Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des Grundsatzes der "Kontinuität der Leistungen" bei Unterbrechung zwischen der Erkrankung und der Rehabilitationsmaßnahme. Berechnung des Übergangsgeldes bei "schwankenden Bezügen"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation ist nicht "im Anschluß" an den Krankengeldbezug durchgeführt worden, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Ende des Krankengeldbezuges und dem Beginn der Maßnahme länger als vier Wochen gewesen ist (Anschluß an BSG 21.6.1983 4 RJ 39/82 = SozR 2200 § 1240 Nr 11).

2. Der Bemessungszeitraum für das Übergangsgeld kann nicht über einen Monat hinaus ausgedehnt werden (Anschluß an BSG 28.11.1978 4/5 RJ 78/76 = BSGE 47, 172 = SozR 2200 § 1241 Nr 11).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Grundsatz der "Kontinuität der Leistungen" (§ 16 RehaAnglG) gewährleistet, daß bei Erfüllung dazu näher bestimmter Voraussetzungen der Lebensstandard des Behinderten bestehen bleibt, wenn dieser infolge einer Erkrankung oder einer Rehabilitationsmaßnahme seine Beschäftigung unterbrochen oder aufgegeben und dann nicht mehr in vollem Umfang aufgenommen hat.

2. Der Wortlaut des § 59 AFG läßt für die Ermittlung des Bemessungszeitraumes, aus dem das Übergangsgeld zu berechnen ist, keine abweichenden Verfahren zu; auch für "schwankende Bezüge" ist daher der Bemessungszeitraum nach der Regelung in § 59 Abs 3 S 1 AFG zu ermitteln.

 

Normenkette

AFG § 59 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1974-08-07, S. 3 Fassung: 1974-08-07, § 59c; RehaAnglG § 16

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 18.11.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 47/83)

SG Kiel (Entscheidung vom 16.02.1983; Aktenzeichen S 6 Ar 50/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Übergangsgeld (ÜG) des Klägers nach § 59 Abs 3 Satz 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) oder nach § 59c AFG zu bemessen ist, ob wegen "schwankender Bezüge" der Bemessungszeitraum gegenüber dem Regelfall verlängert werden muß und über die Auswirkungen auf den Anpassungstermin (§ 59b AFG).

Der im Jahr 1947 geborene Kläger war als Maurer (Putzer) im Akkord beschäftigt. Er wurde am 1. Juni 1979 krank und arbeitsunfähig und erhielt Lohnfortzahlung bis 11. Juli 1979 sowie Urlaubsabgeltung für 88 Arbeitsstunden.

Sein Monatslohn betrug im April 1979 bei 153 Arbeitsstunden brutto          2.983,71 DM, im Mai   1979 bei 154 Arbeitsstunden brutto          3.639,81 DM,                      netto 2.157,30 DM, im Juni  1979 bei 168 -berechneten- Arbeitsstunden   2.926,56 DM,                      netto 1.831,45 DM und im Juli  1979 (64 berechnete Arbeitsstunden,              Urlaubsabgeltung)                      1.859,76 DM,                      netto 1.295,01 DM.

Für die Zeit vom 12. Juli bis 14. November 1979 bezog der Kläger Krankengeld in Höhe des im Mai 1979 erzielten Nettolohnes. Für die Zeit vom 19. November 1979 bis 17. Mai 1980 erhielt er Arbeitslosengeld (Alg), anschließend bis 30. September 1980 Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Auf den am 19. November 1979 gestellten Antrag des Klägers auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation hin bewilligte das Arbeitsamt eine Fortbildungsmaßnahme zum Bautechniker und ÜG für die Zeit vom 1. Oktober 1980 an. Der Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Höhe des ÜG blieb erfolglos. Nachdem das Arbeitsamt die Fortbildungsmaßnahmen zum 19. Juni 1981 abgebrochen hatte, bewilligte es dem Kläger für die Zeit vom 20. Juni bis 1. August 1981 wieder Alg und sodann für die Zeit vom 3. August 1981 an im Zusammenhang mit einer weiteren Bildungsmaßnahme zum Feinmechaniker erneut ÜG. Auch wegen der Höhe dieses ÜG erhob der Kläger erfolglos Widerspruch.

