Leitsatz (amtlich)

Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind auch dann nach § 7 Abs 2 AVG befreiungsberechtigt, wenn sie Beiträge an die Einrichtung nicht mehr zu entrichten haben, weil sie von ihr bereits eine Altersrente beziehen.

 

Normenkette

AVG § 7 Abs 2 Fassung: 1979-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 20.03.1984; Aktenzeichen L 2 An 6/83)

SG Berlin (Entscheidung vom 12.01.1983; Aktenzeichen S 8 An 1444/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung (AnV) zu befreien ist.

Der 1909 geborene Kläger ist Arzt und seit dem 1. Oktober 1966 Pflichtmitglied der Berliner Ärzteversorgung, einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Berlin. Diese zahlt ihm seit dem 1. Oktober 1976 Altersrente. Von deren Beginn an sind die Mitglieder nach der Satzung nicht mehr zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, auch wenn sie noch als Angestellte beschäftigt sind oder zu einem späteren Zeitpunkt eine solche Beschäftigung aufnehmen.

Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1980 als Angestellter zur ärztlichen Betreuung der Bewohner eines Altersheimes bei der Beigeladenen beschäftigt. Seinen im September 1980 bei der Beklagten gestellten Antrag, ihn gemäß § 7 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) von der Versicherungspflicht zu befreien, lehnte diese durch Bescheid vom 12. November 1980 ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1981; Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 1983).

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 15. November 1983 auch einen Antrag des Klägers auf Erstattung entrichteter Beiträge abgelehnt. Durch Urteil vom 20. März 1984 hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 15. November 1983 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 7 Abs 2 AVG scheide aus, weil sie die Entrichtung von Beiträgen zur Ärzteversorgung voraussetze, der Kläger jedoch keine Beiträge mehr zahle. Für die Beitragserstattung fehle es an einem Erstattungstatbestand.

Gegen das Urteil richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 7 Abs 2 AVG und des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Die Auslegung des § 7 Abs 2 AVG durch das LSG sei vom Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend geboten und widerspreche Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach § 7 Abs 2 AVG sollten diejenigen auf Antrag von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung freigestellt werden, die als Pflichtmitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung Vorsorge träfen. Damit sei es unvereinbar, die Befreiung zu versagen, wenn gegen die Versorgungseinrichtung bereits ein Anspruch auf Altersrente bestehe. Nehme man das gleichwohl an, so werde ein abhängig beschäftigtes Mitglied der Versorgungseinrichtung, das vor Erreichen des Rentenalters zweifellos befreit werden könne, allein mit dem Altersrentenbezug (und dem damit verbundenen Ende der Beitragspflicht zu der berufsständischen Versorgungseinrichtung) ohne Befreiungsmöglichkeit versicherungspflichtig. Auch gebe es keinen sachlichen Grund dafür, daß pensionierte Beamte, die eine abhängige Beschäftigung aufnähmen, nach § 7 Abs 1 AVG auf Antrag befreit würden, entsprechendes aber für die Bezieher von Altersrente aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht gelten solle. § 7 Abs 2 AVG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß auch er (der Kläger) befreit werden könne. Geschehe das nicht, so sei die Vorschrift verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 20. März 1984 und des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 1981 zu verurteilen, ihn vom 1. Juni 1980 an von der Versicherungspflicht zu befreien, sowie den Bescheid vom 15. November 1983 ebenfalls aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Sie sehe sich durch den Gesetzeswortlaut gehindert, dem Begehren des Klägers zu entsprechen. Dabei verkenne sie nicht, daß damit seinen Interessen nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Im Wege der Rechtsfortbildung oder einer verfassungskonformen Auslegung durch die Gerichte halte sie auch andere Lösungen für vorstellbar.

Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die bisherigen Feststellungen des LSG reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Nach § 7 Abs 2 AVG (idF des Gesetzes vom 25. Juni 1979, BGBl I S 797) werden auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht in der AnV befreit Personen, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind, wenn für die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und auf Grund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert beim Kläger nicht daran, daß er während seiner am 1. Juni 1980 aufgenommenen Beschäftigung keine Beiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung mehr zu entrichten hat, weil er von ihr schon Altersrente bezieht.

