Leitsatz (amtlich)

Der Vertretene muß die sich aus KOV-VfG § 47 Abs 3 ergebenden Folgen wissentlich unwahrer Angaben oder des Verschweigens wesentlicher Umstände auch dann gegen sich gelten lassen, wenn diese Voraussetzungen nur in der Person des Vertreters erfüllt sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs in Betracht kommt, ist nach KOVVfG § 47 Abs 3 für einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen der Versorgungsverwaltung und denen des Versorgungsberechtigten kein Raum.

2. KOV-VfG § 47 Abs 4 gestattet im Wege der Härteregelung auch die Berücksichtigung von Umständen, die nicht in der Person des Schuldners selbst liegen und welche bei der Einziehung für diesen eine besondere Härte darstellen würden.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 1965 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

K P (P.), der Vater der Kläger (geboren am 3. Januar 1940 und 5. Dezember 1941), war zeitweilig hauptamtlicher Jugendbannführer der NSDAP gewesen und hat im Kriege Wehrdienst geleistet, zuletzt in der Panzerdivision "Groß-Deutschland". Im Oktober 1949 beantragte die Mutter der Kläger (Frau P.) für sich und ihre beiden Kinder R und R Versorgung wegen Kriegsverschollenheit ihres Ehemannes. Sie gab an, daß sie von diesem im Jahre 1945 die letzte Nachricht erhalten habe und daß er seitdem vermißt sei. Ihr seien keine Tatsachen bekannt, aus denen geschlossen werden könne, daß ihr Ehemann noch lebe. Durch Bescheide vom 4. Mai 1949 wurde aufgrund der Sozialversicherungsdirektive (SVD) 27 der Antrag auf Witwenrente abgelehnt, jedoch für die Kläger wegen Kriegsverschollenheit Waisenrente ab 1. November 1948 bewilligt. In dem Antrag auf Gewährung von Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gab Frau P. im April 1951 wiederum an, daß die letzte Nachricht über ihren Ehemann im Januar 1945 eingegangen sei. Mit Umanerkennungsbescheid vom 3. Januar 1952 wurde ihr ab 1. April 1951 Witwenrente, den Klägern Waisenrente ab 1. Oktober 1950 wegen Verschollenheit des P. nach § 52 BVG gewährt. Im Mai 1958 teilte Frau P. dem Versorgungsamt (VersorgA) auf Anfrage mit, im Jahre 1950 habe sie von dritter Seite gehört, daß ihr Ehemann, um Verfolgungen wegen seiner parteipolitischen Betätigung zu entgehen, nach dem Zusammenbruch unter einem angenommenen Namen in der sowjetisch besetzten Zone gelebt und im April 1946 nach längerem Krankenhausaufenthalt an einem Herzschlag gestorben sei. Einige letzte Habseligkeiten seien nach dem Tode an die Adresse von Bekannten gesandt worden. Darauf stellte das VersorgA die Zahlung der Versorgungsbezüge ab August 1958 ein. Frau P. erhob Widerspruch und beantragte aufgrund des nunmehr im einzelnen mitgeteilten Sachverhalts über das Schicksal ihres Mannes Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG. Aufgrund der sofort aufgenommenen weiteren Ermittlungen kam das VersorgA zu der Überzeugung, daß P. unter einem falschen Namen (F N) gelebt, bei einer Frau Dr. B (B.) in Halle Unterkunft gefunden und am 22. April 1946 in der Universitätsklinik in Halle an einem Herzschlag gestorben sei, und daß Frau P. schon im Jahre 1949 Kenntnis von diesen Tatsachen erlangt habe. Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme lehnte das VersorgA mit Bescheid vom 10. Januar 1961 den Antrag der Frau P. auf Hinterbliebenenversorgung nach dem BVG ab. Mit dem auf § 62 BVG und § 47 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) gestützten Bescheid vom 30. Mai 1961 wurde festgestellt, daß die Zahlung der Versorgungsbezüge zu Recht eingestellt worden sei, da der in der Universitäts-Hautklinik in Halle eingetretene Tod des P. infolge Herzmuskelschwäche mit der angeblichen Kopfverletzung nicht in ursächlichem Zusammenhang stehe; die für die Zeit vom 1. April 1951 bis zum 31. Juli 1958 gezahlte, mit 5.473,- DM bezifferte Witwenrente und auch die vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Juli 1958 an die Kläger gezahlte (Gesamt-) Waisenrente (3.886,- DM) wurde zurückgefordert. Der Widerspruch gegen beide Bescheide wurde durch Bescheide vom 11. Oktober 1961 und 12. Oktober 1961 zurückgewiesen. In dem die Rückforderung betreffenden Bescheid vom 12. Oktober 1961 wurde eine Entscheidung über den mit dem Widerspruch geltend gemachten Antrag, von einer Rückforderung gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG abzusehen, vorbehalten.

