Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Wettbewerbsstreitigkeit zwischen Krankenkassen. übergreifende Wirkung der Rechtshängigkeit. Aufklärungspflicht und -recht der gesetzlichen Krankenkassen

 

Leitsatz (amtlich)

Für eine leugnende (negative) Feststellungsklage einer Krankenkasse besteht nicht allein deshalb ein Feststellungsinteresse, weil ein anderer Krankenversicherungsträger sich eines Unterlassungsanspruchs berühmt.

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Wettbewerbsstreitigkeit (hier: Mitgliederwerbung) zwischen öffentlich-rechtlichen Krankenkassen ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (Festhaltung BSG 2.2.1984 8 RK 41/82 = BSGE 56, 140 = SozR 1500 § 51 Nr 34).

2. Nach § 94 Abs 2 SGG ist eine neue Klage während der Rechtshängigkeit unzulässig, wenn die Streitsache schon bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anhängig ist. Darüber hinaus macht aber auch die Rechtshängigkeit bei einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit die Klage unzulässig. Die rechtsprechende Gewalt ist einheitlich. Die Rechtshängigkeit hat übergreifende Wirkungen und ist deshalb übergreifend zu beachten. Sie ist Ausdruck des allgemein geltenden Rechtsgrundsatzes, daß über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf.

 

Normenkette

SGG § 55 Abs 1, § 51 Abs 1, § 94 Abs 2; SGB 1 § 13 Fassung: 1975-12-11; RVO § 225

 

Verfahrensgang

SG Köln (Entscheidung vom 16.01.1984; Aktenzeichen S 19 Kr 236/83)

 

Tatbestand

Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) begehrt die Feststellung, sie sei berechtigt, eine "Beitrittserklärung" insbesondere bei ihrem Bemühen um die Gewinnung von Mitgliedern zu verwenden.

Auf diesem Vordruck erklärt der Unterzeichner seinen Beitritt zu der Klägerin und gibt das Eintrittsdatum an. Diese "Beitrittserklärung" enthält eine Unterschriftszeile für den Berufsanfänger und seinen gesetzlichen Vertreter. Weiterhin enthält der Vordruck einen karteikartenartigen Abschnitt für die persönlichen Daten und die Angabe des Arbeitgebers.

Unter dem 16. Juni 1983 wandte sich der Beklagte an die Klägerin mit dem Verlangen, die Benutzung dieses Vordrucks unverzüglich einzustellen, weil sie gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoße. Die Klägerin solle sich mit einer vorgefertigten Erklärung verpflichten, "im Rahmen der Werbung" jenen Vordruck nicht mehr zu verwenden und für jeden Fall der Zuwiderhandlung an eine von dem Beklagten zu benennende soziale Einrichtung 10.000,-- DM zu zahlen.

Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Für die Feststellungsklage sei nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten, sondern derjenige zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der Streit zwischen den Beteiligten sei keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die Klägerin leite ihr Klagebegehren aus einem Sachverhalt ab, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen sei. Streitgegenstand sei, ob die Klägerin beim Werben um Mitglieder die Grenzen zulässiger Werbung überschritten habe. Nach der Struktur der Kassen sei der Wettbewerb auch zwischen der Klägerin und den vom Beklagten vertretenen Angestellten-Krankenkassen vom Gesetzgeber offensichtlich gewollt. Die Mitgliederwerbung sei eine Vorstufe öffentlich-rechtlichen Handelns und dem privaten Recht zugeordnet. Denn die Werbung sei kein hoheitliches Handeln. In der Werbephase hätten weder die Klägerin, noch die Ersatzkassen irgendwelche Sonderrechte. Mit § 516 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) habe der Gesetzgeber Ahndungsmöglichkeiten für Wettbewerbsverstöße geschaffen. Damit habe aber die Wettbewerbstätigkeit nicht irgendwie rechtlich bewertet werden sollen. Schließlich erscheine die Zuständigkeit der Zivilgerichte auch wegen der besonderen Sachnähe der dortigen Spezialkammern und Senate funktionsgerecht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 51 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das SG habe zu Unrecht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten verneint. Sie bezieht sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. November 1973 (BSGE 36, 238 ff). Auch der Bundesgerichtshof (BGH) vertrete die gleiche Rechtsauffassung. Im übrigen sei auch das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) unter Berufung auf das genannte Urteil des BSG der Auffassung, daß in derartigen Rechtsstreitigkeiten der Sozialrechtsweg eröffnet sei. Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse. Ihre Klage sei begründet, weil sie nicht rechtswidrig handele.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. Januar 1984 aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin berechtigt ist, die von dem Beklagten mit Abmahnung vom 16. Juni 1983 beanstandeten Formulare zu verwenden, in denen Berufsanfänger unterschriftlich unter Angabe ihrer Personalien und des Beschäftigungsverhältnisses erklären, daß sie Mitglied der AOK für den Landkreis H.-P. werden wollen, hilfsweise, festzustellen, daß die Klägerin berechtigt ist, die ab 1. November 1983 verwendeten Formulare zu benutzen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Tatsachengericht, weil die zur abschließenden Entscheidung über das Klagebegehren notwendigen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Der Senat hat dabei von der Möglichkeit des § 170 Abs 4 SGG Gebrauch gemacht, die Sache an das für die Berufung zuständige Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen.

