Entscheidungsstichwort (Thema)

Beamte von öffentlichen Sparkassen. Befreiung von der Versicherungspflicht. Versicherungsrechtliche Beurteilung von Sparkassenbeamten. Erlaß von Verwaltungsakten während des Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes und Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag des Arbeitgebers bei beamteten Bediensteten einer Kreissparkasse, deren Gewährträger ein Landkreis ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beamten der von den Gemeinden und Gemeindeverbänden in Bayern errichteten Sparkassen sind nach dem Bayerischen Sparkassengesetz Beamte des Gewährträgers und damit grundsätzlich nach AVG § 6 Abs 1 Nr 3 versicherungsfrei; hat der Gewährträger die Regelung der Dienstverhältnisse der Beamten jedoch nach dem Bayerischen Sparkassengesetz auf den Verwaltungsrat der Sparkasse übertragen, so kommt Versicherungsfreiheit nach AVG § 6 Abs 1 Nr 3 nur dann in Betracht, wenn die Gemeinde bzw der Gemeindeverband trotz dieser Übertragung auch weiterhin zur Erfüllung der beamtenrechtlichen Versorgung der Sparkassenbeamten verpflichtet ist.

2. Ist die Regelung eines Dauerrechtsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum in Streit, so wird auch der während des Berufungsverfahrens erlassene Verwaltungsakt, der die Regelung des Dauerrechtsverhältnisses für einen weiteren Zeitabschnitt betrifft, gemäß SGG § 96 Gegenstand des Verfahrens; dem steht nicht entgegen, daß der neue Verwaltungsakt nicht in einem Vorverfahren nachgeprüft worden ist.

 

Normenkette

AVG § 6 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 8 Abs. 1; SparkG BY Art. 12; SGG § 96 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1973 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Es ist umstritten, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) zu Recht von der klagenden Kreissparkasse Beiträge zur Angestelltenversicherung und Arbeitslosenversicherung für bei dieser beschäftigte Beamte verlangt.

Die Beigeladenen zu 3) bis 7) sind Beamte und bei der Klägerin beschäftigt; die Beigeladenen zu 8) bis 14) sind Rechtsnachfolger eines verstorbenen Beamten, der ebenfalls bei der Klägerin beschäftigt war.

Die beklagte AOK forderte von der Klägerin für die beigeladenen Bediensteten mit Bescheid vom 17. Dezember 1968 Beiträge für die Zeit von Januar 1966 bis November 1968 und mit Bescheid vom 12. Oktober 1970 Beiträge für die Zeit von Dezember 1968 bis Oktober 1970. Die Höhe der geforderten Beiträge wurde im Widerspruchsbescheid vom 6. November 1970 auf 55.032,10 DM für die Angestelltenversicherung und 2.046,20 DM für die Arbeitslosenversicherung festgesetzt.

Außerdem forderte die beklagte AOK für die beigeladenen Bediensteten und für zwei andere Bedienstete mit Bescheid vom 13. Dezember 1972 Beiträge für die Zeit von November 1970 bis Oktober 1972 zur Angestelltenversicherung in Höhe von 46.868,28 DM. Über diesen Bescheid haben die Vorinstanzen im jetzt rechtshängigen Verfahren nicht entschieden.

Die beklagte AOK ist der Auffassung, die beigeladenen Bediensteten seien als Beamte nicht versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG); ihre Befreiung von der Versicherungspflicht könne nur über § 8 Abs. 1 AVG erreicht werden.

Die klagende Kreissparkasse meint, die bei ihr verwendeten Beamten seien nach Art. 12 des Bayerischen Sparkassengesetzes idF vom 1. Oktober 1956 (GVBl Seite 187) - SpkG - Beamte ihres Gewährträgers, des Landkreises F., und deshalb nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 iVm Nr. 2 AVG versicherungsfrei.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Klage der Kreissparkasse abgewiesen (Urteil vom 9.7.1971). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 10.5.1973).

Das LSG hat über den während des Berufungsverfahrens am 13. Dezember 1972 ergangenen Bescheid der beklagten AOK nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden, weil er sich auf eine andere Zeit als die Bescheide vom 17. Dezember 1968 und 12. Oktober 1970 und zum Teil auf andere Personen beziehe.