Während des Klageverfahrens hat das VersorgA den auf die §§ 42 Abs. 1 Nr. 9, 47 Abs. 3 VerwVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 gestützten Bescheid vom 21. August 1962 erlassen, durch den die Bescheide vom 4. Mai 1949, der Neufeststellungsbescheid vom 10. August 1949 und der Bescheid vom 3. Januar 1952 aufgehoben und die an Frau P. vom 1. April 1951 bis zum 31. Juli 1958 gezahlte Witwenrente (5.473,- DM) und die an die Kläger vom 1. April 1950 bis zum 31. Juli 1958 gezahlte Waisenrente (von je 2.222,- DM), insgesamt 9.917,- DM zurückgefordert wurden. Frau P. und die Kläger haben im übrigen ihren Klageantrag auf Abänderung der Bescheide vom 30. Mai 1961, 12. Oktober 1961 und 21. August 1962, soweit darin überzahlte Versorgungsbezüge zurückgefordert worden sind, beschränkt. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 18. Juni 1964 diesem Antrag stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, soweit das Urteil Rückforderungsansprüche gegen die Kläger - ohne Frau P. - betrifft. Es hat ausgeführt, es stehe nur noch der in den Bescheiden vom 21. August 1962 und 30. Mai 1961 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 1961 erhobene Rückforderungsanspruch im Streit; deshalb sei - im Rahmen der Prüfung - davon auszugehen, daß Frau P. und die Kläger seit dem 1. Januar 1950 Witwen- und Waisenrente nach dem BVG in Höhe von 9.917,- DM zu Unrecht erhalten hätten. § 47 Abs. 3 Buchst. a 1. Alternative VerwVG idF des 1. NOG stütze die Rückforderung auch insoweit, als sie sich auf den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 beziehe. Durch den auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG gestützten und insoweit bindend gewordenen Anfechtungsbescheid vom 21. August 1962 seien die früheren Bescheide berichtigt worden, weil der Empfänger i. S. dieser Vorschrift Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen habe. Bei Anwendung des § 47 Abs. 3 VerwVG müßten sich Kinder das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter anrechnen lassen. § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch auf das Versorgungsrechtsverhältnis anzuwenden sei, denn auch dieses Rechtsverhältnis schaffe für die Versorgungsempfänger konkrete Schuldnerpflichten in Gestalt der Mitwirkungs-, Mitteilungs- und Aufklärungspflichten, wofür die §§ 12 ff VerwVG Beispiele seien. Der Beweis, daß Frau P. als Empfängerin ihrer Rente und als gesetzliche Vertreterin der Kläger für die Entscheidung über Versorgungsleistungen wesentliche Tatsachen vom 1. Januar 1950 an zunächst wissentlich verschwiegen und dann, nämlich im Antrag vom 23. April 1951, wissentlich falsch angegeben habe, sei als erbracht anzusehen. Daß ein objektives Verschweigen wesentlicher Tatsachen vorgelegen habe, werde von Frau P. nicht mehr bestritten. Die innere Tatseite sei gegeben gewesen, weil sie wesentliche Tatsachen in dem Bewußtsein nicht mitgeteilt habe, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren ihre Pflicht gewesen wäre. Dabei habe ein bedingter Vorsatz genügt. Frau P. habe spätestens seit dem Ende des Jahres 1949 gewußt, daß ihr Ehemann unter dem Namen F N verstorben sei; denn sie habe diese Nachricht nicht auf Umwegen, sondern im persönlichen Gespräch mit Frau Dr. B. erfahren, mit der Frau also, die ihren Mann längere Zeit in ihrer Wohnung in H aufgenommen und die ihr die Sterbeurkunde vom 29. April 1949 vorgelegt habe. Die der Frau P. aufgefallenen Übereinstimmungen der in dieser Urkunde enthaltenen Daten und Namen mit den tatsächlich für das Leben ihres Ehemannes zutreffenden Daten und Namen seien so schlüssig gewesen, daß jeder vernünftige Zweifel an der Identität des F N mit K P ausgeschlossen gewesen sei. Hinzu komme, daß Frau P. auch mit der ihr entfernt verwandten Frau A H in Verbindung gestanden habe, wie sich aus der Übersendung von Kleidungsstücken ihres Ehemannes im Jahre 1949 ergebe, und daß, zumal auch für Frau H die Identität des verstorbenen F N mit P. festgestanden habe, sie nach dem Besuch der Frau Dr. B. nicht nur auf Nachforschungen nach ihrem Ehemann in der sowjetisch besetzten Zone verzichtet, sondern es auch unterlassen habe, beim Deutschen Roten Kreuz einen Suchantrag zu stellen. Sie könne nicht damit gehört werden, daß ihr die Erheblichkeit ihres Wissens um den Tod ihres Ehemannes für die Gewährung von Versorgungsleistungen nicht bewußt gewesen sei. Gerade aus der Tatsache, daß sie sich im April 1951 auf die Verschollenheit ihres Ehemannes berufen habe, sei zu schließen, daß sie sich ihres Rechts, auch beim Tode ihres Ehemannes Versorgung für sich und ihre Kinder beanspruchen zu können, nicht sicher gewesen sei. Außerdem könne nicht unbeachtet bleiben, daß sie in dem Schreiben an das VersorgA vom 8. Juni 1958 nur sehr unklare Angaben über ihr wirkliches Wissen gemacht und ausgeführt habe, anscheinend sei ihr Ehemann den körperlichen und seelischen Strapazen nicht mehr gewachsen gewesen. Erst in dem Schreiben vom 24. April 1959, also fast ein Jahr später, habe sie behauptet, die Todesursache "Herzschlag" sei auf eine Verwundung im Frühjahr 1945 zurückzuführen. Dieses Verhalten lasse den Schluß zu, daß sie sich der versorgungsrechtlichen Konsequenzen des tatsächlichen Schicksals ihres Ehemannes nicht sicher gewesen sei und befürchtet habe, bei einer Aufdeckung der vollen Wahrheit ihren Anspruch auf Versorgungsbezüge zu verlieren. In dem Bescheid vom 3. Januar 1952 sei sie ausdrücklich über ihre Pflicht belehrt worden, Tatsachen mitzuteilen, die darauf schließen ließen, daß ihr Mann noch lebe oder bereits gestorben sei. Sie habe es zumindest darauf ankommen lassen wollen, ob das tatsächliche Schicksal ihres Ehemannes und ihre falsche Angabe im Antrag vom 11. April 1951 die Entscheidung der Versorgungsbehörde über den Bezug der Versorgungsleistungen ungünstig habe beeinflussen können.

