Leitsatz (amtlich)

Die Zulassungsinstanzen überschreiten das ihnen nach ZO-Ärzte BZ § 18 eingeräumte Ermessen, wenn sie einem noch nicht zugelassenen Arzt den Vorzug vor einem wesentlich älteren und entsprechend früher approbierten Arzt, der bereits an einem anderen Ort zugelassen ist, nur deshalb geben, weil in erster Linie noch nicht zur Kassenpraxis zugelassene Bewerber zu berücksichtigen seien. Tätigkeit zu ermöglichen. Der erfolgreiche Abschluß des Studiums ermöglicht noch nicht (unmittelbar) die Ausübung einer irgendwie für den Arbeitsmarkt bedeutsamen Tätigkeit. Nach den maßgebenden landesrechtlichen Vorschriften eröffnet die das Studium an der PH abschließende 1. Staatsprüfung nur den Zugang zu einem einjährigen Vorbereitungsdienst; erst die danach mögliche Ablegung der 2. Staatsprüfung verleiht die Befähigung zur Ausübung des Lehramts und damit zu einer auf Dauer gerichteten beruflichen Tätigkeit. Unter Einbeziehung des Vorbereitungsdienstes würde aber die nach AFuU 1969 § 6 Abs 1 S 3 auf drei Jahre begrenzte Höchstdauer für förderbare Umschulungsmaßnahmen überschritten (Vergleiche BSG 1973-03-29 7 RAr 12/72 = BSGE 36, 1).

 

Normenkette

ÄZO BrZ § 18 Fassung: 1948-04-21; SGG § 54 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. September 1953 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben dem Kläger je die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Um die Kassenpraxis eines Facharztes für Urologie in B, die im Oktober 1951 ausgeschrieben worden war, bewarben sich u. a. der Kläger und der Beigeladene. Durch Beschluß vom 12. Dezember 1951 ließ der Zulassungsausschuß für Ärzte in D den Beigeladenen zu und lehnte den Antrag der übrigen Ärzte ab. Gegen den Beschluß legte außer einem weiteren Arzt der Kläger gemäß § 29 Abs. 2 der Zulassungsordnung für die britische Zone vom 21. April 1948 (ZulO brit. Z.) beim beklagten Berufungsausschuß Berufung ein, die durch Beschluß vom 28. März 1952 zurückgewiesen wurde. Der Beklagte erkannte an, daß der Kläger, der in H geboren und seit November 1946 in seinem Geburtsort als Facharzt für Urologie zur Kassenpraxis zugelassen ist, dem Beigeladenen durch seine Ausbildung an bedeutenden Krankenhäusern und die Dauer seiner Praxis überlegen sei; er habe auch die Approbation neun Jahre vor dem Beigeladenen erhalten. Der Berufungsausschuß gab trotzdem dem bisher noch nicht zugelassenen Beigeladenen den Vorzug aus der Erwägung, daß es Aufgabe der Zulassungsinstanzen sei, in erster Linie ärztliche Bewerber "unterzubringen", erst in zweiter Linie könnten persönliche Wünsche schon zugelassener Ärzte auf Besserstellung berücksichtigt werden; im übrigen biete sich dem Kläger in B mit 300000 Einwohnern, wo bereits ein Facharzt für Urologie als Kassenarzt tätig sei, keine bessere Existenzmöglichkeit als in seinem Geburtsort H mit 110000 Einwohnern, zumal der Kläger dort als einziger Urologe zugelassen sei.