Das LSG hat im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, bei der Beurteilung der Versicherungsfreiheit sei vom Beschäftigungsverhältnis der erfaßten Personen auszugehen. Deshalb sei entscheidend, wer der Arbeitgeber der beigeladenen Bediensteten sei. Dies sei die Kreissparkasse, weil die beigeladenen Bediensteten zu ihr im Verhältnis persönlicher Abhängigkeit ständen und in ihren Betrieb, verbunden mit ihrem Weisungsrecht, eingegliedert seien. Da die Kreissparkasse eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts sei (Art. 3 SpkG), auf die sich § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG nicht beziehe, seien die beigeladenen Bediensteten nicht nach Nr. 3 dieser Vorschrift versicherungsfrei.

Als versicherungspflichtig in der Angestelltenversicherung seien sie in der Zeit von Januar 1966 bis 24. November 1968 gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) auch arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen.

Dem stehe nicht entgegen, daß die bei der Kreissparkasse beschäftigten Beamten vom Gewährträger bestellt würden. Im übrigen habe dieser gemäß Art. 12 Abs. 4 SpkG die Regelung der Dienstverhältnisse der bei der Kreissparkasse verwendeten Beamten und Angestellten auf den Verwaltungsrat der Kreissparkasse übertragen. Damit sei die Kreissparkasse für alle personalrechtlichen Entscheidungen zuständig, die die bei ihr tätigen Beamten beträfen, wie Anstellung, Entlassung, Beförderung, Versetzung, Regelung der Arbeitszeit, des Urlaubs usw. Der Gewährträger habe sich mit dieser Übertragung auf die Kreissparkasse seiner eigenen Zuständigkeit für die Dauer der Übertragung begeben.

Die Kreissparkasse und die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) haben Revisionen eingelegt.

Die Kreissparkasse beantragt, die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der beklagten AOK vom 17. Dezember 1968 und 12. Oktober 1970 idF des Widerspruchsbescheides vom 6. November 1970 aufzuheben.

Die beigeladene BfA beantragt, das Urteil des LSG zu ändern und den Rechtsstreit an das LSG zur Entscheidung über den Bescheid vom 13. Dezember 1972 zurückzuverweisen sowie die Revision der Kreissparkasse zurückzuweisen.

Die beklagte AOK beantragt, die Revision der Kreissparkasse zurückzuweisen und auf die Revision der beigeladenen BfA das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als über ihren Bescheid vom 13. Dezember 1972 nicht entschieden wurde.

Die klagende Kreissparkasse führt sinngemäß aus, die bei den bayerischen Sparkassen beschäftigten Beamten seien nach Art. 12 SpkG solche des Gewährträgers. Im angefochtenen Urteil sei ohne Beweisaufnahme festgestellt, daß die Kreissparkasse nicht namens und im Auftrag des Gewährträgers, sondern wegen der abgetretenen Befugnisse kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen Beamte ernenne. Dies sei verfahrensfehlerhaft. Die Beamten würden vom Landkreis ernannt und die Urkunden vom Landrat unterzeichnet, nicht vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Kreissparkasse; es werde das Dienstsiegel des Landkreises beigesetzt, nicht das der Kreissparkasse. Auch die Arbeitsverträge mit Angestellten würden mit dem Landkreis als Gewährträger geschlossen. Soweit die Kreissparkasse hinsichtlich der Beamten Regelungen auf Grund der übertragenen Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 5 SpkG treffe, handele sie, wenn auch nicht ausdrücklich im Namen, so doch im Auftrag des Gewährträgers. Die Zuständigkeit sei zudem jederzeit rücknehmbar.

