Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung der Beiträge

 

Leitsatz (amtlich)

Das Kindergeldgesetz und die zu seiner Ergänzung und Durchführung ergangenen Vorschriften geben nicht die Möglichkeit, rassisch Verfolgte von der Beitragspflicht nach KGG § 10 auszunehmen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Familienausgleichskasse kann die Beiträge nicht nur nach Lohnsummen sondern auch nach Kopfteilen bemessen.

 

Normenkette

KGG § 10 Fassung: 1954-11-13, § 11

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20 . Oktober 1960 wird zurückgewiesen .

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten .

Von Rechts wegen .

 

Gründe

I . Der Kläger , selbständiger Rechtsanwalt und Notar in B... , wurde von der beklagten Familienausgleichskasse (FAK) mit Beitragsrechnungen vom 8 . Oktober 1956 und vom 16 . Oktober 1957 für die Jahre 1955 sowie 1956 zur Zahlung von Beiträgen nach dem Kindergeldgesetz (KGG) für seine Person und für die in seiner Kanzlei beschäftigten Arbeitnehmer herangezogen . Er wendete sich dagegen mit der Gegenvorstellung , für ihn als von der Rassenverfolgung des Naziregimes persönlich Betroffenen sei die Beitragsleistung nicht zumutbar; es könne von ihm nicht verlangt werden , die Fortpflanzung derer zu fördern , die für jene Verfolgungsmaßnahmen mitverantwortlich gewesen seien . Daraufhin schlug die Beklagte die Beitragsforderung für die Person des Klägers selbst nieder , verweigerte jedoch die Aufhebung der Beitragsbescheide hinsichtlich der vom Kläger beschäftigten Arbeitnehmer .

Seine Klage hiergegen wies das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 5. Mai 1959 ab . Die Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg; sie wurde mit Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 20 . Oktober 1960 zurückgewiesen . Das KGG sei nicht , wie der Kläger meine , verfassungswidrig , sondern in allen gerügten Bestimmungen mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar . Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10 . Mai 1960 (1 BvR 190/58) sei es für die Frage der Beachtung des Gleichheitssatzes (Art . 3 GG) unerheblich , ob der Beitragspflichtige auch selbst in den Genuß des Kindergeldes komme . Ferner lägen weder in der Begrenzung des Personenkreises , der zur Aufbringung der Mittel verpflichtet sei , noch in der Bemessung des Kindergeldbeitrags nach Kopfteilen Verstöße gegen Art 3 GG . Zu letzterer Regelung sei die Beklagte durch die Rahmenbestimmung des § 11 KGG ermächtigt . Ebensowenig sei die Beitragsveranlagung der Beklagten zu beanstanden , da sie entgegen der Annähme des Klägers für die nur teilweise beschäftigten Arbeitnehmer des Klägers nicht gleichhohe Beiträge gefordert habe wie bei den ganztags Tätigen . Entsprechend ihren vom Bundesversicherungsamt genehmigten Richtlinien verfahre die Beklagte vielmehr so , daß sie die von allen Beschäftigten insgesamt geleisteten Arbeitstage zusammenzähle , wobei eine Tätigkeit bis zu vier Stunden nur als halber Arbeitstag gelte . Für je 300 Arbeitstage der so errechneten Arbeitszeit werde ein Kopfbeitrag wie für einen Vollbeschäftigten für die darunter liegenden Seiten bis zu 150 Tagen nur ein halber Kopfbeitrag erhoben . Ungerechtfertigt sei weiterhin die Rüge des Klägers , die FAKen könnten ihre Beiträge willkürlich festsetzen , da ihre Ausgaben und ihr Etat unkontrolliert seien . Als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts unterliege der Gesamtverband der FAKen , dessen Mitglieder die einzelnen FAKen seien , der Aufsicht des Bundes . Im übrigen sei die Verwaltung an die Organisation der Berufsgenossenschaften (BGen) gebunden worden , wodurch die beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung tatsächlich eingetreten sei . Ferner gehe die Rüge der Wichtbeteiligung des Berufsstandes des Klägers an der Organisation der FAKen fehl . Entsprechend den auch für den Bereich des KGG geltenden Vorschriften des Selbstverwaltungsgesetzes (GSv) seien Vertretung und Mitspracherecht auch seines Berufsstandes in den Organen der FAKen gewährleistet.

