Leitsatz (amtlich)

Gesetzliche und tarifliche Nachtarbeitszuschläge sind jedenfalls auch deshalb nicht lohnsteuerpflichtig (EStG § 34a, unter Beachtung der dort bestimmten Einkommensgrenze), weil sie zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt sind. Sie sind sonach nicht "Einkommen" iS von BVG § 33 Abs 2 S 1.

 

Normenkette

BVG § 33 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1956-06-06; EStG § 34a

 

Tenor

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 1960 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene haben dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist als Fabrikarbeiter bei der Firma V, Gummiwerke AG in H beschäftigt. Er erhält nach dem Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) D vom 8. August 1951 Versorgungsbezüge nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. Vom 1. August 1953 an wurde dem Kläger auch Ausgleichsrente gewährt. Nach Vorlage der Lohnbescheinigungen für das Jahr 1955 ergab sich, daß an den Kläger im Jahre 1955 insgesamt 171,18 DM (nicht - wie es im angefochtenen Urteil heißt - 159,95 DM) an lohnsteuerfreien Nachtarbeitszuschlägen gezahlt wurden. Das VersorgA setzte darauf durch Bescheid vom 12. April 1956 die Ausgleichsrente des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1955 "endgültig" fest und forderte 20.- DM als zuviel gezahlten Betrag zurück; es rechnete dabei die Zuschläge für Nachtarbeit als sonstiges Einkommen an. Der Kläger wandte sich gegen die Anrechnung der Nachtarbeitszuschläge. Sein Widerspruch hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 30. Juni 1956). Auf die Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) Darmstadt den Beklagten am 17. Januar 1957, in Abänderung der Bescheide vom 12. April 1956 und 30. Juni 1956 bei der Feststellung der Ausgleichsrente ab 1. Januar 1955 die dem Kläger gewährten Zuschläge für Nachtarbeit nicht als sonstiges Einkommen anzurechnen; die Berufung wurde zugelassen. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 28. April 1960 das Urteil des SG dahin ab, daß der Beklagte verurteilt werde, "den dem Kläger für Nachtarbeit gewährten Zuschlag ab 1. Januar 1955 nur insoweit nicht als sonstiges Einkommen anzusehen, als der Arbeitslohn insgesamt 7.200.- DM im Kalenderjahr nicht übersteigt"; im übrigen wies es die Berufung zurück.

Es führte aus: Die Zuschläge für Nachtarbeit seien nicht als sonstiges Einkommen anzusehen. Nach Ziff. 2 g der Verwaltungsvorschriften (VerwV) zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der bis zum 1. Mai 1957 geltenden Fassung hätten Bezüge, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt und nicht lohnsteuerpflichtig seien, nicht als sonstiges Einkommen im Sinne des § 33 BVG gegolten, diese Regelung sei in § 2 Buchst. g der Verordnung (VO) zur Durchführung des § 33 BVG vom 2. August 1958 (BGBl I 567 ff) - in Kraft seit dem 1. Mai 1957 - übernommen worden, sie erfasse auch den Nachtarbeitszuschlag. Dieser Zuschlag werde in erster Linie zur Abgeltung eines besonderen Aufwands gezahlt; Nachtarbeit sei anstrengender als Tagesarbeit, sie stelle an den Arbeiter höhere physische Anforderungen, die einen erhöhten Verbrauch von Nahrungsmitteln bedingten, sie erfordere auch eine zusätzliche Mahlzeit; der Zuschlag für die Nachtarbeit sei im vorliegenden Falle mit 15 v. H. derart gering, daß er nur den Mehraufwand decken dürfte. Nachtarbeitszuschläge seien nach § 34 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) allerdings nur dann steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 7.200.- DM im Kalenderjahr nicht übersteige, insofern sei das Urteil des SG zu ergänzen; auch diese Voraussetzung treffe für den Kläger im Jahre 1955 zu, er habe in diesem Jahre insgesamt 3.875,70 DM (es muß richtig heißen: 4.076,79 DM) brutto verdient. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem Beklagten und der vom LSG beigeladenen Bundesrepublik Deutschland am 28. Juli 1960 zugestellt.