Im Prozeß änderte das Arbeitsamt mit Bescheiden vom 25. Juni 1982 und 20. Dezember 1982 die angefochtenen Bescheide dahin, daß auf der Grundlage der in den Monaten Mai, Juni und Juli 1979 erzielten Nettolöhne ab 1. Oktober 1980 das ÜG 61,06 DM - mit Anpassungstermin 1. August - betrug.

Mit der Klage hat der Kläger die Bemessung des ÜG auf der Grundlage des der Berechnung des Krankengeldes zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes beantragt. Das Sozialgericht (SG) Kiel hat mit Urteil vom 16. Februar 1983 die Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, das ÜG auf der Grundlage eines Nettoentgelts im Bemessungszeitraum Juni 1979 von 61,05 DM je Kalendertag - mit Dynamisierung jeweils zum 1. August - zu gewähren, im übrigen die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Beide Beteiligten haben Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers den Dynamisierungszeitpunkt auf den 1. Juli geändert, im übrigen beide Berufungen als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Das ÜG könne nicht nach § 59c AFG bemessen werden, weil die Fortbildungsmaßnahme nicht "im Anschluß" an den Krankengeldbezug durchgeführt worden sei. Vielmehr sei § 59 Abs 3 Satz 3 AFG idF des RehaAnglG anzuwenden; der nach dieser Vorschrift maßgebende Bemessungszeitraum sei der Juni 1979, der Dynamisierungszeitpunkt der 1. Juli.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Nichtanwendung des § 59c AFG. In dieser Vorschrift werde keine unmittelbare Aufeinanderfolge verlangt; es reiche aus, wenn der Gesamtplan - das Grobkonzept für die geplanten Maßnahmen - die berufsfördernde Maßnahme im zeitlichen Anschluß an eine andere Rehabilitationsmaßnahme vorsehe. Bei ihm, dem Kläger, sei schon bei der Antragstellung am 19. November 1979 eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme vorgesehen gewesen. Die über zehnmonatige Arbeitslosigkeit habe deshalb den "Anschluß" iS des § 59c AFG nicht beseitigt.

Der Kläger beantragt, unter Änderung der Urteile und letzten Bescheide die Beklagte zu verurteilen, das ÜG auf der Grundlage des der Berechnung des Krankengeldes zugrunde gelegten Arbeitsentgeltes zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen und unter Änderung der vorinstanzlichen Urteile die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Zur Begründung ihrer Revision trägt sie vor: Sie sei durch das Urteil des LSG insoweit beschwert, als der Dynamisierungszeitpunkt um einen Monat vorverlegt worden sei. In der Bemessung selbst seien die Vorinstanzen zu demselben Ergebnis wie sie gekommen. Allerdings habe das LSG zu Unrecht nur den Verdienst des letzten Kalendermonats zugrunde gelegt. Wenn das Arbeitsentgelt schwanke, müsse der Regellohn aus dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate vor Beginn der Maßnahme ermittelt werden.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das ÜG ist nicht nach § 59c AFG zu bemessen. Die Vorschrift sieht vor, daß bei der Berechnung des ÜG, wenn der Behinderte Krankengeld bezogen hatte und im Anschluß daran eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation durchgeführt wird, von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt auszugehen ist. Der Beginn der ersten Maßnahme (1. Oktober 1980) ist aber nicht "im Anschluß" an das Ende des Krankengeldbezuges (14. November 1979) erfolgt; das gleiche gilt für die zweite Maßnahme, die am 3. August 1981 begonnen hat. Das hat das LSG zutreffend entschieden.

