Leitsatz (redaktionell)

Der Krankenversicherungsbeitrag nach RVO § 381 Abs 2 S 2 war in den Jahren 1968 und 1969 aus dem Zahlbetrag der Rente einschließlich der Leistungen aus der Höherversicherung zu errechnen.

 

Orientierungssatz

Zum Begriff des "Zahlbetrages der Rente" in RVO § 381 Abs 2 S 2 Halbs 1 (hier: Errechnung des Krankenversicherungsbeitrages auch aus Leistungen der Höherversicherung).

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1967-12-21

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Dezember 1969 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger wendet sich dagegen, daß die Beklagte in den Jahren 1968 und 1969 den Krankenversicherungsbeitrag nach § 381 Abs. 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) i. d. F. des Finanzänderungsgesetzes 1967 (FinÄndG 1967) auch aus den Leistungen der Höherversicherung errechnete.

Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juli 1969, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Hamburg vom 4. Dezember 1969). Nach der Ansicht des LSG gehört zum "Zahlbetrag der Rente", aus dem der erwähnte Beitrag zu berechnen ist, auch der Steigerungsbetrag aus einer Höherversicherung.

Mit der Revision trägt der Kläger vor, das Wort "Zahlbetrag der Rente" in § 381 Abs. 2 Satz 2 RVO sei objektiv, nicht subjektiv auszulegen. Auf den angeblichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. V/2149 S. 4 und 26/27; BT-Drucks. V/2341 S. 8; BT-Drucks. V/zu 2341 S. 6) abzustellen, sei bedenklich. Der Wortlaut des Gesetzes sei nicht eindeutig, weil der Steigerungsbetrag aus der Höherversicherung weder positiv noch negativ genannt sei. Dieser führe ein Sonderdasein neben der Rente und sei von der Rente unabhängig. Der Beitragsabzug widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, verstoße gegen die Eigentumsgewährleistung und verletze den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG).

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen Urteile aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, den Krankenversicherungsbeitrag auch von dem Rentenanteil der Höherversicherung zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Urteile.

Die Revision ist unbegründet.

Nicht nur die subjektive, sondern auch die objektive Auslegungstheorie führt zu dem Ergebnis, das das LSG im angefochtenen Urteil gewonnen hat. Der Begriff des "Zahlbetrages der Rente" in § 381 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 RVO kann nicht im Sinne des Klägers gedeutet werden. Das Gesetz enthält ihn auch an anderer Stelle. In aller Regel handelt es sich dann um den monatlichen Betrag der Jahresrente als das endgültige Berechnungsergebnis (vgl. § 1297 Satz 1 RVO). Dies schließt - sofern vorhanden - Kinderzuschüsse und Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung ein. Sollen diese Rentenbestandteile - etwa beim Schutz des Besitzstandes oder bei der Rentenanpassung - einmal nicht berücksichtigt werden, so wird dies besonders zum Ausdruck gebracht (vgl. § 1268 Abs. 2 Satz 2 RVO; § 5 Abs. 1 Satz 1 des 10. Rentenanpassungsgesetzes). Dabei verwendet der Gesetzgeber entweder eine Kurzform ("ohne Kinderzuschuß") oder eine erweiterte Form ("vermindert um die Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung"). Dieser Unterschied ist rechtlich ohne Bedeutung. In beiden Fällen ist der Zahlbetrag der Rente das ursprüngliche Ganze, von dem - für bestimmte Zwecke - der eine oder andere Rentenbestandteil oder auch beide Rentenbestandteile vor dem nun folgenden Rechenprozeß abzuziehen sind. In diesem Sinn hat der Begriff des Rentenzahlbetrages auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden (vgl. u. a. BSG 24, 236).

Der Kläger selbst muß einräumen, daß die subjektive Auslegungstheorie, sofern sie anzuwenden ist, nicht zu einem für ihn günstigen Ergebnis führt. Der Wille des Gesetzgebers ist selten so deutlich wie im Falle der Berechnung des Beitrages zur Krankenversicherung der Rentner dokumentiert worden, und zwar im Sinne der Entscheidung des LSG (vgl. die erwähnten Bundestagsdrucksachen). Im Schrifttum finden sich keine Gegenstimmen. Lediglich bei Fischwasser (DOK 1968, 6, 8) kann man ein Bedauern darüber herauslesen, daß sich der Gesetzgeber - abweichend von den ministeriellen Vorarbeiten - systemwidrig entschieden habe. In der Tat wird man eine gewisse Systemwidrigkeit kaum leugnen können. Die Höherversicherung nahm bis zum Erlaß des FinÄndG 1967 eine Sonderstellung ein, mit der sogar Werbung getrieben wurde (vgl. Zumbansen in BB 1951, 170; Malkewitz in WzS 1951, 148, 149/150). Die Vorstellung von einer privatversicherungsähnlichen Zusatzversicherung (vgl. Tietz in BABl. 1951, 166 ff.; Jantz-Zweng-Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl., Anm. 2 zu § 1285 RVO, S. 139) ist schon wegen der versicherungsmathematischen Anlage begründet (vgl. Kommentar zur Reichsversicherung-Ordnung, 4. und 5. Buch, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Anm. 2 und 3 zu § 1261 RVO). Damit steht in Einklang, daß die Höherversicherung nicht dynamisch ist (§ 1272 Abs. 3 RVO). Es hätte deshalb nahegelegen, die Steigerungsbeträge aus den Beiträgen der Höherversicherung von der Berechnung des Beitrags zur Rentnerkrankenversicherung auszunehmen. Trotz dieser Bedenken hat sich der Senat entschlossen, dem Gesetzesbefehl zu folgen. Das FinÄndG 1967 hatte zum fiskalischen Ziel, "eine langfristige Ordnung der Bundesfinanzen in einer vorausschauenden Abstimmung der finanzpolitischen Entscheidungen mit den volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten wiederherzustellen" (vgl. Pöhler in BKK 1968, 3; Podleschny in SozVers. 1968, 83). Man suchte nach einer Regelung zum Ausgleich der Interessen vieler Gruppen. Eine Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung steht dem Richter nicht zu.

Zu der verfassungsrechtlichen Frage der Eigentumsverletzung (Art. 14 GG) hat bereits das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (BSG 3, 77, 82; 9, 127, 128) verneinend Stellung genommen. Ergänzend kann auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 11, 221, 226 f.; 14, 221, 241; 14, 288, 293; SozR Nr. 11 zu Art. 14 GG) hingewiesen werden. Das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist ebenfalls zu verneinen. Der Gesetzgeber hat eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Eine Sondervorschrift verstößt nicht schon dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, daß sie von den einen Rechtsbereich bestimmenden Grundregeln abweicht (BVerfG 9, 20 = SozR Nr. 42 zu Art. 3 GG). Die gewisse Systemwidrigkeit des § 381 Abs. 2 Satz 2 RVO ist kein zwingendes Indiz für eine Willkürlichkeit der gesetzlichen Regelung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670287

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