Es werde nicht die schwere materielle und ideelle Not verkannt, in der Frau P. mit ihren beiden damals unmündigen Kindern in den ersten Jahren nach ihrer Rückkehr aus der Internierung gelegt habe. Ob diese Notlage in gewissem Umfange zu einer Anwendung der Härteklausel des § 47 Abs. 4 VerwVG führen könne, habe nicht entschieden werden können, da insoweit eine Entscheidung der zuständigen Behörde noch nicht ergangen sei.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Revision eingelegt. Sie rügen Verletzung des § 47 Abs. 3 Buchst. a (1. Alternative) VerwVG. Eine analoge Anwendung des § 278 BGB sei unzulässig. Die Einstandspflicht des Schuldners für den Dritten, dessen er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bediene, sei nach § 278 BGB dadurch gerechtfertigt, daß der Schuldner (Vertretene) Einfluß auf seinen Erfüllungsgehilfen ausüben könne. Im Falle der Haftung für das Verschulden des gesetzlichen Vertreters lasse sich die Haftung nur daraus herleiten, daß es in dem freien Willen des Vertretenen liege, am Rechtsverkehr teilzunehmen oder nicht. In der Sphäre des öffentlichen Rechts, in der diese Freiwilligkeit nicht gegeben sei, scheide deshalb eine Analogie zu § 278 BGB aus. Diesem Fall sei der gleichzustellen, daß dem Vertretenen nicht zugemutet werden könne, auf das rechtliche Handeln im konkreten Fall zu verzichten. Für die Kläger sei der Bezug der Rente eine Existenzfrage gewesen. Ihre Notlage habe jedes freiwillige Element ausgeschaltet. § 47 Abs. 3 VerwVG, der ausdrücklich nur von einem bestimmten Verhalten des "Empfängers" der Leistung spreche, sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß der Vertretene für das Verschulden des gesetzlichen Vertreters einzustehen habe, hätte er dies wahrscheinlich zum Ausdruck gebracht. Im übrigen gebe es im Zivilrecht nach der ganz herrschenden Meinung keine Haftung für deliktisches Verschulden des gesetzlichen Vertreters. § 278 BGB sei hier auch deshalb nicht anzuwenden, weil der gesetzliche Vertreter bei der Antragstellung nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern nur "bei Gelegenheit" der Stellung des Antrages tätig geworden sei. Die analoge Anwendung des § 278 BGB verstoße auch gegen die Grundsätze, die für den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte mit ex tunc-Wirkung entwickelt worden seien. Die Kläger hätten darauf vertrauen dürfen, daß ihnen die Versorgungsbezüge belassen würden, da ihre Existenz und alle im Hinblick auf Ausbildungs- und Berufsziele getroffenen Maßnahmen einzig und allein von dem Bezug der Rente abhängig gewesen sei. Das öffentliche Interesse der Versorgungsverwaltung an der Rückforderung könne nicht höher bewertet werden als ihr schwerwiegendes Interesse. Habe im übrigen der Betroffene eine ihm obliegende Mitteilung nicht für erheblich gehalten, so sei die Rückforderung nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 1960 nicht begründet. Dies treffe für Frau P. zu; um so weniger könne die Rückforderung gegenüber den Klägern geltend gemacht werden, die ja bei den Anträgen nicht mitgewirkt und auch nicht zu Rate gezogen worden seien. Auch das LSG habe schließlich angenommen, daß im vorliegenden Falle nur ein geringes Verschulden vorliege.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des LSG die Bescheide vom 30. Mai 1961, 12. Oktober 1961 und 21. August 1962 abzuändern, soweit diese von den Klägern überzahlte Versorgungsbezüge zurückfordern.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig.

