Leitsatz (amtlich)

Bei einem Gerichtsreferendar, der Unterhaltszuschuß bezogen und anderweit keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat, ist nach Ablegung der 2. Juristischen Staatsprüfung der zuletzt gewährte Unterhaltszuschuß als Arbeitsentgelt das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe (AVAVG § 148 Abs 1 Nr 2).

 

Normenkette

AVAVG § 148 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1966-08-10, § 145 Abs. 3 Fassung: 1957-04-03; AVAVGDV 5 § 3 Nr. 2 Fassung: 1963-12-10

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. September 1968 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der ledige Kläger leistete vom 15. September 1963 bis zum 15. Juni 1967 - an diesem Tage bestand er die zweite juristische Staatsprüfung - seinen Vorbereitungsdienst als Referendar. Das Land Schleswig-Holstein gewährte ihm während dieser Zeit einen Unterhaltszuschuß von zuletzt monatlich 527 DM.

Die Mutter des Klägers ist nicht erwerbstätig und führt keinen gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger. Sie erzielt ein monatliches Einkommen von 734,80 DM. Dieses setzt sich aus einer Witwengrundrente von 150 DM und einer Witwen-Ausgleichsrente nebst Schadensausgleich von 250 DM nach dem Bundesversorgungsgesetz, einer Witwenrente aus der Angestelltenversicherung von 175,70 DM und einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von 159,10 DM zusammen. Der Bruder des Klägers, der von seiner Mutter unterhalten worden war, übt seit dem 1. Juli 1967 bei der Stadt Kiel eine Beschäftigung aus. Er verdient dort täglich etwa 20 DM netto.

Am 26. Juni 1967 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte, ihm die Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Verfügung vom 4. Juli 1967 Arbeitslosenhilfe vom 29. Juni 1967 an. Dabei ging sie - entsprechend der Höhe des Unterhaltszuschusses - von einem Bemessungsentgelt von monatlich 527 DM aus. Sie rechnete auf die Arbeitslosenhilfe, die ungekürzt 49,80 DM wöchentlich betrug, einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Mutter an und zahlte eine Unterstützung von wöchentlich 28,39 DM.

Auf den Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte mit Verfügung vom 11. August 1967 die angefochtene Verfügung dahin ab, daß für den 29. und 30. Juni 1967 Arbeitslosenhilfe ungekürzt in Höhe von 49,80 DM und seit dem 1. Juli 1967 - nach Anrechnung des Unterhaltsanspruchs gegen die Mutter mit 18,23 DM wöchentlich - in Höhe von 31,57 DM wöchentlich zu zahlen sei. Bei der Errechnung des Unterhaltsanspruchs wurden zugunsten der Mutter ein Freibetrag von monatlich 590 DM und ein Betrag von 13,80 DM für ihre Kranken- und Sterbekasse zugrunde gelegt. Soweit der Widerspruch das Bemessungsentgelt betraf, wies ihn die Beklagte mit Bescheid vom 25. August 1967 und, soweit er sich gegen die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs richtete, mit Bescheid vom 1. September 1967 zurück.

