Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagter und Revisionsbeklagter, beigeladen: …

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Arzt für Orthopädie mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" und als Oberarzt an einem Krankenhaus in Emmerich tätig. Er war seit Juli 1978 in sachlich begrenztem Umfang an der ambulanten Versorgung von Versicherten der Primär- und Ersatzkassen beteiligt.

Der Zulassungsausschuß für Ärzte wandelte die bisherige Ermächtigung des Klägers in eine Ermächtigung nach § 31a der Zulassungsverordnung für Kassenärzte (jetzt: Vertragsärzte - Ärzte-ZV) um und ermächtigte den Kläger für die Zeit vom 1. April 1991 bis 31. März 1994 für "Diagnostik und Therapie von Sportschäden an Extremitäten- und Wirbelsäulengelenken sowie am Weichteil-, Band- und Kapselapparat auf Überweisung von Kassenärzten" (Bescheid vom 23. Januar 1991). Die Ermächtigung im Ersatzkassenbereich wurde im selben Umfang erteilt. Auf den Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (Beigeladene zu 7), die eine Ermächtigung des Klägers nicht für notwendig erachtete, beschränkte der beklagte Berufungsausschuß die Ermächtigung auf Überweisung von Orthopäden, Chirurgen und Allgemeinmedizinern mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin". Die Berufungskommission für die Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis begrenzte die Ermächtigung des Klägers im selben Umfang (Bescheide vom 29. Januar 1992).

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) hat die Bescheide des Beklagten und der Berufungskommission vom 29. Januar 1992 aufgehoben (Urteil vom 29. Oktober 1992). Auf die Berufung der Beigeladenen zu 7) hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG abgeändert und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 22. September 1993). Zur Begründung hat es im wesentlichen dargelegt, der Beklagte und die frühere Berufungskommission hätten den ihnen bei der Prüfung des Bedarfs für eine Ermächtigung (§ 116 Satz 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch [SGB V] i.V.m. § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV) zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Zu Recht hätten sie der Bedarfsprüfung das Planungsgebiet des Kreises Kleve zugrunde gelegt. Eine differenzierende Beurteilung der Versorgungslage hinsichtlich einzelner Städte oder Gemeinden sei weder möglich noch geboten. In diesem Planungsgebiet sei die ambulante Behandlung von Sportverletzungen durch die niedergelassenen Orthopäden, Chirurgen und Allgemeinmediziner mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" hinreichend sichergestellt. Bei der Bezeichnung "Sportmedizin" handele es sich nicht um eine Teilgebietsbezeichnung, sondern um eine Zusatzbezeichnung, aufgrund derer nicht ein spezifischer Bedarf ermittelt werden müsse. Zutreffend sei auch die Annahme des Beklagten, daß Sportverletzungen von niedergelassenen Orthopäden fachgerecht behandelt werden könnten. Die Weiterbildung in "Sportmedizin" vermittele keine Kenntnisse, die den weitergebildeten Arzt besonders zur Behandlung von Sportverletzungen qualifizierten. Die Behandlung dieser Verletzungen gehöre seit jeher zu den Aufgaben von Chirurgen, Orthopäden und - eingegrenzt - Ärzten für Allgemeinmedizin. Der Beklagte habe durch die Beschränkung der Ermächtigung auf Überweisung von Orthopäden, Chirurgen und Allgemeinmedizinern mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" dem Vorrang der niedergelassenen Ärzte bei der ambulanten Versorgung in vertretbarer Weise Rechnung getragen.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

Während des Revisionsverfahrens hat der Zulassungsausschuß den Kläger wiederum in dem bisherigen sachlichen Umfang auf Überweisung von Vertragsärzten bis zum 30. Juni 1995 ermächtigt. Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor, der Beklagte und die frühere Berufungskommission seien nicht befugt gewesen, die Überweisung an weitergebildete Krankenhausärzte auf Vertragsärzte bestimmter Gebietsgruppen zu beschränken. Zu Unrecht seien die Zulassungsgremien auch von einer ausreichenden orthopädisch-sportärztlichen Versorgung der Versicherten durch die niedergelassenen Vertragsärzte ausgegangen. Bei dieser Prüfung habe das Versorgungsgebiet nicht schematisch als Einheit betrachtet werden dürfen. Vielmehr habe der besonderen Situation des rechtsrheinischen Gebietes des Kreises Kleve mit den Städten Emmerich und Rees Rechnung getragen werden müssen. Verkannt habe das Berufungsgericht auch die Besonderheiten ärztlicher Spezialisierung durch den Erwerb der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin". Er habe auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide.