Auf die Anfechtungsklage des Klägers hob das Landesverwaltungsgericht in Münster durch Urteil vom 8. Juli 1952 den Beschluß des Beklagten vom 28. März 1952 und den Beschluß des Zulassungsausschusses vom 12. Dezember 1951 auf: Die Bestimmung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z. gebe zugelassenen Kassenärzten den Vorrang vor noch nicht zur Kassenpraxis zugelassenen Ärzten. Es sei der Zweck dieser Bestimmung, den älteren, im allgemeinen mit wesentlich höheren Ausgaben belasteten Ärzten den Vorrang bei der Bewerbung um wirtschaftlich günstigere Kassenarztsitze zu gewähren. Die größeren Berufskenntnisse und Erfahrungen älterer, schon zugelassener Ärzte kämen auch den Versicherten zugute. Da jeder in eine wirtschaftlich günstigere Kassenpraxis aufrückende Arzt seine bisherige Praxis für einen noch nicht zugelassenen Arzt freimache, könnten auch soziale Gesichtspunkte, wie die Förderung des ärztlichen Nachwuchses, grundsätzlich ein Abweichen von den bindenden Ermessensrichtlinien des § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z. nicht rechtfertigen. Im übrigen habe der Berufungsausschuß auch die Bestimmung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 a. a. O. nicht beachtet; da die Mehrzahl der hiernach zu beachtenden Gesichtspunkte - Lebensalter, Alter der Kinder, Zeitpunkt der Approbation und der Anerkennung als Facharzt - für den Kläger, keiner aber für den Beigeladenen sprächen, habe der Beklagte die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens überschritten.

Die gegen dieses Urteil vom Beklagten und vom Beigeladenen eingelegten Berufungen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 30. September 1952 zurückgewiesen: Die Ansicht des Landesverwaltungsgerichts, § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z. gebe dem bereits in Herne als Kassenarzt zugelassenen Kläger einen Vorrang vor den noch nicht zugelassenen Bewerbern, erscheine zweifelhaft; dagegen spreche die Bestimmung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZulO brit. Z. über den Vorrang von Bewerbern, die mindestens fünf Jahre auf dem Lande oder in einer Kleinstadt Kassenärzte gewesen seien.

Diese Frage brauche jedoch im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden, denn die Klage sei auch dann begründet, wenn man dem Kläger entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts keinen Vorrang nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z. zubillige. Der angefochtene Beschluß erkenne den Tatsachen entsprechend an, daß der Kläger gegenüber dem Beigeladenen nach den Grundsätzen des § 18 Abs. 2 und 3 ZulO brit. Z. unzweifelhaft bevorrechtigt sei; die begehrte Zulassung sei ihm nur aus der Erwägung versagt worden, es sei in erster Linie Aufgabe der Zulassungsinstanzen, ärztliche Bewerber unterzubringen. Diese Auffassung entspreche nicht dem Zweck der Zulassungsordnung, deren Aufgabe es sei, die ärztliche Betreuung der Kassenpatienten durch die Auswahl geeigneter Ärzte sicherzustellen; die Entscheidung des Beklagten beruhe daher auf sachfremden Erwägungen. Der bereits praktizierende Kassenarzt müsse bei Bewerbung um eine Kassenpraxis zumindest ebenso behandelt werden wie die übrigen Bewerber; er dürfe nicht wegen der Tatsache, daß er schon als Kassenarzt tätig sei, bei der Auswahl benachteiligt werden.

Da das Oberverwaltungsgericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen hat, erhob der Beklagte Beschwerde gemäß § 53 Abs. 3 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVerwGG). Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde durch Beschluß vom 15. September 1953 statt, der dem Kläger am 18. Dezember 1953, den übrigen Beteiligten am 17. Dezember 1953 zugestellt worden ist. Die Rechtsmittelbelehrung des Bundesverwaltungsgerichts enthielt den Hinweis, daß die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen einzulegen sei; ferner wurde auf das Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 sowie auf die §§ 51 und 215 dieses Gesetzes hingewiesen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 1954, der am gleichen Tage beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingegangen ist, Revision eingelegt und eine Zweitschrift dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zugesandt, die dort am 16. Januar 1954 einging.

Er beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Kläger mit der Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 12. Februar 1954 festgestellt, daß die Sache gemäß §§ 51, 215 Abs. 9 SGG auf das Bundessozialgericht übergegangen sei. Mit Schreiben vom 11. März 1954 hat es die Vorgänge - einschließlich der am 15. Februar 1954 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen und am 19. Februar 1954 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Revisionsbegründung des Beklagten - dem Bundessozialgericht übersandt, dem sie am 22. März 1954 zugegangen sind.

Der Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 1954 - eingegangen am 18. Januar 1954 - unmittelbar beim Bundessozialgericht Revision eingelegt, ohne in diesem Schriftsatz einen bestimmten Antrag (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGG) zu stellen. Ein Antrag, mit dem der Beigeladene die Aufhebung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 30. September 1953 und des Landesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 1952 sowie die Abweisung der Klage begehrt, ist erst mit Schriftsatz vom 8. Februar 1954 gestellt worden, der am 18. Februar 1954 zugleich mit der Revisionsbegründung beim Bundessozialgericht einging.