Das SG hat die Klage zu Unrecht bereits deshalb abgewiesen, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet sei. Der erkennende Senat hat mit seinem Urteil vom 2. Februar 1984 (BSGE 56, 140 ff= SozR 1500 § 51 Nr 34) im Anschluß an die Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 15. November 1973 (BSGE 36, 238 ff = SozR Nr 64 zu § 51 SGG) entschieden, daß für Wettbewerbsstreitigkeiten, insbesondere bei der Mitgliederwerbung, zwischen öffentlich-rechtlichen Krankenkassen der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und nicht zu den Zivilgerichten eröffnet ist. Damit steht der Senat nicht in Widerspruch zu der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hat bisher die Zuständigkeit der Zivilgerichte für Rechtsstreitigkeiten zwischen öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungsträgern und Personen des Privatrechts angenommen, die nach wettbewerbsrechtlichen Normen zu entscheiden seien. In seinem Beschluß vom 22. März 1976 - GSZ 1/75 - (BGHZ 66, 229, 233) hat der Große Senat für Zivilsachen ausdrücklich ausgesprochen, es fehle bei solchen Rechtsverhältnissen - anders als bei öffentlich-rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen RVO-Kassen und Ersatzkassen - an besonderen öffentlich-rechtlichen Beziehungen. Die Entscheidung in BSGE 36, 238 ff betreffe deshalb einen anderen Fall, so daß für die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS) kein Anlaß bestehe. Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlaß, von seiner Rechtsauffassung abzuweichen und etwa der des OLG Düsseldorf (Urteil vom 3. Mai 1974 in "Wettbewerb in Recht und Praxis" - WRP - 1974 S 678 ff), die auch das SG vertritt, zu folgen (vgl inzwischen auch OLG Stuttgart - Beschluß vom 17. August 1983 - 2 W 76/83 ).

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beklagte, dessen Abmahnung der Anlaß für die Klage ist, kein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger, sondern eine juristische Person des Privatrechts ist (BSGE 11, 102, 105; 23, 105, 118; SozR Nr 13 zu § 184 SGG). Denn der Rechtsstreit ist deshalb keine zivilrechtliche Streitigkeit. Ihrer Natur nach, die für den Rechtsweg maßgebend ist (GmS in BSGE 37, 292 ff), handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen Ersatzkassen und einer Ortskrankenkasse, also zwischen öffentlich-rechtlichen Krankenkassen, wobei der Beklagte lediglich entsprechend § 2 Nr 1 Buchst a seiner Satzung seine Mitglieder - die Ersatzkassen - bei der Durchführung ihrer Aufgaben betreut, sowie ihre gemeinsamen Interessen vertritt. Diese Interessen sind vorliegend die der Abwehr vermeintlich rechtswidriger Werbemaßnahmen der Klägerin. Dabei kann es in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Wahrnehmung solcher Interessen von der Ermächtigung der Ersatzkassen nach § 525a RVO gedeckt ist, sich für die Zwecke der Krankenversicherung zu Verbänden zu vereinigen. Dadurch, daß öffentlich-rechtliche Rechtsträger sich zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher, ihnen vom Gesetz übertragener Aufgaben Personen des Privatrechts bedienen, werden die Aufgaben in ihrer Qualität als öffentlich-rechtliche Aufgaben ebensowenig berührt, wie das Handeln zur Erfüllung dieser Aufgaben. Das streitige Rechtsverhältnis hat seine Grundlage gleichermaßen in den öffentlich-rechtlichen Beziehungen der von dem Beklagten vertretenen Ersatzkassen und der klagenden Ortskrankenkasse, wie wenn die Ersatzkassen oder eine Ersatzkasse Beklagte wären.

