Entscheidungsstichwort (Thema)

Juristische Personen des öffentlichen Rechts. Über- und Unterordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 87 Nr 1 KVLG setzt die Trägerschaft einer LVA für die Gemeinschaftsaufgaben des Vertrauensärztlichen Dienstes der Krankenversicherung voraus; ist die Trägerschaft (hier: für das frühere Land Württemberg-Hohenzollern) nicht gegeben, kann sich die Ergänzung des SVAufbauG durch § 87 Nr 1 KVLG nicht auswirken.

2. Die LVA hat die Beteiligung der Krankenkassen an den Kosten des Vertrauensärztlichen Dienstes durch Verwaltungsakt zu bestimmen.

3. Der LVA steht bei der Wahl des Kostenbeteiligungsschlüssels ein Ermessen zu; legt sie die Kosten nach den Mitgliederzahlen der Krankenkassen um, muß sie dabei den Besonderheiten der Mitgliederstruktur in den landwirtschaftlichen Krankenkassen Rechnung tragen.

 

Orientierungssatz

In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts, obwohl an sich in der Rechtsstellung gleichgeordnet, dennoch in einzelnen Rechtsbeziehungen auch ohne ausdrückliche dahingehende Regelung zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen können, wenn dies "aus der Natur der Sache" oder aus der Gesamtregelung oder der Einzelregelung abzuleiten ist (vergleiche BSG vom 2.2.1978 12 RK 29/77 = BSGE 45, 296 und vom 12.2.1980 7 RAr 26/79 = BSGE 49, 291).

 

Normenkette

KVLG § 87 Nr 1 Fassung: 1972-08-10; SVAufbauG Abschn 2 Art 2 § 1 Fassung: 1934-07-05; SVAufbauV 3 Nr 3 Fassung: 1934-12-18

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 16.12.1983; Aktenzeichen L 4 Kr 547/78)

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 16.12.1983; Aktenzeichen L 4 Kr 2328/80)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 21.02.1978; Aktenzeichen S 7 Kr 1050/77)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang sich die beklagte landwirtschaftliche Krankenkasse an den Kosten des Vertrauensärztlichen Dienstes (VäD) der Klägerin finanziell zu beteiligen hat.

Die Klägerin ist Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter für die Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen und außerdem aufgrund von Abschnitt II Art 2 § 1 des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung (AufbauG) vom 5. Juli 1934 (RGBl I S 577; BGBl III 826-3) Träger der Krankenversicherung für Gemeinschaftsaufgaben dieses Versicherungszweiges; zu ihnen gehört nach der Nr 3 der Dritten Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Gemeinschaftsaufgaben) - 3. AufbauVO - vom 18. Dezember 1934 (RGBl I S 1266; BGBl III 8230-10) der von ihr eingerichtete VäD. Zum Ausgleich seiner Kosten erhebt sie von den Krankenkassen eine jährliche Umlage nach der Zahl der Mitglieder. In dem Teil des Bezirks Tübingen, in dem durch § 23 Abs 8 Buchst a und b des Gesetzes über Änderungen in der Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz) vom 6. Juli 1949 des ehemaligen Landes Württemberg-Hohenzollern (Regierungsblatt S 319) Abschnitt II Art 2 und 3 §§ 1 bis 3 AufbauG sowie die 3. AufbauVO aufgehoben worden sind, hat die Klägerin vertrauensärztliche Dienste und deren Finanzierung vertraglich geregelt.