Die gegenteilige Auffassung des LSG kann sich bei näherer Prüfung nicht auf den Wortlaut des § 7 Abs 2 AVG idF des genannten Gesetzes stützen. Wenn das Gesetz die Befreiung wirklich davon abhängig machen wollte, daß für den Antragsteller Beiträge an eine berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ("Versorgungswerk") zu entrichten sind, hätte eine entsprechende Formulierung nahegelegen; statt dessen wird jedoch allgemein auf die "angestellten Mitglieder" des Versorgungswerks verwiesen. Schon dies legt die Annahme nahe, daß es bei der Anwendung des § 7 Abs 2 AVG nF nicht darauf ankommt, ob gerade für den jeweiligen Antragsteller (noch) Beiträge an das Versorgungswerk zu entrichten sind, sondern lediglich zu fragen ist, ob die Satzung des Versorgungswerks für seine Mitglieder, soweit sie als Angestellte beschäftigt sind, die Entrichtung einkommensbezogener Beiträge vorsieht, wobei der Ton nicht auf der Entrichtung der Beiträge, sondern auf ihrer "Einkommensbezogenheit" liegt.

In die gleiche Richtung weist die Forderung des § 7 Abs 2 AVG nF, daß außer der Entrichtung von einkommensbezogenen Beiträgen "auf Grund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden". Während es bei den Mitgliedern eines Versorgungswerks, die als Angestellte beschäftigt sind, sicher noch die Regel sein wird, daß für sie auch Beiträge an das Versorgungswerk entrichtet werden, wird es nur verhältnismäßig selten vorkommen, daß für sie zugleich schon Leistungen des Versorgungswerks "erbracht werden". Wenn das Gesetz trotzdem von der Erbringung solcher Leistungen spricht, dann kann damit nur gemeint sein, daß den Mitgliedern des Versorgungswerks oder ihren Hinterbliebenen später - nach Eintritt eines Versicherungsfalls (Invalidität, Alter, Tod) - auf Grund der entrichteten einkommensbezogenen Beiträge entsprechende Leistungen erbracht werden, solche also in der Satzung des Versorgungswerks vorgesehen sein müssen.

Hiernach ergibt schon der Gesetzeswortlaut, daß weder die Entrichtung einkommensbezogener Beiträge noch die Erbringung von entsprechenden Leistungen auf den einzelnen Antragsteller zu beziehen ist, daß vielmehr beide Befreiungsbedingungen als generelle Anforderungen an die Satzung des jeweiligen Versorgungswerks zu verstehen sind. Nur wenn sowohl die Beiträge wie die Leistungen eines Versorgungswerks in etwa dem Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, sollen die Mitglieder des Versorgungswerks, die als Angestellte beschäftigt sind, die Möglichkeit haben, sich von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen. Bei Nichterfüllen dieser Bedingungen soll es dagegen - vor allem im Interesse der Mitglieder des Versorgungswerks selbst - bei ihrer durch die Beschäftigung begründeten Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung bleiben.

Eine weitere Stütze findet diese Auslegung des § 7 Abs 2 AVG nF in der Entstehungsgeschichte der Neufassung. Der Gesetzgeber hat die zusätzlichen Befreiungsvoraussetzungen erst in die Vorschrift aufgenommen, nachdem er vorher die Bundesanstalt für Arbeit (BA) verpflichtet hatte, auch bei angestellten Mitgliedern eines Versorgungswerks, denen sie Leistungen gewährt, zugleich mit diesen Leistungen ihre zum Versorgungswerk zu zahlenden Beiträge bis zu einer bestimmten Höhe zu übernehmen, die Angestellten also insoweit von ihrer eigenen Beitragspflicht gegenüber dem Versorgungswerk zu befreien (§ 166b Abs 1 AFG idF des 5. Änderungsgesetzes vom 23. Juli 1979, BGBl I 1189, in Kraft seit dem 1. Juli 1978). Damit sind diese Angestellten (für die die gleichen Beiträge zur BA wie für die übrigen Angestellten zu entrichten sind, da Befreiungen insoweit nicht möglich sind) rückwirkend den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Angestellten gleichgestellt worden, für die die BA seit dem 1. Juli 1978 bei Gewährung von Leistungen auch Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten hat (vgl für die Zeit bis Ende 1982 §§ 2 Abs 1 Nr 12, 112 Abs 3 Buchst h und Abs 4 Buchst i AVG idF des 20. RAG vom 27. Juni 1977, BGBl I 1040, iVm Art 5 des 4. AFG-Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557; vgl jetzt § 112a AVG, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1983 durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982, BGBl I 1857).