Schließlich führe das dem Kläger durch nationalsozialistische Verfolgungs- und Gewaltmaßnahmen zugefügte Unrecht nicht zur Befreiung von der Beitragspflicht; denn das KGG sehe eine Freistellung unter derartigen Gesichtspunkten nicht vor . Soweit der Gesetzgeber für den Personenkreis der Verfolgten Ausnahmeregelungen für geboten erachtet habe , sei dem durch die Gesetzgebung zum Wiedergutmachungsrecht Rechnung getragen worden .

Die Revision wurde entsprechend dem ausdrücklichen Antrag des Klägers zugelassen , um die Frage der Freistellung der von Gewaltmaßnahmen des Naziregimes Betroffenen von Beitragsleistungen nach dem KGG höchstrichterlich überprüfen zu lassen .

II . Gegen das ihm am 7 . Dezember 1960 zugestellte Urteil legte der Kläger in eigenem Namen am 4 . Januar 1961 Revision ein und begründete diese am 25. Januar 1961 . Er macht weiterhin geltend , daß ihm als rassisch Verfolgten - er hat einen Sohn im Konzentrationslager (Arbeitserziehungslager) verloren - eine Beitragszahlung nach dem KGG nicht zuzumuten sei . Die Bundesrepublik müsse als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches für das von dessen Behörden verübte oder verschuldete Unrecht einstehen . Sie könne von Personen , die seinerzeit verbrecherisch behandelt worden seien , daher auch keine Leistungen für einen Zweck verlangen , gegen den gerade die früheren Behörden durch ihre Verfolgungs- und Gewaltmaßnahmen verstoßen hätten . Selbst wenn das KGG eine entsprechende Vorschrift nicht enthalte , so hindere dies nicht an einer Befreiung von der Beitragspflicht in jenen Fällen , in denen eine übergesetzliche Rechtsnorm dies gebiete . Der Grundsatz der Gerechtigkeit stelle aber hier eine solche ungeschriebene Norm dar . Ähnliche Gedanken kämen auch in den §§ 136a der Strafprozeßordnung (StPO) , 328 der Zivilprozeßordnung (ZPO) und Art . 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) zum Ausdruck . So wären auch nicht sämtliche Personen , die im Bereich der Bundesrepublik einem Gewerbe nachgingen , schlechthin in allen Fällen abgabepflichtig . Beispielsweise könnten Personen ausländischer Nationalität nach Völkerrecht nicht zu Abgaben herangezogen werden , die dazu dienen sollten , die Folgen des verlorenen Krieges in Deutschland zu beseitigen , wie die Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz (IAG) und die Hypothekengewinnabgabe . Da Hitler aber nicht nur gegen andere Staaten Krieg geführt habe , sondern in erster Linie gegen die Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft , ließen es eine höhere Rechtsordnung sowie das Völkerrecht nicht als zumutbar erscheinen , daß diese Verfolgten nunmehr durch ihre Leistungen zur Vermehrung derer noch beitragen sollten , die zu den Verfolgern gehörten . Zu ihnen zähle indirekt aber die Masse des deutschen Volkes; denn die begangenen Grausamkeiten wären nicht möglich gewesen , wenn sich diese Mehrheit nicht hinter die Verbrecher gestellt hätte .

