Leitsatz (amtlich)

Ein Beamter im Ruhestand, der Pension bezieht, war bis zum 1961-12-31 nicht gemäß GAL 1957 § 8 Abs 4 in Verbindung mit RVO § 1229 Abs 1 Nr 3 von der Beitragspflicht nach dem GAL befreit.

 

Normenkette

RVO § 1229 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23; GAL § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27; GAL 1957 § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. April 1961 wie folgt abgeändert:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. August 1960 wird zurückgewiesen, soweit es sich um die Beitragspflicht des Klägers bis zum 31. Dezember 1961 handelt.

Die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 1959 und 29. Februar 1960 werden aufgehoben, soweit darin Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1962 ab gefordert werden.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kesten des Rechtsstreits zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der 1901 geborene Kläger war früher Kriminalrat. Er wurde 1954 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und erhält seitdem Versorgungsbezüge. Die Beklagte nahm ihn als Mitinhaber eines Weingutes zu Beiträgen nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in Anspruch. Er beantragte Befreiung, da er wegen seiner Pensionierung einer weiteren Alterssicherung nicht bedürfe. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil nur diejenigen Beamten, denen Anwartschaft auf Versorgung gewährleistet sei, von der Beitragspflicht befreit seien, nicht aber solche, die bereits eine Pension erhielten (§ 8 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 - BGBl I 1063 - [GAL aF]; § 1229 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Dagegen hob das Landessozialgericht (LSG) die Bescheide der Beklagten auf und stellte fest, daß der Kläger nicht der Beitragspflicht unterliege. Zur Begründung führte es aus, zwar sei nur den in § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO genannten aktiven Beamten eine Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet, die Bewilligung einer Pension stehe aber einer Anwartschaft im Sinne dieser Vorschrift gleich, da es sinnwidrig sei, einer garantierten Aussicht auf Versorgungsbezüge größere Wirkungen beizulegen als der tatsächlichen Erfüllung des Anspruchs. Der Pensionsbescheid gewährleiste auch in jedem Fall Hinterbliebenenversorgung, weil die Rechtsansprüche der Hinterbliebenen erst nach dem Tode des Pensionsberechtigten entstehen könnten. Außerdem seien nach § 8 Abs. 4 GAL aF die Empfänger von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung von er Beitragspflicht befreit; was für diese beabsichtigt sei, müsse auch für Pensionsempfänger schon deswegen gelten, weil die Pension im allgemeinen sogar eine stärkere Alterssicherung als eine Rente darstelle. Es sei auch nicht anhängig, zweierlei Recht für Beamte mit lebenslänglicher Versorgung einerseits und Polizeivollzugsbeamte auf Widerruf sowie Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der Bundeswehr andererseits zu schaffen. Denn diese beiden letzteren Gruppen seien, obwohl sie einen geringeren beamtenrechtlichen Schutz hätten, unter allen Umständen von der Beitragspflicht befreit. Das LSG ließ die Revision zu.

Die Beklagte legte gegen das am 12. Mai 1961 zugestellte Urteil am S. Juni 1961 Revision ein und begründete sie am 1. Juli 1961.

Sie trägt vor, das Gesetz unterscheide ausdrücklich zwischen den aktiv tätigen Beamten einerseits, den Versorgungsempfängern andererseits. Nach § 8 Abs. 4 GAL aF seien durch die Verweisung auf § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO nur die aktiven Beamten erfaßt, während die pensionierten Beamten nicht unter diese Bestimmung fielen. Deren Einbeziehung lasse sich weder aus der Systematik noch aus dem Wortlaut der RVO herleiten. Durch rechtsergänzende Auslegung auch die pensionierten Beamten unter die genannten Bestimmungen zu bringen, sei nicht möglich, weil es sich bei der Befreiung von der Beitragspflicht um Ausnahmen handele; Ausnahmevorschriften müßten aber eng ausgelegt werden. Die Unterscheidung zwischen einer Aussicht auf Versorgungsbezüge und der tatsächlichen Erfüllung des Anspruchs sei auch insoweit nicht sinnwidrig, als der Gesetzgeber in der RVO diese beiden Fälle in verschiedenen Paragraphen geregelt und in einem Fall Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes, im anderen jedoch Befreiung von der Versicherungspflicht nur auf Antrag festgelegt habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß bei der Bestimmung des § 8 Abs. 4 GAL aF die Vorschrift des § 1230 RVO übergangen und versehentlich nicht aufgeführt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG vom 25. April 1961aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. August 1960 zurückzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag.

II.

Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Revision ist teilweise begründet, weil das LSG zu Unrecht eine Beitragsbefreiung des Klägers für die Zeit bis zum 31. Dezember 1961 angenommen hat.