Diese Gleichstellung hat der Gesetzgeber indessen nur für vertretbar gehalten, wenn nach der Satzung des jeweiligen Versorgungswerks die dahin zu entrichtenden Beiträge - wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - einkommensbezogen sind und das Versorgungswerk deshalb bei Eintritt eines Versicherungsfalls entsprechende Leistungen gewährt. Ist dies nicht der Fall, so darf der bei einem Versorgungswerk versicherte Angestellte nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden und kommt dann in jedem Fall in den Genuß der für die nicht befreiten Angestellten vorgesehenen Beitragsleistungen der BA an die gesetzliche Rentenversicherung.

Dieser Regelungszusammenhang bestätigt, daß der Gesetzgeber mit der Verschärfung der Befreiungsbedingungen in § 7 Abs 2 AVG nF nur sicherstellen wollte, daß die an das Versorgungswerk von seinen Mitgliedern (oder für sie) zu entrichtenden Beiträge auch einkommensbezogen sind und deshalb entsprechende Leistungsanwartschaften begründen. Daran bestand und besteht naturgemäß dann ein besonderes Interesse der Allgemeinheit, wenn und soweit die Beiträge - wie die Beiträge der BA nach § 166b Abs 1 AFG - aus öffentlichen Mitteln geleistet werden; das erklärt wiederum, weshalb die neuen Befreiungsanforderungen in den § 7 Abs 2 AVG nF erst eingefügt worden sind, nachdem § 166b Abs 1 AFG geschaffen war. Dem Zweck des § 7 Abs 2 AVG nF, wie er aus der Entstehungsgeschichte zu erschließen ist, wird somit genügt, wenn die Beiträge, die von den einem Versorgungswerk angehörenden Angestellten (oder für sie von der BA) zu entrichten sind, nach der Satzung des Versorgungswerks einkommensbezogen ausgestaltet sind. Daß solche Beiträge darüber hinaus ausnahmslos von jedem einzelnen Antragsteller auch tatsächlich entrichtet werden, verlangt das Gesetz dagegen nicht.

Gegen eine derartige Auffassung spricht im übrigen, daß nach ihr Angestellte wie der Kläger, die bereits eine Altersleistung des Versorgungswerks beziehen und deshalb nach dessen Satzung beitragsfrei sind, anders behandelt würden als Angestellte, die ein Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Diese sind nämlich vom Rentenbeginn an versicherungsfrei (§ 6 Abs 1 Nr 1 AVG), haben also, wenn sie weiterhin als Angestellte beschäftigt sind, selbst keine Beiträge zu entrichten (nach § 113 AVG hat lediglich der Arbeitgeber seinen Arbeitgeberanteil zu leisten). Diese Angestellten besser zu behandeln als diejenigen, die ihre Altersrente von einem Versorgungswerk beziehen, besteht um so weniger Anlaß, als der Gesetzgeber gerade mit dem Erlaß des § 166b Abs 1 AFG zu erkennen gegeben hat, daß er die in der gesetzlichen Rentenversicherung und die "ersatzweise" bei einem Versorgungswerk versicherten Angestellten grundsätzlich gleich behandelt wissen will.

Zu bedenken ist schließlich noch, daß eine Einbeziehung von Personen wie dem Kläger in die Angestelltenversicherungspflicht wegen ihres fortgeschrittenen Lebensalters häufig nicht mehr zu Rentenleistungen führen würde, weil sie, sofern sie nicht schon vorher angestelltenversicherungspflichtig waren, die Wartezeit bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles nicht mehr erfüllen. Wenn die Beklagte demgegenüber während des Verwaltungsverfahrens den Ausschluß der "berufsständischen" Altersrentner von der Befreiung damit zu erklären versucht hat, daß auch dieser Personenkreis noch am Erwerb einer Rente aus der Rentenversicherung interessiert sein könne, zumal auch bei ihnen die Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten häufig noch möglich sei, so überzeugt das nicht. Das Gesetz geht in § 7 Abs 2 AVG grundsätzlich davon aus, daß die berufsständische Versorgung als Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung gewählt werden kann. Demgemäß gibt es Mitglieder solcher Einrichtungen, denen die berufsständische Versorgung ausreicht und die sich deshalb in der Rentenversicherung befreien lassen. Auf der anderen Seite stehen Personen, denen die zu erwartenden Leistungen der Einrichtung nicht genügen, die deshalb von der Befreiungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen und in der Rentenversicherung verbleiben. Es ist nicht einzusehen, warum Altersrentnern der Versorgungseinrichtung diese Wahlmöglichkeit abgeschnitten werden soll, zumal sie besser als Mitglieder, die noch keine Leistungen beziehen, beurteilen können, ob ihnen die schon laufend gewährten Leistungen der Einrichtung ausreichen oder nicht. Die erwähnte Argumentation der Beklagten würde demgegenüber darauf hinauslaufen, bei denen, die Altersrente von der Einrichtung beziehen, einen zusätzlichen Bedarf an Leistungen aus der Rentenversicherung allgemein zu unterstellen.

