Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) zur Zahlung von Übergangsgeld nach § 1241e Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch noch nach Abbruch einer Rehabilitationsmaßnahme verpflichtet ist und demgemäß der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK.) für diese Zeit gezahltes Krankengeld zu erstatten hat.

Die Beklagte hatte dem Versicherten (V.) Günther K. durch Bescheid vom 10. September 1974 als berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten mit einer Lehrgangsdauer von 18 Monaten bewilligt. Die Umschulung begann am 1. September 1975. Wegen einer Erkrankung des Versicherten beendete sie die Umschulung bereits durch Bescheid vom 7. Januar 1977 vorzeitig und stellte von diesem Tage an auch die Zahlung des am 8. Juli 1975 bewilligten Übergangsgeldes ein. In der Folge zahlte die Klägerin Krankengeld. Sie verlangte für die folgenden 6 Wochen von der Beklagten Erstattung des aufgewandten Betrages in Höhe von 654,79 DM. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) auf die zugelassene Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Zahlung eines über 99,74 DM hinausgehenden Betrages verurteilt worden war. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Übergangsgeldanspruch habe mit dem 9. Januar 1977 geendet.

§ 1241e Abs. 2 RVO i.d.F. des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) sei dahin zu verstehen, daß der Anspruch des Betreuten auf Fortzahlung des Übergangsgeldes spätestens mit dem rechtswirksamen Abbruch der Maßnahme durch den Leistungsträger ende. § 1240 Satz 1 RVO sehe die Zahlung von Übergangsgeld nur "während" der Teilnahme des Betreuten an der Maßnahme vor. § 1241e Abs. 2 RVO begründe demgegenüber eine anspruchserweiternde Ausnahme; diese Vorschrift sehe für den Fall einer gesundheitsbedingten Verhinderung des Betreuten eine Fortzahlung für längstens 6 Wochen vor, wobei unter Beendigung der Maßnahme nicht das schon aus § 1240 RVO ableitbare planmäßige Ende der Maßnahme, sondern der Zeitpunkt gemeint sei, zu dem die Maßnahme wegen der Erkrankung des Betreuten vom Leistungsträger durch Abbruch rechtswirksam vorzeitig beendet worden sei. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Urteil des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Mai 1980 (SozR 2200 § 381 Nr. 40). Soweit der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. Oktober 1982 (BSGE 54, 146) eine andere Meinung vertreten habe, könne dem nicht gefolgt werden. Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und rügt eine Verletzung der §§ 1240, 1241e Abs. 2 RVO sowie der §§ 1 Landeszustellungsgesetz Nordrhein-Westfalen und § 4 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG); vom Rechtsstandpunkt des LSG aus wäre auch für den 10. Januar 1977 ein Erstattungsanspruch anzunehmen gewesen. Im übrigen habe das LSG verkannt, daß der Anspruch aus § 1241e Abs. 2 RVO erst mit dem, rechtswirksamen Abbruch der Maßnahme beginne und daß unter dem Tag der Beendigung der Maßnahme der Zeitpunkt zu verstehen sei, zu dem die Maßnahme planmäßig beendet gewesen wäre.

Die Klägerin beantragt

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 1984 abzuändern und die Beklagte in Bestätigung des Urteils des Sozialgerichts Detmold zu verurteilen, an die Klägerin weitere 555,05 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist zuletzt auf die Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 13. Mai 1980 in SozR 2200 § 381 Nr. 40, in der, anders als vorn B. und vom erkennenden Senat, ihre Meinung zutreffend geteilt werde.

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch richtet sich nach den Vorschriften des 3. Kapitels des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) vom 4. November 1982 (BGBl. I S 1450). Mit den dadurch mit Wirkung vom 1. Juli 1983 an eingeführten Vorschriften hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt und damit das bisherige Recht abgelöst. Nach Art 11 § 21 aaO sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wobei diese Vorschrift auch noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren erfaßt, in denen Leistungsträger gegeneinander Erstattungsansprüche geltend machen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1983 in SozR 1300 Art II § 21 SGB 10 sowie Urteile vom 23. September 1984 in BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 SGB 10 Nr. 2; SozR aaO Nr. 3; SozR 1300 §102 Nr. 1 u.a.).