Nach § 8 Abs. 4 GAL aF sind landwirtschaftliche Unternehmer von der Beitragspflicht u.a. befreit, wenn sie die in § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 RVO genannten Voraussetzungen erfüllen. Nach der hier allein in Frage kommenden Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 3 sind in der Arbeiterrentenversicherung versicherungsfrei Beamte und sonstige Beschäftigte des Bundes, der Länder usw., wenn ihnen Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet ist. Der Kläger ist aber kein aktiver Beamter mehr, sondern befindet sich bereits im Ruhestand. Für diese Personen enthält § 1229 Abs. 2 Kr. 3 RVO keine Regelung, vielmehr ist in § 1230 RVO vorgesehen, daß sie nur auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit werden. Der Gesetzgeber hat also in der Rentenversicherung diese beiden Personengruppen unterschiedlich behandelt, und zwar aus der Erwägung heraus, daß bei gewährleisteter Anwartschaft im allgemeinen mit einer ausreichenden Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Gesichtspunkten zu rechnen ist, während eine bereits gezahlte Pension unter Umständen, z.B. bei wenigen Dienst jähren, gering sein kann. Deshalb ist ein Pensionär nicht kraft Gesetzes versicherungsfrei, sondern es ist ihn überlassen, ob er die Pension als ausreichend ansieht und sich befreien lassen oder ob er sich durch Beiträge zur Rentenversicherung eine spätere höhere Altersversorgung sichern will. Von diesem Unterschied ausgehend, sind durch § 8 Abs. 4 GAL aF nur die Personen von der Beitragspflicht nach dem GAL befreit, die kraft Gesetzes rentenversicherungsfrei sind, nicht aber diejenigen, die nur auf Antrag befreit werden. Letztere sollen uneingeschränkt zur Landwirtschaftlichen Alterskasse beitragspflichtig sein und damit für ein späteres Altersgeld Vorsorgen. Ein Wahlrecht auf Befreiung ist ihnen im Gegensatz zur RVO nicht eingeräumt.

Eine ausdehnende Auslegung dahin, daß in § 8 Abs. 4 GAL aF auch die Fälle des § 1230 RVO erfaßt sein sollen, ist nicht möglich. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber den Unterschied zwischen § 1229 und § 1230 RVO übersehen hat und daß deshalb eine Lücke im Gesetz besteht. Das erweist auch die amtliche Begründung zu dem Neuregelungsgesetz von 1961 (vgl. Bundesratsdrucksache 1 23/59 S. 10 zu Nr. 8 c bl). Hier heißt es ausdrücklich, daß durch die vorgesehene Änderung die Empfänger einer Beamtenpension denjenigen Personen gleichgestellt werden, die lediglich Anwartschaft auf beamtenrechtliche Versorgung haben oder eine Rente beziehen. Im Gegensatz zu anderen Änderungen, bei denen durch die Neufassung lediglich aufgetauchte Zweifel ausgeschlossen werden sollen ist hier aus dem Wortlaut klar ersichtlich, daß eine Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand beabsichtigt war.

Diese Regelung bedeutet keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 des Grundgesetzes). Denn es ist ein Unterschied, ob jemand kraft Gesetzes oder nur auf Antrag versicherungsfrei ist; für die verschiedenartige Regelung sind sachliche Erwägungen maßgebend; außerdem sind auch die Tatbestände verschieden. Ob diese Regelung zweckmäßig war, hat der Senat nicht zu prüfen.

Der Hinweis des Klägers auf § 1229 Abs. 1 Nr. 4 und 5 RVO, wonach Polizeivollzugsbeamte auf Widerruf sowie Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der Bundeswehr versicherungsfrei sind, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Auch hier handelt es sich um besondere Ausnahmetatbestände.

Der Kläger ist daher bis zum 31. Dezember 1961 nicht beitragsfrei gewesen.

Am 1. Januar 1962 ist jedoch durch das Gesetz zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) - GAL nF - eine Änderung eingetreten. Nunmehr sind nach § 9 Abs. 3 landwirtschaftliche Unternehmer, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres erstmalig die Voraussetzungen für die Beitragspflicht erfüllen, nicht beitragspflichtig, wenn sie eine der in § 7 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllen. Laut diesem § 7 Abs. 1 werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit Personen, denen vom Bund, vom Land ...... nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen eine lebenslängliche Versorgung bewilligt und Hinterbliebenenversorgung gewähr leistet ist. Das ist bei dem Kläger der Fall, da er als Beamter im Ruhestand eine lebenslängliche Versorgung erhält und ihm Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Der Kläger ist also vom 1. Januar 1962 an nicht mehr beitragspflichtig zu Landwirtschaftlichen Alterskasse.

Demgemäß waren die Vorentscheidungen und die Bescheide der Beklagten, wie geschehen, abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Beklagte ist in dem Rechtsstreit zu etwa einem Drittel unterlegen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2291022

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