Die Regelung in § 59c AFG entspricht der in § 16 RehaAnglG sowie in § 1241b Reichsversicherungsordnung (RVO, jeweils idF des RehaAnglG) und in den hier wesentlichen Punkten auch § 16 RehaAnglG und § 1241 Abs 4 RVO, jeweils idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG). Während zu dem Begriff Anschluß in § 59c AFG und in § 16 RehaAnglG noch keine Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ergangen sind, hat zu § 1241b RVO zunächst der 1. Senat des BSG ausgeführt, der Anschluß werde nicht beseitigt, wenn nicht zwischen dem Ende des Krankengeldbezuges und dem Beginn der Maßnahme eine Beschäftigungszeit von mindestens vier Wochen vorliege (BSGE 51, 193, 196 = SozR 2200 § 1241b Nr 4); hieran anknüpfend hat der 4. Senat erklärt, der in § 1241b RVO aF geforderte Anschluß sei nicht gewahrt, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Ende des Krankengeldbezuges und dem Beginn der Maßnahme länger als vier Wochen betrage (SozR 2200 § 1240 Nr 11); dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Urteil vom 30. Mai 1985 - 11a RA 52/84 -). Die Rechtsprechung ist auf die Fälle des § 59c AFG zu übertragen. Die Interessenlage dort entspricht der des § 1241b RVO. In allen diesen Fällen geht es um die in der Überschrift zu § 16 RehaAnglG so bezeichnete "Kontinuität der Leistungen". Mit dieser Überschrift macht der Gesetzgeber deutlich, daß bei Erfüllung dazu näher bestimmter Voraussetzungen die finanzielle Unterstützung des Behinderten in vergleichbarer Höhe bestehen bleiben soll, wenn dieser infolge einer Erkrankung oder einer Rehabilitationsmaßnahme seine Beschäftigung unterbrochen oder aufgegeben und dann nicht mehr in vollem Umfang aufgenommen hat (BSGE aaO). Den früheren Lebensstandard des Behinderten zu wahren, kann aber nur dann Aufgabe des ÜG sein, wenn nicht in der zwischen den beiden Perioden liegenden Zeit eine andere Lebensgrundlage sich gebildet hat oder hätte bilden können, was schon innerhalb eines neuen Lohnabrechnungszeitraumes von mindestens vier Wochen geschehen kann. Von den Lohnersatzleistungen (Übergangsgeld oder Krankengeld) muß deshalb ein, wenn auch nicht nahtloser, so doch zügiger Übergang zur Maßnahme innerhalb von längstens vier Wochen erfolgt sein. Andere als die im Gesetz vorgesehenen Tatbestände, zB Zeiten des Arbeitsentgeltes, des Alg oder der Alhi, können diesen Übergang nicht bewirken.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers kann der Senat aus der Rechtsprechung zu anderen Vorschriften, die auch das Wort "anschließend" enthalten, insbesondere aus dem vom Kläger herangezogenen Urteil des 1. Senats des BSG zu § 1251 Abs 1 Nr 1 und 6 RVO (SozR 2200 § 1251 Nr 50) nicht eine Verlängerung der Frist ableiten. § 59c AFG, § 16 RehaAnglG, § 1241b RVO einerseits und § 1251 RVO andererseits haben einen je unterschiedlichen Sinn und Zweck. Daß bei solcher Verschiedenheit auch der Begriff "Anschluß" eine verschiedene Ausprägung erfahren muß, ist kein Widerspruch.

Ob etwas anderes gelten kann, wenn der Gesamtplan die berufsfördernde Maßnahme im zeitlichen Anschluß an eine andere Rehabilitationsmaßnahme vorsieht (Gagel/Steinmeyer, AFG, § 59c Anm 2), die berufsfördernde Maßnahme aber aus technischen Gründen erst verspätet beginnen kann, läßt der Senat hier dahinstehen. Denn ein Gesamtplan (§ 5 Abs 3 RehaAnglG) ist hier überhaupt nicht, jedenfalls aber nicht vor dem Ende des Krankengeldbezuges aufgestellt worden. Ein solcher Plan hätte frühestens bei dem ersten Antrag des Klägers auf Rehabilitationsmaßnahmen aufgestellt werden und von den Fortbildungsmaßnahmen dann allenfalls die später abgebrochene Fortbildungsmaßnahme zum Bautechniker erfassen können; da dieser Antrag aber erst vom 19. November 1979 stammt, konnte ein etwaiger Gesamtplan den Krankengeldbezug keinesfalls mehr erfassen.

Die Revision des Klägers war somit als unbegründet zurückzuweisen.

Auch die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Allerdings scheint die Beklagte das Urteil des SG, dem das LSG hinsichtlich der Höhe des ÜG gefolgt ist, unrichtig auszulegen, wenn sie ausführt, in der Bemessung selbst seien die Vorinstanzen zu demselben Ergebnis wie sie gekommen.