Soweit das LSG auf die Wiedergutmachungsvorschriften verwiesen habe , könne ihm nicht gefolgt werden . Die Rückerstattungs- und Entschädigungsregelungen hätten sich nämlich als unvollständig erwiesen und würden keineswegs alle Wiedergutmachungsfragen berühren . Deswegen könne nicht gefolgert werden , daß dort , wo Wiedergutmachungsansprüche nicht ausdrücklich normiert seien , solche auch nicht vorhanden seien . Für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle müsse die Möglichkeit der Abhilfe auf Grund allgemeiner Rechtserwägungen des übergesetzlichen Rechts bestehen bleiben .

Der Kläger beantragte ,

das angefochtene Urteil , das Urteil des SG Berlin vom 5. Mai 1959 sowie die Beitragsrechnungen der Beklagten vom 8 . Oktober 1956 und vom 16 . Oktober 1957 aufzuheben .

Die Beklagte beantragte ,

die Revision zurückzuweisen .

Die Einwendungen des Klägers gegen die Beitragspflicht nach dem KGG und somit gegen das Berufungsurteil könnten nicht durchgreifen , da sie jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrten . So tragisch das persönliche Schicksal des Klägers sei , dürfe doch nicht übersehen werden , daß sich die Rechte auch der Opfer des Nationalsozialismus allein nach den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen richteten , wobei die begünstigenden Ausnahmeregelungen in den Normen des Wiedergutmachungsrechts abschließend enthalten seien . Ferner sei angesichts der Fremdrentengesetzgebung mindestens für den Bereich der Sozialversicherung fraglich , ob die Bundesrepublik und das Land Berlin Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches seien . Die vom Kläger aus anderen Gesetzen angeführten Vorschriften schließlich enthielten Rechtsgedanken , die mit der Begründung seines Klageanspruchs , insbesondere mit den streitigen Kindergeldbeiträgen nichts zu tun hätten .

Beide Parteien (Beklagte: Schriftsatz vom 21 . Februar 1961; Kläger: Schriftsatz vom 6 . Dezember 1961) haben sich mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt .

III . Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs . 1 Nr . 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ) . Sie ist auch zulässig , da sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet wurde (§§ 164 , 166 SGG) . Insbesondere ist die Einlegung der Revision durch den Kläger selbst nicht zu beanstanden , da er als zugelassener Rechtsanwalt auch in eigener Sache vor dem Bundessozialgericht (BSG) rechtswirksam Prozeßhandlungen vornehmen kann (§ 166 SGG; vgl . BSG 5 , 13 , 15). - Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Revision entscheiden , da beide Parteien damit einverstanden waren (§ 124 Abs . 2 i . V . m . §§ 153 Abs . 1 und 165 SGG) .

Die Revision ist jedoch nicht begründet .

Der Senat war veranlaßt , den Klageanspruch des Klägers - Aufhebung der ihn belastenden Beitragsanforderungen der Beklagten - seinem ganzen Umfang nach zu untersuchen . Wenn nach den Entscheidungsgründen des LSG die Revision zugelassen wurde , "um die Frage der Freistellung der von den Gewaltmaßnahmen des Naziregimes Betroffenen von Beitragsleistungen nach dem KGG höchstrichterlich überprüfen zu lassen" , so liegt hierin nur eine Begründung für den Zulassungsausspruch und insoweit nur ein Hinweis auf die Prüfung einer Rechtsfrage . Eine Beschränkung der Revision wäre indessen lediglich im Hinblick auf einzelne von mehreren geltend gemachten Ansprüchen zulässig , da allein diese Gegenstand des Verfahrens sind (vgl . BSG 3 , 135 , 138 , 139) .

