Leitsatz (amtlich)

KGG §§ 11, 29 iVm den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO §§ 731 ff; 3. MittelaufbringungsV UV ) ermächtigen die Familienausgleichskassen, die Beiträge nach der Kopfzahl der bei den Beitragspflichtigen beschäftigten Arbeitnehmer zu berechnen.

Soweit es sachlich geboten ist, die Kopfbeiträge zu differenzieren, deckt diese Ermächtigung auch eine sachgerechte Staffelung.

 

Normenkette

RVO § 731 Fassung: 1924-12-15, § 732 Fassung: 1925-07-14; KGG § 11 Abs. 1, § 29 Fassung: 1954-11-13; UVMittelV 3

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4 . März 1959 aufgehoben .

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen .

Von Rechts wegen .

 

Gründe

I . Die Klägerin ist ein bedeutendes Unternehmen des Textileinzelhandels . Sie ist bei der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel versichert , bei der auch die beklagte Familienausgleichskasse (FAK) errichtet ist . Einer Vorschußaufforderung der Beklagten vom 3 . Mai 1955 gemäß bezahlte die Klägerin als Umlagevorschuß auf die Kindergeldbeiträge für 1955 insgesamt 33 . 260 , -- DM , nämlich 20 , -- DM je Kopf der zu dieser Zeit bei ihr beschäftigten 1663 Arbeitnehmer . Mit Bescheid vom 24 . November 1955 forderte die Beklagte von der Klägerin einen zusätzlichen Vorschuß für 1955 in Höhe von 5 , -- DM für jeden der bei ihr beschäftigten 1663 Vollarbeiter an , zusammen also nochmals 8.315 , -- DM .

Nach erfolglosen Gegenvorstellungen erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 24 . November 1955 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart . Sie wendete sich insbesondere dagegen , daß die Beklagte den zusätzlichen Vorschuß nur von den 3700 Unternehmen fordere , die mehr als 20 Vollarbeiter beschäftigten , während ansonsten mehr als 300000 Betriebe des Einzelhandels hiervon unbelastet blieben .

Das Verfahren der Beklagten , die Beitragsvorschüsse für 1955 als Kopfbeiträge nach der Zahl der Vollarbeiter zu erheben , und zwar für Betriebe bis zu 20 Vollarbeitern mit 20 , -- DM , für Betriebe mit mehr als 20 Vollarbeitern mit 25 , -- DM je Kopf , war durch Erlaß des Bundesministers für Arbeit (BMA) vom 1 . März 1956 als Aufsichtsbehörde genehmigt worden .

Am 11 . Juli 1956 erhielt die Klägerin den endgültigen Umlagebescheid der Beklagten (ohne Datum) für 1955 . Hiernach betrug ihr Beitrag insgesamt 80 . 730 , 78 DM , nämlich für 1877 , 46 Vollarbeiter je 43 , -- DM . Abzüglich der bereits gezahlten Vorschüsse von 33 . 260 , -- DM wurden somit weitere 47 . 470 , 78 DM von der Klägerin gefordert . Sie focht im sozialgerichtlichen Verfahren diesen Bescheid ebenfalls an , weil die Beklagte auch hier zu Unrecht von den Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern 43 , -- DM , von den übrigen Betrieben aber nur 38 , -- DM je Kopf verlange . Ferner seien 1954 bei ihr nicht 1877 , sondern nur 1616 Vollarbeiter beschäftigt gewesen . Schließlich sei die Veranlagung in dem angefochtenen Bescheid nicht unter Mitteilung der Satzungsbestimmungen erfolgt .

II . Durch Beschluß vom 23 . Oktober 1956 lud das SG den Vorsitzenden des Vorstands der beklagten FAK sowie den BMA als Dienstaufsichtsführenden über die Familienausgleichskassen dem Verfahren bei . Als letzterer unter dem 8 . März 1957 mitgeteilt hatte , daß die Aufsicht (mit Wirkung vom 15 . Februar 1957 auf das neu errichtete Bundesversicherungsamt (BVA) in B ... übergegangen sei , wurde vom SG in der Folgezeit anstelle des BMA das BVA als Beigeladener behandelt und bezeichnet , ohne daß ihm gegenüber ein förmlicher Beiladungsbeschluß erging .

