Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 04.05.1988; Aktenzeichen L 8 Kr 745/84)

SG Kassel (Urteil vom 20.03.1984; Aktenzeichen S 12 Kr 89/82)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 1988–L 8 Kr 745/84 – aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. März 1984 – S 12 Kr 89/82 – wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung der satzungsmäßigen Leistungen für einen Zahnersatz, den der als Kassenzahnarzt zugelassene Beigeladene eingegliedert hat. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin eine Bezuschussung nach § 182c Reichsversicherungsordnung (RVO) mit der Begründung abgelehnt, daß hinsichtlich der Behandlung nicht die Rückgabe des Heil- und Kostenplanes vom 4. August 1981 abgewartet worden sei (§ 2 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z; Bescheid vom 5. Oktober 1981, Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1982).

Die Versicherte hat Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, „der Klägerin Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren, und zwar einen Zuschuß zur zahnprothetischen Versorgung gemäß des Heil- und Kostenplanes des Zahnarztes Dr. Manfred B., … P., … vom 4. August 1981”. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die als Soll-Vorschrift des § 2 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z gefaßte Bestimmung als Muß-Vorschrift anzusehen, hier aber dagegen verstoßen worden sei. In dem durch die Berufung der Klägerin eingeleiteten zweitinstanzlichen Verfahren hat das Landessozialgericht (LSG), nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt und den Kassenzahnarzt beigeladen hatte, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der genannten Bescheide die Beklagte verurteilt, „der Klägerin die satzungsmäßigen Leistungen für den am 7. August 1981 von dem Beigeladenen eingegliederten Zahnersatz zu gewähren”. Zur Begründung wurde (ua) ausgeführt, daß eine fehlerhafte Verfahrensweise des Kassenarztes dem Versicherten keinen ihm nach der RVO zustehenden Anspruch wegnehmen könne; der Verstoß des Beigeladenen gegen die Vorschrift des § 2 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z müsse daher für die Klägerin folgenlos bleiben; die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, daß der Beigeladene als Kassenzahnarzt seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG vom 4. Mai 1988 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Kassel vom 20. März 1984 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet.

Die Klägerin macht jedenfalls keinen auf einen Herstellungsanspruch gestützten Zahlungsanspruch geltend. Einen (in diesem Sinne) direkten Anspruch auf Zahlung des Zuschusses an sich selbst hätte sie aber nur dann, wenn die beklagte Kasse aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet wäre, diesen Zuschuß dem Versicherten zukommen zu lassen. Das ist aber nicht der Fall. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar mehrmals zum Ausdruck gebracht, daß die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen keine Sachleistung, sondern eine Leistung mit teilweiser oder völliger Kostenerstattung darstellt (vgl Urteil 6 RKa 11/63 vom 20. Juli 1966 BSGE 25, 116, 119; Urteil 3 RK 67/70 vom 12. Dezember 1972 BSGE 35, 105, 107 f; Urteil 6 RKa 8/81 vom 21. Oktober 1981 BSG SozR 2200 § 182c RVO Nr 5, Seite 12/13). Ob ein Anspruch des Versicherten aber dem Komplex der Kostenerstattungsansprüche oder dem der Sachleistungsansprüche zuzuordnen ist, kann – bei Vermeidung eines Zirkelschlusses – nur unter dem Gesichtspunkt entschieden werden, ob der Versicherte generell einen (eigenen) Zahlungsanspruch hat oder nicht. Mit der Einbeziehung der Versorgung mit Zahnersatz in den Bundesmantelvertrag ab 1. Januar 1975 war ein solcher Anspruch jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 aber nicht mehr gegeben. § 26 Abs 1 BMV-Z lautet:

Die für die kassenzahnärztliche Versorgung zu entrichtende Vergütung wird an die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen gezahlt. Für Material- und Laboratoriumskosten bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen obliegt der Krankenkasse die Zahlungsverpflichtung jedoch nur insoweit, als sie Zuschüsse gewährt. Die Krankenkasse zahlt mit befreiender Wirkung für den Versicherten und gegenüber dem Kassenzahnarzt an die Kassenzahnärztliche Vereinigung.