Ab Oktober 1972 stellte die Klägerin den VäD auch der neu errichteten Beklagten zur Verfügung. Bei der Umlage für 1972 und 1973 berücksichtigte sie die krankengeldberechtigten Mitglieder der Beklagten voll, die übrigen Mitglieder ohne Rentner und Altenteiler mit 20 vH. Hiermit war die Beklagte mit der Einschränkung einverstanden, daß die Umlage nur für ihre im Bezirk Stuttgart ansässigen Mitglieder zu zahlen sei. Ab 1974 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Umlage im Gesamtbereich unter voller Anrechnung der Mitgliederzahl ohne Rentner bzw Altenteiler. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der 1977 erhobenen Leistungs- und Feststellungsklage gab das Sozialgericht (SG) teilweise statt, das Landessozialgericht (LSG) wies die - bezüglich der Leistung erweiterte - Klage in vollem Umfang ab. Für den Bereich des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch; § 87 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) habe die aufgehobenen Vorschriften des AufbauG dort nicht wieder in Kraft gesetzt. Für den übrigen Bereich könne die Klägerin die Kosten des VäD zwar umlegen, weil ihr nach der 3. AufbauVO die "Regelung des Vertrauensärztlichen Dienstes" obliege und hierzu auch die Umlage der Kosten gehöre. Hierbei habe sie zwar einen gewissen Freiraum; eine Gleichbehandlung der Beklagten mit den übrigen Krankenkassen bei der Kostenverteilung nach Mitgliederzahl sei jedoch wegen der Ungleichheit der Struktur der Kassen nicht zulässig, denn die Beklagte nehme aufgrund ihrer Mitgliederstruktur den VäD weitaus weniger in Anspruch. Wie die Klägerin bei der Kostenverteilung zu verfahren habe, um den besonderen Gegebenheiten gerecht zu werden, müsse ihr überlassen bleiben; das Gericht könne ihr dies nicht vorschreiben.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 2 §§ 1 und 2 AufbauG iVm der 3. AufbauVO. Die Leistungen des VäD seien für alle Kassen in gleicher Ausstattung bereitzuhalten und deshalb von ihnen solidarisch zu tragen. Die Umlegung nach den Mitgliederzahlen entspreche den vom Reichsarbeitsminister (RAM) am 30. März 1936 erlassenen "Bestimmungen über den Vertrauensärztlichen Dienst in der Krankenversicherung" (AN 1936, IV S 107), die, wenn auch nicht als Rechtsverordnung, so doch als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften herangezogen werden könnten. Ein Kostenschlüssel nach der tatsächlichen Inanspruchnahme sei mit der dem VäD zugrundeliegenden gesundheitspolitischen Leitfunktion nicht vereinbar. Da der das AufbauG in Art 2 § 2 ergänzende § 87 KVLG als späteres Bundesrecht die aufhebende Norm des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes von 1949 derogiert habe, bestehe ein Anspruch auf Kostenbeteiligung auch für das Gebiet des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern.

Die Klägerin beantragt, die vorinstanzlichen Urteile zu ändern und die Beklagte unter Zurückweisung ihrer Berufung zu verurteilen, 1.725.926,71 DM zu zahlen sowie festzustellen, daß diese verpflichtet ist, sich für ihren im ehemaligen Land Württemberg-Hohenzollern gelegenen Kassenbezirksteil an der jeweils beschlossenen Kostenumlage für den Vertrauensärztlichen Dienst zu beteiligen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg; zu Recht hat das LSG ihre auf Leistung und Feststellung gerichtete Klage in vollem Umfang als unbegründet abgewiesen.

Die Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), mit der die Klägerin Zahlungen für die Jahre 1972 bis 1982 (abzüglich der von der Beklagten entrichteten Beträge) verlangt, ist zulässig, obgleich die Klägerin, wie noch auszuführen ist, ihre Forderung durch Verwaltungsakt geltend machen konnte. Da diese Befugnis zweifelhaft und höchstrichterlich noch nicht geklärt war, darf ihr die Wahl der Leistungsklage prozessual nicht zum Nachteil gereichen, zumal es möglich ist, hier auf die Sache so wie bei einer Anfechtungsklage gegen einen Forderungsbescheid einzugehen. Die Feststellungsklage ist als sogenannte Zwischenfeststellungsklage nach § 202 SGG iVm § 256 Abs 2 ZPO zulässig (BSGE 13, 163, 164 f; BGH, LM § 280 aF Nr 2).