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Kiel durch Urteil vom 18. Januar 1968 die Verfügung des Arbeitsamtes K vom 4. Juli 1967 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1967 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung eines Einkommens nach der Besoldungsgruppe A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes zuzüglich des entsprechenden Ortszuschlags zu gewähren. Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 12. September 1968 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Die Beklagte habe den Hauptbetrag der Arbeitslosenhilfe nach § 148 Abs. 1 Nr. 2, § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b in Verbindung mit § 90 Abs. 1 bis 4 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) richtig nach dem Unterhaltszuschuß von monatlich 527 DM bemessen. Der Kläger sei in dem vor dem 26. Juni 1967 liegenden Zeitraum von einem Jahr ausschließlich und mehr als zehn Wochen als Referendar und damit als Beamter auf Widerruf im Dienste des Landes Schleswig-Holstein tätig gewesen. Dieser Dienst habe nach § 145 Abs. 3 AVAVG in Verbindung mit § 3 Nr. 2 der Fünften Verordnung zur Durchführung des AVAVG vom 22. Mai 1958 (BGBl I 377) - 5. DVO zum AVAVG - die fehlende entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG ersetzt. Auch das nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG außerdem geforderte Arbeitsentgelt sei vorhanden. Der Begriff des Arbeitsentgelts sei der gleiche wie in der übrigen Sozialversicherung. Er werde durch § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestimmt. Nach dem aufgrund des § 160 Abs. 1 Satz 2 RVO ergangenen Gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10. September 1944 (AN 1944, 281) seien die lohnsteuerpflichtigen Bezüge grundsätzlich auch Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung und damit auch der Arbeitslosenversicherung. Wirtschaftlich sei der Unterhaltszuschuß der Referendar wie auch die Dienstbezüge der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst eine Gegenleistung für in abhängiger Stellung geleistete Arbeit, also Arbeitsentgelt. Auch eine nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG außerdem in Betracht kommende entsprechende Anwendung des § 90 Abs. 7 AVAVG führe zu keinem anderen Ergebnis. Voraussetzung für eine Bemessung nach dem erzielbaren Entgelt sei hiernach, daß die Bemessung nach § 90 Abs. 1 bis 4 AVAVG mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre. An einer unbilligen Härte fehle es aber, weil der Kläger die letzten drei Jahre vor Arbeitslosmeldung ausschließlich als Gerichtsreferendar im Vorbereitungsdienst tätig gewesen sei. Nach § 148 Abs. 3 Satz 2 AVAVG könne das erzielbare Entgelt nicht der Bemessung zugrunde gelegt werden, da nach dieser Vorschrift eine unbillige Härte ebenfalls nur mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen zuvor überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit gegeben sei. Das LSG meint weiter: Die Beklagte sie auch zu Recht von einem Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Mutter in Höhe von monatlich 131 DM ausgegangen. Dieser Anspruch sei nach § 150 AVAVG als Einkommen zu berücksichtigen. Der angemessene Unterhalt der Mutter des Klägers werde nach § 1603 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht gefährdet, wenn die Beklagte davon ausgehe, daß der Mutter des Klägers zunächst ein Freibetrag von insgesamt 603,80 DM zu belassen sei. Die Witwengrund- und Ausgleichsrente zuzüglich Schadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie die Witwenrente und die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seien auch entgegen der Auffassung des Klägers als Einkommen seiner Mutter anzusehen. Diese Leistungen zählten nicht zu denjenigen, die nach § 150 Abs. 4 AVAVG nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Diese Vorschrift betreffe nämlich nur das Einkommen des Arbeitslosen selbst, nicht das eines leistungspflichtigen Dritten. Abgesehen davon unterfalle aber auch keine der genannten Leistungen den dort genannten.