Das SG hob (Urteil vom 4 . Juli 1957) den Bescheid der Beklagten vom 24 . November 1955 über die Erhöhung des Vorschusses der Klägerin für 1955 sowie den am 11 . Juli 1956 zugegangenen Bescheid über die endgültige Höhe des Beitrags der Klägerin für 1955 auf und verurteilte die Beklagte , bei dem Erlaß eines neuen Bescheides über denselben Gegenstand von der Klägerin keine anteilsmäßig höheren Beiträge zu verlangen als von anderen Unternehmern . Im übrigen wurde die Klage abgewiesen .

III . Auf die Berufung der Beklagten hin wurde vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 4 . März 1959 - ohne mündliche Verhandlung -) das Urteil des SG insoweit aufgehoben , als es die Beklagte zum Erlaß eines inhaltlich näher bestimmten Bescheides verurteilt hatte . Zugleich wurde diese verurteilt , der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über die zu entrichtenden Beiträge zu erteilen . Im übrigen wurde die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen . Auch im Rubrum dieses Urteils waren der Vorsitzende des Vorstands der Beklagten und das BVA als Beigeladene bezeichnet . Deren Beiladung fand nach Auffassung des LSG allerdings in § 75 Abs . 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine hinreichende Stütze , da für keinen von beiden ein eigenes oder ein gesondertes berechtigtes Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits bestehe . Auch könne dahingestellt bleiben , ob das BVA hinsichtlich der Beiladung als Rechtsnachfolger des BMA anzusehen sei . Für die Weiterführung des Rechtsstreits habe indessen die Beteiligung des BVA allein genügt , weil auf diese Behörde jedenfalls die funktionelle Zuständigkeit des BMA übergegangen sei .

Sachlich sei das sozialgerichtliche Urteil im wesentlichen nicht zu beanstanden . Für die Festsetzung der Beiträge seien nach § 29 des Kindergeldgesetzes (KGG) die Vorschriften der §§ 752 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) sinngemäß anzuwenden; dadurch werde auch der Rahmen der der beklagten FAK im § 11 KGG erteilten Ermächtigung bestimmt . Ob diese zu Recht anstelle des Entgelts (§ 732 RVO) , d . h . des Jahresbetrags , die Berechnung nach Kopfteilen durchführen dürfe , wie das SG der Beklagten zugestand , habe das LSG nicht prüfen können; denn nur die Beklagte habe Berufung eingelegt und sie sei durch das angefochtene Urteil insoweit nicht beschwert . Das SG habe der Beklagten jedoch mit Recht untersagt , eine Staffelung der Beiträge nach der Größe der Betriebe in zwei Gruppen mit mehr als 20 und mit weniger als 20 Beschäftigten vorzunehmen . Diese Regelung sei weder durch die über § 29 KGG sinngemäß anwendbaren Vorschriften der RVO noch durch § 11 KGG gedeckt . Der Begriff der Gesamtumlage habe vielmehr das Prinzip , die Aufwendungen gleichmäßig auf alle Mitglieder zu verteilen . Dem Ermessen der Beklagten sei zwar durch die Ermächtigung des § 11 KGG , das Nähere über die Berechnung der Beiträge durch Satzung zu regeln , ein gewisser Spielraum eingeräumt . Selbst wenn , was zweifelhaft sei und dahinstehen könne , die Satzung bestimmen dürfe , daß Unternehmen derselben Branche unter Zugrundelegung verschiedener Maßstäbe zur Beitragsentrichtung heranziehbar seien , rechtfertige jedenfalls der im vorliegenden Fall für die unterschiedliche Behandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Betrieben in erster Instanz von der Beklagten vorgetragene Umstand , sie habe aus Gründen der Geschäftsvereinfachung bei der Beitragsnachforderung nur auf die größeren Betriebe zurückgegriffen , die Belastung der Beitragspflichtigen mit verschieden hohen Kopfbeträgen nicht . Deshalb stelle diese Regelung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art . 3 des Grundgesetzes -GG-) dar; sie verletze die schutzwürdigen Interessen anderer und sei auch nicht durch öffentliche Belange geboten . Soweit jedoch der Tenor des sozialgerichtlichen Urteils der Beklagten vorgeschrieben habe , von der Klägerin keine anteilmäßig höheren Beiträge als von anderen Unternehmen zu verlangen , habe die Entscheidung nicht aufrechterhalten werden können . Das Gericht dürfe nämlich sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Verwaltungsträgers setzen . Dem Selbstverwaltungskörper der Beklagten bleibe es daher unter Bindung an die Auffassung des Gerichts überlassen , zu prüfen , ob etwa aus anderen Gründen eine Heranziehung der Klägerin zu einem anteilmäßig höheren Beitrag vertretbar sei .

