Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassen(zahn)ärztliche Zweigpraxis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über den Antrag eines Kassenzahnarztes, ihm die Eröffnung einer Zweigpraxis zu gestatten, hat die KZÄV zu entscheiden (BMV-Zahnärzte § 6 Abs 6 S 1). ZO-Zahnärzte § 30 findet in diesem Falle keine Anwendung.

Der Streitfall betrifft eine "Angelegenheit der Kassenzahnärzte" iS des SGG § 12 Abs 3 S 2.

2. Das Vorverfahren kann nicht deswegen entfallen, weil die Vertreterversammlung einer KZÄV entgegen SGG § 85 Abs 2 Nr 2 keine Widerspruchsstelle bestimmt hat (Fortbildung BSG 1958-07-15 6 RKa 32/56 = BSGE 7, 292).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Befugnis zur Ausübung einer kassen(zahn)ärztlichen Zweigpraxis kann einem zur kassen(zahn)ärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt nicht vom Zulassungsausschuß durch Beteiligung an der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung gemäß ZO-Ärzte (ZO-Zahnärzte) § 39 Abs 1 S 1 erteilt werden.

2. Durch die formell und materiell wirksame Regelung des ZÄBMV § 6 Abs 6, wonach die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit in einer Zweigpraxis der vorherigen Zustimmung der KZÄV bedarf, in deren Bereich die Zweigpraxis liegt, ist die Entscheidung über die Zustimmung in die alleinige Verantwortung der KZÄV gestellt.

3. Die Zustimmung ist einem Kassenzahnarzt, der nach Berufsordnungsrecht eine Zweigpraxis ausüben darf, nur dann zu versagen, wenn die kassenzahnärztliche Versorgung der Versicherten durch die Betätigung des Kassenzahnarztes in der Zweigpraxis gefährdet werden würde.

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 85 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; BMV-Z § 6 Abs. 6 S. 1 Fassung: 1962-05-02; Zahnärzte-ZV § 30

 

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1965 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Der Kläger ist als Zahnarzt in H bei P in eigener Praxis niedergelassen. Als sein Kassenzahnarztsitz ist H bestimmt.

Im Januar 1962 beantragte der Kläger bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), ihn an der kassenzahnärztlichen Versorgung der Insassen des Lagers Sozialwerk S zu beteiligen. Dieses Lager gehört weder zum Bezirk des dem Kläger zugewiesenen Kassenarztsitzes noch zum Bezirk eines sonstigen Kassenzahnarztsitzes. In H sind drei und in S zwei Zahnärzte zur kassenzahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Im Juni 1962 wiederholte der Kläger seinen Antrag, die Beklagte solle beim Zulassungsausschuß (ZA) beantragen, ihn gemäß § 30 der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (ZOZ) an der kassenzahnärztlichen Versorgung der Insassen des Lagers Sozialwerk S zu beteiligen. Er legte dazu einen Bescheid des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 1962 vor, durch den ihm die Genehmigung zur Errichtung einer zahnärztlichen Zweigpraxis im genannten Lager erteilt worden war und der den Hinweis enthielt, diese Ausnahmeregelung schließe nicht die Erlaubnis zur Behandlung von Mitgliedern der RVO-Kassen ein. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, daß sein Antrag auf Beteiligung als solcher auf Genehmigung einer kassenzahnärztlichen Zweigpraxis gewertet werde, über den nach § 6 des am 1. Juni 1962 in Kraft getretenen Bundesmantelvertrages für Zahnärzte (BMVZ) der Vorstand der KZÄV zu entscheiden habe. Durch Bescheid vom 23. Juli 1962 lehnte der Vorstand der KZÄV den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Unterhaltung einer kassenzahnärztlichen Zweigpraxis im Sozialwerk S bestehe keine Notwendigkeit. Außerdem müsse besonderer Wert auf die freie Zahnarztwahl gelegt werden, die nicht mehr gewährleistet sei, wenn der Kläger allein im Sozialwerk S als Kassenzahnarzt tätig wäre.

Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung in dem Bescheid hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben. Durch Urteil vom 28. Januar 1964 hat das SG Detmold in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,

im Wege der Anschlußberufung unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 1962 die Beklagte zu verpflichten, ihre Zustimmung zur kassenzahnärztlichen Tätigkeit des Klägers im Sozialwerk S zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, beim ZA für Zahnärzte für den Regierungsbezirk D zugunsten der zahnärztlichen Tätigkeit des Klägers im Sozialwerk S einen Antrag gemäß § 30 ZOZ zu stellen.

Durch Urteil vom 30. November 1965 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Senat sei mit je einem Landessozialrichter aus dem Kreise der Krankenkassen und der Kassenzahnärzte richtig besetzt gewesen. Zwar sei mit der Klage in erster Linie ein Verwaltungsakt der KZÄV angefochten worden. Der Kläger habe jedoch gerade geltend gemacht, daß nicht diese, sondern der ZA für die Zulassung zur Zweigpraxis zuständig gewesen sei, und die Besetzung des Gerichts richte sich nach dem Klagevorbringen. Die Nichtdurchführung eines Vorverfahrens sei damit zu rechtfertigen, daß die Beklagte für diese Fälle eine Widerspruchsstelle nicht errichtet habe. Jeder das Gesetz über Kassenarztrecht (GKAR) noch die auf ihm beruhende ZOZ enthielten irgendwelche Vorschriften, die sich mit der Regelung der Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit in einer Zweigpraxis befaßten. Dies sei nicht nur versehentlich vom Gesetz- und Verordnungsgeber unterlassen worden. Dagegen spreche, daß zu anderen Fragen der Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit Regelungen, die einen Genehmigungsvorbehalt enthielten, ergangen seien. Es beständen gewichtige Gründe für die Annahme, daß der Genehmigungsvorbehalt in § 6 Abs. 6 BMVZ nicht wirksam und nicht zulässig sei, wenn er für die zahnärztliche Behandlung von Versicherten in einer Zweigpraxis Bedingungen aufstelle, die über die allgemeinen Bestimmungen des zahnärztlichen Berufsrechts und des Zulassungsrechts hinausgingen. Selbst wenn man den Genehmigungsvorbehalt für zulässig erachte, wäre die Beklagte jedenfalls nicht die für die Entscheidung über den Genehmigungsantrag zuständige Stelle gewesen. Der Kläger begehre nämlich, die Zweigpraxis in einem Bezirk auszuüben, der nicht zu seinem Kassenarztsitz gehöre. Einer Entscheidung über seinen Genehmigungsantrag - dessen Erforderlichkeit unterstellt - müsse daher notwendigerweise eine Änderung (Erweiterung) des Bezirks des ihm zugewiesenen Kassenarztsitzes vorausgehen. Grundvoraussetzung für die Ausübung jedweder kassenzahnärztlichen Tätigkeit durch die Abhaltung von Sprechstunden an einem bestimmten Ort sei, daß der Zahnarzt für eben diesen Ort zur Versorgung des Versicherten zugelassen sei. Aus diesem Grunde sei eine Neuabgrenzung des Kassenarztsitzes erforderlich. Sowohl die Zuweisung des Kassenarztsitzes an den einzelnen Zahnarzt als auch die räumliche Abgrenzung dieses Sitzes seien der vertraglich nicht abdingbaren Kompetenz der eigens hierfür geschaffenen Zulassungsgremien vorbehaltene typische Angelegenheiten des Zulassungsrechts. Daraus folge, daß alsdann auch über die etwa erforderliche Genehmigung zur Ausübung der kassenzahnärztlichen Zweigpraxis in dem neu abgegrenzten Bezirk die Zulassungsgremien zu entscheiden hätten. Sofern in § 6 Abs. 6 Satz 1 BMVZ eine Zuständigkeit der KZÄV begründet sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen die Kompetenz der Zulassungsgremien unbeachtlich.