Der Gesetzgeber sei in § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AVG ersichtlich davon ausgegangen, daß Beamte in einem Beamtenverhältnis zum Bund, den Ländern, den Gemeindeverbänden usw. auch als dort beschäftigt anzusehen seien; Nr. 3 dieser Vorschrift habe den Sinn, daß sonstige Personen, die bei den in Nr. 2 aaO genannten Rechtsträgern angestellt seien und die weitere Voraussetzung der Nr. 3 aaO erfüllten, ebenfalls versicherungsfrei seien. Bei dem klaren Wortlaut könne schlechthin nicht angenommen werden, daß die Rechtsprechung überprüfen solle, ob jemand, der in einem Beamtenverhältnis zu den im Gesetz genannten Rechtsträgern stehe, dort gar nicht beschäftigt sei. Die Worte in Nr. 3 aaO "und sonstige Beschäftigte" sollten eine Lücke füllen, nicht aber einen übergeordneten Begriff schaffen, der vorgegebene Rechtsverhältnisse ändere. Die Erwägungen in BSG 26, 280 für eine Verbandssparkasse träfen für die Kreissparkasse, deren Gewährträger eine echte Gebietskörperschaft - der Landkreis - sei, nicht zu.

Die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG durch das LSG sei verfassungswidrig. Die Beamten der Kreissparkasse seien dienstrechtlich Beamte des Landkreises. Die Regelung der Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen sei grundsätzlich eine Angelegenheit der Länder. Zwar seien die Sparkassen nach Art. 3 SpkG rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie seien aber vom Gesetzgeber nicht mit der Fähigkeit ausgestattet worden, Dienstherr und Arbeitgeber der bei ihnen beschäftigten Beamten und Angestellten zu sein. Dies sei vielmehr der Gewährträger der Sparkasse. Diese gesetzliche Festlegung müsse auch für das Recht der Sozialversicherung verbindlich sein; denn auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne könne Arbeitgeber der bei der Sparkasse Beschäftigten nur derjenige sein, der für die dienst- und personalrechtlichen Entscheidungen dieser Beamten und Angestellten zuständig sei. Dies sei nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 SpkG immer der Gewährträger der Sparkasse, auch wenn er im Einzelfall die Ausübung seiner Befugnisse nach seinem Ermessen teilweise oder völlig auf den Verwaltungsrat der Sparkasse delegiere (Art. 12 Abs. 4 SpkG). Dann handele der Verwaltungsrat insoweit nicht als Organ der Sparkasse, sondern namens und im Auftrag ihres Gewährträgers.

Die Kreissparkasse beanstandet ferner, daß in dem angefochtenen Urteil nicht die Verwirkung von Ansprüchen des Versicherungsträgers geprüft worden sei: Die beklagte AOk fordere etwas, was ihr wegen der Befreiungsmöglichkeit nach § 8 AVG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zustehen solle. Wenn eher Anträge gestellt worden wären, wäre die Versicherungsfreiheit der Beamten der Kreissparkasse außer Streit gewesen. Es wäre Pflicht der beklagten AOK und der beigeladenen BfA gewesen, ihren Standpunkt zur Auslegung des § 8 AVG unverzüglich der Kreissparkasse mitzuteilen und sie auf die Zweckmäßigkeit eines sofortigen Antrags nach § 8 AVG hinzuweisen. Da die AOK insoweit pflichtwidrig gehandelt habe, seien etwa bestehende Ansprüche verwirkt.

Die beigeladene BfA begründet ihre Revision mit einer Verletzung des § 96 SGG, indem das LSG nicht über den Bescheid vom 13. Dezember 1972 entschieden habe.

Die beklagte AOK führt im wesentlichen sinngemäß aus, die Kreissparkasse gehöre nicht zu den in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG genannten Körperschaften. Es bestehe kein rechtserheblichen Unterschied, ob der Gewährträger einer Sparkasse ein Landkreis - wie hier - oder ein Zweckverband - wie bei BSG 26, 280 - sei. Das nur formale Beamtenverhältnis zum Gewährträger sei nicht das entscheidende Kriterium für die Versicherungsfreiheit oder Versicherungspflicht. Wenn auch der Landkreis als Gewährträger die Anstellungsverträge unterzeichne, seien aber im übrigen alle wesentlichen Entscheidungen, die sich auf das Beamtenverhältnis bezögen, von der Kreissparkasse zu treffen.