Revision wurde zugelassen .

Gegen das am 26 . März 1959 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 14 . April 1959 Revision ein und begründete diese - nach Fristverlängerung gemäß § 164 Abs . 1 SGG - am 23 . Juni 1959 . Sie ist der Auffassung , nach dem KGG zur Staffelung der Beiträge wie im Falle der Klägerin berechtigt zu sein . Der Gesetzgeber selbst habe eine unterschiedliche Behandlung der Beitragspflichtigen - je nach Einkommenshöhe - in § 11 KGG vorgesehen . Ferner sei über § 29 KGG die Anwendung des § 732 RVO und damit eine Erhebung der Mitgliederbeiträge nach den von den Versicherten verdienten Entgelten statthaft; eine Regelung von der die Mehrheit der Familienausgleichskassen Gebrauch gemacht habe . Auch die Befreiung von der Beitragspflicht für mithelfende Familienangehörige stelle gegenüber den Unternehmen , die nur fremde Personen beschäftigten , eine Schlechterstellung dar . Wenn aber bereits das Gesetz derartige unterschiedliche Behandlungen zulasse , dann läge es auch im Ermessen der Beklagten , für ihren Bereich aus triftigen Gründen eine Beitragsstaffelung vorzunehmen . Im übrigen habe das LSG die Frage , ob die Erhebung des Beitrags nach Kopfteilen zulässig sei , ebensowenig dahinstehen lassen dürfen wie jene , ob die Beiträge überhaupt gestaffelt werden dürften . Das sei nämlich Voraussetzung für die Prüfung , ob dann im konkreten Fall die Beklagte ihr Ermessen bei der Staffelung richtig angewendet habe . Unzutreffend sei die Feststellung des LSG , die Beklagte habe nur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Erhebung der Nachforderung auf die Großbetriebe zurückgegriffen . In erster Linie hätten rechtliche Erwägungen der Schaffung des § 18 ihrer Satzung zugrunde gelegen , wenn auch wirtschaftliche Überlegungen mitgewirkt hätten . Dies habe die Beklagte auch stets vorgetragen . Deswegen werde die Begründung des angefochtenen Urteils von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht getragen; das LSG habe die Beklagte zumindest über die für sie maßgeblichen Beweggründe zur Staffelung der Beiträge befragen müssen .

Die Beklagte beantragte ,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG vom 4 . Juli 1957 aufzuheben und die Klage abzuweisen .

Die Klägerin beantragte ,

die Revision zurückzuweisen .

Die Beklagte sei in ihrer Satzung hinsichtlich der Beitragserhebung keineswegs autonom . Sie sei nicht ermächtigt , die Beiträge nach dem KGG unterschiedlich zu bemessen . Hierfür werde auch keine Rechtsgrundlage dadurch geschaffen , daß der Gesetzgeber im § 11 KGG bestimmte Personengruppen von der Beitragspflicht befreit habe . Jedenfalls rechtfertige dies nicht , generell zwei Gruppen von Beitragspflichtigen zu bilden . Ferner sei die Grenzziehung willkürlich . Weder habe die Beklagte Gründe dafür vorgetragen , noch sei sonst ersichtlich , weshalb die Grenze für die Staffelung bei 20 Vollarbeitern liegen müsse und warum gerade eine zusätzliche Belastung der größeren Betriebe von 25 v . H . gerechtfertigt sei . Tatsächlich habe man offenbar einen solchen Zuschlag gewählt , von dem man annahm , daß er von den Betroffenen hingenommen würde . Dafür spreche auch , daß die Beklagte in ihren Beitragsbescheiden keinerlei Hinweis auf die differenzierte Höhe gegeben habe . Selbst wenn aber eine Beitragsstaffelung im Ermessen der Beklagten läge , habe sie den Ermessensrahmen überschritten , jedenfalls davon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht . Unzutreffend sei , daß das LSG keine ausreichenden Feststellungen im Hinblick auf die Gründe der Beitragsstaffelung getroffen habe . Die Beklagte selbst habe hierzu keine sachdienlichen Angaben gemacht .