In der Sache stimmt der Senat dem LSG darin zu, daß die Beklagte für ihren im früheren Württemberg-Hohenzollern gelegenen Gebietsteil zu einer Kostenbeteiligung schon dem Grunde nach nicht verpflichtet ist. Die Klägerin ist für das Gebiet dieses früheren Landes nicht Träger der Krankenversicherung für deren Gemeinschaftsaufgaben, weil der eine solche Trägerschaft begründende Abschnitt II Art 2 § 1 AufbauG seit 1949 dort nicht mehr gilt. Daran hat § 87 KVLG nichts geändert. Durch seine hier allein interessierende Nr 1 wurde in Abschnitt II Art 2 AufbauG als § 2 eingefügt: "Gemeinschaftsaufgabe der Krankenversicherung ist für die landwirtschaftliche Krankenversicherung die Regelung des VäD". Daraus kann nicht entnommen werden, der Gesetzgeber habe im früheren Lande Württemberg-Hohenzollern die 1949 dort aufgehobenen Vorschriften des AufbauG (hier: Abschnitt II Art 2 § 1) - mit Folgen über die landwirtschaftliche Krankenversicherung hinaus - wieder eingeführt. Das hätte auch nicht dem Sinn und Zweck des § 87 Nr 1 KVLG entsprochen. Diese Vorschrift sollte, was der Regierungsentwurf (BT-Drucks VI/3012 S 39) bestätigt, die Beteiligung der landwirtschaftlichen Krankenversicherung an dem als Gemeinschaftsaufgabe geregelten VäD sichern. Voraussetzung für sie ist also, daß nach dem vorangehenden § 1 von Abschnitt II Art 2 eine Landesversicherungsanstalt (LVA) Träger der Krankenversicherung für die Gemeinschaftsaufgaben des VäD ist. Ist das - wie bei der Klägerin für das frühere Land Württemberg-Hohenzollern - nicht der Fall, kann sich die Ergänzung des AufbauG durch § 87 Nr 1 KVLG nicht auswirken; für diesen Fall nimmt die landwirtschaftliche Krankenversicherung selbst die Aufgaben des VäD wahr, wie das die Beklagte - wie übrigens auch andere Krankenkassen - für das frühere Land Württemberg-Hohenzollern tut.

Für den außerhalb des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern gelegenen Gebietsteil der Beklagten kann die Klägerin dagegen unstreitig eine Beteiligung der Beklagten an den Kosten des von der Klägerin eingerichteten VäD verlangen. Das ergibt sich allerdings noch nicht daraus, daß Nr 3 der 3. Aufbau-VO diese Gemeinschaftsaufgabe als "R e g e l u n g des VäD" bezeichnet, weil ein Kostenrückgriff auch bei den anderen Gemeinschaftsaufgaben in Betracht kommt, bei denen die 3. Aufbau-VO von "Betrieb", "Durchführung", "Verwaltung" und "Prüfung" spricht. Ebensowenig kann die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenbeteiligung aus Abschnitt II Art 3 § 3 AufbauG abgeleitet werden, wonach die Krankenkassen den "Weisungen der LVA" unterstehen, soweit es sich um die Gemeinschaftsaufgaben handelt. Jedoch ist auch ohne ausdrückliche Regelung ihre Pflicht zur Kostenbeteiligung nicht zweifelhaft. Wie der 8. Senat des BSG bereits ausgeführt hat (SozR 5210 Abschnitt II Art 2 § 1 Nr 1), sind die von der 3. Aufbau-VO bestimmten Gemeinschaftsaufgaben nichts anderes als Teile der durch die Reichsversicherungsordnung bestimmten Aufgaben der Krankenversicherungsträger, die von den Krankenkassen zur gemeinschaftlichen Erfüllung durch andere Träger, hier durch die klagende LVA, ausgegliedert wurden; dieser andere Träger - die Abteilung Krankenversicherung der LVA - hat aber kein eigenes Aufkommen aus der Krankenversicherung; ihm müssen daher die Kosten der Gemeinschaftsaufgaben von den Krankenkassen, für die er sie durchführt, erstattet werden (vgl für den VäD hierzu Sauerborn, AN 1936, IV, 148, 154; Grünewald, DOK 1936, 529, 533).

