Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsreferendar. Unterhaltszuschuß als Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Dienst als Beamter ist zwar keine entlohnte Beschäftigung iS des AVAVG § 145 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b, für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Alhi steht er jedoch einer solchen gleich.

Der Unterhaltszuschuß ist als Arbeitsentgelt anzusehen.

 

Normenkette

AVAVG § 145 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. b Fassung: 1959-12-07, § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Fassung: 1906-08-10

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 1969 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger leistete vom 16. März 1963 bis zum 30. November 1967 seinen juristischen Vorbereitungsdienst als Referendar. Das Land Bayern gewährte ihm während dieser Zeit einen Unterhaltszuschuß von zuletzt monatlich 577 DM. Am 15. November 1967 bestand der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung.

Am 21. November 1967 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt Würzburg arbeitslos und beantragte, ihm die Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren. Die Beklagte bewilligte mit einer dem Kläger am 21. Dezember 1967 zugegangenen Verfügung des Arbeitsamts vom 6. Dezember 1967 Alhi vom 4. Dezember 1967 an. Dabei ging sie entsprechend der Höhe des Unterhaltszuschusses von einem Bemessungsentgelt nach einem Einheitslohn von 135 DM wöchentlich - 8,69 DM wochentäglich - aus. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1968).

Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Augsburg durch Urteil vom 16. Juli 1968 abgewiesen. Die - vom SG zugelassene - Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 18. Juni 1969 zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Als Arbeitsentgelt sei für die Bemessung der Alhi von dem Unterhaltszuschuß in Höhe von monatlich 577 DM auszugehen, den der Kläger zuletzt vor seinem Assessorexamen als Rechtsreferendar erhalten habe. Dieser Unterhaltszuschuß sei als Arbeitsentgelt im Sinne des Sozialversicherungsrechts und somit auch des § 148 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zu werten. Für die Bemessung der Höhe der Alhi komme es grundsätzlich auf das vor der Arbeitslosigkeit erzielte Entgelt an, unabhängig davon, ob es sich um ein Ausbildungsverhältnis oder eine berufliche Tätigkeit gehandelt habe. Dies ergebe sich schon aus § 90 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 2 AVAVG, der nach § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AVAVG bei der Alhi entsprechend anzuwenden sei. Nach diesen Vorschriften seien auch bei Lehrlingen, die nach Abschluß des Lehrverhältnisses arbeitslos würden, als Arbeitsentgelt für die Bemessung des Arbeitslosengeldes die Bar- und Sachbezüge aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Lehrling maßgebend, nicht aber das (fiktive) Entgelt, das der Lehrling etwa als Geselle verdienen würde (§ 90 Abs. 6 AVAVG). § 148 Abs. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG eröffne entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Möglichkeit, dessen Alhi nach einem fiktiven monatlichen Gehalt des von ihm angestrebten Anwaltsberufs von etwa 1.400 DM monatlich zu bemessen. Die Grundsätze über den Härteausgleich nach diesen Vorschriften kämen nämlich erst dann zum Zuge, wenn die Berechnung der Alhi nach dem Arbeitsentgelt mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen zuvor überwiegend ausgeübte Tätigkeit unbillig sei, d. h. wenn das an sich zugrunde liegende Entgelt wesentlich niedriger sei als das Entgelt, das der Arbeitslose bei einer seiner früheren Tätigkeit entsprechenden Beschäftigung erzielt hätte, das aber tatsächlich infolge besonderer Umstände nicht habe erzielt werden können. Der Kläger sei indes vor seiner Arbeitslosmeldung außer zur Ausbildung nicht berufstätig gewesen. Es könne daher auch dahinstehen, nach welchem Entgelt etwa die Alhi eines Volkswirts zu bemessen sei, der das Hochschulstudium beendet habe.

Der Kläger hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, vor allem die unrichtige Anwendung des § 148 Abs. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG, des § 145 Abs. 3, § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 der 5. Durchführungsverordnung zum AVAVG (5. DVO zum AVAVG). Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Alhi eines arbeitslosen Assessors nach dem fiktiven zukünftigen Gehalt unter Berücksichtigung des ortsüblichen Tarifs festzusetzen sei. Er führt dazu aus: Die Richtigkeit seiner Ansicht werde durch das Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) am 1. Juli 1969 bestätigt, wonach nunmehr für arbeitslose Assessoren die Alhi ebenfalls nach dem fiktiven zukünftigen Gehalt, nicht aber nach dem Unterhaltszuschuß eines Rechtsreferendars bemessen werde.