Der Vorsitzende des Vorstands der Beklagten und das BVA haben Erklärungen im Revisionsverfahren nicht abgegeben .

V . Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs . 1 Nr . 1 SGG); sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 164 , 166 SGG) . Infolgedessen ist sie zulässig .

Die Revision ist auch begründet .

Die Frage , ob die Beiladung des Vorsitzenden der Beklagten zulässig war , kann dahinstehen; denn insoweit fehlt es an einer Rüge seitens der Beteiligten . Selbst wenn diese Beiladung einen Verfahrensmangel darstellen sollte , wäre er unbeachtlich , da es sich dann jedenfalls nicht um einen Verstoß gegen ein grundlegendes Prinzip des Verfahrensrechts handeln würde , der auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten wäre (vgl . BSG im SozR zu § 162 SGG Bl . Da 8 Nr . 40) . Was die Beiladung der für die Familienausgleichskassen aufsichtsführenden Stelle anbelangt , so ist klarzustellen , daß nur die Bundesrepublik Deutschland - nicht die sie vertretende Behörde - fähig ist , am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein (vgl . BSG im SozR zu § 70 SGG Bl . Da 6 Nr . 13) . Das Rubrum des angefochtenen Urteils muß daher insoweit richtig lauten: "die Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch das Bundesversicherungsamt" .

VI . Die Entscheidung darüber , ob die der Klägerin gegenüber erlassenen Bescheide auf Zahlung von Vorschüssen und Beiträgen für 1955 rechtswirksam sind , ist zunächst davon abhängig , ob die Familienausgleichskassen befugt sind , die Beiträge nach der Kopfzahl der bei den Beitragspflichtigen beschäftigten Arbeitnehmer zu berechnen .

Die Mittel für den Bedarf der Familienausgleichskassen werden nach § 11 Abs . 1 Satz 1 KGG durch Beiträge aufgebracht , die im Wege einer Gesamtumlage zu erheben sind (§ 11 Abs . 1 Satz 2 KGG) . Die Sätze 3 bis 8 des Abs . 1 aaO enthalten eine Reihe von Vorschriften , denen zufolge besonders bezeichneten Personengruppen von der Beitragspflicht befreit sind . § 11 Abs . 1 Satz 9 KGG ermächtigt die Familienausgleichskassen , das Nähere über die Berechnung der Beiträge und die Befreiung von der Beitragspflicht durch Satzung zu bestimmen . Um zu prüfen , ob die Satzung auch eine gestaffelte Beitragserhebung zulassen kann , ist der Rahmen dieser gesetzlichen Ermächtigung festzustellen . Bestimmte Einzelheiten über ihre Ausgestaltung enthält das KGG selbst nicht . Nach § 29 KGG sind aber insoweit die für die Aufbringung der Mittel der Berufsgenossenschaften - mit Ausnahme der Tiefbau-Berufsgenossenschaften - geltenden Vorschriften der RVO nebst den zur Änderung , Ergänzung oder Durchführung erlassenen Vorschriften sinngemäß anzuwenden . Hierfür kommt in erster Linie § 732 RVO in Betracht . Er bestimmt , daß die Mitgliederbeiträge nach dem Entgelt jährlich umgelegt werden , das die Versicherten in den Betrieben verdient haben . Durch die Verordnung über die Aufbringung der Mittel in der Unfallversicherung vom 28 . Februar 1933 (RGBl I S . 100) in der Fassung der Verordnungen vom 14 . Dezember 1934 (RGBl I S . 1252) und vom 21 . Dezember 1935 (RGBl I S . 1533) wurden Abweichungen von den Bestimmungen der RVO bei der Aufbringung der Mittel zugelassen . Das bedeutet , daß statt der Erhebung der Beiträge nach den verdienten Entgelten andere Maßstäbe angewendet werden können (vgl . Brackmann , Handbuch der Sozialversicherung , Bd . II S . 547) , also auch die Erhebung von Kopfbeiträgen .§ 29 KGG zufolge gilt diese Regelung ebenfalls für den Bereich des . KGG (vgl . Witting/Meier , Kindergeld-Handbuch , Stand: Juli 1960 , Anm . 13 zu § 11 KGG; Lauterbach/Wickenhagen , Komm . zur KGG-Gesetzgebung , 2 . Aufl . Anm . 14 zu § 11 KGG; Rüdiger , Das Kindergeldrecht , 1956 S . 132 ff; Sixtus/Haep , Das Kindergeldgesetz und seine Anwendung , 2 . Aufl . Anm . 11 zu § 11 KGG; Goldschmidt/Andres , Die Kindergeldgesetze , Anm . 3 zu § 11 KGG) . Zu dem gleichen Ergebnis war der erkennende Senat bereits in seiner eigenen Rechtsprechung gelangt (vgl . BSG 6 , 237) . Der entsprechende Wille des Gesetzgebers wird aus dem schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Sozialpolitik vom 12 . September 1954 über die von der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwürfe eines Kindergeldgesetzes erweislich; dort heißt es auf Seite 4: "Die Beitragsbemessungsgrundlagen einer Berufsgenossenschaft und die einer bei ihr errichteten Familienausgleichskasse brauchen nicht die gleichen zu sein; es genügt , wenn sie lediglich einer der für die betreffende Berufsgenossenschaft vorgeschriebenen Bemessungsgrundlage entsprechen . Es kann daher Beitragsbemessungsgrundlage für die Berufsgenossenschaft die Lohnsumme sein , während Beitragsbemessungsgrundlage für die bei ihr errichtete FAK die Kopfzahl der von ihr erfaßten Personen sein kann" (vgl . BT-Drucks . 708 , 2 . Wahlperiode 1953) . Somit ist die von der Beklagten vorgenommene Erhebung der Kindergeldbeiträge als Kopfbeiträge nach der Zahl der der Berufsgenossenschaft nachgewiesenen Vollarbeiter rechtens , da sich die diesbezügliche Bestimmung des § 18 Abs . 1 Satz 1 ihrer Satzung vom 23 . November 1955/12 . Juni 1956 - im Kraft getreten am 1 . Januar 1955 - im Rahmen der ihr durch § 11 KGG eingeräumten Ermächtigung hält .