Ob das angefochtene Urteil sich im Ergebnis als richtig erweist (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG) und die Revision deshalb zurückzuweisen wäre, kann nach den bisherigen Feststellungen des SG nicht entschieden werden.

Die Klage wäre unzulässig, wenn die Streitsache bei Klageerhebung bereits bei einem anderen Gericht rechtshängig war. Nach § 94 Abs 2 SGG ist eine neue Klage während der Rechtshängigkeit unzulässig, wenn die Streitsache schon bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anhängig ist. Darüber hinaus macht aber auch die Rechtshängigkeit bei einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit die Klage unzulässig. Die Vorschriften des SGG und der Prozeßordnungen der übrigen Gerichtsbarkeiten über die Verweisung an das zuständige Gericht (etwa § 52 Abs 3 SGG) zeigen, daß die rechtsprechende Gewalt einheitlich ist, die Rechtshängigkeit übergreifende Wirkungen hat und deshalb übergreifend zu beachten ist. Sie ist Ausdruck des allgemein geltenden Rechtsgrundsatzes, daß über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf (Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl § 94 Anm 7 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum).

Gleichermaßen wäre die Klage unzulässig (oder unzulässig geworden), wenn bereits eine rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand ergangen ist, denn nach § 141 Abs 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung steht einer erneuten Entscheidung über denselben Streitgegenstand unter denselben Beteiligten entgegen. Diese Rechtskraftwirkung tritt für eine Feststellungsklage auch ein, wenn ein mit ihr geleugnetes Rechtsverhältnis von einem Gericht rechtskräftig festgestellt ist - gleichgültig auf welchem Rechtsweg - (vgl zu dem umgekehrten Fall BVerwGE 16, 36, RGZ 78, 389, 396), denn auch hier würden anderenfalls im Ergebnis sich widersprechende Entscheidungen über denselben Streitgegenstand unter denselben Beteiligten möglich sein. Die Entscheidungen der Gerichte aller Gerichtszweige sind jedoch gleichrangig (BVerwG und RGZ aaO).