Der von der Klägerin erhobene Erstattungsanspruch beurteilt sich nach § 105 SGB 10. Nach ihrem Vorbringen ist die Beklagte dem Versicherten in der streitumfaßten Zeit von Anfang an leistungsverpflichtet, also iS dieser Vorschrift "zuständig" gewesen. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB 10 sind nicht erfüllt, weil die Klägerin dem Versicherten das Krankengeld nicht als nur vom Gesetz vorläufig Verpflichteter gezahlt hat. Der Anspruch der klagenden AOK ist begründet. Die beklagte LVA war in der streitigen Zeit nach § 1241e Abs. 2 RVO verpflichtet, diesem Versicherten Übergangsgeld zu gewähren. Dahinter trat nach § 183 Abs. 6 RVO die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Krankengeld zurück; der Krankengeldanspruch ruhte. Kann ein Betreuter an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation "nicht weiter teilnehmen", so wird das Übergangsgeld nach §1241e Abs. 2 aaO bis zu sechs Wochen, längstens jedoch "bis zum Tage der Beendigung der Maßnahme" weitergewährt. Das LSG und übereinstimmend mit ihm die Beklagte argumentieren, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, daß die Sechswochenfrist zur Weitergewährung von Übergangsgeld bereits "mit der gesundheitsbedingten Verhinderung" des Betreuten beginne und das als "Beendigung der Maßnahme" - der Zeitpunkt, bis zu dem Übergangsgeld längstens weiter zu gewähren ist - nicht deren planmäßiges Ende, sondern der Zeitpunkt anzusehen sei, zu dem der Träger der Rehabilitation die Maßnahme vorzeitig abbreche. Dem kann nicht gefolgt werden. Der 8. Senat des BSG hat in seiner veröffentlichten Entscheidung vom 28. Oktober 1982 in BSGE 54, 146 ( = SozR 5090 § 17 Nr. 2) § 1241e Ans 2 RVO dahin ausgelegt, daß die die Sechswochenfrist auslösende Verhinderung der weiteren Teilnahme des Versicherten an der Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen den Zeitpunkt bezeichne, zu dem der Träger rechtswirksam den Abbruch der Maßnahme verfüge. "Beendigung der Maßnahme" sei dagegen der im die Rehabilitation bewilligenden Verwaltungsakt festgelegte Zeitpunkt des planmäßigen oder vorgesehenen Endes der Maßnahme. Zur Begründung hat der 8. Senat im wesentlichen ausgeführt, § 1241e Abs. 2 RVO weise sich schon gesetzessystematisch als eine der Vorschriften aus, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auch noch nach dem Ende von Rehabilitationsmaßnahmen begründeten. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Fälle der krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Teilnahme an der Maßnahme widerspreche im übrigen auch dem Grundsatz des § 1240 RVO, wonach der Rehabilitationsträger ohnedies und in diesem Fall für die wirtschaftliche Sicherung einer krankheitsbedingt vorübergehenden Rehabilitationsunfähigkeit des Betreuten eintreten müsse. Dieser Entscheidung des 8. Senats ist der erkennende Senat in seiner zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung vom 28. November 1985 4a RJ 65/84 beigetreten. Er hat dazu ausgeführt, die gegenteilige Ansicht des LSG übersehe, daß der Rentenversicherungsträger nicht selten erst geraume Zeit nach dem Zeitpunkt, zu dem bei dem Betreuten Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) eingetreten ist, zu beurteilen in der Lage sein werde, ob bei ihm gesundheitliche Gründe vorlägen, die schlechthin einer "weiteren Teilnahme" an der berufsfördernden Maßnahe entgegenstünden. Für eine nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) sei der Maßnahmeträger ohne dies zuständig; ob sich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsunfähigkeit) zum gesundheitlichen Grund für die Unmöglichkeit, schlechthin an der Maßnahme weiter teilzunehmen, "auswachse", sei oft erst bei rückschauender Würdigung eines nicht zu kurzen Krankheitsverlaufs möglich. Eine "Weitergewährung" nach dauernder gesundheitlicher Verhinderung einer weiteren Teilnahme an der Maßnahme komme sinnvollerweise erst dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger den Abbruch der Maßnahme rechtswirksam angeordnet habe. Hätte aber die Rehabilitationsmaßnahme nach dem Bewilligungsbescheid des Trägers schon früher geendet, dann müsse das Übergangsgeld freilich bereits mit dem "normalen Ende" der Maßnahme entfallen (Hinweis auf Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1241e RVO Anm. 6; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, z. Aufl., § 1241e RVO, Anm. II A 2).

An dieser Auffassung hält der erkennende Senat fest.

Mit ihr setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zum Urteil des 12. Senats vom 13. Mai 1980 in SozR 2200 381 Nr. 40. Diese Entscheidung betrifft einen wesentlich anders liegenden Sachverhalt. Der 12. Senat, der im übrigen nicht mehr für Streitsachen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig ist, hatte nicht über einen Anspruch auf Verletztengeld für Zeiten nach der Aufhebung des diese Leistung bewilligenden Bescheids zu befinden. Vielmehr war dort dem Unfallverletzten, dem der Unfallversicherungsträger ein berufliches Heilverfahren gewährt hatte, zum wiederholten Male nur einige Tage bzw. in zwei Zeitabschnitten insgesamt jeweils nur weniger als sechs Wochen krank gewesen, so daß es nach Auffassung des 12. Senats (aaO S. 108) "der Abgrenzung der in § 568a Abs. 2 RVO bestimmten Sechswochenfrist" bedurfte. Der 12. Senat entschied, daß die Weitergewährung von Übergangsgeld nicht schon dann entfalle, wenn der Unfallverletzte "insgesamt bis zu sechs Wochen nicht teilgenommen" habe; vielmehr ende der Anspruch auf Fortzahlung des Übergangsgelds "in jedem Wiederholungsfalle" erst nach Ablauf der sechsten Woche. Nicht nur die konkrete Gestaltung dieses Falles, sondern auch dessen rechtliche Problematik unterscheiden sich grundlegend vom vorliegenden Fall.

Hat hiernach das SG, nicht das LSG, § 1241e Abs. 2 RVO zutreffend ausgelegt, so hat die Klägerin für den streitumfaßten Zeitraum Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des verauslagten Krankengelds. Auf die Revision der Klägerin mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Instanz zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes.4a RJ 59/84

BSG

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518909

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