Der Beklagte und die Beigeladene legten am 23. August 1960 Revision ein und beantragten,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte begründete die Revision am gleichen Tage, die Beigeladene - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist - am 25. Oktober 1960: Das LSG habe zu Unrecht den Zuschlag für Nachtarbeit nicht als anrechenbares Einkommen im Sinne des § 33 BVG angesehen. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. g der VO zur Durchführung des § 33 BVG vom 2. August 1958 (VO § 33) gelten nicht als sonstiges Einkommen Bezüge, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt und "aus diesem Grunde" nicht lohnsteuerpflichtig seien, diese Voraussetzung treffe für die Nachtarbeitszuschläge nicht zu. Die Feststellung des LSG, daß Nachtarbeit besondere Aufwendungen erfordere, entbehre jeglicher Grundlage, Ermittlungen darüber habe das LSG nicht angestellt, ein dahingehender Erfahrungssatz bestehe nicht. Aus der Regelung des § 34 a EStG könne auch nicht entnommen werden, daß die Zuschläge für Nachtarbeit steuerrechtlich als Aufwendungsersatz angesehen werden, dagegen spreche daß die Steuerfreiheit dieser Zuschläge in Abschnitt IV EStG ("Tarif") und nicht, wie dies im Falle eines Aufwendungsersatzes geschehen wäre, in Abschnitt II EStG ("Einkommen".) unter Nr. 2 ("steuerfreies Einkommen") geregelt sei. Nach § 34 a EStG seien neben Nachtarbeitszuschlägen auch Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit steuerfrei, die unbestreitbar keinen Aufwendungsersatz darstellten, hieraus ergebe sich ebenfalls, daß die Nachtarbeitszuschläge steuerrechtlich nicht als Aufwendungsersatz betrachtet werden. Die Steuerfreiheit nach § 34 a EStG sei auch auf gesetzliche und tarifliche Zuschläge beschränkt und werde nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe gewährt, diese Einschränkungen mache das EStG nicht bei solchen Einkommensteilen, die wirklich als Ersatz von Aufwendungen gezahlt werden, wie zB Einkleidungsbeihilfen, Reise- und Umzugskostenvergütungen, durchlaufende Gelder und Auslagenersatz, Fehlgeldentschädigungen und Werkzeuggelder, Bezüge, die nicht deshalb lohnsteuerfrei seien, weil sie "zur Abgeltung eines besonderen Aufwands" bestimmt seien, sondern aus anderen Gründen, fielen nicht unter § 2 Abs. 1 Buchst. g der VO § 33. Zuschläge für Nachtarbeit seien "Lohnzuschläge, die wegen Besonderheit der Arbeit gewährt werden" (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung - LStDV - in der Fassung vom 13. Mai 1958, BGBl 1958, 343 ff mit den Änderungen für das Jahr 1959), diese Zuschläge gehörten mit wenigen Ausnahmen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Der Kläger beantragte,

die Revisionen zurückzuweisen.

II.

Die Revisionen sind zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), sie sind jedoch nicht begründet.