Der Kläger beantragt:das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1993 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen zu 7) gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29. Oktober 1992 zurückzuweisen und festzustellen, daß die Bescheide des Beklagten und der früheren Berufungskommission vom 29. Januar 1992 insoweit rechtswidrig waren, als sie die Bescheide des Zulassungsausschusses vom 23. Januar 1991 und der Beteiligungskommission für die Ersatzkassenpraxis vom 5. Februar 1991 abänderten.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 4) und 7) beantragen:die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) beantragt:der Revision stattzugeben.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die von ihm erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage, auf die er im Revisionsverfahren übergegangen ist, ist zulässig. Der ursprünglich geltend gemachte prozessuale Anspruch, der auf Aufhebung der Beschränkung der bis zum 31. März 1994 befristeten Ermächtigung durch die Bescheide des Beklagten und der früheren Berufungskommission vom 29. Januar 1992 gerichtet war, hat sich während des Revisionsverfahrens durch Zeitablauf erledigt. Damit war auch das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage entfallen.

Hat sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt, spricht das Gericht gem § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt erst im Revisionsverfahren erledigt hat, weil auch dies das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage entfallen läßt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 14a RKa 1/93 - = BSGE 73, 244, 245 = SozR 3-1500 § 88 Nr. 1).

Der Kläger hat an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom Beklagten und der früheren Berufungskommission erlassenen Bescheide ein berechtigtes Interesse. Es folgt aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr. Darunter ist die hinreichend bestimmte Gefahr für den Kläger zu verstehen, daß der Beklagte unter im wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen einen gleichartigen Verwaltungsakt wie den erledigten erlassen wird. Die Wiederholungsgefahr ist hier deshalb zu bejahen, weil der Zulassungsausschuß den Kläger wiederum in dem von der Beigeladenen zu 7) bestrittenen Umfang, nämlich nicht beschränkt auf Überweisung von bestimmten Vertragsärzten, ermächtigt hat.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten, dem nach der durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266) erfolgten Aufhebung der Aufteilung der ambulanten Versorgung in einen kassen- und einen vertragsärztlichen Bereich im Wege der Funktionsnachfolge auch die Entscheidung der früheren Berufungskommission zuzurechnen ist (vgl. dazu BSGE 73, 25, 27 f. = SozR 3-2500 § 116 Nr. 4), ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Ermächtigung des Klägers ist § 116 SGB V i.V.m. § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV, beide i.d.F. des GSG, das gegenüber den zuvor gültig gewesenen Fassungen der Vorschriften, die im Primärkassenbereich anzuwenden waren, durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) inhaltlich jedoch keine Änderungen gebracht hat (vgl. zur Berücksichtigung nachfolgender Rechts- oder Sachverhaltsänderungen bei reinen Anfechtungsklagen: Urteil des Senats vom 22. Juni 1994 - 6 RKa 34/93 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach diesen Vorschriften hat der Zulassungsausschuß mit Zustimmung des Krankenhauses einen Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zu ermächtigten, soweit und solange deren ausreichende ärztliche Versorgung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt ist. Im Ersatzkassenbereich beurteilte sich der Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der früheren vertragsärztlichen Versorgung zunächst nach § 7 Abs. 3 und 4 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ärzte) in der ab 1. Oktober 1990 geltenden Fassung. Danach war in Übereinstimmung mit den Regelungen im Primärkassenbereich die Ermächtigung von dem Bestehen eines Bedarfs abhängig.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats hat das LSG entschieden, daß der Ermittlung des Bedarfs in quantitativ-allgemeiner Hinsicht, der Prüfung also, ob im jeweiligen Fachgebiet eine ausreichende Anzahl von Ärzten für die ambulante Versorgung zur Verfügung steht, die Angaben des Bedarfsplans zugrunde zu legen sind (zuletzt BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr. 4), weil sich auf andere Weise der quantitative Bedarf nicht zuverlässig ermitteln läßt. Um einen derartigen quantitativ-allgemeinen Bedarf geht es im vorliegenden Fall; denn weder aus den Feststellungen des Beklagten bzw. der Vorinstanzen noch aus dem Vorbringen des Klägers lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß ein qualitativ-spezieller Bedarf für eine Ermächtigung des Klägers besteht.