Die Klage ist ihrem wahren Inhalt nach eine sogenannte negative oder leugnende Feststellungsklage iS von § 55 Abs 1 SGG. Nach dem Wortlaut des auch in der Revisionsinstanz gestellten Klagantrags begehrt die Klägerin zwar die Feststellung, sie handele rechtmäßig. Für eine positive Feststellung würde es jedoch an einem Feststellungsinteresse fehlen. Mit seiner Aufforderung an die Klägerin vom 16. Juni 1983, die dort näher bezeichneten Maßnahmen zu unterlassen, die allein der Anlaß der Klage war, berühmt sich der Beklagte jedoch eines Unterlassungsanspruchs, den die Klägerin bestreitet. Erkennbar ist die Klage also auf die Feststellung gerichtet, der Beklagte habe gegenüber der Klägerin den Unterlassungsanspruch, dessen er sich berühmt, nicht. Daraus allein ergibt sich aber kein Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung. Im allgemeinen Wettbewerbsrecht nach dem UWG mag ein solches Feststellungsinteresse in der Regel bestehen (vgl ua BGH-Urteil vom 16. April 1969 in LM § 13 UWG Nr 22), denn ein Gewerbebetrieb kann in seiner Existenz erheblich gefährdet sein, wenn er wettbewerbswidrig handelt und sich damit gegebenenfalls erheblichen Schadensersatzansprüchen aussetzt. Auch Planung und Investitionen können bedeutsam sein. Versicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind dagegen verpflichtet und berechtigt, im Rahmen der ihnen vom Gesetz übertragenen Aufgaben zu handeln. Sie haben zunächst aufgrund eigener Einschätzung darüber zu entscheiden, ob ihr Handeln ihrem gesetzlichen Auftrag entspricht oder nicht, und damit auch darüber, ob sie andere Versicherungsträger rechtswidrig beeinträchtigen. Sie unterliegen insoweit der Rechtsaufsicht ihrer Aufsichtsbehörde. Dadurch unterscheidet sich die Interessenlage von derjenigen unter Wettbewerbern im Bereich der privaten Wirtschaft. Das Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger, aus dem ein Unterlassungsanspruch folgen kann, ergibt sich aus den ihnen übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben (BSGE 36, 238 ff; 56, 140 ff). Es wurzelt bei Trägern der sozialen Krankenversicherung in der ihnen gleichermaßen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten übertragenen Staatsaufgabe auf dem Gebiet der Sozialversicherung, die sie pflichtgemäß zu erfüllen haben. Das Unterlassungsbegehren eines Sozialversicherungsträgers, der einen Unterlassungsanspruch haben kann, gegenüber einem anderen Träger beeinträchtigt daher den "Abgemahnten" in der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben nicht in gleicher Weise, wie das bei Wettbewerbern der freien Wirtschaft möglich ist. Eine solche Abmahnung allein begründet deshalb kein Feststellungsinteresse als Voraussetzung für eine leugnende Feststellungsklage. Der Abgemahnte muß gegebenenfalls abwarten, ob der "Verwarner" seinen Unterlassungsanspruch mit einer Leistungs(Unterlassungs-)klage gegen ihn geltend macht (vgl BVerwGE 29, 166, 171 ff). Eine "Abmahnung" eines anderen Trägers kann ihn allenfalls veranlassen, sein Handeln nochmals auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen und das Ergebnis gegenüber dem "Abmahner" mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Ein Feststellungsinteresse für eine leugnende Feststellungsklage kann nur dann bejaht werden, wenn der Versicherungsträger in seinem Handeln durch einen anderen Versicherungsträger ernstlich und nachhaltig beeinträchtigt, das heißt, bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben behindert wird und er sich dagegen auf andere Weise nicht zur Wehr setzen kann. Er hat dann zwar auch die Möglichkeit, an die für den anderen Träger zuständige Aufsichtsbehörde heranzutreten. Da er jedoch keinen eigenen durchsetzbaren Anspruch auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde hat (BSGE 26, 237, 240), besteht in einem solchen Falle ein berechtigtes Interesse des "angeblichen Verletzers", alsbald festgestellt zu wissen, ob der von einem anderen behauptete Unterlassungsanspruch besteht. Das könnte unter bestimmten Umständen etwa dann der Fall sein, wenn der "Verletzte" den "Verletzer" nicht nur abgemahnt, sondern ihm gegenüber eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der dem "Verletzer" ein bestimmtes Handeln untersagt wird (vgl das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tag 8 RK 60/84). Ob solche Umstände, aus denen sich ein Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt, vorliegen, hat das SG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - bisher nicht festgestellt. Die Klägerin wird sie gegebenenfalls dem LSG vortragen müssen.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin kann nicht deshalb verneint werden, weil der Beklagte gegenüber der Klägerin etwa deshalb keinen Unterlassungsanspruch haben könnte, weil seine Aufgaben gemäß § 525a RVO iVm Art 2 § 2 Abs 2 der 12./15. Aufbauverordnung vom 24. Dezember 1935 (RGBl I, 1537)/1. April 1937 (RGBl I, 439) und dem dort in Bezug genommenen § 8 des Gesetzes betreffend die Aufhebung der eingeschriebenen Hilfskassen vom 20. Dezember 1911 (RGBl 985) auf bestimmte Zwecke begrenzt sind, zu denen die Abwehr von Wettbewerbsmaßnahmen anderer Krankenkassen nicht gehört (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung § 525a Anm 3; Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, vor § 503 Anm III, 5 S 17/2364 und § 525a Anm 4 b). Auch wenn der Beklagte einen nicht ihm, sondern seinen Mitgliedskassen zustehenden Unterlassungsanspruch geltend macht, ist das für die Klägerin nicht so bedeutungslos, daß sich für sie daraus kein Feststellungsinteresse ergeben kann. Der Beklagte handelt nicht als unbeteiligter außenstehender Dritter, sondern für seine Mitglieder und macht deren angebliche Ansprüche geltend.