Das SG hat die Beklagte verurteilt, das ÜG auf der Grundlage eines Nettoentgelts im Bemessungszeitraum Juni 1979 von kalendertäglich 61,05 DM zu gewähren. Dabei ist die zum 1. August 1980 erfolgende Anpassung noch nicht berücksichtigt (nach dem 21. RAG 4 vH). Dagegen hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden ein ÜG von 61,06 DM ab 1. Oktober 1980 - also bereits zum Anpassungstermin 1. August 1980 angepaßt - bewilligt. Nach der Berechnung des SG und LSG ist das ÜG sonach um etwa 4 vH höher als das von der Beklagten berechnete. Die Revision der Beklagten, die die Klagabweisung in vollem Umfang verlangt, richtet sich entgegen der Revisionsbegründung auch auf ein niedrigeres ÜG.

Mit dem ersten Teil ihrer Revision möchte die Beklagte erreichen, daß das ÜG auf der Grundlage eines von Mai bis Juli 1979 dauernden Bemessungszeitraumes errechnet wird. Grundsätzlich sieht sie als Bemessungszeitraum die letzten drei vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Kalendermonate in dem Fall an, daß das Arbeitsentgelt, zB nach Leistung (Akkord), schwankt. Dem kann der Senat nicht folgen.

Nach § 59 Abs 2 Satz 1 AFG idF des RehaAnglG betrug des ÜG 80 vH des entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts (Regellohn) und durfte das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Die Vorinstanzen haben mit der Beklagten angenommen, daß der Bemessungszeitraum nach Abs 3 Satz 3 des § 59 festzulegen sei, weil der Kläger Akkordlohn bezogen habe. Die Voraussetzungen des Satzes 3 liegen jedoch nicht vor. Weder war das Arbeitsentgelt des Klägers nach Monaten bemessen - also auf den Monat bezogen und für diesen Zeitraum in einem jeweils gleichbleibenden Betrag festgesetzt (Gagel/Steinmeyer, AFG, Anm 11 zu § 59) - noch war eine Berechnung des Regellohnes wegen Akkordlohnes nach den Sätzen 1 und 2 unmöglich; dies traf allenfalls auf Bemessungszeiträume vor Juni 1979 zu, in denen der Kläger tatsächlich Akkordlohn erhielt, nicht aber für die folgende Zeit der Lohnfortzahlung; in ihnen (1.6. bis 11. 7. ) konnte das fortgezahlte Arbeitsentgelt - wie in Satz 1 vorgesehen - durch die Zahl der Stunden geteilt werden, für die es gezahlt wurde (vgl § 2 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. 7. 1969).

Da beim Kläger Lohnabrechnungszeitraum iS des § 59 Abs 3 Satz 1 AFG jeweils der Monat war, ist zunächst zu fragen, ob der Monat Juli 1979 als der letzte vor Beginn der Maßnahme abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum iS der Vorschrift anzusehen ist. Dies ist zu verneinen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Meinung des Klägers ist dieser Monat zwar auch "abgerechnet" worden (BSGE 53, 58). Der zugrunde zu legende Lohnabrechnungszeitraum muß jedoch nach Wortlaut und Sinn des § 59 Abs 3 Satz 1 Zeiten mit Arbeitsentgelt für jedenfalls vier Wochen umfassen (BSGE 52, 102, 104 unter Hinweis auf BSGE 51, 193 - 196 -). Dem steht nicht entgegen, daß die in § 59 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 AFG festgelegte Stundenrechnung auch bei einem kürzeren Entgeltzeitraum (dann im Grunde sogar bei Entgeltzahlung nur für eine Stunde) durchgeführt werden könnte; entscheidend ist, daß der Gesetzgeber zum Ausgleich von Zufälligkeiten eine Lohnmindestbasis von vier Wochen als Grundlage der Berechnung gewollt hat. Der Behinderte muß also in der letzten Lohnabrechnungsperiode mindestens vier Wochen gegen Entgelt gearbeitet oder jedenfalls Entgelt erzielt haben (vgl zu § 182 Abs 5 RVO RVO-Gesamtkommentar/Heinze, Anm 20 a zu § 182, S 114/44). Das war beim Kläger nicht der Fall. Die Lohnfortzahlung dauerte nur bis zum 11. Juli; die außerdem gewährte Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs 4 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG -) ist im Gegensatz zum Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) eine einmalige Zuwendung iS des § 59 Abs 3 AFG aF, also kein laufendes Entgelt gewesen.