Zur Begründung der Revision macht der beklagte Berufungsausschuß im wesentlichen geltend: Zwar dürfe auch einem bereits zugelassenen Arzt, der nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 1 d ZulO brit. Z. erfülle, die Möglichkeit einer Weiterentwicklung nicht verschlossen werden.

Dies bedeute aber nicht, daß er auch dann bevorzugt zugelassen werden müsse, wenn andere qualifizierte, noch nicht zur Kassenpraxis zugelassene Bewerber vorhanden seien. Grundsätzlich habe nach Sinn und Zweck der ZulO in einem Auswahlverfahren der bereits zugelassene Kassenarzt nur dann einen Vorrang, wenn er fünf Jahre auf dem Lande oder in einer Kleinstadt Kassenarzt gewesen sei (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 d ZulO brit. Z.).

Der Beigeladene trägt zur Begründung der Revision folgendes vor: Der Berufungsausschuß verschließe den bereits zugelassenen Kassenärzten nicht die Möglichkeit einer fachlichen und wirtschaftlichen Entwicklung, er gehe aber in dem angefochtenen Beschluß mit Recht davon aus, daß der Antrag eines schon zugelassenen Arztes auf Zulassung zu einer besseren Kassenpraxis erst dann berücksichtigt werden dürfe, wenn der Andrang der noch nicht zugelassenen Bewerber nachgelassen habe. Im übrigen könne der Kläger in B kein größeres Arbeitsgebiet als in seiner bisherigen Kassenpraxis erwarten. Während der Kläger als zugelassener Kassenarzt ein gutes Einkommen habe, sei er - der Beigeladene - bei Ablauf seines Vertrages als Assistenzarzt (November 1952) ohne jede Existenzgrundlage gewesen. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts berge die Gefahr in sich, daß neue oder neu zu besetzende Kassenarztstellen in der Regel an zugelassene Ärzte vergeben werden müßten, wenn diese als Bewerber auftreten, so daß die durch Ausscheiden des zugelassenen Arztes aus seiner bisherigen Praxis freiwerdende Kassenarztstelle erneut ausgeschrieben werden müßte; der sich hieraus ergebende häufige Wechsel in der ärztlichen Betreuung könne nicht im Interesse der Versicherten und der Versicherungsträger liegen.

Der Kläger beantragt,

die Revisionen als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß die Revisionen nicht frist- und formgerecht eingelegt worden seien; im übrigen habe - wie das Landesverwaltungsgericht zutreffend angenommen habe - der zugelassene Kassenarzt gegenüber dem noch nicht zugelassenen Bewerber einen Vorrang nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z.

II.

1.) Gegen die Zulässigkeit der Revisionen bestehen keine Bedenken.

