Leitsatz (amtlich)

Für die Rechtzeitigkeit der Schlechtwetteranzeige nach AFG § 84 Abs 1 Nr 3 genügt regelmäßig der Nachweis, daß die Anzeige noch am gleichen Tag, bei Sammelanzeigen am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche, zur Post gegeben worden ist.

 

Normenkette

AFG § 84 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1972-05-19; WinterbauAnO § 15 Abs. 3 Fassung: 1972-07-04, § 14 Abs. 3 Fassung: 1972-07-04; BGB § 121 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18, § 130 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18, Abs. 3 Fassung: 1896-08-18

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Oktober 1974 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Nachweis der Erstattung von Schlechtwetteranzeigen (§ 84 Abs. 1 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) der Nachweis der Aufgabe bei der Post ausreicht.

Die Klägerin zahlte für die Zeit vom 8. Januar bis 12. Januar 1973 an ihre Arbeitnehmer Schlechtwettergeld (SWG) wegen witterungsbedingten Arbeitsausfalls. Sie gibt an, diesen Arbeitsausfall durch Sammelanzeige am Freitag, dem 12. Januar 1973, mit einfachem Brief angezeigt zu haben.

Der Antrag auf Erstattung des SWG für diese Tage wurde abgelehnt, weil eine Anzeige des Arbeitsausfalles bei dem Arbeitsamt nicht eingegangen sei (Bescheid vom 25. Juni 1973). Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. August 1973; Urteil vom 15. Januar 1974). Das Landessozialgericht - LSG - hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 31. Oktober 1974). Es hat die Auffassung vertreten, daß die unverzügliche Anzeige, sei es eine Einzelanzeige nach § 84 Abs. 1 Nr. 3 AFG oder eine Sammelanzeige nach § 15 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft - Winterbauanordnung - (WA) vom 4. Juli 1972 (ANBA S. 511) materielle Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von SWG sei. Bei der Anzeige handele es sich um eine Willenserklärung, die entsprechend § 130 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erst im Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam werde. Die Nichterweislichkeit des Zugangs gehe deshalb zu Lasten der Klägerin. Der Nachweis der Absendung genüge nicht, da die Sendung nicht nur bei der Beklagten, sondern auf dem Postwege verlorengegangen sein könne.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 84 Abs. 1 Nr. 3 AFG. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten werde die Unverzüglichkeit der Anzeige als gewahrt angesehen, wenn die Anzeige am Ausfalltag der Post zur Beförderung übergeben worden sei. Daraus folge, daß es auf den Zeitpunkt der Übergabe an die Post ankomme. Dieser Standpunkt sei auch durch ein Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1973 (L 16 Ar 93/72, Dienstblatt C Nr. 1742 A) bestätigt worden.

Eine Übersendung durch Einschreiben könne nicht verlangt werden und sei auch ungeeignet. Durch Einschreiben sei lediglich die Aufgabe zur Post nachgewiesen, die auch hier nicht in Zweifel stehe. Im übrigen sei bei Einschreibesendungen mit größeren Verzögerungen zu rechnen, wie der Bundesfinanzhof in einem Beschluß vom 2. Mai 1973 (NJW 1973, 2000) hervorgehoben habe. Ein Nachweis des Eingangs könne allenfalls bei Versendung mit Einschreiben-Rückschein sichergestellt werden, was aber eine Überforderung der Arbeitgeber bedeute und außerdem ebenfalls den Nachteil verzögerter Beförderung habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Oktober 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. Januar 1974 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1973 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin das für die Zeit vom 8. Januar 1973 bis 12. Januar 1973 beantragte Schlechtwettergeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß es sich bei der Anzeige nach § 84 Abs. 1 Nr. 3 AFG um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die ihre gesetzliche Wirkung grundsätzlich nur dann entfalten kann, wenn sie dem Adressaten zugegangen ist. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) zu der insoweit im Wortlaut gleichen Vorschrift des § 143 e des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) bereits entschieden (BSG SozR Nr. 1 zu § 143 e AVAVG).

Die Anzeige ist demnach im vorliegenden Fall erst in dem Zeitpunkt erstattet worden, in dem das Arbeitsamt durch die später zugegangenen Schlechtwettergeldanträge Kenntnis von dem Arbeitsausfall erhalten hatte. Im Regelfall genügt eine so verspätete Anzeige den gesetzlichen Anforderungen nicht. In § 84 Abs. 1 Nr. 3 AFG ist ausdrücklich bestimmt, daß die Anzeige unverzüglich erfolgen muß, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das BSG hat zu § 143 e AVAVG entschieden, daß diesen Voraussetzungen nur genügt ist, wenn der Arbeitgeber am Tage des Arbeitsausfalles die Anzeige erstattet und dafür einen Weg wählt, der einen Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt noch am gleichen Tage sicherstellt (BSG SozR Nr. 1 zu § 143 e AVAVG). Die rechtliche Situation hat sich aber seit dieser Entscheidung geändert. Durch die WA (§ 14 Abs. 2 und § 15 Abs. 3), die aufgrund der §§ 88 und 89 AFG erlassen wurde, ist nunmehr bestimmt, daß die Anzeige "schriftlich" zu erstatten ist. Das bedeutet, daß die Anzeige - von Ausnahmen abgesehen - nunmehr durch Briefpost zu übermitteln ist. Die Übermittlung durch Boten ist zumindest den Unternehmen, die nicht am Ort des Arbeitsamtes liegen, regelmäßig nicht zuzumuten. Die frühere Auffassung, daß der Arbeitgeber den Eingang der Anzeige noch am Tage des Arbeitsausfalles sicherstellen muß, kann danach nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es kann nur verlangt werden, daß er die Anzeige noch am selben Tage zur Post gibt. Verzögerungen auf dem Postweg sind ihm nicht anzulasten. Sie rechtfertigen deshalb auch nicht den Vorwurf, er habe die Anzeige schuldhaft verzögert. Dieser Rechtslage entspricht die Durchführungsanweisung Nr. 30.1 im Runderlaß des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 346/72.4.

Dem Kläger kann somit nicht vorgeworfen werden, daß er die Sammelanzeige, die nach § 15 Abs. 3 WA am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche auf dem Vordruck der Beklagten schriftlich zu erstatten war, durch Briefsendung übermittelt hat. Demzufolge kann ihm auch eine Verzögerung auf dem Postweg, sei es durch verspätete Zustellung, sei es durch Verlust der Sendung, nicht angelastet werden. Er hat die Anzeige auch in diesen Fällen ohne schuldhaftes Zögern erstattet, wenn die Anzeige noch verspätet bei dem Arbeitsamt eintrifft, oder er sofort nach Kenntnis des Verlustes der Sendung die Anzeige wiederholt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt für eine abschließende Entscheidung noch die Feststellung, ob die Klägerin die Anzeige tatsächlich am Freitag, dem 12. Januar 1973, aufgegeben hat. Da das BSG diese Feststellung nicht selbst treffen kann, muß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648892

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