Die durch Zulassung statthafte Revision der Kläger (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist deshalb zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Die Kläger rügen die Verletzung des § 47 Abs. 3 Buchstabe a VerwVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453), somit einer sachlich-rechtlichen Norm. Soweit sie noch ausführen, ihrer Mutter, Frau P., könne allenfalls leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, haben sie nicht dargelegt, aus welchen tatsächlichen Umständen das LSG auf eine nur leichte Fahrlässigkeit hätte schließen müssen. Die Rüge eines Verfahrensmangels erfordert aber nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG, daß die Tatsachen und Beweismittel, die den Mangel ergeben, in den wesentlichen Punkten genau und bestimmt bezeichnet werden (BSG in SozR Nr. 28 und Nr. 47 zu § 164 SGG; BGHZ 14, 205). Diesem Erfordernis ist hier nicht Genüge getan. Abgesehen hiervon hat das LSG festgestellt, daß die objektive und die innere Tatseite eines "wissentlichen Verschweigens" bei Frau P. als der gesetzlichen Vertreterin der Kläger erfüllt sei, da sie mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.

Aufgrund der Einschränkung des Klageantrages im ersten Rechtszug und der nicht bestrittenen Höhe der an die Kläger gewährten Waisenrente steht fest, daß der Bescheid vom 21. August 1962 unanfechtbar geworden ist, soweit darin die Bescheide vom 4. Mai 1949, 10. August 1949 und 3. Januar 1952 aufgehoben worden sind, und daß die Kläger vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Juli 1958 je 2.222,- DM Waisenrente zu Unrecht erhalten haben. Dasselbe gilt für die Rechtmäßigkeit des in den Bescheiden vom 30. Mai 1961 und 12. Oktober 1961 verneinten Rechts der Kläger zum Bezuge einer Rente. Bei der Prüfung der Forderung des Beklagten auf Rückgewähr der zu Unrecht empfangenen Versorgungsbezüge war der Senat in tatsächlicher Hinsicht an die Feststellungen des LSG gebunden, daß Frau P. vom 1. Januar 1950 an Tatsachen, die für die Bewilligung von Versorgungsleistungen wesentlich waren, wissentlich verschwiegen und - im Antrag vom 11. April 1951 - auch falsche Angaben gemacht hat (§ 163 SGG).

§ 47 Abs. 3 VerwVG hat durch das 1. NOG gegenüber der Fassung des Gesetzes vom 2. Mai 1955 (BGBl I, 202) keine inhaltliche Änderung erfahren. Da der Anfechtungsbescheid vom 21. August 1962 nach dem Inkrafttreten des 1. NOG erlassen wurde, ist § 47 Abs. 3 VerwVG in dieser Fassung anzuwenden (BSG 7, 9, 13). Nach § 47 Abs. 3 Buchstabe a (1. Alternative) VerwVG ist die Versorgungsverwaltung aufgrund eines nach § 42 VerwVG erlassenen Berichtigungsbescheides zur Rückforderung der gewährten Leistungen berechtigt, wenn die Unrichtigkeit darauf beruht, daß der "Empfänger" Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat. Die Unterordnung der von dem LSG als erwiesen angesehenen Tatsachen unter die Tatbestandsmerkmale des § 47 Abs. 3 Buchstabe a VerwVG gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß; dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob § 47 Abs. 3 VerwVG auch die Rückforderung der vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 (§ 51 Abs. 1 VerwVG idF vom 2. Mai 1955) gewährten Versorgungsbezüge zuläßt. § 52 VerwVG ist nicht anwendbar, da der Bescheid vom 21. August 1962 erst nach dem Inkrafttreten des VerwVG erlassen worden ist und deshalb die Sache zu diesem Zeitpunkt noch nicht "anhängig" war. Streitig ist, ob die Kläger die erwiesenen wissentlich falschen Angaben ihrer Mutter, der Frau P. als ihrer gesetzlichen Vertreterin, sich im Rahmen des § 47 Abs. 3 VerwVG wie eigenes Verschulden anrechnen lassen müssen. Das LSG hat dies mit Recht bejaht.