Nach den - nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen, daher den Senat bindenden (§ 163 SGG) - Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein quantitativ-allgemeiner Bedarf für die Behandlung von Sportverletzungen nicht vor, weil hierfür in ausreichendem Umfang ausgebildete Gebietsärzte (Orthopäden, Chirurgen) oder spezialisierte Allgemeinärzte zur Verfügung stehen. Nicht zu beanstanden ist, daß das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Bedarfs i.S. der genannten Vorschriften den regionalen Planungsbereich Kleve in seiner Gesamtheit zugrunde gelegt und nicht - wie vom Kläger gefordert - auf einen Teilbezirk dieses Planungsbereiches, nämlich das rechtsrheinische Gebiet des Kreises Kleve mit den Städten Emmerich und Rees, abgehoben hat. Nach § 12 Abs. 3 der Ärzte-ZV sollen bei der Abgrenzung der regionalen Planungsbereiche die Grenzen den Stadt-und Landkreisen entsprechen, wobei Abweichungen für einzelne Arztgruppen zulässig sind. Für eine Aufgliederung eines regionalen Planungsbereiches in Teilbezirke gibt es hingegen keine rechtliche Grundlage. Einer derartigen Forderung kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil für eine Bedarfsprüfung in Teilbezirken eines regionalen Planungsbereiches keine verläßlichen Bedarfsplanungsunterlagen vorhanden sind. Besonderen Bedarfssituationen, die sich aufgrund der regionalen Struktur eines Planungsbereiches ergeben, kann zudem durch eine sachgemäße Ausübung des Beurteilungsspielraumes bei der Prüfung des Bedarfs i.S. der § 116 Satz 2 SGB V, § 31a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV bzw. durch die Erteilung einer Ermächtigung gem § 31 Abs. 1 Buchst a Ärzte-ZV Rechnung getragen werden.

Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Prüfung des Bedarfs auch nicht auf die Gruppe der Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" abgestellt. Der Senat hat bereits entschieden (BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr. 4), daß bei der Ermittlung des Bedarfs an ärztlichen Leistungen in quantitativ-allgemeiner Hinsicht die Angaben des Bedarfsplans zugrunde gelegt werden können, wobei der Bedarf in der jeweiligen Gruppe der Gebietsärzte (Arztgruppe) maßgeblich ist. Auf den Bedarf in Teilgebieten kann danach nicht gesondert abgestellt werden. Das beruht darauf, daß auch die Gebietsärzte - und nicht nur die Ärzte mit der entsprechenden Teilgebietsbezeichnung - alle Leistungen der Teilgebiete erbringen dürfen. Diese Aussage gilt entsprechend für die Bereiche ärztlicher Behandlungstätigkeiten, deren Spezialisierung nicht zur Einführung eines Teilgebiets geführt hat, sondern sich nur in der Berechtigung zur Führung einer Zusatzbezeichnung niederschlägt. Ungeachtet dieser allgemeinen Überlegung, die der Berücksichtigung einer speziellen Untergruppe der Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" bei der Prüfung des Bedarfs entgegensteht, hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß die Ermächtigung des Klägers sich auf typische orthopädische Behandlungssituationen bezieht, die mit der durch die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" nachgewiesenen Qualifikation nur wenig zu tun haben.

Entgegen der Ansicht der Revision kann ein Anspruch auf eine umfassendere Ermächtigung des Klägers nicht mit der Erwägung begründet werden, es sei unzulässig, die Befugnis zur Überweisung an ihn auf Vertragsärzte bestimmter Gebietsgruppen zu beschränken. Es braucht an Hand des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden, ob es rechtlich zulässig ist, auch bei einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Versorgung durch niedergelassene Ärzte die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen des Krankenhausarztes oder die überlegene technische Ausstattung des Krankenhauses für die ambulante Behandlung nutzbar zu machen und zu diesem Zweck eine Ermächtigung eines Krankenhausarztes auf Überweisung durch Fachkollegen zu erteilen (vgl. dazu Urteil des Senats vom 22. Juni 1994 - 6 RKa 21/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach den bindenden Feststellungen des LSG liegen hier derartige besondere Kenntnisse und Erfahrungen bzw. eine überlegene technische Ausstattung des Krankenhauses, aufgrund derer sich eine derartige eingeschränkte Ermächtigung als zulässig erweisen könnte, nicht vor, so daß dem Begehren des Klägers nicht zu entsprechen war.

Die Revision war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518926

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