Der Kläger beantragt,

die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, in Abänderung des Bescheides des Arbeitsamts Würzburg vom 6. Dezember 1967 ihm die Alhi im Höchstbetrage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß der Unterhaltszuschuß des Rechtsreferendars als Entgelt im Sinne der Sozialversicherung anzusehen sei und als Bemessungsentgelt der Berechnung der Alhi zugrunde gelegt werden müsse. Im übrigen stimmt sie den Ausführungen des LSG zu.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Dienst des Klägers als Rechtsreferendar im Beamtenverhältnis keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG ist. Dieser Dienst ist aber, wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, nach § 145 Abs. 3 AVAVG in Verbindung mit § 3 Nr. 2 der 5. DVO zum AVAVG i. d. F. vom 10. Dezember 1963 (BGBl I 872) einer entlohnten Beschäftigung gleichgestellt. Nach dieser Vorschrift tritt nämlich der Dienst als Beamter - und damit auch als Beamter auf Probe oder auf Widerruf - "an die Stelle" der fehlenden entlohnten Beschäftigung. Hieraus folgt, daß der Dienst als Beamter zwar keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG ist, für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Alhi jedoch einer solchen gleichsteht (BSG 31, 156, 157).

Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG bei der Bemessung des Hauptbetrages der Alhi auch mit Recht den Unterhaltszuschuß als Arbeitsentgelt angesehen. Das entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG aaO). Nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG ist das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das sich aus der entsprechenden Anwendung des § 90 Abs. 1 bis 7 AVAVG ergibt. Nur sofern eine Bemessung nach dieser Vorschrift nicht möglich ist, müßte - wie es vom Kläger angestrebt wird - nach § 148 Abs. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG der Hauptbetrag nach dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung bemessen werden, für die der Kläger in Betracht kommt (BSG aaO).

Die Eigenschaft des Unterhaltszuschusses als Arbeitsentgelt läßt sich allerdings nicht schon aus § 3 Nr. 2 der 5. DVO zum AVAVG herleiten. Die Gleichstellung nach der genannten Vorschrift schafft nämlich nur eine an sich nach § 145 AVAVG nicht gegebene Anspruchsvoraussetzung, sie enthält dagegen keine Bemessungsregelung. Die Entgelteigenschaft des Unterhaltszuschusses ergibt sich aber aus denselben Erwägungen, welche die Beamtenbezüge als Arbeitsentgelt erscheinen lassen. Die Gründe, die hierfür ausschlaggebend sind, hat der Senat eingehend in seinem - auch dem Kläger bekannten - Urteil vom 5. Mai 1970 - 7 RAr 13/69 - (BSG aaO) dargelegt. Es kann deshalb auf diese Entscheidung hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung verwiesen werden.

Mit Recht hat das LSG auch unter "Arbeitsentgelt" im Sinne der Bemessungsvorschriften des AVAVG dasselbe wie unter dem Begriff des "Entgelts" in der Sozialversicherung (§ 160 RVO) verstanden (vgl. BSG aaO).

Der Bemessung des Hauptbetrages der Alhi für den Kläger hat nach allem die Beklagte zutreffend den Unterhaltszuschuß von monatlich 577 DM zugrunde gelegt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß nach § 136 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 112 Abs. 7 AFG seit dem 1. Juli 1969 bei der Festsetzung des Hauptbetrags der Alhi nicht mehr von dem Unterhaltszuschuß des Referendars, sondern von dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen ist, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung in Betracht kommt. Der Kläger übersieht insoweit, daß die Bemessung der Alhi im AFG seit dem 1. Juli 1969 gegenüber den entsprechenden Vorschriften des AVAVG vereinfacht worden ist (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 136 Anm. 1). Darin liegt aber eine Änderung der Rechtslage, wie sie nach dem AVAVG für die Bemessung der Alhi eines Assessors noch nicht bestanden hat. Mit Recht hat deshalb das LSG auch ausgeführt, daß der Hauptbetrag hier nicht gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG in der vorgenannten Weise bemessen werden konnte. Unter der Herrschaft des AVAVG setzte dies nämlich voraus, daß die Bemessung nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 90 Abs. 1 bis 4 AVAVG mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dies nur dann der Fall gewesen sein konnte, wenn der Bemessung nach § 90 Abs. 1 bis 4 AVAVG eine andere berufliche Tätigkeit zugrunde liegt, als sie der Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübt hat. Das trifft indessen nicht zu. Der Kläger ist nicht nur in dem Bemessungszeitraum, sondern während der ganzen letzten drei Jahre vor seiner Arbeitslosmeldung als Rechtsreferendar im Vorbereitungsdienst tätig gewesen.

Der Hauptbetrag ist auch nicht deshalb entsprechend § 90 Abs. 7 AVAVG festzusetzen, weil die Gewährung der Unterstützung nach einem Bemessungsentgelt im Sinne des § 148 Abs. 3 Satz 2 AVAVG mit Rücksicht auf die von dem Kläger zuvor überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre. Nach dieser Vorschrift ist zwar nicht nur auf die Beschäftigung in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung abzuheben, sondern auf das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitslosen. Der Kläger war aber auch vor dem Dreijahreszeitraum, ebenso wie im Bemessungszeitraum, als Rechtsreferendar im Vorbereitungsdienst oder als Student - als solcher ohne Einkommen - tätig.

Nach allem muß die Revision des Klägers zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651799

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