§ 47 Abs. 3 VerwVG knüpft die Rückforderung an die Voraussetzung, daß die dort genannten subjektiven Voraussetzungen in der Person des "Empfängers" der Leistungen vorliegen. Empfänger der Leistung ist derjenige, der sachlich-rechtlich Inhaber der Forderung gegen die Versorgungsverwaltung ist, also der Versorgungsempfänger, dem die Leistung selbst zugedacht ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. Juli 1968 - 9 RV 506/65 - und Urteil des 8. Senats des BSG vom 26. November 1965 - 8 RV 801/62 -, Die Kriegsopferversorgung (KOV) 1966 S. 74). Daß der gesetzliche Vertreter nicht Empfänger der Leistung im Sinne des § 47 Abs. 3 VerwVG ist, folgt schon daraus, daß der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nur das Spiegelbild des Leistungsanspruchs, die Umkehrung des Gläubiger-Schuldner-Rechtsverhältnisses ohne Änderung der Rechtsnatur des Anspruchs selbst ist (BSG Urteil vom 16. Juli 1968). Darüber, daß der Leistungsanspruch (auf Versorgung) in der Person des Berechtigten entsteht und daß es dabei nicht darauf ankommt, wer zur Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Versorgungsbehörde oder zum Empfang der Leistung legitimiert ist, besteht kein Zweifel. Schließlich muß nach dem Sinn und Zweck des § 47 Abs. 3 VerwVG davon ausgegangen werden, daß die zu Unrecht gewährte Leistung nicht von dem Vertreter, sondern von dem zurückgefordert werden kann, dem sie zugeflossen ist, also dem Vertretenen. Wenn somit die Vorschrift auch keine Verpflichtung des Vertreters begründet, so folgt daraus aber nicht, daß der Vertretene für das Verschulden des Vertreters vor (im Vorstadium) oder nach Entstehung des Versorgungsrechtsverhältnisses nicht einzutreten hat. Der Regierungsentwurf zum 1. NOG enthält zu § 47 Abs. 2 und 3 VerwVG einen Änderungsvorschlag durch Einfügung der Worte "oder sein Vertreter" hinter "der Empfänger" in Abs. 3 Buchstabe a (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 1239 S. 20). In der Begründung ist hervorgehoben, daß die vorgeschlagene Änderung der Vorschriften über die Rückerstattung zu Unrecht empfangener Versorgungsleistungen die Erfahrungen der vergangenen Jahre berücksichtige und eine Reihe von Zweifelsfragen beseitige. Die Änderung in Abs. 2 Buchstabe a begründe eine Rückerstattungspflicht des Versorgungsberechtigten auch dann, wenn das Wissen oder Wissenmüssen auf Seiten seines Vertreters vorliege, in Abs. 3 auch dann, wenn die falschen Angaben durch den Vertreter des Versorgungsberechtigten gemacht worden seien (BT-Drucks. 3. Wahlp. 1239 S. 36). Mit dem in dem schriftlichen Bericht des 22. Ausschusses des Bundestages vom 6. Mai 1960 enthaltenen Antrag wurde der Zusatz ohne nähere Begründung gestrichen und die vorgeschlagene Fassung ohne Diskussion hierüber in der 114. Sitzung des Bundestages (2. und 3. Beratung) am 18. Mai 1960 angenommen (Verhandlung des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, 114. Sitzung, S. 6492 (C), 6495 (B), 6501 (C)). Da also § 47 Abs. 3 VerwVG unverändert geblieben ist, lassen sich aus der Fassung des Gesetzes auch keine Folgerungen ziehen, ob - vor und nach dem Inkrafttreten des 1. NOG - das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzustellen ist; denn die Beratungen über die im Entwurf vorgesehene Neufassung des § 47 Abs. 3 VerwVG haben im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. Bei der Frage, ob auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts der Vertretene die zu Unrecht gewährten Leistungen zurückzuerstatten hat, die auf wissentlich falsche Angaben seines Vertreters zurückzuführen sind, handelt es sich um eine grundsätzliche Frage, die bei vergleichbarer Fassung der Vorschriften für die einzelnen Sondergebiete ohne gewichtige Gründe nicht unterschiedlich beantwortet werden kann, weil den übereinstimmenden gesetzlichen Regelungen rechtsgrundsätzliche Erwägungen zugrunde liegen, die sich aus dem Verhältnis des Leistungsanspruchs zu dem entsprechenden Erstattungsanspruch sowie aus den Grundlagen ergeben, die zu der Gewährung der Leistung durch Verwaltungsakt geführt haben und darum auch den Rückforderungsanspruch entscheidend beeinflussen müssen.