IV . Ohne Rechtsirrtum hat das LSG die Verfassungswidrigkeit des KGG- und somit auch die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte unter diesem Gesichtspunkt - verneint. Es befindet sich dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG (vgl . BVerfGE 11 , 105 ff; NJW 1960 , 1099; MDR 1960 , 560) und des erkennenden Senats (vgl . Urteile vom 20 . Dezember 1957 in BSG 6 , 213 , 237 und 20 . September 1961 - 7 RKg 31/58 und 7 RKg 40/58 -) . Dort ist ua entschieden , daß das KGG weder unter dem Gesichtspunkt der einseitigen Belastung der Arbeitgeber und Selbständigen als Beitragspflichtiger noch deswegen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art . 3 GG verstößt , weil es unberücksichtigt läßt , ob ein Beitragspflichtiger selbst auch in den Genuß des Kindergeldes kommt . Der Senat hat keinen Anlaß , auf das Vorbringen des Klägers in diesem Rechtsstreit hin von der bisherigen ständigen Rechtsprechung abzuweichen . Gegen die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Kindergeldbeiträge nach Kopfteilen bestehen , wie das LSG zutreffend erkannt hat , ebenfalls keine Bedenken . Durch § 11 Abs . 2 letzter Satz KGG ist die FAK ermächtigt , das Nähere über die Erhebung der Beiträge durch ihre Satzung zu bestimmen . Der Rahmen dieser Ermächtigung erlaubt es , anstelle der Lohnsummen als Bemessungsgrundlage , wie § 732 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i . V . m .§ 29 KGG vorsieht , eine Beitragsbemessung nach Kopfteilen durchzuführen , da über § 29 KGG auch die Verordnung über die Aufbringung der Mittel in der Unfallversicherung vom 28 . Februar 1933 (RGBl I 100) idF der Verordnungen vom 14. Dezember 1934 (RGBl I 1252) und vom 21 . Dezember 1935 (RGBl I 1533) anwendbar ist . Die Rüge , in der Erhebung gleicher Beträge für sämtliche Arbeitnehmer , also auch für die nur teilweise beschäftigten , liege eine unzulässige Ungleichbehandlung , hat das LSG zutreffend mit der Feststellung ausgeräumt , daß die Kopfbeiträge nach den von den Arbeitnehmern insgesamt im Jahr geleisteten Arbeitstagen berechnet werden und daß alsdann für Abschnitte bis zu 150 Tagen nur ein halber Kopfbeitrag angesetzt wird . Gegen dieses Verfahren bestehen rechtlich keine Bedenken , da es die Besonderheiten der Teilzeitarbeit im Verhältnis zur Vollarbeit für alle Unternehmen in gleicher Weise beachtet . Ebensowenig greift die Rüge des Klägers durch , die Beitragsfestsetzung erfolge willkürlich , weil der Haushalt der FAKen unkontrolliert bleibe . Abgesehen davon , daß diese als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts (§§ 15 und 17 KGG) bereits einer Kontrolle durch die Selbstverwaltungsorgane unmittelbar ausgesetzt sind , unterliegen sie nach § 16 KGG auch der staatlichen Aufsicht . Infolgedessen kann von einem willkürlichen , damit unzulässigen Geschäftsgebahren der Verwaltung bei den FAKen nicht die Rede sein . Ihre Angliederung an die bestehende Organisation der BGen aber erfolgte , wie das LSG ebenso zutreffend ausführte , aus Gründen der Verwaltungserleichterung und Vereinfachung; sie ist nicht zu beanstanden (vgl . BVerfG und BSG aaO) . Die Beteiligung des Klägers und seines Berufstandes an der Organisation der FAKen ist , wie das LSG richtig dargelegt hat , durch die Bestimmungen des GSv vom 22 . Februar 1951 (BGBl I 124) idF vom 13 . August 1952 (BGBl I 427) gewährleistet .

V . Schließlich ist auch das - menschlich durchaus verständliche und voll zu würdigende - Vorbringen des Klägers , ihm als rassisch Verfolgten seien Beiträge nach dem KGG wegen ihrer Zweckbestimmung nicht zuzumuten , nicht geeignet , ihn von der gesetzlichen Verpflichtung zu befreien und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Beitragsrechnungen darzutun .