Streitig ist allein die Frage, ob die Zuschläge für Nacht - arbeit bei der Feststellung der Ausgleichsrente als sonstiges Einkommen (§ 33 BVG) zu berücksichtigen sind. Das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, daß der Beklagte verpflichtet wird, in Abänderung des Bescheides vom 12. April 1956 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1956 bei der endgültigen Feststellung der Ausgleichsrente für das Jahr 1955 die dem Kläger in diesem Jahr gezahlten Zuschläge für Nachtarbeit unberücksichtigt zu lassen; es handelt sich also um eine Aufhebungsklage in Verbindung mit einer Verpflichtungsklage. Für die Entscheidung darüber, ob diese Klage begründet ist, kommt es auf die Sach- und Rechtslage während des Zeitraums an, für den die Anrechnung der Nachtarbeitszuschläge durch den angefochtenen Bescheid geregelt worden ist. Für die rechtliche Beurteilung ist sonach maßgebend § 33 BVG idF des 3. Änderungsgesetzes zum BVG vom 19. Januar 1955 (BGBl I 25 ff), das Änderungsgesetz ist insoweit am 1. Januar 1955 in Kraft getreten (Art. VIII des Gesetzes). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG in der damaligen Fassung gelten - wie auch nach Abs. 2 Satz 1 der späteren Fassungen - als sonstiges Einkommen, das den Anspruch auf Ausgleichsrente im Rahmen des § 33 Abs. 1 BVG ganz oder teilweise ausschließt, "alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle"; Ausnahmen von diesem umfassenden Einkommensbegriff sind in dem damaligen § 33 Abs. 2 Satz 3 BVG nur vorgesehen für Teile des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Wenn die Verwaltung, wie sich aus Nr. 2 Abs. 2 Buchst. g der damaligen Verwaltungsvorschriften zu § 33 BVG ergibt, das Gesetz dahin ausgelegt hat, daß als Einkommen nicht solche Bezüge gelten, die "zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt und nicht lohnsteuerpflichtig sind", so ist diese Auslegung mit dem Wortlaut des § 33 BVG vereinbar gewesen und sie hat dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entsprochen. Durch die Verordnungen zur Durchführung des § 33 BVG (für die Zeit ab 1. Mai 1957 durch die VO vom 2. August 1958 - BGBl I 567 ff -, § 2 Buchst. g; für die Zeit ab 1. Juni 1960 durch die VO vom 11. Januar 1961 - BGBl I 19 ff -, § 2 Abs. 1 Nr. 7) ist diese Frage gesetzlich so geregelt worden, wie dies schon vorher der richtigen Auslegung des § 33 BVG entsprochen hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch schon vor dem Inkrafttreten der beiden Durchführungsverordnungen - nach denen bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben Bezüge, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt und "aus diesem Grunde" nicht lohnsteuerpflichtig sind - rechtlich erheblich gewesen ist, daß diese Bezüge "aus diesem Grunde", nämlich deshalb, weil sie zur Abgeltung eines besonderen Aufwandes bestimmt sind, nicht lohnsteuerpflichtig gewesen sind. Das EStG verwendet den Begriff der "Bezüge, die zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt sind", nicht, dieser Begriff findet sich auch nicht in der LStDV und in den Lohnsteuerrichtlinien - LStR -; es kann deshalb bei der Anwendung des § 33 BVG nur von Fall zu Fall geprüft werden, welche Bezüge, die nicht lohnsteuerpflichtig sind, zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt sind. Zu bejahen ist dies z. B. für die "Einkleidungsbeihilfen und Abnutzungsentschädigungen für Dienstkleidung" (§ 3 Nr. 4 Buchst. b EStG idF vom 23. September 1958), für die Reisekostenvergütungen und Umzugskostenvergütungen (§ 3 Nr. 13 und 16 aaO), für Hausratsbeihilfen und Geburtsbeihilfen (§ 3 Nr. 15 aaO), für Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (§ 3 Nr. 50 aaO), diese Bezüge sind im EStG in Abschnitt II (Einkommen) unter der Bezeichnung "steuerfreie Einnahmen" geregelt. Hierzu können aber auch Bezüge gehören, die als steuerlich abzugsfähig in dem Abschnitt IV (Tarif) des EStG geregelt sind, wie die "gesetzlichen und tariflichen Zuschläge für ... Nachtarbeit" (§ 34 a EStG); dem steht nicht entgegen, daß diese Vorschrift im EStG bei den "Steuersätzen bei außerordentlichen Einkünften" (§§ 34 und 34 b EStG) steht; dies ist systematisch sinnvoll, weil die Steuerfreiheit dieser Zuschläge ursprünglich im Zusammenhang mit dem steuerfreien bzw. steuerbegünstigten Mehrarbeitslohn geregelt worden ist; § 34 a EStG (eingefügt in das EStG durch das 2. Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 - GBl der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, 69) in seiner ersten Fassung hat in erster Linie die Besteuerung von Mehrarbeit geregelt; er hat bestimmt, daß der Grundlohn mit 5 v. H. zu versteuern sei und die Zuschläge steuerfrei bleiben, und zwar die gesetzlichen und tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auch dann, wenn es sich nicht um Mehrarbeit handele (vgl. zu der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift Blümich-Falk, EStG 8. Aufl. 2. Bd. Anm. 1 zu § 34 a). Auch wenn Nachtarbeit, ebenso wie Sonntags- und Feiertagsarbeit, steuerrechtlich im Hinblick auf die Arbeitszeit als "außerordentlich" angesehen wird und die Steuerfreiheit der Zuschläge für diese Arbeit aus systematischen Gesichtspunkten bei den "Steuersätzen bei außerordentlichen Einkünften" geregelt ist, so ist damit aber nicht ausgeschlossen, daß Nachtarbeit auch mit besonderen Aufwendungen verknüpft ist und daß auch deshalb Zuschläge für sie gewährt werden. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß in § 34 a EStG auch die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit geregelt ist und daß diese Zuschläge nicht der Abgeltung eines besonderen Aufwands dienen die steuerrechtlich einheitliche Behandlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ist aus dem ursprünglich gegebenen Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Behandlung des "Mehrarbeitslohnes" herzuleiten, sie zwingt deshalb nicht zu dem Schluß, daß diese Zuschläge hinsichtlich der Frage, inwieweit es sich dabei um die "Abgeltung besonderen Aufwands" handelt, einheitlich zu beurteilen seien; dies ergibt sich auch daraus, daß diese Zuschläge der Höhe nach nicht einheitlich sind; der Zuschlag für Nachtarbeit ist in der Regel wesentlich geringer als die Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit (vgl. z. B. den für den Kläger maßgebenden Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Kautschukindustrie vom 30. November 1956, der einen Nachtarbeitszuschlag von 15% vorschreibt, während die Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit 50% und mehr betragen). Zu Recht hat das LSG festgestellt, daß Nachtarbeit mit besonderem Aufwand verbunden ist, es hat insoweit nicht, wie der Beklagte und die Beigeladene meinen, noch besondere Ermittlungen anstellen müssen, es hat sich insoweit auf die Erfahrung des täglichen Lebens stützen dürfen, dieser Erfahrung entspricht es, daß Nachtarbeit physisch den Menschen stärker beansprucht als Arbeit, die am Tage geleistet wird, und deshalb zusätzliche Mahlzeiten und insoweit besondere Aufwendungen erfordert. Dieser Erfahrungssatz findet seinen Niederschlag in zahlreichen Tarifverträgen, in denen es ausdrücklich heißt, daß "für die bei der Nachtarbeit üblicherweise entstehenden Mehraufwendungen" eine besondere Entschädigung gewährt werde (so z. B. § 28 des Manteltarifvertrags für Arbeiter des Bundes - GMBl 1960, 265 -, ebenso § 28 des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Länder, ferner § 4 a Abs. 1 des Manteltarifvertrags für Angestellte im Hessischen Braunkohlenbergbau vom 2. Dezember 1958 - und § 7 a des Manteltarifvertrags für Arbeiter im Hessischen Braunkohlenbergbau vom 25. März 1952 i. d. F. vom 25. November 1960); in den §§ 28 - 30 der Manteltarifverträge für Arbeiter des Bundes und der Länder wird auch ausdrücklich unterschieden zwischen "Zeitzuschlägen" (für Mehrarbeit und Überstunden, für Sonntags- und Feiertagsarbeit und Arbeit während der allgemeinen Freistellung von der Arbeit z. B. vor hohen Festtagen), zwischen "Nachtdienstentschädigung" und zwischen Lohnzuschlägen für "außergewöhnliche Arbeiten" (Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszulagen); in den §§ 4, 4 a des Manteltarifvertrags für die Angestellten im Hessischen Braunkohlenbergbau wird die Entlohnung für "Mehrarbeit", d. h. "jede über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeit" und für Sonntags- und Feiertagsarbeit anders geregelt als die zusätzliche Vergütung für Nachtschichten, die zur "Abgeltung der Mehraufwendungen" gezahlt wird. Auch z. B. nach dem Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 6. August 1956 (abgedruckt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Inneren GMBl 1956, 434) kann den Beamten, Angestellten und Arbeitern des Bundes als Entschädigung für die "üblicherweise im Nachtdienst entstehenden Mehraufwendungen, insbesondere für Ernährung", eine widerrufliche Nachtdienstzulage gewährt werden, sie wird in Ziff. 5 des Erlasses ausdrücklich als "Aufwandsentschädigung" bezeichnet. Hieraus ergibt sich, daß die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit außerhalb des Steuerrechts im Hinblick auf die verschiedenen Tatbestände nicht eine einheitliche Gruppe von Einkünften bilden und daß deshalb die Behandlung solcher Zuschläge als "Einkommen" für das Gebiet der Kriegsopferversorgung nicht notwendig eine einheitliche sein muß; da die "Schmutzzulagen" arbeitsrechtlich und auch steuerrechtlich unter anderen Gesichtspunkten geregelt sind als die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, spricht dies nicht dagegen, daß Nachtarbeitszuschläge "zur Abgeltung besonderen Aufwands" bestimmt sind.