Zwar ist das Bundessozialgericht an die nach § 53 Abs. 1 und 5 BVerwGG ausgesprochene Zulassung der Revision nicht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts findet aber die Revision in Übergangsfällen gemäß § 215 SGG jedenfalls dann statt, wenn die Prüfung des Bundessozialgerichts ergibt, daß im Revisionsverfahren über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu entscheiden ist (BSG. 1 S. 17 (21); Urteile des erkennenden Senats vom 29.5.1956 - 6 RKa 14/54 - und vom 25.10.1956 - 6 RKa 2/54 -). Da die Frage, ob das Oberverwaltungsgericht die Auswahlgrundsätze des § 18 ZulO brit. Z. zutreffend ausgelegt hat, eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Revision als statthaft anzusehen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist in seinem Beschluß vom 12. Februar 1954 davon ausgegangen, daß die Streitsache nach § 215 Abs. 9 in Verbindung mit § 51 SGG auf das Bundessozialgericht übergegangen sei. Diesem Beschluß kommt jedoch nur deklaratorische Bedeutung zu, da der Übergang einer Sache auf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen des § 215 SGG sich kraft Gesetzes vollzieht (vgl. BSG. 2 S. 23 (26) und Urteil des BSG. vom 22.3.1956 - 7 RAr 8/54 -, SozR. SGG § 215 Bl. Da 6 Nr. 21). Der Übergang auf das Bundessozialgericht nach § 215 Abs. 9 SGG setzt voraus, daß die Sache am 1. Januar 1954 beim Bundesverwaltungsgericht rechtshängig war. Ein Rechtsstreit wird aber erst bei dem höheren Gericht mit der Einlegung des Rechtsmittels anhängig. Da im vorliegenden Fall sowohl die Revision des Beklagten als auch die des Beigeladenen erst nach dem 1. Januar 1954 eingelegt worden ist, war die Sache am 1. Januar 1954 beim Bundesverwaltungsgericht noch nicht rechtshängig im Sinne des § 215 Abs. 9 SGG (vgl. Stein-Jonas-Schönke, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. Anm. II 2 zu § 176). Daran ändert auch nichts, daß der Beklagte die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht vor dem 1. Januar 1954 mit der Beschwerde gemäß § 53 Abs. 3 BVerwGG angefochten hatte. Es kann dahingestellt bleiben, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn das Bundesverwaltungsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem 1. Januar 1954 noch keine Entscheidung getroffen hätte. Im vorliegenden Falle hat das Bundesverwaltungsgericht aber bereits am 15. Dezember 1953 über die Beschwerde entschieden und den Beschluß über die Zulassung den Beteiligten am 17. bzw. 18. Dezember 1953 zugestellt. Eine Rechtshängigkeit der Streitsache beim Bundesverwaltungsgericht (§ 215 Abs. 9 SGG) am 1. Januar 1954 kann also hier nicht angenommen werden. Die Streitsache war vielmehr an dem maßgebenden Stichtag, da bis zu diesem Zeitpunkt keine Revision eingelegt worden war, noch beim Oberverwaltungsgericht anhängig (vgl. Stein-Jonas-Schönke a. a. O.). Sie ist daher gemäß § 215 Abs. 8 SGG auf das Landessozialgericht übergegangen. Trotzdem ist das Landessozialgericht nicht zu einer nochmaligen Verhandlung und Entscheidung berufen; denn andernfalls würde die gleiche Sache zweimal auf derselben - nämlich berufungsgerichtlichen - Ebene entschieden werden, was aber mit dem die Übergangsregelung des § 215 SGG tragenden Grundgedanken, daß ergangene Entscheidungen beachtet werden sollen, nicht vereinbar wäre. Im Sinne dieses Grundgedankens kann deshalb § 215 Abs. 8 SGG nur dahin verstanden werden, daß in Fällen der vorliegenden Art der Rechtsstreit als bereits vom Berufungsgericht entschieden auf das Landessozialgericht übergegangen ist und daß sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Januar 1954 an nach den Vorschriften des SGG richtet (vgl. Urt. des erkennenden Senats vom 4.12.1956 - 6 RKa 11/54 -).

Der Beklagte hat nun zwar die Revision - nach dem 1. Januar 1954 - innerhalb der mit der Zustellung des Zulassungsbeschlusses des BVerwG. in Lauf gesetzten Revisionsfrist (vgl. § 53 Abs. 5 BVerwGG) eingelegt; er hat sie aber entgegen der vom 1. Januar 1954 an für das Verfahren maßgebenden Vorschrift des § 164 Abs. 1 SGG nicht beim Bundessozialgericht, sondern - im Hinblick auf die im Beschluß vom 15. Dezember 1953 enthaltene Rechtsmittelbelehrung - beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift des Beklagten ist erst am 22. März 1954, die unmittelbar an das Bundessozialgericht gerichtete Revisionsschrift des Beigeladenen erst am 18. Januar 1954, also einen Tag nach Ablauf der Revisionsfrist, beim Bundessozialgericht eingegangen. Die Revisionsschrift des Beigeladenen enthält auch keinen bestimmten Antrag nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts innerhalb der Revisionsfrist zu stellen ist (vgl. u. a. BSG. 1 S. 47, S. 50 u. S. 228). Trotzdem sind beide Revisionen als frist- und formgerecht eingelegt anzusehen, weil in der in dem Beschluß vom 15. Dezember 1953 enthaltenen Rechtsmittelbelehrung, in der zwar am Schluß auf das am 1. Januar 1954 in Kraft getretene SGG hingewiesen ist, eine Belehrung darüber fehlt, daß von diesem Zeitpunkt an die Revisionsschrift beim Bundessozialgericht in Kassel einzureichen ist. Eine den Erfordernissen des § 66 Abs. 1 SGG entsprechende Rechtsmittelbelehrung muß aber gerade in Übergangsfällen dieser Art eindeutig und erschöpfend sein; sie muß das Gericht bezeichnen, bei dem das Rechtsmittel nach einer während des Laufes der Rechtsmittelfrist eintretenden Änderung des Prozeßrechts einzulegen ist (vgl. BSG. 1 S. 195 und S. 229). Demnach konnten die Revisionen nach § 66 Abs. 2 SGG noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Zulassungsbeschlusses, d. h. bis zum 17. Dezember 1954, eingelegt werden.