Die hier abgelehnte Auffassung wäre auch schwerlich mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) vereinbar. In der gesetzlichen Rentenversicherung sind Bezieher von Altersruhegeld, wie ausgeführt, kraft Gesetzes - ohne daß es einer Befreiung auf Antrag bedarf - versicherungsfrei (§ 6 Abs 1 Nr 1 AVG). Gleiches gilt für Beamte, deren Versorgungsbezüge eine bestimmte Höhe erreichen (§ 6 Abs 1 Nr 6 AVG). Beamte mit einer Versorgung von geringerer Höhe können sich immerhin auf Antrag befreien lassen (§ 7 Abs 1 AVG). Mit allen diesen Regelungen steht nur eine Auslegung des § 7 Abs 2 AVG in Einklang, die auch Beziehern von Altersrente aus den berufsständischen Einrichtungen die Befreiung ermöglicht, auch wenn sie keine Beiträge mehr entrichten.

Der Anwendung des § 7 Abs 2 AVG auch auf diejenigen, die bereits Altersrente von der Versorgungseinrichtung beziehen und deshalb keine Beiträge mehr entrichten, steht nicht entgegen, daß das Bundesverfassungsgericht früher die verfassungskonforme Anwendung einer dem Wortlaut nach nur für den Personenkreis des § 7 Abs 1 AVG bestimmten Regelung (§ 7 Abs 6 AVG aF, Verzicht auf die Befreiung) auf die nach § 7 Abs 2 AVG Befreiten abgelehnt und die Ungleichbehandlung beider Gruppen für verfassungswidrig erklärt hat (BVerfGE 38, 41, 49 = SozR 2400 § 7 Nr 1). Die Anwendung des § 7 Abs 2 AVG auch auf die Mitglieder von Versorgungseinrichtungen, die bereits Altersrente beziehen und deshalb keine Beiträge zu ihrer Versorgungseinrichtung mehr entrichten, bewegt sich noch innerhalb derselben Personengruppe und liegt daher wesentlich näher als die Anwendung einer dem Wortlaut nach nur für eine Gruppe (die Ruhestandsbeamten des § 7 Abs 1 AVG) geltenden Vorschrift auf eine andere (die Mitglieder von Versorgungseinrichtungen des § 7 Abs 2 AVG).

Nach alledem ist eine Befreiung von der Angestelltenversicherungspflicht gemäß § 7 Abs 2 AVG nF nicht davon abhängig, daß für den Antragsteller tatsächlich (einkommensbezogene) Beiträge an das Versorgungswerk entrichtet werden. Es genügt vielmehr, daß die Entrichtung solcher Beiträge in der Satzung des Versorgungswerks, sofern die Mitglieder nicht aus besonderen Gründen (Bezug einer Leistung des Versorgungswerks) beitragsfrei sind, grundsätzlich vorgesehen ist. Ob dies hier zutrifft und ob ferner auf Grund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wird das LSG noch feststellen müssen.

Sollten die Voraussetzungen für die Befreiung gegeben sein, wird für den Beginn § 7 Abs 3 AVG zu beachten sein. Nach dem Ausgang des Streites um die Befreiung richtet sich auch die Entscheidung über die vom Kläger begehrte Beitragserstattung. Dagegen ist im vorliegenden Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob die Beigeladene entsprechend § 113 AVG einen Arbeitgeberanteil vom Beitrag zu zahlen hat.

Das LSG wird abschließend darüber zu befinden haben, inwieweit außergerichtliche Kosten - auch des Revisionsverfahrens - zu erstatten sind.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662073

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