Die Anschlußberufung sei ebenfalls unbegründet. Sei entweder eine solche Zustimmung schlechthin nicht erforderlich oder doch zumindest die Beklagte nicht die für ihre Erteilung zuständige Stelle, so könne sie auch nicht zur Abgabe einer zustimmenden Erklärung für verpflichtet gehalten werden.

Aber auch der Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Vornahme einer Antragstellung gemäß § 30 ZOZ sei nicht begründet, da ihm ein subjektives öffentliches Recht nicht zur Seite stünde.

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte die - zugelassene - Revision eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: Es gebe zwar keine Regelung über die Zweigpraxis mehr, es habe aber auch keiner der Beteiligten etwas gegen die Gültigkeit des § 6 Abs. 6 BMVZ einzuwenden gehabt. Diese Bestimmung werde im übrigen durch § 368 n Abs. 1 und § 368 g Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützt. Das Verfahren bei der KZÄV sei auch wesentlich ökonomischer.

Der Kläger beantragt,

1. die Revision der Beklagten zurückzuweisen,

2. das angefochtene Urteil abzuändern und

a) unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juli 1962 die Beklagte zu verpflichten, ihre Zustimmung zur kassenzahnärztlichen Tätigkeit des Klägers im Sozialwerk S zu erteilen.

b) hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, beim Zulassungsausschuß für Zahnärzte für den Regierungsbezirk D zugunsten der kassenzahnärztlichen Tätigkeit des Klägers im Sozialwerk S einen Antrag gemäß § 30 ZPO zu stellen,

3. hilfsweise: das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG in Essen zurückzuverweisen.

Er hält das Urteil des LSG insoweit für richtig, als er obgesiegt hat. Im übrigen ist er der Meinung, er habe ein Recht darauf, eine Zweigpraxis im Lager Stukenbrock zu errichten. Hätte das LSG die von ihm angebotenen Beweise erhoben, so hätte sich ergeben, daß eine ausreichende Versorgung der RVO-Versicherten durch die in den umliegenden Ortschaften ansässigen Kassenzahnärzte nicht gewährleistet sei. Seine Beteiligung im Sinne des § 30 ZOZ hinsichtlich der RVO-Versicherten müsse mithin als notwendig anerkannt werden.

Die Beklagte beantragt demgegenüber,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Der beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen Westfalen-Lippe beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der beigeladene Landesverband der Betriebskrankenkassen beantragt,

das Urteil des LSG abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der beigeladene Zulassungsausschuß für Zahnärzte stellte keinen Antrag.

II

Der Senat hat zunächst geprüft, in welcher Besetzung er über den vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden hat. Bei der Abgrenzung der Angelegenheiten des Kassenarztrechts (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) von denen der Kassenzahnärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BSG 26, 16, 17) nicht darauf an, in welcher Besetzung die Verwaltungsstelle tatsächlich entschieden hat. Maßgebend ist vielmehr, wie sie von Rechts wegen zu besetzen gewesen wäre. Entscheidend ist mithin, ob die Verwaltungsstelle, die die vom Kläger beantragte Entscheidung zu treffen hatte, ausschließlich mit Kassenzahnärzten zu besetzen gewesen ist. Diese Frage beurteilt sich nach materiellem Recht. Sie war im vorliegenden Fall zu bejahen. Über den Antrag des Klägers, ihm die Eröffnung einer Zweigpraxis zu gestatten, mußte die beklagte KZÄV selbst entscheiden. § 30 ZOZ findet keine Anwendung.