Der Kläger hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er rügt die unrichtige Anwendung des § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG und führt dazu aus: Die Tätigkeit des Referendars dürfe nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der 5. DVO zum AVAVG einer entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG gleichgestellt werden. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 5. DVO zum AVAVG sei lediglich eine nicht entlohnte Tätigkeit nach Abschluß des Hochschulstudiums einer entlohnten Beschäftigung gleichzustellen. Außerdem fehle das in § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG vorausgesetzte Arbeitsentgelt. Das LSG habe zu Unrecht den Unterhaltszuschuß als Arbeitsentgelt gewertet. Dies verbiete sich schon wegen der Bezeichnung "Unterhaltszuschuß", aber vor allem deshalb, weil der Unterhaltszuschuß nicht für geleistete Arbeit gewährt worden sei. Das LSG habe übersehen, daß der Unterhaltszuschuß nicht in das System des AVAVG und des Sozialversicherungsrechts passe, so daß der Hinweis auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Entgeltbegriffs nicht weiterführe. Das LSG könne sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 1. Juli 1954 (BFH 60, 36) berufen. Diese Entscheidung beruhe ausschließlich auf steuerrechtlichen Erwägungen. Dies habe der Bundesfinanzhof durch den Hinweis zum Ausdruck gebracht, daß eine unter Umständen andere Auslegung des Begriffs "Entgelt" im Rahmen des Bundesversorgungsgesetzes oder der Sozialversicherung auf die steuerlichen Gesichtspunkt dieser Entscheidung keinen Einfluß hätten. Hervorzuheben sei deshalb in diesem Zusammenhang, daß das Bundessozialgericht (BSG) den Unterhaltszuschuß nicht als Entgelt ansehe (BSG 25, 276, 278). Die Arbeitslosenhilfe müsse deshalb gemäß § 148 Abs. 3 AVAVG nach dem künftig erzielbaren Arbeitsentgelt bemessen werden. Schließlich verletze das angefochtene Urteil auch Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Die Begründung der angefochtenen Entscheidung führe dazu, daß Akademiker, die bis zum Abschluß ihrer akademischen Ausbildung keinen Unterhaltszuschuß erhielten, Arbeitslosenhilfe nach dem höchsten Hauptbetrag bezögen, eine ganze Berufsgruppe aber wegen des Unterhaltszuschusses eine Arbeitslosenhilfe nach einem weit niedrigeren Hauptbetrag. Deshalb sei, selbst wenn die Begründung des LSG rechtlich zuträfe, § 148 Abs. 3 Satz 2 AVAVG anzuwenden, da die Gewährung der Unterstützung nach einem Bemessungsentgelt der Absätze 1 und 2 mit Rücksicht auf die vom Arbeitslosen zuvor überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß der Unterhaltszuschuß des Gerichtsreferendars als Entgelt im Sinne der Sozialversicherung anzusehen sei. Sie hält einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht für gegeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassene Revision des Klägers ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig. Sachlich ist sie jedoch nicht begründet.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Dienst des Klägers als Gerichtsreferendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG ist. Dieser Dienst ist aber, wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, nach § 145 Abs. 3 AVAVG in Verbindung mit § 3 Nr. 2 der 5. DVO zum AVAVG idF vom 10. Dezember 1963 (BGBl I 872) einer entlohnten Beschäftigung gleichgestellt. Nach dieser Vorschrift tritt nämlich der Dienst als Beamter - und damit auch als Beamter auf Widerruf - "an die Stelle" der fehlenden entlohnten Beschäftigung. Hieraus folgt, daß der Dienst als Beamter zwar keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVAVG ist (vgl. Hennig, ABA 1960, 238), für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Arbeitslosenhilfe jedoch einer solchen gleichsteht.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Hauptbetrages der Arbeitslosenhilfe des Klägers auch mit Recht den Unterhaltszuschuß als Arbeitsentgelt angesehen. Nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG ist das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das sich aus der entsprechenden Anwendung des § 90 Abs. 1 bis 7 AVAVG ergibt. Nur sofern eine Bemessung nach dieser Vorschrift nicht möglich ist, müßte - wie es vom Kläger angestrebt wird - nach § 148 Abs. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG der Hauptbetrag nach dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblich tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung bemessen werden, für die der Kläger in Betracht kommt.