Die Nacherhebung von Beiträgen sei nicht mißbräuchlich; der Arbeitgeber sei durch die Verjährungsvorschriften geschützt.

Auch die beklagte AOK meint, das LSG hätte gemäß § 96 SGG über ihren Bescheid vom 13. Dezember 1972 sachlich entscheiden müssen.

Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit stimmt den Ausführungen der beklagten AOK und der beigeladenen BfA zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind infolge Zulassung statthaft und insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist. Es ist nicht festgestellt, wer beamtenrechtlich der Dienstherr der beigeladenen Bediensteten in Beziehung auf ihre Beschäftigung bei der Kreissparkasse ist, der für die Erfüllung der gewährleisteten Versorgung bei Eintritt eines Versorgungsfalles einsteht, - ob dies der Landkreis F., ein Gemeindeverband im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG, oder die Kreissparkasse, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinn des § 8 Abs. 1 AVG, ist.

Es war zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die bei der Kreissparkasse beschäftigten beigeladenen Bediensteten, die Beamte sind, versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 iVm Nr. 2 AVG sind.

Grundsätzlich sind auch Beamte versicherungspflichtig, weil sie gegen Entgelt beschäftigt sind. Indes bedürfen Personen, die bereits anderweitig hinreichend gesichert sind, nicht der Sicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung (BT-Drucks. II/2437, Begründung zu § 1229 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze). Bei Beamten ist eine anderweitige hinreichende Sicherung durch die beamtenrechtliche Versorgung gegeben. Das AVG enthält daher für Beamte Ausnahmen von der Versicherungspflicht. Dies sind die Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVG und die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 1 AVG. Die Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes tritt nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG nur bei bestimmten Beamtengruppen ein, und zwar bei "Beamten des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden ...". Die Versicherungsfreiheit auf Antrag nach § 8 AVG erfaßt Personengruppen bei anderen Körperschaften und Dienststellen mit Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Bei den in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG genannten Körperschaften unterstellt das Gesetz, daß für deren Beamte die gewährleistete Versorgung bei Eintritt des Versorgungsfalles mit Sicherheit erfüllt wird. Bei den in § 8 Abs. 1 AVG genannten Körperschaften und Verbänden ist diese Sicherheit der Erfüllung von Anwartschaften vor Befreiung von der Versicherungspflicht der Beschäftigten eigens zu prüfen (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Auflage, Anmerkung II 2, 3. Absatz, zu § 1229 RVO). Es ist somit für das Bestehen von Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes zunächst wesentlich, ob die Beschäftigten in ihrem Beschäftigungsverhältnis als Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden usw. tätig sind und ferner, welcher beamtenrechtliche Dienstherr für die Sicherheit der Erfüllung der Versorgung einsteht. Die Begriffe "Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden" in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG sind im Sinn des Beamtenrechts zu verstehen, denn die in dieser Vorschrift bestimmte Versicherungsfreiheit als Ausnahme von der Versicherungspflicht gründet sich auf die Versorgung nach Beamtenrecht. Die Begriffe "Beamter des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden" kennzeichnen die Zugehörigkeit zu einem bestimmten beamtenrechtlichen Dienstherrn. Dies wird durch die Vorschriften verdeutlicht, die bestimmen, welche Stellen das "Recht, Beamte zu haben", besitzen. Mit dem "Recht, Beamte zu haben" wird die Dienstherrneigenschaft gekennzeichnet (vgl. § 121 des Beamtenrechtsrahmengesetzes; Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 3. Auflage, Anmerkung C II zu § 2 BBG, Seite 94; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Randziffer 34 bis 41 zu § 2 BBG). So bestimmt das Bayerische Beamtengesetz, das nach Artikel 1 "für die Beamten des Staates, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen unter der Aufsicht des Staates stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts" gilt, in Artikel 3: "Das Recht, Dienstherr von Beamten zu sein, steht zu 1. dem Staat, 2. den Gemeinden und Gemeindeverbänden, 3. den sonstigen unter der Aufsicht des Staates stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die dieses Recht am 1. September 1957 besessen haben oder denen es nach diesem Zeitpunkt durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung verliehen worden ist; derartige Satzungen bedürfen der Genehmigung der obersten Aufsichtsbehörde". Dies bedeutet, daß Beamte, deren Dienstherr eine der unter Nr. 3 des Artikel 3 des Bayerischen Beamtengesetzes genannten Körperschaften usw. ist, nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVG kraft Gesetzes versicherungsfrei sind, weil diese Körperschaften usw. in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG nicht aufgeführt sind - es sei denn, es handelt sich um eine der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG noch weiter genannten Körperschaften. Ob Beamte "Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden" usw. sind, richtet sich danach, ob beamtenrechtlich ihr Dienstherr der Bund, ein Land, ein Gemeindeverband, eine Gemeinde oder eine Körperschaft der in Nr. 2 des § 6 Abs. 1 AVG weiter genannten Körperschaften ist. Dabei ist für die Frage der Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes darauf abzustellen, wer der Dienstherr der Beamten gerade für diejenige Beschäftigung ist, für die die Versicherungsfreiheit in Anspruch genommen wird. Da § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 AVG nach der Sicherheit der Erfüllung der beamtenrechtlichen Versorgung unterscheiden, ist maßgeblich, welcher Dienstherr die Erfüllung der für diese Beschäftigung gewährleisteten Versorgung sicherstellt. Wenn dies ein Dienstherr im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG ist, besteht Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes.