Nach Abs. 1 Satz 1 aaO kann der ZA auf Antrag der KZÄV in besonderen Fällen zur Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung, insbesondere zur Behebung eines Notstandes, zur Versorgung eines begrenzten Personenkreises oder für bestimmte zahnärztliche Leistungen, Zahnärzte bis zur Dauer eines Jahres an der kassenzahnärztlichen Versorgung beteiligen. Gemäß Abs. 5 aaO hat der beteiligte Zahnarzt für die Dauer und den Umfang seiner Beteiligung die Rechte und Pflichten eines Kassenzahnarztes. Ein Kassenzahnarzt hat diese aber bereits mit seiner Zulassung. Daraus ergibt sich, daß § 30 ZOZ auf bereits zur Kassenpraxis zugelassene Zahnärzte keine Anwendung findet. Für diese Auffassung spricht auch Abs. 2 aaO, der besagt, daß nur ein Zahnarzt beteiligt werden kann, der die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllte Bestätigt wird diese Ansicht weiter durch § 368 c Abs. 2 Nr. 12 RVO im Zusammenhang mit Nr. 13. § 30 ZOZ enthält mithin keine Regelung, die die Erweiterung des Tätigkeitsfeldes eines zugelassenen Zahnarztes durch eine zusätzliche Beteiligung, die im Ergebnis auf eine Doppelzulassung hinauslaufen würde, zum Gegenstand hat.

Aus diesen Gründen ist nur der gemäß § 368 g Abs. 2 RVO vereinbarte § 6 Abs. 6 BMVZ vom 2. Mai 1962, der mit Wirkung vom 1. Juni 1962 in Kraft trat (§ 32 Abs. 1 BMVZ), maßgebend. Danach bedarf die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit in einer Zweigpraxis der vorherigen Zustimmung der KZÄV, in deren Bereich die Zweigpraxis liegt. Entgegen den Bedenken des LSG ist der in § 6 Abs. 6 Satz 1 BMVZ zugunsten der KZÄV festgelegte Zustimmungsvorbehalt grundsätzlich zulässig. Seine gesetzliche Grundlage folgt aus dem Auftrag an die gemeinsame Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und der Krankenkassen, die kassenzahnärztliche Versorgung zu regeln (§ 368 g Abs. 1 RVO), und zwar mit dem Mittel der Gesamtverträge (§ 368 g Abs. 2 RVO). Unabhängig von der Aufgabe der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die kassenzahnärztliche Versorgung sicherzustellen (§ 368 n Abs. 1 RVO), - aus der sich u.a. die Verpflichtung der KZÄV ergibt, durch Anträge auf vorübergehende Beteiligung von Zahnärzten an der kassenzahnärztlichen Versorgung für die Behebung von Notständen Sorge zu tragen (§ 30 ZOZ) - besteht der gemeinsame Verantwortungsbereich der Kassenzahnärzte und Krankenkassen, die kassenzahnärztliche Versorgung mit allen ihren Verästelungen in geordnete Bahnen zu lenken.

Dazu gehört auch eine Regelung über die Erweiterung des Tätigkeitsfeldes eines Kassenzahnarztes durch Errichtung einer Zweigpraxis. In einem solchen Falle, in dem es um geordnete Berufsausübung und nicht um Bekämpfung von Notständen geht, könnten sich aus einer ungeregelten Betätigung Gefährdungen der kassenzahnärztlichen Versorgung ergeben. Solchen Gefährdungen im Sinne einer vorbeugenden Gefahrenabwehr zu begegnen, ist das erlaubte Ziel des Zustimmungsvorbehalts. Daß die Vertragspartner des BMVZ die Prüfung und Erteilung der Zustimmung in die alleinige Verantwortung der KZÄV gestellt haben, liegt im Gestaltungsermessen der Vertragsbeteiligten und ist rechtlich bedenkenfrei. Die Entscheidung über die Zustimmung konnte mithin nur die KZÄV treffen. Nach alledem ist der Senat mit zwei Kassenzahnärzten richtig besetzt.