Die Eigenschaft des Unterhaltszuschusses als Arbeitsentgelt läßt sich allerdings nicht schon aus § 3 Nr. 2 der 5. DVO zum AVAVG herleiten, wie dies teilweise im Schrifttum und der Rechtsprechung angenommen wird (vgl. Hennig aaO; LSG Berlin, Urteil vom 23. Februar 1962 - L 4 Ar 80/61 -). Die Gleichstellung nach der genannten Vorschrift schafft nämlich nur eine an sich nach § 145 AVAVG nicht gegebene Anspruchsvoraussetzung, sie enthält dagegen keine Bemessungsregelung. Die Entgelteigenschaft des Unterhaltszuschusses ergibt sich aber aus denselben Erwägungen, welche die Beamtenbezüge als Arbeitsentgelt erscheinen lassen. Die Besoldung des Beamten hat ihre Wurzel im Beamtenverhältnis und muß immer im Zusammenhang mit der Dienstverpflichtung und der Dienstleistung des Beamten gesehen werden. Sie ist zwar kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste, stellt aber die vom Staat festzusetzende Gegenleistung des Dienstherrn dafür dar, daß sich ihm der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt (BVerfG, Beschluß vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - NJW 1967, 1851, 1853 = BVerfG 21, 329). Diese Pflicht des Beamten, seine volle Arbeitskraft dem Staat zur Verfügung zu stellen, folgt - auch für den Beamten auf Widerruf - aus § 36 Satz 1 des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechts-Rahmengesetz - BRRG -) idF vom 22. Oktober 1965, wonach der Beamte sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat. Diese und die übrigen Beamtenpflichten gelten grundsätzlich auch für den Referendar. So kann beispielsweise die Weigerung, zugewiesene Arbeit zu verrichten (vgl. § 37 BRRG), für ihn aufgrund seines Beamtenverhältnisses zu disziplinären Maßnahmen führen (Wassermann, JuS 1964, 418, 419). Sein Dienst unterscheidet sich nicht in seiner beamtenrechtlichen Natur, sondern nur nach der Zweckbestimmung vom Dienst der übrigen Beamten. Während diese unmittelbar öffentliche Aufgaben erfüllen, stellt der Beamte im Vorbereitungsdienst seine Arbeitskraft ausschließlich zum Zweck der -auch im öffentlichen Interesse liegenden (vgl. BVerwG, ZBR 1967, 269) - Ausbildung zur Verfügung. Die Leistung des Beamten auf Lebenszeit, die dessen Besoldung rechtfertigt, unterscheidet sich in ihrem beamtenrechtlichen Charakter nicht von der Leistung des Referendars. Auch den Unterhaltszuschuß leistet der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht aus öffentlichen Mitteln, unabhängig von der Bedürftigkeit des Referendars, als wirtschaftliche Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts dafür, daß sich der Referendar im Vorbereitungsdienst mit seiner vollen Arbeitskraft der Ausbildung im öffentlichen Interesse zur Verfügung stellt. Deshalb ist es auch geboten, den Unterhaltszuschuß nicht als einseitige Fürsorgemaßnahmen des Staates (so auch BSG 5, 208, 210), sondern - wie die Dienstbezüge des Beamten (vgl. BVerfG aaO) - als Gegenleistung des Dienstherrn und damit als Entgelt im Sinne der Sozialversicherung anzusehen. Für die Entgelteigenschaft des Unterhaltszuschusses läßt sich im übrigen auch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anführen (Kröning, SGb 1961, 448). Aus ihr wird deutlich, daß der Gesetzgeber die finanziellen Leistungen des Dienstherrn an die Beamten im Vorbereitungsdienst als Entgelt ansieht. Das Ergebnis wird schließlich durch § 90 Abs. 3 Satz 2 AVAVG bestätigt, wonach die Bar- und Sachbezüge eines Lehrlings Arbeitsentgelt sind. Der Entgeltcharakter der Lehrlingsvergütung war durch die Rechtsprechung und auch im Erlaßwege bereits vor Einführung dieser klarstellenden Vorschrift anerkannt worden (BT-Drucks. II/1274 vom 17. März 1955 S. 130). Selbst wenn man den Lehrling auch für verpflichtet halten sollte - was erheblichen Zweifeln unterliegt -, ausnahmsweise ausbildungsfremde Arbeiten zu leisten, so besteht der Hauptzweck des Lehrlingsverhältnisses doch immer in der Ausbildung (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., S. 743; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 876). Die Bezüge des Lehrlings ähneln deshalb auch dem Unterhaltszuschuß des Referendars (BFH aaO).

Zu Unrecht nimmt die Revision auch an, daß unter "Arbeitsentgelt" im Sinne der Bemessungsvorschriften des AVAVG etwas anderes als unter "Entgelt" in § 160 RVO zu verstehen sei. Bis zur Neufassung des § 90 Abs. 1 AVAVG durch das Zweite Änderungsgesetz zum AVAVG vom 7. Dezember 1959 (BGBl I 705) kam dies durch den ausdrücklichen Hinweis auf § 160 RVO schon zum Ausdruck. Diese Verweisung ist allerdings durch die seit dem 1. Dezember 1959 geltende Fassung des § 90 Abs. 1 AVAVG entfallen. Das ist aber nicht aus prinzipiellen Erwägungen geschehen, sondern nur, weil nach der Neufassung des § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG einmalige Zuwendungen (z. B. Weihnachtsgratifikationen, Prämien, Urlaubsabgeltungen), die nach § 160 Abs. 3 RVO zum Entgelt rechnen, für die Bemessung dem Gesamtverdienst nicht hinzugerechnet werden, der Entgeltbegriff des Sozialversicherungsrechts also insoweit zu weit ist (vgl. BT-Drucks. III/1240 vom 29. August 1959 S. 13; Grünewald, ABA 1960, 148). Im übrigen ist aber auch weiterhin in der Arbeitslosenversicherung als Entgelt jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen, der einem Beschäftigten als Gegenleistung gewährt wird (vgl. BSG 13, 23, 25; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, S. 223, 287; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 310 e). Die Entgeltlichkeit eines Beschäftigungsverhältnisses richtet sich damit aber auch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, für den Unterhaltszuschuß der Referendar ebenso wie für sonstige Leistungen seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Erlasses des Reichsfinanzministers und des Reichsarbeitsministers vom 10. September 1944 regelmäßig danach, ob der jeweilige Bezug lohnsteuerpflichtig ist (BSG 15, 65). Da die Unterhaltszuschüsse an Referendare der Lohnsteuerpflicht unterliegen, sind sie auch aus diesem - weiteren - Grunde als "Entgelt" im Sinne des § 160 RVO (BSG 15, 69; 17, 206, 208) und damit als Arbeitsentgelt im Sinne der Bemessungsvorschriften des AVAVG anzusehen. Diese vom Senat vertretene Auffassung steht nicht im Widerspruch zu dem Urteil des 8. Senats des BSG vom 22. November 1966 (BSG 25, 276, 278). Einmal betrifft diese Entscheidung nicht den Entgeltbegriff im Sozialversicherungsrecht; zum anderen bringt sie nur zum Ausdruck, daß der Unterhaltszuschuß kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung konkreter Dienste ist.