Dies war in zwei Fällen von Bedeutung, in denen der Senat über die Versicherungspflicht von Beamten zu entscheiden hatte. Dort waren die Beamten, die unbestritten in ihrer eigentlichen Tätigkeit als Beamte versicherungsfrei waren, von ihren Dienstherren aus dieser Tätigkeit ohne Dienstbezüge beurlaubt und anderswo beschäftigt. Umstritten war, ob sie bei dieser anderen Beschäftigung noch wegen der beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaft versicherungsfrei oder ob sie in der anderen Beschäftigung versicherungspflichtig waren (Urteile vom 31.1.1973 12/3 RK 4/71 = SozR Nr. 2 zu § 6 AVG und vom 23.11.1973 12 RK 22/72). Im vorliegenden, anders gearteten Fall übten die beigeladenen Bediensteten nach den Feststellungen des LSG ihre Beschäftigung bei der Kreissparkasse aber gerade in ihrer Eigenschaft als Beamte aus.

Der Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVG durch den Senat steht die Entscheidung in BSG 26, 280 nicht entgegen. Zwar handelt es sich auch dort um Beamte, die bei einer bayerischen Sparkasse tätig und Beamte des Gewährträgers waren; jedoch waren dort weder die Sparkasse noch ihr Gewährträger, der "Zweckverband Kreis- und Stadtsparkasse R.", ein Gemeindeverband oder eine Gemeinde; daher war dort die hier umstrittene Frage nicht zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Beamte eines Gemeindeverbandes im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG, die in dieser Beamteneigenschaft bei einer nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG aufgeführten öffentlich-rechtlichen Körperschaft arbeiten, versicherungsfrei sind. In dem jetzigen Rechtsstreit ist dagegen der Gewährträger der Kreissparkasse, der Landkreis F., eine Gebietskörperschaft und damit ein Gemeindeverband im Sinn der Bayerischen Landkreisordnung und der Bayerischen Gemeindeordnung (vgl. auch Mang, Verwaltungsrecht in Bayern, 1952, Band I 93, 235).