Im bürgerlichen Recht kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflußt werden, d. h. innerhalb der Schuldverhältnisse, nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht (§ 166 Abs. 1 BGB); § 278 Satz 1 BGB bestimmt, daß der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfange zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. Das Verschulden des Vertreters ist somit innerhalb bestehender Schuldverhältnisse Haftungsgrund für den Vertretenen. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG), der sich der Bundesgerichtshof (BGH) angeschlossen hat, ist in entsprechender Anwendung des § 278 BGB die Haftung des Vertretenen für schuldhaftes Verhalten bei den Vertragsverhandlungen angenommen worden, weil (schon) aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen sich ein gesetzliches Schuldverhältnis ergebe, das zur verkehrsüblichen Sorgfalt im Verhältnis gegenüber dem Geschäftsgegner verpflichte (BGH 6, 330, 333). Diese Verpflichtung erwachse aus einem durch die Vertragsverhandlungen "als solche" begründeten Rechtsverhältnis (RG 114, 159). Sie wird daraus hergeleitet, daß mit der Eröffnung von Vertragsverhandlungen das Vertrauen des Verhandlungsgegners in Anspruch genommen wird und dieses redlicherweise nicht enttäuscht werden darf (BGH, Urteil vom 10. Juni 1964 - Lindemayer-Möhring (L-M) § 278 BGB Nr. 40 mit weiteren Angaben; Ballerstedt, Archiv für die zivilistische Praxis (Arch. ziv. Prax.), Bd. 151 S. 507). Dieser Grundgedanke des bürgerlichen Rechts läßt, da er auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruht, eine entsprechende Anwendung auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu, da die Interessenlage, aus der die Verpflichtung des Vertretenen hergeleitet wird, sich von der entsprechenden Sachlage im bürgerlichen Recht nicht wesentlich unterscheidet. Dabei ist aber hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs zu beachten, daß der Erstattungsanspruch auf die Rückforderung des Erlangten begrenzt ist, und daß es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um eine Rechtsfolge aus dem Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs handelt, vergleichbar der Haftung aus § 819 BGB, die auch dann nicht entfällt, wenn nur der Vertreter (gesetzlicher Vertreter) den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung gekannt hat (RG 81, 261, 266). Der Anwendung dieses Grundgedankens auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts steht auch nicht entgegen, daß innerhalb von Schuldverhältnissen der Haftungserfolg in der Regel nur aufgrund der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Beteiligten oder ihrer Vertreter entsteht, während im öffentlichen Recht die Erklärungen der Beteiligten nur vorbereitende Bedeutung für den Verwaltungsakt haben, durch den allein Art und Umfang des Rechts bestimmt werden. Denn die Haftung des Vertretenen für culpa in contrahendo wird gerade aus einer besonderen, nicht vertraglichen, von dem Abschluß eines Vertrages jedenfalls unabhängigen Verpflichtung hergeleitet, das gegebene Vertrauen nicht zu enttäuschen, somit aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der in solcher Lage Unterlassungspflichten und das Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils begründet. Dieser Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Gebiet des öffentlichen Rechts, und zwar für alle Beteiligten (BSG 14, 108; 18, 151, 152; 17, 175; BGH 13, 202, 204). Er gilt insbesondere auch für Rückzahlungs- oder Ausgleichspflichten (BSG 18, 151). Die in § 10 VerwVG zugelassene (oder gesetzlich bestehende) Stellvertretung führt keine Verschiebung der Rechts- und Pflichtenlage herbei, sondern legitimiert den Vertreter lediglich, für den Vertretenen zu handeln, und dies nicht nur im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem, sondern auch im Verhältnis - des Vertreters - zur Verwaltung (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl., § 10 Nr. 2 S. 168). Der durch einen Bevollmächtigten vertretene Beteiligte muß das Verfahren gegen sich gelten lassen (§ 10 Abs. 3 S. 2 VerwVG). § 12 Abs. 1 Satz 2 VerwVG begründet eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei der Aufklärung des Sachverhalts. Ihre Angaben sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (§ 15 S. 1 VerwVG). Der damit begründeten besonderen Verpflichtung des Versorgungsempfängers, wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen (vgl. auch die §§ 13, 16 VerwVG), steht die Verpflichtung der Versorgungsbehörde gegenüber, diese Auskünfte zunächst gelten zu lassen, soweit nicht ein besonderer Anlaß besteht, ihre Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Damit wird dem Versorgungsempfänger im voraus ein Vertrauen gewährt, das er verpflichtet ist, nicht zu enttäuschen. Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine Rechtspflicht, also nicht um die Verpflichtung, nicht gegen die allgemeinen Gesetze zu verstoßen und keine unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 ff BGB zu begehen, sondern um eine Verpflichtung aus dem entstehenden oder bereits begründeten - Versorgungsrechtsverhältnis selbst. Das pflichtwidrige Verhalten des Vertreters, das zur Bewilligung oder Weitergewährung einer Rente geführt hat, wendet sich bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund der Vertauschung von Gläubiger- und Schuldnerrolle gegen den Vertretenen selbst, wenn das Tatbestandsmerkmal des Verschweigens oder der wissentlich falschen Angabe wesentlicher Tatsachen in der Person des Vertreters erfüllt ist. Das ist der Sinn des § 47 Abs. 3 VerwVG, also eine aus der Besonderheit des Erstattungsanspruchs gezogene Folgerung, nicht eine deliktische oder quasi deliktische Haftung, die deshalb nicht den Vertretenen, sondern nur den Vertreter treffen könnte (vgl. § 831 BGB). Die in § 47 Abs. 3 VerwVG an die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht erlangter Leistungen geknüpften subjektiven Voraussetzungen sind somit nur Tatbestandsmerkmale im Rahmen des Erstattungsrechtsverhältnisses. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung ist im übrigen auch somit dem Versorgungsrecht fremd (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juli 1967 - 9 RV 492/66 -). Auf dem Gebiet der KOV ist in Rechtsprechung und Rechtslehre überwiegend bejaht worden, daß Rückgewähransprüche sich gegen den Vertretenen richten, wenn der Vertreter, insbesondere der gesetzliche Vertreter, durch seine falschen Angaben Versorgungsleistungen erschlichen hat (LSG Niedersachsen, Urteil vom 11. Dezember 1962, Breithaupt 1963 S. 349; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Januar 1959 in Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge 1959, 20 B Nr. 487; besonders Schmid-Burgk, Die Sozialgerichtsbarkeit (Sgb) 1961, S. 166, 169, 173; Gens, KOV-Mitteilungen 1967 S. 28; Schönleiter-Hennig, Gesetz über das Verwaltungsverfahren der KOV, § 47 Anm. 4; s. auch RVG Bd. 6 Nr. 27 S. 96, 99; Verwaltungsvorschriften Nr. 10, 14, 16 zu § 47 VerwVG idF vom 5. August 1961, Bundesanzeiger Nr. 152 vom 10. August 1961, geändert am 23. Januar 1965 - Bundesanzeiger Nr. 19 vom 29. Januar 1965 -; a. M. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Juli 1962, Breithaupt 1962 S. 928; Behling, Die Kriegsopferversorgung (KOV) 1968 S. 84/85). Auch auf anderen Rechtsgebieten des öffentlichen Rechts als dem der KOV ist für den Erstattungsanspruch die Folgerung gezogen worden, daß der (gesetzlich) Vertretene für schuldhaftes, insbesondere auch vorsätzliches Verhalten des Vertreters einzustehen hat (BGH Urteil vom 30. November 1962 - IV ZR 174/62 - in Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht (RzW) 1963 S. 222 zu § 7 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) vom 29. Juni 1956 - BGBl. I, 562 -; ebenso zu § 7 BEG OLG München, Urteil vom 9. März 1967 in RzW 1967 S. 310; ebenso Blessin-Giessler, BEG-Schlußgesetz vom 14. September 1965, § 7 Anm. II; Brunn-Hebenstreit-Klee, BEG-Schlußgesetz, § 7 Anm. 9; BVerwG Urteil vom 14. Juni 1967 - BVerwG VC 102.66 - in Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte, Bd. 15 S. 205, 210 (aufgrund des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom 30. Juni 1961); ebenso Kommentar zur Reichsversicherungsordnung (RVO), Viertes und Fünftes Buch, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Aufl., § 1301 RVO, Anm. 12).