Auch daraus, daß nach § 34 a EStG die Lohnsteuerfreiheit auf "gesetzliche und tarifliche" Zuschläge beschränkt ist, ergibt sich für den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG nichts anderes. In steuerlicher Hinsicht kann es nicht von der Gestaltung des Einzelarbeitsvertrags abhängen, ob Teile des Arbeitsentgelts als Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge gezahlt werden; die Finanzämter sollten durch die Beschränkung der Steuerfreiheit auf gesetzliche und tarifliche Zuschläge von zeitraubenden Ermittlungen befreit werden, die erforderlich wären, wenn auch solche Zuschläge steuerfrei belassen würden, die in Einzelarbeitsverträgen festgestellt worden sind (vgl. Blümich-Falk, aaO zu § 34 a EStG unter 2). Der Gesichtspunkt der Arbeitsvereinfachung für die Verwaltung ist aber auch erheblich für die Frage, inwieweit Nachtarbeitszuschläge als Einkommen im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG zu gelten haben, auch hier ist es sinnvoll, der Versorgungsverwaltung nicht die Prüfung von Einzelarbeitsverträgen zuzumuten. Schließlich spricht auch die Einkommensgrenze in § 34 a EStG nicht dagegen, daß Nachtarbeitszuschläge auch als Abgeltung besonderen Aufwands anzusehen sind; auch insoweit darf von der allgemeinen Erfahrung ausgegangen werden, daß mit steigender Höhe des Einkommens zusätzliche Belastungen - bei Nachtarbeit insbesondere der Mehraufwand für Ernährung - weniger ins Gewicht fallen, weil der Einkommensteil, der für diese zusätzlichen Belastungen zur Verfügung steht, bei höherem Einkommen größer ist als bei niedrigerem Einkommen; diesem Gesichtspunkt trägt auch das EStG Rechnung, wenn es in § 33 den Begriff der "außergewöhnlichen Belastung" in Beziehung bringt zu der "zumutbaren Eigenbelastung" und diese "zumutbare Eigenbelastung" nach der Höhe des Einkommens und nach dem Familienstand staffelt. Es trifft schließlich auch nicht zu, daß - wie die Revision meint - Einkommensteile, die steuerlich als Abgeltung von Aufwendungen gezahlt werden, ohne jede Einschränkung steuerfrei seien; soweit es sich z. B. um Reise- und Umzugskostenvergütungen handelt, ist für die im privaten Dienst angestellten Personen die Steuerfreiheit auf die durch die Reise oder den Umzug entstandenen Mehraufwendungen ausdrücklich beschränkt (§ 3 Ziff. 16 EStG); sind solche Vergütungen aus öffentlichen Kassen zu zahlen, so ist diese Begrenzung durch die amtlichen Sätze, die auf Erfahrung beruhen, sichergestellt; soweit durchlaufende Gelder und Beträge durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden, steuerfrei sind (§ 3 Ziff. 50 EStG), ist für die Steuerfreiheit der Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen erforderlich (vgl. Urteil des BFH vom 18. Oktober 1957, BStBL III 58, 16). Hiermit ist es vereinbar, wenn auch Nachtarbeitszuschläge nur insoweit nicht lohnsteuerpflichtig sind, als die Bestreitung des besonderen Aufwands wegen der Höhe des Einkommens nicht ohne steuerliche Begünstigung zumutbar ist.