Nach Artikel 12 Abs. 2 SpkG (jetzt Art. 12 Abs. 1 SpkG idF vom 23.6.1970) sind die Beamten der Sparkasse Beamte des Gewährträgers. Für die Frage der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVG im vorliegenden Fall kommt es darauf an, ob zur Erfüllung der beamtenrechtlichen Versorgung der beigeladenen Beamten für ihre Tätigkeit bei der Kreissparkasse der Landkreis F. verpflichtet ist. Von Bedeutung ist dabei, ob und ggf. mit welcher versorgungsrechtlichen Wirkung im Beamtenrecht die vom LSG festgestellte Übertragung der Regelung der Dienstverhältnisse durch den Landkreis auf den Verwaltungsrat der Kreissparkasse die beamtenrechtliche Dienstherrneigenschaft im Verhältnis zu den beigeladenen Sparkassenbeamten nach dem Bayerischen Beamtenrecht beeinflußt und wer die Erfüllung der beamtenrechtlich gewährleisteten Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach Übertragung der Regelung der Dienstverhältnisse auf den Verwaltungsrat der Kreissparkasse sichert (vgl. § 12 Abs. 2 SpkG). Da dies vom LSG nicht festgestellt ist - nach seiner Rechtsauffassung war dies nicht erforderlich -, kann nicht entschieden werden, ob die beklagte AOK berechtigt ist, von der Kreissparkasse die in den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Versicherungsbeiträge für die beigeladenen Bediensteten zu fordern. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur Nachholung der notwendigen Feststellungen an das LSG zurückzuverweisen.

Bei der neuen Prüfung und Entscheidung wird sich das LSG ggf. auch mit dem Vorbringen der Kreissparkasse auseinanderzusetzen haben, daß ihre Vorstandsmitglieder nicht in einem Beschäftigungsverhältnis ständen und deshalb nicht versicherungspflichtig seien, falls die beklagte AOK für solche Personen Beiträge verlangt hat.

Zu Recht haben die Revisionskläger als wesentlichen Verfahrensmangel gerügt, daß das LSG nicht gemäß § 96 SGG über den Beitragsbescheid der beklagten AOK vom 13. Dezember 1972 entschieden hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hatte die Kreissparkasse auch die Aufhebung dieses Bescheides beantragt. Durch diesen Bescheid werden zwar die Bescheide vom 17. Dezember 1968 und 12. Oktober 1970 nicht "abgeändert oder ersetzt"; denn mit den beiden zuletzt genannten Bescheiden sind Beiträge für andere Zeiträume verlangt als mit dem Bescheid vom 13. Dezember 1972. Seinem engen Wortlaut nach wäre § 96 SGG demnach nicht anwendbar. Jedoch ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG § 96 SGG wegen der nach Zweck und Entstehungsgeschichte gebotenen weiten Auslegung entsprechend anzuwenden, wenn der umstrittene Bescheid im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses eine Regelung für einen weiteren Zeitabschnitt trifft, nachdem ein früherer im Streit befindlicher Bescheid Regelungen für andere Zeitabschnitte getroffen hat; daß der neue Bescheid nicht in einem Vorverfahren nachgeprüft worden ist, ist unschädlich (vgl. Urteil vom 29. Januar 1974 9 RV 620/72; BSG 34, 255, 257; 27, 146, 148; 25, 161, 163; 18, 93; SozR Nr. 14 und 19 zu § 96 SGG). Es steht auch nicht entgegen, daß in dem Bescheid vom 13. Dezember 1972 Beiträge außer für die beigeladenen Bediensteten noch für weitere Sparkassenbeamte gefordert werden; denn diese können durch Beiladung beteiligt werden.

Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen tatsächlicher Art zu dem Vorbringen der Kreissparkasse, die beklagte AOK habe etwaige Beitragsansprüche verwirkt. Die Kreissparkasse will dies wohl aus dem früheren Verhalten der AOK herleiten. Der Senat kann dies mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Falls das LSG bei seiner neuen Entscheidung nur die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AVG bejahen sollte, wird es auch darauf einzugehen haben. Da der Zeitablauf allein nicht zur Verwirkung von Ansprüchen führt - dem Zeitablauf trägt die Verjährung Rechnung - wird das LSG zu prüfen haben, ob Beziehungen zwischen der beklagten AOK und der Kreissparkasse, die sich etwa aus den Überwachungsvorschriften und der damit verbundenen Aufklärung von Arbeitgebern ergeben, die AOK zu einer Belehrung der Kreissparkasse über § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 8 Abs. 1 AVG hätten veranlassen müssen und ob die beklagte AOK etwaige derartige Pflichten verletzt hat, die das Geltendmachen der Beitragsforderungen als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen (vgl. §§ 148, 149 AVG).

Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647446

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