2.) Die Revisionen sind jedoch nicht begründet.

Streitig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob der Beschluß der Zulassungsinstanzen, die den Beigeladenen als Kassenarzt zugelassen haben, rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dieser Beschluß ist auf Grund des § 18 der ZulO brit. Z. vom 21. April 1948 ergangen. Diese stellt revisibles Recht dar, weil sich ihr Geltungsbereich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 Abs. 2 SGG). Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, bestehen gegen ihre Rechtswirksamkeit keine Bedenken (vgl. Urt. vom 25.9.1956 - 6 RKa 14/54 - und Urt. vom 25.10.1956 - 6 RKa 2/54 -, SozR. ZulO für Ärzte brit. Z. Bl. A a 1 Nr. 1 u. 2).

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ZulO brit. Z. haben in der Regel Bewerber, die bereits zugelassen sind, bei der Auswahl den Vorrang. Ob hiernach jeder bereits für einen anderen Kassenarztbezirk zugelassene Arzt grundsätzlich den Vorrang vor einem noch nicht zugelassenen Bewerber hat oder ob, wie das Oberverwaltungsgericht meint, diese Bestimmung sich nur auf früher zugelassen gewesene Ärzte bezieht, die aus besonderen Gründen ihre Kassenpraxis verloren haben, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht für anwendbar ansieht, so ist - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Entscheidung des beklagten Beschwerdeausschusses schon deshalb zu beanstanden, weil sie die rechtssatzmäßigen Grenzen des Ermessens nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 ZulO brit. Z. nicht eingehalten hat. Wie der Senat in der oben angeführten Entscheidung vom 25. Oktober 1956 ausgesprochen hat, ist das Ermessen der Zulassungsinstanzen bei Besetzung einer Kassenarztstelle durch die Auswahlgrundsätze des § 18 ZulO brit. Z. rechtssatzmäßig beschränkt, und es bedeutet eine Überschreitung des ihnen gesetzlich eingeräumten Ermessens, wenn die in § 18 ZulO brit. Z. aufgeführten Grundsätze nicht beachtet sind.

Der Kläger verdient - wie das Oberverwaltungsgericht bedenkenfrei angenommen hat - nach den Auswahlgrundsätzen des § 18 Abs. 2 Nr. 2 ZulO brit. Z. gegenüber dem Beigeladenen unzweifelhaft den Vorzug, und zwar sowohl wegen seines um neun Jahre höheren Lebensalters als auch wegen seiner wesentlich früheren Approbation und seiner früheren Anerkennung als Facharzt für Urologie. Die demgegenüber vom Beklagten angestellte Erwägung, es sei Aufgabe der Zulassungsinstanzen, in erster Linie noch nicht zugelassene ärztliche Bewerber "unterzubringen", steht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - mit dem Zweck der ZulO nicht im Einklang. Wichtigste Aufgabe der Zulassungsinstanzen ist es vielmehr, die ärztliche Betreuung der Kassenpatienten durch Auswahl geeigneter Ärzte sicherzustellen. Zwar sind nach den Auswahlgrundsätzen des § 18 ZulO brit. Z. auch persönliche Verhältnisse der Bewerber angemessen zu berücksichtigen, wie insbesondere die in Abs. 2 Nr. 1 aufgeführten Umstände, aber auch der in Abs. 2 Nr. 2 erwähnte Familienstand der Bewerber erkennen lassen. Indessen können persönliche Verhältnisse und Schicksale immer nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller nach billigem Ermessen in Betracht kommenden Umstände Berücksichtigung finden (§ 18 Abs. 3 ZulO), und es ist bei der Auswahlentscheidung immer der Zweck des gesamten Zulassungswesens zu beachten, die ärztliche Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen in möglichst vollkommener Weise durchzuführen und zu sichern.