VII . Des weiteren hängt die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten davon ab , ob die Familienausgleichskassen auch ermächtigt sind , die Höhe der einzelnen Kopfbeiträge nach der Größe der ihr zugehörigen Betriebe unterschiedlich zu staffeln . Von wesentlicher Bedeutung hierfür ist der Begriff "Gesamtumlage" in § 11 Abs . 1 Satz 2 KGG . Diese Vorschrift lautet: "Der Gesamtbedarf jeder FAK ist durch eine Gesamtumlage aufzubringen; eine getrennte Berechnung der Umlage für den Bedarf an Kindergeld für die Selbständigen und für die übrigen leistungsberechtigten ist ausgeschlossen" . Ihr Sinn und Zweck ist , zu verhindern , daß der Bedarf an Kindergeld für die Kinder der Selbständigen allein von diesen , der Bedarf an Kindergeld für die Kinder der Arbeitnehmer und mithelfenden Familienangehörigen dagegen nur von den übrigen Leistungsverpflichteten aufgebracht wird . Ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Kindergeldbedarf und Beitragsaufkommen innerhalb der einzelnen Gruppen soll der Bedarf vielmehr in seiner Gesamtheit festgestellt und auf alle Verpflichteten umgelegt werden (vgl . Witting/Meier aaO Anm . 4 zu § 11 KGG; Lauterbach/Wickenhagen aaO Anm . 5 u . 6 zu § 11 KGG; Sixtus/Haep aaO Anm . 3 zu § 11 KGG) . Diese Vorschrift schließt jedoch eine Festlegung der Beiträge nach verschiedenen Bemessungsgrundlagen nicht aus , etwa dergestalt , daß die Beiträge für die Arbeitnehmer nach der Lohnsumme , die Beiträge für die eigene Person der Selbständigen nach der Kopfzahl erfolgt . Die Begriffe "Gesamtbedarf" und "Gesamtumlage" in § 11 KGG in Verbindung mit dem Verbot der Trennung der Umlageberechnung für den Bedarf der Selbständigen und der übrigen Leistungsberechtigten erhellen nämlich , daß hier nur die abweichende Behandlung beider Personengruppen nach ihren unterschiedlichen Bedürfnissen vermieden werden soll , während die Gestaltungsfreiheit der Familienausgleichskassen hinsichtlich der Beitragserhebung selbst davon nicht beeinflußt wird . Dies erweist die Entstehungsgeschichte des § 11 Abs . 1 Satz 2 KGG ebenfalls . In den ursprünglichen Gesetzesentwürfen der Bundestagsfraktionen der SPD (BT-Drucks . 318 , 2 . Wahlperiode 1953) und der CDU/CSU (BT-Drucks . 319 , 2 . Wahlperiode 1953) war jene Formulierung nicht enthalten . Auch die Fassung eines Kindergeldgesetzes , die der Ausschuß für Sozialpolitik nach Beratung der genannten Entwürfe vorschlug (BT-Drucks . 708 , 2 . Wahlperiode 1953) , sah einen § 11 in anderem Wortlaut vor . Erst in den Bundestagsberatungen stellte die Fraktion der CDU/CSU einen dem geltenden § 11 Abs . 1 Satz 2 KGG entsprechenden Änderungsantrag , der angenommen wurde (vgl . Verhandlungen des Deutschen Bundestags , 2 . Wahlperiode 1953 , 48 . Sitzung , S . 2377 C , D; S . 2335 D; S . 2351 C) . Wie sich aus seiner Begründung ergibt (vgl . aaO , insbesondere S . 2335 C , D) , wurde damit nur beabsichtigt , eine dem unterschiedlichen Bedarf angepaßte unterschiedliche Behandlung der Selbständigen und der anderen Leistungsverpflichteten bei der Berechnung der Umlage zu verhüten . Daher muß einer dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Auslegung und Anwendung des § 11 Abs . 1 Satz 2 SGG dazu führen , in dieser Vorschrift nicht eine Beschränkung der den Familienausgleichskassen eingeräumten Ermächtigung zur Beitragsgestaltung derart zu erblicken , daß sie lediglich gleich hohe Kopfbeiträge von allen Verpflichteten verlangen könnten . Diese Vorschrift enthält vielmehr über die Beitragshöhe im einzelnen keine Aussage , so daß eine Staffelung der Kopfbeiträge grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist und die Familienausgleichskassen hierzu auch - im Rahmen ihrer Satzung - als ermächtigt gelten können (vgl . Witting/Meier aaO Anm . 3 zu § 11 KGG; Lauterbach/ Wickenhagen aaO Anm . 16 zu § 11 KGG) . Vorauszusetzen ist allerdings , daß sachliche Umstände eine Differenzierung bedingen und daß die Familienausgleichskassen in Ausübung pflichtmäßigen Ermessens handeln .