Die Feststellungen des SG ergeben im übrigen nicht, daß die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet sein kann, so daß die Revision deshalb zurückzuweisen wäre (BSG SozR Nr 30 zu § 51 und Nr 14 zu § 170; BVerwG Urteil vom 26. Oktober 1971 - I C 55.66 - in Buchholz 402.44 Nr 2 Folge 2; BGHZ 46, 281; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, § 170 Anm 5; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung § 144 Anm 3 jeweils mwN). Der Beklagte verlangt von der Klägerin zwar (nur), die Benutzung des fraglichen Vordrucks unverzüglich einzustellen. Bereits in dem Abmahnungsschreiben vom 16. Juni 1983 spricht er jedoch von der Verwendung "bei der Mitgliederwerbung". Auch das SG bezeichnet den Streitgegenstand mit der Berechtigung der Klägerin, den Vordruck "zur Mitgliederwerbung" zu verwenden, was seinen Niederschlag in dem Feststellungsantrag findet ... "und insbesondere bei ihrem Bemühen um die Gewinnung von Mitgliedern". Darin zeigt sich, daß die Rechtmäßigkeit der Verwendung des Vordrucks in bestimmter Weise und zu bestimmten Zwecken der eigentliche Streitgegenstand ist. Daß die Klägerin dieses in ihrem Revisionsantrag nicht mehr ausdrücklich erwähnt, verändert den Streitgegenstand nicht.

Bei der gegebenenfalls notwendigen Prüfung der materiellen Voraussetzungen des geleugneten Unterlassungsanspruchs wird sodann zu prüfen sein, ob die Klägerin sich mit dem beanstandeten Handeln im Rahmen der ihr gesetzlich gezogenen Grenzen hält (vgl dazu BSGE 56, 140, 144 ff). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihr Handeln unter wettbewerblichen Gesichtspunkten oder aus anderen Gründen gesetzwidrig ist oder nicht. Verneint man ein Werberecht für gesetzliche Krankenkassen, so haben diese nach § 13 SGB I doch eine allgemeine Aufklärungspflicht und ein entsprechendes Aufklärungsrecht. Eine solche Aufklärung muß jedoch objektiv richtig sein, und die berechtigten Interessen anderer Krankenkassen dürfen nicht verletzt werden. Ist das jedoch der Fall, so hat die "verletzte" Kasse auch insoweit einen Unterlassungsanspruch. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Klägerin sind daher die näheren Umstände zu ermitteln, unter denen sie die beanstandeten Vordrucke verwendet. Wenn festgestellt würde, daß bei den Unterzeichnern der beanstandeten Erklärung der Eindruck hervorgerufen wird, für ihre Mitgliedschaft bei der Klägerin als gesetzlicher Pflichtkrankenkasse komme es auf seine Erklärung oder Unterschrift überhaupt an, und er sei durch diese Unterschriftsleistung an die Klägerin gebunden, so wäre das eine zumindest irreführende und daher rechtswidrige Information, deren Unterlassung die Ersatzkassen und somit der Beklagte verlangen können, weil damit ihre berechtigten Interessen verletzt wären. Die Betroffenen würden dann nämlich, obwohl sie beitrittsberechtigt sind, keiner Ersatzkasse mehr beitreten.

Das SG wird auch über die Kosten der Beteiligten für das Revisionsverfahren zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657402

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