Entscheidungsstichwort (Thema)

Eröffnung des Konkursverfahrens. sofortige Beschwerde. aufschiebende Wirkung. Entrichtung von Pflichtbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Die erfolglose sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß nach § 19 Abs 2 der Vergleichsordnung hat keinen Einfluß auf den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses, damit auch nicht auf den darin festgestellten Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens. Mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde steht fest, daß die Voraussetzungen für die Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens schon im Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses vorlagen. Dieser Zeitpunkt ist auch für § 141n AFG maßgebend (Abgrenzung zu BSG vom 27.6.1980 - 8b/12 RAr 6/79 = SozR 4100 § 141b Nr 13 = BSGE 50, 174)

2. Noch nicht entrichtete Pflichtbeiträge sind nach § 141n AFG nur insoweit zu entrichten, als sie auf Arbeitsentgelte für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses entfallen.

 

Normenkette

AFG §§ 141n, 141b; VglO § 19 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 31.03.1987; Aktenzeichen L 5 Ar 1407/85)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 23.04.1985; Aktenzeichen S 6 Ar 1271/84)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) der klagenden Ortskrankenkasse (AOK) für die Zeit vom 1. bis zum 30. März 1984 Pflichtbeiträge für die Beschäftigten der in Konkurs geratenen G.         L.   GmbH zu entrichten hat.

Mit Beschluß vom 19. Februar 1984 lehnte das Amtsgericht Lahr den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens ab und eröffnete zugleich das Anschlußkonkursverfahren mit Wirkung vom 29. Februar 1984, 14.00 Uhr. Das Landgericht Offenburg wies die sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 30. März 1984 zurück, weil die erforderliche Mindestquote von 35 % der Forderungen weder bei Erlaß des angefochtenen Beschlusses noch bei Erlaß der Beschwerdeentscheidung hätten aufgebracht werden können. Den auf § 141n des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gestellten Antrag der Klägerin vom 16. April 1984, für die Beschäftigten der G.         L.    GmbH Pflichtbeiträge in Höhe von insgesamt 547.937,22 DM für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. März 1984 zu entrichten, lehnte die Beklagte für die Zeit nach dem 29. Februar 1984 ab, weil das Konkursverfahren an diesem Tage eröffnet worden sei.

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat angenommen, die Beklagte habe nach § 141n AFG für die Zeit vom 1. bis zum 30. März 1984 keine Beiträge zu entrichten, weil die streitige Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens liege. Der Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts sei trotz der Anfechtung mit der sofortigen Beschwerde - anders als im Falle des § 80 Abs 3 der Vergleichsordnung - nicht erst im Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern bereits mit seinem Erlaß wirksam geworden. Das ergebe sich insbesondere aus dem nach § 115 der Vergleichsordnung entsprechend anwendbaren § 572 Abs 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wonach die sofortige Beschwerde - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen - keine aufschiebende Wirkung hat.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend, die Eröffnung des Konkursverfahrens sei erst mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses wirksam geworden, so daß die streitige Zeit vom 1. bis zum 30. März 1984 noch vor diesem Zeitpunkt liege.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und des Bescheides der Beklagten zu verurteilen, 176.776,02 DM Beitragsrückstände für die Zeit vom 1. bis zum 30. März 1984 zuzüglich Mahngebühren und Säumniszuschläge in Höhe von 3.635,20 DM nebst weiteren Säumniszuschlägen in Höhe von 1.767,67 DM für jeden Monat des Zeitraums nach Fälligkeit der Beiträge an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig.

Die beigeladene Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) schließt sich der Rechtsauffassung und den Anträgen der Klägerin an. Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, denn das LSG hat mit Recht die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Die Klägerin hat nach § 141n AFG gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Beitragsentrichtung für die streitige Zeit vom 1. bis zum 30. März 1984.

Nach § 141n Abs 1 AFG hat die Beklagte aus Mitteln der Konkursausfallgeldversicherung noch nicht entrichtete Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) nur insoweit zu entrichten, als sie auf Arbeitsentgelte für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfallen. Zur Entrichtung von Beiträgen für die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens ist die Beklagte also nicht verpflichtet. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß im vorliegenden Fall das Konkursverfahren bereits am 29. Februar 1984 eröffnet worden ist, so daß für die Zeit danach ein Anspruch der Klägerin auf Entrichtung von Beiträgen nicht besteht. Zwar ist der Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts vom 29. Februar 1984 erst mit der Entscheidung über die sofortige Beschwerde am 30. März 1984 rechtskräftig geworden. Das ändert aber nichts daran, daß die Konkurseröffnung bereits am 24. Februar 1984 um 14.00 Uhr wirksam geworden ist. Abgesehen davon, daß nach dem gemäß § 115 der Vergleichsordnung entsprechend anwendbaren § 572 Abs 2 der ZPO die sofortige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hatte, ist der Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts durch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde mit dem bestätigten Inhalt rechtskräftig geworden. In dem Beschluß des Amtsgerichts ist der 29. Februar 1984, 14.00 Uhr, als Beginn des Konkursverfahrens festgestellt worden. Da das Beschwerdegericht diesen Ausspruch nicht geändert hat, ist es dabei geblieben, auch wenn die Rechtskraft erst später eingetreten ist. Dieser Zeitpunkt ist auch für § 141n AFG maßgebend, weil feststeht, daß die den Konkurs begründende Insolvenz bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag. Zwar hat der 8b Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 27. Juni 1980 (SozR 4100 § 141b Nr 13) angenommen, das Konkursverfahren sei iS des § 141b AFG erst eröffnet, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Anspruchskonkursverfahrens nach erfolglosem Vergleichsverfahren rechtskräftig geworden sei. Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß diese Entscheidung deshalb für den hier vorliegenden Fall nicht präjudiziell ist, weil es sich dort um eine Beschwerde nach § 80 Abs 2 der Vergleichsordnung handelte, die nach Abs 3 dieser Vorschrift zur Folge hatte, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens erst mit der Rechtskraft wirksam wurde. Diese Wirkung hat die sofortige Beschwerde nach § 19 Abs 2 der Vergleichsordnung nicht. Mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde bleibt es vielmehr bei dem im Eröffnungsbeschluß genannten Zeitpunkt der Konkurseröffnung. Auch die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (SozR 1750 § 705 Nr 1) steht dem nicht entgegen, denn sie betrifft nur die Frage, wann die Rechtskraft einer angefochtenen Entscheidung eintritt. Hier geht es aber um eine andere Frage, nämlich darum, ob als Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens erst der Eintritt der Rechtskraft gilt oder ob der in dem angefochtenen Eröffnungsbeschluß festgestellte Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens nunmehr rechtskräftig festgestellt ist. Die erfolglose sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluß nach § 119 Abs 2 der Vergleichsordnung hat keinen Einfluß auf den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses, damit auch nicht auf den darin festgestellten Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens. Mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde steht fest, daß die Voraussetzungen für die Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens schon im Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses vorlagen. Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht aus dem Zweck des § 141n AFG herleiten. Diese Vorschrift stellt es - ebenso wie §141b AFG - bewußt auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens ab, so daß für eine erweiternde Auslegung jedenfalls dann kein Raum ist, wenn - anders als nach § 80 Abs 3 der Vergleichsordnung - die Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht erst mit der Rechtskraft, sondern mit dem im Eröffnungsbeschluß festgestellten Zeitpunkt eintritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664915

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