9 Abs. 1 und 2 DVO zu § 33 BVG i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. November 1967 - BGBl I 1140), muß nach § 9 Abs. 3 Buchst. c DVO ein Zwölftel der jährlichen Altenteilslasten abgezogen werden. Der erkennende Senat schließt sich der Auslegung dieser Vorschrift an, die der 8. Senat des BSG für Fälle der vorliegenden Art im Urteil vom 9. Mai 1972 angewendet hat. Auf die wesentlichen Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen, außerdem auf die insoweit übereinstimmende Begründung des Urteils des 8. Senats vom 28. Juli 1972 (SozR Nr. 3 zu § 9 DVO zu § 33 BVG vom 9. November 1967), das im übrigen jedoch einen anders gelagerten Fall betrifft und zu dessen Ergebnis daher hier nicht Stellung zu nehmen ist.

Der Beklagte verkennt in seiner Berufungs- und in seiner Revisionsbegründung die Rechtslage. Insbesondere hat er nicht dargelegt, woher seine Erkenntnis stammt, daß nach "allgemeinem Sprachgebrauch" Leistungen, die jemand auf Grund eines Gutsüberlassungsvertrages etwa zwischen einem Elternteil und dem Hofübernehmer auch an Geschwister erbringt, nicht unter den Begriff "Altenteilslast" fielen. Im Gegensatz zu dieser Ansicht des Beklagten ist gerade die vom SG und vom LSG in dieser Sache übereinstimmend mit dem 8. Senat des BSG vertretene Begriffsauslegung, die sich nicht etwa auf "altenteilsähnliche" Lasten erstreckt, in der Rechtsprechung und Lehre völlig unbestritten. "Altenteil" oder "Altenteilslast" ist nach allgemeinem Sprachgebrauch in der Rechtssprache ein aus verschiedenen Rechten zusammengesetztes, hauptsächlich der Versorgung einer Person dienendes Rechtsinstitut, das in Gutsüberlassungsverträgen, insbesondere bei der Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben, vereinbart zu werden pflegt, auch in einigen Gesetzen vorgeschrieben ist und den Übernehmer zu entsprechenden Leistungen verpflichtet; Berechtigter kann auch eine am Vertrag nicht beteiligte Person sein. Der Begriffsinhalt ist aus längerer Rechtsentwicklung zu zahlreichen Vorschriften des geltenden Rechts (z. B. Artikel 96 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -, Artikel 32 und 47 Bayerisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - AGBGB -, Artikel 15 § 10 Preußisches AGBGB, § 49 Grundbuchordnung - GBO -, § 23 Nr. 2 Buchst. g Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -, § 158 Abs. 1 Nr. 1 Kostenordnung, § 850 b Abs. 1 Nr. 3 Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 Höfeordnung für die Britische Zone - HöfO -) übernommen worden (RGZ 162, 52, 55 bis 58, 61; BGH, NJW 1962, 2249; BFH, BStBl 1965 III S. 706, 707; OLG Hamm, Der Deutsche Rechtspfleger 1959, 381 mit weiteren Nachweisen; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 30. Aufl. 1970, § 23 GVG, Anm. 9; Böhm/Klein, Kommentar zum Bayer. AGBGB, 1901, Artikel 32, Anm. 1; Crusen/Müller, Das Preußische AGBGB, 1901, Artikel 15, Vorbemerkung I, 2, b, beta; Meikel/Imhof/Riedel, Grundbuchrecht, 6. Aufl. 1970, § 49 GBO, Anm. 4 (3) mit weiteren Nachweisen; Scheyhing, HöfO, 1967, § 17, Anm. 30; Soergel/Siebert/Hartmann, BGB, Bd. 7, EGBGB, 10. Aufl. 1970, Artikel 96, Anm. 3 sowie alle weiteren Großkommentare zum BGB; Stein/Jonas/Schönke/Pohle, ZPO, 18. Aufl. 1956, § 850 b, Anm. II, 3; Wöhrmann, Das Landwirtschaftsrecht, 2. Aufl. ohne Jahr, § 14 HöfO, Anm. 32). Für das landwirtschaftliche Erbrecht im ehemaligen Gebiet der Britischen Zone ist aus den ausdrücklichen Vorschriften des § 14 Abs. 2 und des § 15 Abs. 2 HöfO und für den Bereich des Bayerischen AG zum BGB aus Artikel 47 zwingend zu schließen, daß andere Personen als der frühere Hofeigentümer altenteilsberechtigt sein können.

Diese Begriffsbestimmung ist jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art sinnvoll. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, liegt die Leistung aus dem übertragenen Hof (BGH, NJW 1952, 20) u. a. in der Versorgung der Schwester des Übernehmenden als einer dritten Person, für deren Unterhalt die frühere Hofeigentümerin, ihre Mutter, wegen der Erwerbsbeschränkung zu sorgen hatte. Die Mutter wollte naturgemäß die weitere Versorgung der unterstützungsbedürftigen Tochter aus dem landwirtschaftlichen Betrieb auch nach der Übertragung auf den Sohn, den Kläger, vertraglich sichern. Die Schwester ist mithin in die Altenteilsversorgung, die sich die Mutter ausbedungen hat, einbezogen worden. Die vertragsmäßige Sicherung ihrer gesamten Existenz durch den Kläger läßt sich in diesem Zusammenhang als besondere Regelung eines eventuell bestehenden Abfindungs- oder Gutsabstandsanspruches der Geschwister des Hoferben (vgl. z. B. §§ 12 und 17 HöfO) deuten; das ändert aber nichts an der Rechtsnatur der "Altenteilslast" (Wöhrmann, aaO, § 12 HöfO, Anm. 7, 39, 48; § 14, Anm. 32).

Was der Beklagte an steuerrechtlichen Gesichtspunkten zur Auslegung des Begriffes "Altenteilslast" vorgetragen hat, ist ohne rechtliche Bedeutung für die Fälle der vorliegenden Art. Allgemein ist für den Begriff des anrechenbaren Einkommens i. S. des § 33 BVG nach § 1 Abs. 1 Satz 2 DVO unerheblich, ob Einkünfte zu denjenigen i. S. des Einkommenssteuergesetzes gehören und ob sie der Steuerpflicht unterliegen; das gilt naturgemäß auch für Bemessungsfaktoren, die vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind, z. B. für eine "Altenteilslast". Gerade für diese Belastung schreibt außerdem § 9 Abs. 3 Buchst. c DVO nicht vor, daß sie zusätzlich eine Betriebsausgabe sein müsse, als welche die "Altenteilslasten" steuerrechtlich nach der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung des BFH nicht gelten; diese Einschränkung ist im Recht der Kriegsopferversorgung (§ 9 Abs. 3 Buchst. c DVO zu § 33 BVG) nur für Schuldzinsen und andere Dauerlasten vorgeschrieben (Rundschreiben des BMA, BVBl 1971, 63, 64). Dagegen sind nach der eindeutig anders formulierten Vorschrift des § 12 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Fortwirtschaft nach Durchschnittssätzen vom 15. September 1965 (BGBl I 1350) "diejenigen Schuldzinsen sowie Altenteilslasten und andere dauernde Lasten, die Betriebsausgaben sind", vom pauschal ermittelten Bruttoeinkommen abzuziehen, woraus sich ergibt, daß auch die "Altenteilslasten" als Betriebsausgaben einzuordnen sein müssen. Diesen Unterschied zwischen dem Steuerrecht und dem Recht der Kriegsopferversorgung hat der Beklagte nicht berücksichtigt.

Seine Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670535

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