Die Aufstellung der Auswahlgrundsätze in § 18 ZulO brit. Z. ist nicht abschließend und kann bei der Vielfältigkeit der Lebensschicksale auch nicht als erschöpfend angesehen werden; wohl aber hat die Auswahl unter den Bewerbern vornehmlich unter Berücksichtigung dieser Auswahlgrundsätze stattzufinden. Die Zulassungsinstanzen sind daher nicht gehindert, im Einzelfall zur Vermeidung von Unbilligkeiten andere gewichtige Umstände zu berücksichtigen. Das Abweichen von den in § 18 ZulO brit. Z. aufgestellten Auswahlgrundsätzen muß aber durch besondere Umstände des Einzelfalles begründet sein und darf nicht - wie hier geschehen - dazu führen, daß nach der ZulO zu beachtende Gesichtspunkte, wie Lebensalter und Zeitpunkt der Approbation, schlechthin unberücksichtigt bleiben. Das wäre aber der Fall, wenn nichtzugelassenen Ärzten allgemein ein Vorzug bei der Besetzung ausgeschriebener Kassenarztstellen eingeräumt würde. Die von dem Beklagten vertretene Auffassung bedeutet im Grunde eine allgemeine Benachteiligung der bereits zugelassenen Ärzte bei der Bewerbung um eine andere Kassenarztstelle; sie würde letztlich dazu führen, daß ein einmal zugelassener Kassenarzt sich um eine andere Kassenarztstelle erst dann mit Erfolg bewerben könnte, wenn sich um diese Kassenarztstelle andere Ärzte, die noch nicht zugelassen sind, nicht beworben hätten. Eine solche allgemeine Benachteiligung schon zugelassener Ärzte widerspricht den Auswahlgrundsätzen des § 18 ZulO und stellt daher eine Überschreitung der dem Ermessen der Zulassungsinstanzen gesetzten Grenzen dar (vgl. § 54 Abs. 2 SGG).

Auch die Erwägung des Beklagten, der Kläger habe in B ein größeres Arbeitsgebiet gar nicht zu erwarten, rechtfertigt es nicht, die Auswahlgrundsätze des § 18 ZulO brit. Z. unbeachtet zu lassen. Es ist grundsätzlich Sache des Bewerbers um einen ausgeschriebenen Kassenarztsitz selbst zu entscheiden, ob und aus welchen Gründen er die ausgeschriebene Stelle für erstrebenswert hält.

Auch aus der Bestimmung des § 13 Abs. 3 ZulO brit. Z., wonach bei der Ausschreibung einer Kassenarztstelle außer der Verhältniszahl nach Abs. 1 ("auf je 600 Kassenmitglieder soll 1 Kassenarzt entfallen") die Einwohnerzahl, die Einkünfte der bereits vorhandenen Ärzte und die Zahl der auf Zulassung wartenden Ärzte nach gewissenhaftem, freien Ermessen des Zulassungsausschusses zu berücksichtigen sind, kann - entgegen der Auffassung der Revision - nicht geschlossen werden, daß bei der Auswahl der Bewerber um eine ausgeschriebene Kassenarztstelle die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein sollen. Dem steht schon die ausdrückliche Regelung der bei der Zulassung zu berücksichtigenden Umstände in § 18 ZulO brit. Z. entgegen.

Schließlich kann sich der Beigeladene auch nicht darauf berufen, daß die Bestimmung des § 17 ZulO brit. Z. der Zulassung des Klägers entgegenstehe, denn der Kläger gehört nicht zu dem Kreis der hier genannten, in der Regel nicht zuzulassenden Ärzte, die in Auswirkung eines Beamten- oder Angestelltenverhältnisses oder aus einer Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung ihrer Berufsorganisation regelmäßig Einkünfte beziehen.

Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, daß der Beschluß des Berufungsausschusses ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig sei, kann daher, jedenfalls im Ergebnis, nicht beanstandet werden.

Die Revisionen sind somit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380661

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