Der 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 6. Oktober 1965 - 10 RV 215/63 - (BVBl 1966 S. 65) im Ergebnis das Mündel für verpflichtet gehalten, die auf Grund wissentlich falscher Angaben der Mutter gezahlten Versorgungsleistungen gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG zurückzugewähren. Der 8. Senat des BSG hat in dem Urteil vom 26. November 1965 - 8 RV 801/62 - (KOV 1966, S. 74) eine solche Verpflichtung unter Hinweis auf RG 61, 213 verneint, da § 47 VerwVG die Rückforderung von einer unerlaubten Handlung des Empfängers abhängig gemacht habe und ein solches Verhalten nicht zu Lasten des Vertretenen gehe, weil die Schuld im strafrechtlichen Sinne nicht auf dritte Personen übertragbar sei. Das Mündel sei in dem dort zu entscheidenden Falle auch deshalb nicht zur Herausgabe verpflichtet gewesen, weil es aus der Täuschungshandlung der Mutter jedenfalls im Ergebnis keinen wirtschaftlichen Vorteil gehabt habe; denn ohne die Waisenrente hätte ihre Mutter, der Vater oder allenfalls der Fürsorgeträger Unterhalt geleistet, ohne daß die Waise verpflichtet gewesen wäre, die Unterhaltsleistungen zurückzuzahlen. Da der 8. Senat des BSG auf Anfrage erklärt hat, daß er an der in dem Urteil vom 26. November 1965 vertretenen Auffassung nicht mehr festhält, ist eine Anrufung des Großen Senats nach § 42 SGG nicht erforderlich.