VIII . Ist danach allgemein eine Rechtsgrundlage nicht nur für die Erhebung von Kopfbeiträgen , sondern auch für deren Staffelung anzuerkennen , so bleibt zu prüfen , ob die von der Beklagten insoweit getroffenen Maßnahmen rechtens sind . In § 18 Abs . 1 Satz 2 ihrer Satzung vom 23 . November 1955/12 . Juni 1956 , die von der Vertreterversammlung beschlossen - also offenbar formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist - und die von dem damals noch aufsichtsführenden BMA als "vorläufige Satzung" genehmigt wurde (Erlaß vom 7 . Juni 1956 - Az . : III b/2606/56 -) , hat die Beklagte bestimmt: "Die Höhe der Kopfbeiträge kann der Vorstand nach der Betriebsgröße mit der Maßgabe staffeln , daß der höchste Beitragssatz nicht mehr als 25% über dem niedrigsten Beitragssatz liegt" . Dem Wortlaut dieser Satzungsbestimmung ist nicht zu entnehmen , daß die Beklagte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ihre Beitragspflichtigen mit einem verschieden hohen Kopfbetrag belastet . Nach den Feststellungen des LSG im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl . 11 unten) hat sich die Beklagte hinsichtlich dieser Regelung aber auch ausdrücklich auf die soziale Tendenz des KGG und die dort vorgesehene Begünstigung der Kleinbetriebe bezogen . Sie hat zudem - wiederum den Feststellungen des LSG zufolge (Bl . 2 , 3 und 17 des angefochtenen Urteils) - von sämtlichen beitragspflichtigen Betrieben bei der abschließenden Beitragsumlage eine Mehrzahlung gegenüber der Vorschußaufforderung verlangt . Wenn die Beklagte aber allen beitragspflichtigen Unternehmen ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer einen von dem Vorschußbescheid abweichenden endgültigen Bescheid zustellte , so kann es keine Maßnahme der Geschäftsvereinfachung sein , wenn sie darin unterschiedlich hohe Beiträge forderte . Es ergibt sich sogar eine verwaltungsmäßige Mehrarbeit , wenn von einem Teil der Pflichtigen höhere Leistungen als von einem anderen verlangt werden , und zwar sowohl im Hinblick auf die Errechnung jener unterschiedlichen Beträge als auch wegen der Erstellung der einzelnen Beitragsbescheide . Mithin ist die Schlußfolgerung des LSG , da unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung verschieden hohe Leistungen von der Beklagten festgesetzt worden seien , habe sie ihren Ermessensspielraum überschritten und den Gleichheitsgrundsatz (Art . 3 GG) verletzt , fehlsam und daher nicht geeignet , das angefochtene Urteil zu tragen .