Allerdings fehlt ebenfalls eine Rechtsnorm, die den Umfang der Beteiligung regelt. Hierzu hieß es in Nr 4 der schon erwähnten Bestimmungen des RAM vom 30. März 1936 in Satz 2: Die LVA, Abteilung Krankenversicherung, "legt diese Kosten auf die einzelnen Krankenkassen nach deren Mitgliederzahl oder nach Untersuchungsfällen um; eine Verbindung beider Umlagearten ist zulässig"; diese Bestimmungen hatte zu Recht schon der RAM als "Verwaltungsanordnung" bezeichnet (EuM 39, 206). Keine Rechtsnorm ist ferner die Anordnung des Reichsversicherungsamtes vom 24. Januar 1942 (Monatsschrift für Arbeiter- und Angestelltenversicherung, 1943, Sp 32), daß die Kosten des VäD zu einem Drittel nach der Mitgliederzahl und zu zwei Dritteln nach der Zahl der Untersuchungsfälle umzulegen seien. Indessen ergeben sich auch hier aus dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben, insbesondere der des VäD und der Gesamtregelung Grundsätze, nach denen der Umfang der Kostenbeteiligungspflicht bestimmt werden kann; sie sind schon in den Bestimmungen des RAM vom 30. März 1936 zum Ausdruck gekommen.

Danach liegt es auf der Hand, daß sich die Beteiligung an den Kosten des VäD an den Aufwendungen für die Inanspruchnahmen orientieren kann; andererseits kann die Beteiligung sich nicht auf einen reinen Ersatz dieser Aufwendungen beschränken, weil der LVA Kosten schon durch die notwendige Vorhaltung des VäD entstehen. Mit aus diesem Grunde darf die LVA deshalb darauf achten, daß Krankenkassen sich in der Inanspruchnahme des VäD nicht ungerechtfertigt zurückhalten. Außerdem hat der anzuwendende Umlageschlüssel praktikabel zu sein; das bedeutet, daß Pauschalierungen in Grenzen erlaubt sein müssen (vgl dazu § 91 Abs 4 SGB X). Hiernach kann sich, wie schon in den Bestimmungen vom 30. März 1936 vorgesehen, eine Kostenumlage nach der Zahl der Kassenmitglieder oder nach der Zahl der Inanspruchnahmen ("Untersuchungsfällen", worunter Untersuchung, Beratung und Aktengutachten fielen) ohne oder mit Modifikationen anbieten.

Diese Überlegungen zeigen, daß es für die Kostenbeteiligung keinen ein für allemal feststehenden Maßstab gibt und geben kann. Dem LSG ist deshalb darin zuzustimmen, daß die LVA den Umlageschlüssel "festlegen", dh bestimmen darf und daß ihr dabei ein "gewisser Freiraum" zusteht. Das LSG hat nur diesen Gedanken nicht zu Ende geführt. Zu Recht hat es nicht analog zu § 315 Abs 3 Bürgerliches Gesetzbuch gefolgert, daß im Falle einer unbilligen Bestimmung durch die Klägerin die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit durch Urteil die der Beklagten obliegende Leistung bestimmen müßten. Zu folgern ist vielmehr, daß die LVA die Bestimmung der Kostenbeteiligung durch Verwaltungsakt zu treffen hat, wobei es zweckmäßig sein kann, die einzelnen Verwaltungsakte gegenüber den Krankenkassen zu einem Gesamtverwaltungsakt zusammenzufassen.

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 45, 296, 298; 49, 291, 294) ist anerkannt, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts, obwohl an sich in der Rechtsstellung gleichgeordnet, dennoch in einzelnen Rechtsbeziehungen auch ohne ausdrückliche dahingehende Regelung zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen können, wenn dies "aus der Natur der Sache" oder aus der Gesamtregelung oder der Einzelregelung abzuleiten ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Dafür spricht nicht allein, daß es, wie schon dargelegt, einer Bestimmung des Kostenschlüssels und der Kostenbeteiligung durch die LVA bedarf; die LVA muß auch imstande sein, alle ihr entstandenen Kosten von den begünstigten Krankenkassen erstattet zu erhalten. Anders als durch hoheitliches Handeln (gegebenenfalls Gesamtverwaltungsakt) kann sie jedoch die Kosten nicht auf die Krankenkassen verbindlich so verteilen, daß ihr keine verbleiben. Dieses Ergebnis ist dagegen nicht sichergestellt, wenn die LVA auf Vereinbarungen mit den Kassen angewiesen wäre; es wäre auch durch eine in einzelnen Prozessen mit Kassen dem Gericht zufallende Bestimmung gefährdet, wobei hinzukommt, daß dem öffentlichen Recht dann die Bestimmung durch Verwaltungsakt ohnedies angemessener ist. Letztlich zeigt das AufbauG in Abschnitt II Art 3 § 3 selbst, daß ihm eine Überordnung der LVA über die Krankenkassen nicht fremd ist, weil es dort die Krankenkassen Weisungen der LVA unterwirft.