Der Senat konnte jedoch nicht in der Sache entscheiden, da ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat, obgleich dieses erforderlich war. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Juli 1966 (BSG 25, 120) näher dargelegt hat, sind in Angelegenheiten des Kassenarztrechts - und das gilt mithin auch für das Kassenzahnarztrecht - jedenfalls seit Inkrafttreten des GKAR Verwaltungsakte in einem Vorverfahren nachzuprüfen, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorschreibt. Angelegenheiten des Kassenarztrechts gehören zu den in § 80 Nr. 1 SGG genannten Angelegenheiten der Krankenversicherung. Da das Gesetz für die Frage der Erteilung der Zustimmung zur Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit in einer Zweigpraxis keine Ausnahme vom Vorverfahrenszwang - wie in § 81 Nr. 2 SGG; § 368 i Abs. 5 RVO - vorsieht, ist danach auch im vorliegenden Fall die Durchführung eines Vorverfahrens vor der von der Vertreterversammlung bestimmten Stelle (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG) unerläßlich. Auf das Erfordernis, auch im Bereich der kassenärztlichen (kassenzahnärztlichen) Selbstverwaltung Widerspruchsstellen zur Durchführung von Vorverfahren in den vom Gesetz bestimmten Fällen einzurichten, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Juli 1958 (BSG 7, 292, 293) hingewiesen. Er hat allerdings in der genannten Entscheidung das Vorverfahren für entbehrlich gehalten, wenn mangels Bestimmung einer Widerspruchsstelle die Durchführung eines Vorverfahrens in angemessener Frist nicht erwartet werden kann. Diese vom Senat vor allem im Interesse der rechtsschutzsuchenden Beteiligten gebilligte Einschränkung ist jedoch längst gegenstandslos geworden. Die Entscheidung vom 15. Juli 1958 betraf einen Sachverhalt aus der Zeit kurz nach dem Inkrafttreten des GKAR vom 17. August 1955 und bezog sich mithin nur auf eine Übergangszeit nach dem Inkrafttreten des GKAR, in der es fraglich sein konnte, ob überhaupt Widerspruchsstellen bei den KÄVen und KZÄVen einzurichten sind. Nachdem aber schon durch diese Entscheidung klargestellt worden war, daß es Entscheidungen der KZÄVen gibt, die in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind, kann es wegen der Bedeutung der "Filterfunktion" des Widerspruchsverfahrens nicht mehr hingenommen werden, daß eine KZÄV noch eine Reihe von Jahren nach diesem klarstellenden Urteil keine Widerspruchsstelle errichtet hat. Nach dem Zweck, dem das Vorverfahren nach dem Plan des Gesetzgebers dienen soll, ist es notwendig, dem gerichtlichen Verfahren eine "Selbstkontrolle der Verwaltung" vorzuschalten, und diese ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die beklagte Verwaltung an der angefochtenen Entscheidung im Prozeß festhält (vgl. BSG 20, 199, 200; 25, 120, 121; 26, 174, 176). Da die Durchführung des Vorverfahrens in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung darstellt, ist sein Fehlen von Amts wegen zu beachten. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses den Beteiligten Gelegenheit geben kann, das Vorverfahren durchzuführen, da im vorliegenden Fall bereits in der Klage hilfsweise die Erhebung des Widerspruchs zu erblicken ist (vgl. BSG 26, 179, 177 mit weiteren Nachweisen).

Damit ist der Widerspruchsstelle der beklagten KZÄV die Möglichkeit eröffnet, vorab die materiell-rechtliche Grundlage ihrer Entscheidung, insbesondere die Vereinbarkeit der Zustimmungsvoraussetzungen in § 6 Abs. 6 Satz 2 BMVZ mit dem Zweck des Zustimmungsvorbehalts, zu prüfen. Dabei wird davon auszugehen sein, daß ein Zahnarzt, der nach dem für ihn geltenden Berufsordnungsrecht eine Zweitpraxis betreiben darf, grundsätzlich in Erweiterung dieses freiberuflichen Tätigkeitsfeldes auch Kassenpatienten behandeln darf, wenn nicht ersichtlich ist, daß gerade die zahnärztliche Versorgung der Versicherten durch die Betätigung des Kassenzahnarztes in der Zweigpraxis gefährdet ist (vgl. für die insoweit ähnliche Fragestellung der Eignung eines Kassenzahnarztes BSG 26, 13, 15).

 

Fundstellen

BSGE, 5

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