Durch § 10 KGG ist der Kreis der nach diesem Gesetz beitragspflichtigen Personen festgelegt . Nach Abs . 1 des § 10 KGG ist beitragspflichtig , wer für Arbeitnehmer , Selbständige oder mithelfende Familienangehörige Beiträge zu den BGen nach dem Dritten Buch der RVO aufzubringen hat oder hätte , wenn diese Personen versichert wären . Der Kläger erfüllt unstreitig jene Voraussetzungen . Andererseits trifft für ihn keine der in § 10 Abs . 2 und in § 11 Abs . 2 KGG zugelassenen Befreiungen (Ausnahmen) zu , auch nicht soweit er für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer beitragspflichtig ist . Das KGG enthält insbesondere , wie das LSG zutreffend ausführte , keine Beitragsbefreiung für von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen betroffene Personen . Auch die zu seiner Ergänzung und Durchführung ergangenen Vorschriften geben nicht die Möglichkeit , rassisch oder politisch Verfolgte von der Beitragspflicht nach § 10 KGG auszunehmen . Insoweit hat der objektivierte Wille des Gesetzgebers im Wortlaut zweifelsfrei Ausdruck gefunden . An das objektive Recht aber , damit auch an die positive Rechtsnorm , sofern eine solche - wie hier - wirklich vorhanden ist , bleibt das Gericht bei seiner Entscheidung gebunden (Art 20 Abs . 3 GG) . Kontrollfunktionen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes stehen dem Richter nur insoweit zu , als er im Rahmen des Art . 100 GG die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Normen nachprüfen kann und muß . Diese Prüfung hat der Senat in den oben angeführten Entscheidungen in bezug auf das KGG unter allen möglichen Gesichtspunkten vorgenommen und er hat - ebenso wie das BVerfG (vgl . BVerfGE 11 , 105 ff) - eine Verfassungswidrigkeit des KGG verneint . Damit war aber für den Senat - wie für jedes andere Gericht - der Weg , ein bestehendes Gesetz in seiner Rechtmäßigkeit anzuerkennen oder abzulehnen , erschöpft . Nicht ermächtigt ist ein Gericht , durch Auslegung , etwa zB durch Zulassung weiterer Ausnahmetatbestände , bestehende Vorschriften abzuändern oder zu erweitern; alsdann würde es sich eine Gesetzgebungsbefugnis beilegen , die ihm nicht zusteht . Dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Prinzip der Gewaltenteilung (Art . 20 Abs . 2 GG) gemäß ist es dem Gesetzgeber vorbehalten , dieses Recht auszuüben . Er allein also könnte eine Rechtsvorschrift in dem vom Kläger verfolgten Sinne schaffen . Der Senat verkennt nicht die Tragik des Geschehens , das dem Kläger widerfahren ist; jedoch weder diese noch die naturrechtlichen Überlegungen , die der Kläger mit dem Hinweis auf eine "höhere Rechtsordnung" anstellt , berechtigen das Gericht zur Abweichung von einer mit den Grundsätzen des GG in Einklang stehenden , unzweideutigen Rechtsnorm . Für die Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht ist demzufolge eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden . Daher kommt es auf die Frage , ob die Bundesrepublik Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches sei und als solche für dessen Handlungen und Verpflichtungen einzustehen habe , nicht an . Ebensowenig ist für den vorliegenden Fall von Belang , ob ein Ausländer durch deutsche Gesetze verpflichtet werden kann , Leistungen zur Beseitigung von Kriegsfolgen zu erbringen . Der Kläger ist weder Ausländer im Rechtssinn noch handelt es sich bei den Kindergeldbeiträgen um Abgaben zur Beseitigung von Kriegsfolgen .

VI . Nach alledem war das Urteil des LSG zu bestätigen . Die Revision des Klägers erwies sich als unbegründet; sie mußte zurückgewiesen werden (§ 170 Abs . 1 Satz 1 SGG) .

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG .

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2336699

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