Der LVA steht bei dem zu wählenden Umlageschlüssel ein Ermessen zu. Mit dem Zweck der ihr insoweit erteilten Ermächtigung ist es vereinbar, daß sich die Klägerin grundsätzlich dafür entschieden hat, die Kosten nach der Zahl der Mitglieder der an dem VäD beteiligten Krankenkassen umzulegen (ausgenommen von ihr aber selbst schon Rentner und Altenteiler). Das beruht auf der Erwägung, daß die Krankenkassen den VäD für ihre Mitglieder gleichmäßig in Anspruch nehmen können. Hierbei hat die Klägerin jedoch nicht genügend berücksichtigt, daß dies für die Beklagte aufgrund des für diese in erster Linie maßgebenden Gesetzes (KVLG) so nicht gelten kann. Nach dem KVLG (§ 19) sind krankengeldberechtigt von den Mitgliedern der Beklagten allein die mitarbeitenden Familienangehörigen, die nur einen geringen Prozentsatz der Mitglieder ausmachen (in der Verhandlung vor dem Senat war von etwa 10% gegenüber etwa 60% krankengeldberechtigten Mitgliedern der anderen Kassen die Rede). Der VäD wird jedoch, was die Beteiligten in der Verhandlung bestätigt haben, am meisten für Untersuchungen zur Prüfung von Krankengeldbegehren in Anspruch genommen. Dementsprechend hat das LSG festgestellt, daß für 1981 nach dem von der Klägerin gewählten Kostenschlüssel die Beklagte je Begutachtung eine Kostenbelastung von rund 232 DM übernehmen müßte gegenüber Belastungen anderer Kassen von rund 74 bis 123 DM. Dieser Unterschied ist, wie schon hervorgehoben, in gesetzlichen Regelungen begründet, so daß die Klägerin bei der Kostenbeteiligung von der Beklagten keine gleiche "Solidarität" wie von den anderen Krankenkassen erwarten darf. Die Klägerin hat somit den Zweck ihrer Ermächtigung zur Bestimmung der Kostenbeteiligung gegenüber der Beklagten verfehlt, weil sie nicht der Besonderheit in der Mitgliederstruktur dieser landwirtschaftlichen Krankenkasse Rechnung getragen hat. Das kann sie nicht dadurch ausräumen, daß sie sich auf Mehrheitsbeschlüsse ihrer Abteilung Krankenversicherung beruft.

Der fehlerhafte Ermessensgebrauch hat zur Folge, daß die Zahlungsklage auch insoweit abgewiesen werden muß, als sie sich auf den Gebietsteil der Beklagten außerhalb des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern bezieht. Bei gleicher Lage hätte ein Forderungsbescheid der Beklagten auf Anfechtungsklage ebenfalls aufgehoben werden müssen. Ein Fall der Schrumpfung des Ermessens auf nur eine Entscheidung liegt nicht vor. Durch die Klageabweisung ist der Klägerin eine erneute Festlegung der Kostenbeteiligung der Beklagten für den Gebietsteil außerhalb des früheren Landes Württemberg-Hohenzollern - anders als für dieses frühere Land - nicht verwehrt, wobei sie jedoch nunmehr Ermessensfehler vermeiden muß. Dabei kann es zweckmäßig sein, vor dem Erlaß von Verwaltungsakten erneut eine Einigung mit der Beklagten zu suchen. Sollte diese mißlingen und es erneut zu einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Beklagten kommen, wird in diesem die Beiladung der übrigen Krankenkassen nach § 75 Abs 1 SGG jedenfalls dann zu prüfen sein, wenn sie bei einem für die landwirtschaftliche Krankenkasse günstigen Ausgang mit Nachforderungen rechnen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 54

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