Das LSG hat sonach zu Recht die dem Kläger gewährten Nachtarbeitszuschläge als Bezüge angesehen, die "zur Abgeltung eines besonderen Aufwands bestimmt" und jedenfalls auch aus diesem Grunde nicht lohnsteuerpflichtig sind, es hat, wenn es die tariflichen Nachtarbeitszuschläge nicht als Einkommen im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG angesehen hat, nicht das Gesetz verletzt; es ist unstreitig, daß der Arbeitslohn des Klägers im Jahre 1955 die damals maßgebende Einkommensgrenze des § 34 a EStG von 7200 DM nicht überstiegen hat. Die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen sind deshalb unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG). Soweit für die Zeit nach dem Jahre 1955 die Versorgungsverwaltung in späteren Bescheiden "in Ausführung des Urteils des SG" und unter Vorbehalt der Entscheidung in dem anhängigen Verfahren davon ausgegangen ist, daß Nachtarbeitszuschläge nicht als Einkommen anzusehen sind, fällt dieser Vorbehalt mit der Rechtskraft des Urteils des LSG weg; grundsätzlich entsprechen diese Bescheide der Rechtsauffassung des SG und des LSG, die zutreffend ist; bei der Ermittlung des anzurechnenden Nettoeinkommens hat der Beklagte jedoch die Sozialversicherungsbeiträge voll in der Höhe abzusetzen, in der sie tatsächlich abgeführt worden sind; es ist auch zu beachten, daß die Einkommensgrenze in § 34 a EStG seit 1. Januar 1957 auf 15000 DM erhöht worden ist (Steueränderungsgesetz vom 26. Juli 1957 - BGBL I 848 -).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 242

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