Für einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen der Versorgungsverwaltung und denen des Versorgungsberechtigten ist, soweit die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs in Betracht kommt, nach § 47 Abs. 3 VerwVG kein Raum. Eine solche Interessenabwägung ist kraft positiver Regelung hier ausgeschlossen. Dagegen gestattet die Anwendung des § 47 Abs. 4 VerwVG im Wege der Härteregelung nicht nur die Berücksichtigung einer bedrängten wirtschaftlichen Lage des Schuldners, sondern auch der Tatsache, daß die Umstände, die zur Entstehung des Rückerstattungsanspruchs geführt haben, nicht in der Person des Schuldners selbst liegen und die Einziehung für diesen eine besondere Härte darstellen würde (vgl. Verw. Vorschr. Nr. 16 zu § 47 VerwVG), z. B. wegen notwendiger Aufwendungen zur Familiengründung, zum Existenzaufbau oder zur beruflichen Aus- und Fortbildung (vgl. auch Gens in KOV-Mitteilungen 1967 S. 28 und Schmid-Burgk, Sgb 1961 S. 174, 175). Damit kann auch den Bedenken von Ballerstedt aaO zur Frage der Rückforderung nach § 47 Abs. 3 VerwVG Rechnung getragen werden. Das LSG hat jedoch mit Recht nicht geprüft, ob solche Billigkeitsgründe hier anzuerkennen sind, da die Versorgungsbehörde darüber noch nicht entschieden hat (BSG Urteil vom 19. April 1966 - 10 RV 33/64 -, BVBl. 1966 S. 138 Nr. 38).

Das LSG hat den Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht gewährten Leistungen auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 unmittelbar auf § 47 Abs. 3 VerwVG gestützt. Im Ergebnis ist diese Entscheidung zu billigen. Obgleich das VerwVG erst für die Zeit vom 1. April 1955 gilt, folgt daraus nicht, daß deshalb die Versorgungsbehörde daran gehindert sein sollte, die Rückerstattung von Versorgungsleistungen, die vor diesem Zeitpunkt zu Unrecht gewährt worden sind, geltend zu machen. Die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts gehören insoweit zu dem hier anzuwendenden und zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 21. August 1962 geltenden Recht (BSG Urteil vom 6. Oktober 1965 - 10 RV 215/63 -, BVBl. 1966 S. 65; BSG in SozR VerwVG § 42 Nr. 3; Urteil des erkennenden Senats vom 10. März 1964 - 9 RV 506/63 - (BVBl. 1964 S. 133) und vom 24. November 1965 - 9 RV 598/63 -). Auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts scheidet eine Abwägung der Interessen der Versorgungsverwaltung und des Versorgungsberechtigten aus, wenn die Leistung erschlichen ist (BSG in SozR Nr. 3 zu § 42 VerwVG).

Da nach alledem die Kläger zur Rückerstattung der ihnen zu Unrecht gewährten Leistungen verpflichtet sind, hat das LSG mit Recht ihre Klage abgewiesen. Deshalb war auch die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 258

MDR 1969, 171

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