IX . Dagegen macht die Art und Weise , wie der Vorstand der Beklagten von der ihm durch § 18 Abs . 1 Satz 2 der Satzung erteilten Befugnis , die Beitragssätze in einer Spanne bis zu 25 v . H . zu staffeln , Gebrauch gemacht hat , nach Auffassung des Senats zweifelhaft , ob das eingeräumte Ermessen sachgerecht ausgeübt oder überschritten wurde . Es handelt sich hierbei um eine sehr weitreichende Delegation der gesetzlichen Ermächtigung zur Beitragsberechnung (§ 11 Abs . 1 Satz 9 KGG) , die nach Meinung des Senats den von den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit gezogenen Rahmen ihrer wenig bestimmten Fassung wegen bereits berührt . Sie ist etwa mit der Befugnis zur Aufstellung des Gefahrentarifs in der Unfallversicherung (§§ 706 , 707 RVO) vergleichbar . Dort wird indessen das Verfahren beim Einschätzen der Betriebe in die Klassen des Gefahrentarifs von Gesetzes wegen der Satzung vorbehalten . Im vorliegenden Falle wurden jedoch - obwohl die Satzung keine Einzelheiten für das Einstufungsverfahren enthält - seitens der Beklagten sachliche Umstände oder fachliche Merkmale weder dafür vorgetragen , warum in der Jahresregelung für 1955 zwei Beitragsgruppen mit der Grenze bei 20 Vollarbeitern gebildet wurden , noch weshalb der Unterschied im Kopfbeitrag mit 5 . -- DM bemessen worden ist . Bestimmte Angaben darüber wären um so eher erforderlich gewesen , als die Satzung nur allgemein den Begriff der "Betriebsgröße" ohne nähere Abgrenzung verwendet . Der Sachverhalt bedarf insoweit der eingehenden Aufklärung (§§ 103 , 106 SGG) , gegebenenfalls unter Heranziehung betriebs- oder volkswirtschaftlicher , statistischer oder versicherungswissenschaftlicher Unterlagen . Sachfremde oder willkürliche Erwägungen können eine Differenzierung nach Beitragsgruppen und in der Beitragshöhe nicht rechtfertigen . Solange hierzu tatsächliche Feststellungen fehlen , läßt sich aber nicht beurteilen , ob die Maßnahmen des Vorstands der Beklagten mit der ihr durch § 11 Abs . 1 Satz 9 KGG erteilten Ermächtigung übereinstimmen.

X . Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs . 2 und 4 SGG) .

Bei der erneuten Entscheidung ist hinsichtlich des Umfangs des endgültigen Beitragsbescheides der Beklagten für 1955 gegenüber der Klägerin davon auszugehen , daß für die Entrichtung der Beiträge die Zahl der der Berufsgenossenschaft im Umlagejahr nachgewiesenen Vollarbeiter maßgebend ist (= "werden erhoben" - § 18 Abs . 1 Satz 1 der Satzung) . Der Errechnung des Beitrags für das Vorschußverfahren dagegen ist die Zahl der im Jahr vor dem Umlagejahr tätig gewesenen Vollarbeiter zugrunde zu legen (§ 18 Abs . 2 der Satzung) .

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten .

 

Fundstellen

BSGE, 50

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