Kann aber der Juli 1979 nicht Bemessungszeitraum sein, so muß, wenn das - wie hier - möglich ist, auf die unmittelbar vorangegangene Abrechnungsperiode mit mindestens vier abgerechneten Wochen zurückgegriffen werden (für § 182 Abs 5 RVO: Gesamtkommentar aaO sowie BSGE 36, 55, 58; für § 1241 RVO aF: BSGE 52, 102, 104 = SozR 2200 § 182 Nr 75). Das ist der Juni 1979 gewesen. Er ist voll mit Lohnfortzahlung und demgemäß Arbeitsentgelt (BSGE 53, 58) ausgefüllt. Nach § 59 Abs 2 AFG ist das aus dem Juni 1979 zu berücksichtigende Entgelt allerdings auf das Nettoarbeitsentgelt zu begrenzen.

Für die Erweiterung des Bemessungszeitraumes beruft sich die Beklagte auf eine Vereinbarung der Spitzenverbände vom Dezember 1980; danach soll "für Arbeitnehmer, deren Entgelt nicht nach Stunden bemessen, jedoch Schwankungen unterworfen ist ... der Ausgangszeitraum ... 3 Monate bzw 90 Tage" umfassen.

Der Senat hat früher - für § 1241 RVO - noch dahingestellt lassen können, ob und unter welchen Umständen "schwankende Bezüge" eine Erweiterung des Bemessungszeitraumes rechtfertigen (SozR 2200 § 1241 Nr 4 S 6). Dann hat der 4. Senat - ebenfalls für § 1241 RVO - entschieden, daß der Bemessungszeitraum nicht, wenn das für den Betreuten günstiger ist, über einen Monat hinaus ausgedehnt werden kann, weil einerseits der Gesetzestext eindeutig sei und andererseits - im dortigen Fall: zugunsten des Versicherten - kein Bedürfnis für die Ausdehnung des Bemessungszeitraumes bestehe, zumal die - damals noch geltende - Billigkeitsregelung des § 1241a Abs 2 Satz 1 Nr 3 RVO idF des RehaAnglG genügende Vorsorge treffe (BSGE 47, 172 = SozR 2200 § 1241 Nr 11). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für den Fall des § 59 AFG an, zumal im Arbeitsförderungsrecht eine entsprechende Billigkeitsregelung noch besteht.

Dabei hat der Senat auch die Regelung in § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG in der am 1. August 1979 in Kraft getretenen Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1198) berücksichtigt. Dort hat der Gesetzgeber bei der Bemessung des Alg für die Fälle des Akkordlohnes unter besonderen Umständen eine Erweiterung des Bemessungszeitraumes von 20 Tagen auf 60 Tage vorgeschrieben. Bei der Bemessung des ÜG hat er dagegen nichts Vergleichbares getan, obwohl er auch § 59 AFG mehrmals geändert hat. Das Fehlen einer solchen Erweiterungsmöglichkeit beim ÜG kann also weder als ein Redaktionsversehen noch als eine Gesetzeslücke angesehen werden. Somit besteht keine Rechtfertigung für eine vom Gesetzeswortlaut des § 59 AFG abweichende Ermittlung des Bemessungszeitraumes, wobei es gleichgültig ist, wem die von der Beklagten gewollte Erweiterung im Einzelfall Vorteile brächte; ob es sinnvoll wäre, daß der Gesetzgeber auch in § 59 AFG den Bemessungszeitraum entsprechend der von den Leistungsträgern geübten - derzeit jedenfalls gesetzwidrigen - Praxis erweitern sollte, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Mit dem zweiten Teil ihrer Revision wendet sich die Beklagte dagegen, daß das LSG den Zeitpunkt, von dem ab sich das ÜG jährlich erhöht - Anpassungstermin -, vom 1. August auf den 1. Juli vorverlegt hat.

Nach § 59b AFG liegt der erste Anpassungstermin ein Jahr nach dem Ende des Bemessungszeitraumes. Wenn, wie ausgeführt, der Monat Juni 1979 der richtige Bemessungszeitraum ist, dann kann der erste Anpassungstermin nur ein Jahr nach dem Ende des Bemessungszeitraumes liegen, also am 1. Juli 1980 - und dann später ebenfalls am 1. Juli -.

Auch die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

BSGE, 175

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