Bei der Bemessung des Hauptbetrags der Arbeitslosenhilfe für den Kläger ist deshalb die Beklagte zutreffend von dem Unterhaltszuschuß von monatlich 527 DM ausgegangen. Mit Recht hat auch das LSG ausgeführt, daß der Hauptbetrag hier nicht gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 90 Abs. 7 AVAVG nach dem an Wohn- oder Aufenthaltsort des Klägers maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu bemessen ist, für die der Kläger nach seinem Lebensalter und seinem Leistungsvermögen unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung in Betracht kommt. Das setzt nämlich nach den genannten Vorschriften voraus, daß die Bemessung nach § 148 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 90 Abs. 1 bis 4 AVAVG mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dies nur dann der Fall ist, wenn der Bemessung nach § 90 Abs. 1 bis 4 AVAVG eine andere berufliche Tätigkeit zugrunde liegt, als sie der Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübt hat. Das trifft indessen nicht zu. Der Kläger ist nicht nur in dem Bemessungszeitraum, sondern während der ganzen letzten drei Jahre vor seiner Arbeitslosmeldung am 26. Juni 1967 als Gerichtsreferendar im Vorbereitungsdienst tätig gewesen.

Der Hauptbetrag ist auch nicht deshalb entsprechend § 90 Abs. 7 AVAVG festzusetzen, weil die Gewährung der Unterstützung nach einem Bemessungsentgelt im Sinne des § 148 Abs. 3 Satz 2 AVAVG mit Rücksicht auf die von dem Kläger zuvor überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre. Nach dieser Vorschrift ist zwar nicht nur auf die Beschäftigung in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung abzuheben, sondern, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, auf das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitslosen. Der Kläger war aber auch vor dem Dreijahreszeitraum, ebenso wie im Bemessungszeitraum, als Gerichtsreferendar im Vorbereitungsdienst bzw. als Student - als solcher ohne Einkommen - tätig.

Nach allem hat die Beklagte mit Recht den Hauptbetrag der Arbeitslosenhilfe des Klägers nach dem Unterhaltszuschuß von monatlich 527 DM bemessen. Schließlich entspricht es auch der Rechtslage, daß die Beklagte einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Mutter in Höhe von monatlich 131 DM zugrunde gelegt und diesen Anspruch gemäß § 150 AVAVG als Einkommen des Klägers berücksichtigt hat. Der angemessene Unterhalt der Mutter des Klägers nach § 1603 Abs. 1 BGB wird dadurch nicht gefährdet. Die Leistungen, welche die Mutter des Klägers bezieht, rechnen nicht zu denen, die nach § 150 Abs. 4 AVAVG nicht als Einkommen gelten. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß hier nur das Einkommen des Arbeitslosen selbst, nicht aber das eines unterhaltspflichtigen Dritten gemeint ist. Mit einem Betrag von 603 DM monatlich war der angemessene Unterhalt der Mutter des Klägers, die Witwe des früheren Hauptschriftleiters, der nach Angaben des Klägers 3000 RM verdiente, sichergestellt, zumal der Bruder des Klägers seit dem 1. Juli 1967 einer mit 20 DM netto täglich entlohnten Beschäftigung nachging und somit ein Einkommen erzielte, das seinen eigenen angemessenen Unterhalt sicherstellte.

Nach allem ist die Revision des Klägers unbegründet und mußte gemäß § 170 Abs. 1 SGG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 156

MDR 1971, 339

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