Damit war die Kasse selbständig zur Zahlung gegenüber der KZÄV verpflichtet, so daß nur in Frage steht, ob daneben auch eine Zahlungsverpflichtung des Versicherten gegenüber dem Kassenzahnarzt insoweit verblieb, als die Kasse einen Zuschuß schuldet. Das ist zu verneinen. Der Versicherte hat grundsätzlich nur einen Sachleistungsanspruch gegen die Kasse, deren Verpflichtung also dahin geht, die Versorgungsleistung zu ermöglichen, zu sichern und die Vergütung an die Leistungserbringer zu bezahlen. Diese Verpflichtung hat die Kasse aber auch beim Zuschuß für Zahnersatz und Zahnkronen. Dem Versicherten darüber hinaus entgegen der Grundregel einen eigenen Zahlungsanspruch zuzuerkennen, besteht kein rechtlicher Grund. Ein solcher zusätzlicher Anspruch kann auch nicht der Formulierung des früheren § 182c Abs 1 Satz 1 RVO „Zu den Kosten … zahlen die Krankenkassen Zuschüsse”) entnommen werden. Der Umstand aber, daß der Versicherte aufgrund des mit dem Kassenzahnarzt abgeschlossenen Vertrages die den Zuschuß übersteigende Vergütung schuldet, gibt keine rechtliche Veranlassung, den Versicherten hinsichtlich und in der Höhe des gesetzlichen Zuschusses mit einem eigenen Zahlungsanspruch gegen die Kasse auszustatten; ist der genannte Arztvertrag hinsichtlich der Vergütungsverpflichtung des Versicherten doch von vornherein nur auf den von dem gesetzlichen Zuschuß nicht umfaßten Teil des Honorars beschränkt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Formulierung des § 26 Abs 1 Satz 3 BMV-Z: „Die Krankenkasse zahlt mit befreiender Wirkung für den Versicherten und gegenüber dem Kassenzahnarzt an die Kassenzahnärztliche Vereinigung.” Insoweit handelt es sich nicht etwa um einen (unechten bzw ermächtigenden Vertrag zugunsten Dritter, nämlich um einen) Vertrag zwischen einem Kostenerstattungsgläubiger (- Versicherter –) und dem Kostenerstattungsschuldner (- Kasse –), durch den die Kasse ermächtigt würde, an einen Dritten (- Zahnarzt bzw KÄV –) zu leisten, wobei der Dritte (- anders als die KZÄV, der nach § 26 Abs 1 Satz 1 BMV-Z ein eigener Zahlungsanspruch gegen die Kasse zusteht –) auch gar kein Recht erwirbt, die Leistung an sich selbst zu fordern. Vielmehr handelt es sich um einen (öffentlich-rechtlichen) Vertrag, durch den die Kasse, soweit der Versicherte einen Zuschußanspruch gegen sie hat, (generell) verpflichtet wird, eine anderenfalls gegenüber dem Zahnarzt entstehende Zahlungsschuld des Versicherten von vornherein als eigene Zahlungsverpflichtung anzusehen, also um das Eingehen einer Schuldverpflichtung zugunsten des Versicherten, ohne daß diese Verpflichtung zuvor in der Person des Versicherten entstanden ist.

Der Klägerin steht daher kein Zahlungsanspruch gegen die Kasse zu. Soweit aus dem obengenannten Urteil 6 RKa 8/81 vom 21. Oktober 1981 (- SozR 2200 § 182c RVO Nr 5 –) sich etwas anderes ergeben könnte, wird diese Ansicht nicht aufrechterhalten.

Dafür aber, daß die Klägerin mit ihrem Antrag die Zahlung des Zuschusses an die KZÄV verlangt – der gegenüber allein die Kasse zur Zahlung verpflichtet sein kann – enthält weder ihr Antrag noch ihr Vorbringen irgendeinen Hinweis, so daß es auch keiner Ausführungen darüber bedarf, ob hierfür überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.

Auf die Revision der Beklagten war das angegriffene Urteil des LSG daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das im Ergebnis zutreffende erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173693

BSGE, 165

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