Leitsatz (amtlich)

1. Zum landwirtschaftlichen Unternehmen zählen nur die Grundstücke, die der Unternehmer landwirtschaftlich nutzt (in die Bewirtschaftung einbezieht); daß er sie nutzen könnte, genügt nicht.

2. Wird Landabgaberente begehrt, so muß bei stufenweiser Abgabe des Unternehmens jede Einzelabgabe den Erfordernissen einer strukturverbessernden Abgabe genügen.

3. Eine stufenweise Abgabe beginnt nicht immer mit dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen nach Erreichen seines größten Umfangs sich erstmals wieder von Flächen trennt; der Beginn einer stufenweisen Abgabe bestimmt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles.

 

Normenkette

GAL § 41 Abs. 1 Buchst. c, §§ 42, 2 Abs. 7 Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. August 1975 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der 1909 geborene Kläger war landwirtschaftlicher Unternehmer. Er beantragte im März 1971 Landabgaberente. 1964 hatte er dem Ingenieur Emil H. ca. 1,7 ha Wiesen und Ödland zur Anlage eines Fischteiches auf die Dauer von 20 Jahren verpachtet; annähernd dieselben Flächen verkaufte er 1971 dem damals minderjährigen Sohn des Pächters, Edwin H., den beim Vertragsschluß seine Eltern vertraten. Im selben und im folgenden Jahre verpachtete der Kläger die restlichen Flächen (ca. 13,7 ha) bis auf einen Zurückbehalt von insgesamt 0,575 ha den Landwirtseheleuten R..

Die Beklagte lehnte eine Gewährung von Landabgaberente ab. Die Klage hatte im ersten Rechtszuge keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren erklärte sich die Beklagte bereit, für den Fall einer dem Kläger ungünstigen Entscheidung erneut zu prüfen, ob der Kläger ab 1. Dezember 1973 Anspruch auf Landabgaberente habe. Darauf wies das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers mit der Begründung zurück, daß ein Anspruch auf Landabgaberente weder nach dem 5. noch dem 6. Änderungsgesetz (ÄndG) zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) gegeben sei. Der Kläger habe nicht sein gesamtes Unternehmen - vom zulässigen Zurückbehalt abgesehen - strukturverbessernd abgegeben, da Edwin H. kein landwirtschaftlicher Unternehmer sei. Daß die ihm verkauften Flächen bereits 1964 für 20 Jahre an seinen Vater verpachtet worden seien, sei ohne Bedeutung, da der Pachtvertrag anläßlich des Verkaufs vorzeitig aufgehoben worden sei; wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung fehle, lasse doch der tatsächlich zwischen den gleichen Personen abgeschlossene Kaufvertrag nur den Schluß zu, daß die Vertragsparteien nicht mehr an dem Pachtverhältnis festhalten wollten. Durch die Auflösung des Pachtvertrages habe der Kläger, wenn auch nur für eine sog. juristische Sekunde, die volle Verfügungsgewalt über die bisher verpachtete Fläche wiedererlangt; diese sei damit dem Unternehmen zuzurechnen.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und

Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen und Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Landabgaberente ab 1. März 1971

beantragt.

Er rügt die Verletzung der §§ 41 Abs. 1 Buchst. c, 42, 2 Abs. 3 GAL. Das Pachtverhältnis sei durch den Verkauf nicht beendet, sondern nur durch die neuen Eigentumsverhältnisse überlagert worden. Der Pächter habe den Besitz der Pachtflächen auch nicht eine Sekunde lang aufgegeben.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen. Sie hat mitgeteilt, daß sie dem Kläger durch Bescheid vom 17. März 1976 Landabgaberente ab 1. Dezember 1973 bewilligt hat.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist insofern begründet, als das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden muß.

Der Anspruch auf Landabgaberente ist für die noch streitige Zeit nach dem GAL 1971 bzw. 1972 (5. und 6. ÄndG zum GAL) zu beurteilen. Voraussetzung ist hiernach (u. a.), daß der landwirtschaftliche Unternehmer "seine landwirtschaftlichen Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat" (§ 41 Abs. 1 Buchst. c); das muß nach dem 31. Juli 1969 in der in den §§ 41, 42 i. V. m. § 2 GAL bestimmten Weise geschehen sein; dabei konnte an eine natürliche Person nur wirksam abgegeben werden, wenn diese landwirtschaftlicher Unternehmer ist (§ 42).

Nicht erforderlich ist, daß das gesamte Unternehmen in einem Zuge abgegeben wird. Die Abgabe kann vielmehr auch stufenweise geschehen (vgl. § 2 Abs. 7 GAL). Dann müssen aber - vom zulässigen Zurückbehalt abgesehen - hinsichtlich jeder einzelnen Abgabe die maßgebenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein; wird Landabgaberente begehrt, muß demnach jede Einzelabgabe den Erfordernissen einer strukturverbessernden Abgabe genügen.

Wann eine stufenweise Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens beginnt, hat der Senat bisher noch nicht entschieden. Der Beginn kann jedoch nicht ohne weiteres auf den Zeitpunkt verlegt werden, in dem das Unternehmen nach Erreichen seines größten Umfangs sich erstmals wieder von Flächen trennt. Sonst müßten Leistungsgewährungen nach dem GAL nicht selten daran scheitern, daß zeitlich weit zurückliegende Abtrennungen den Abgabeerfordernissen des GAL nicht entsprechen. Eine solche Betrachtungsweise würde auch dem Unternehmensbegriff des GAL nicht gerecht. Das Unternehmen läßt sich nicht ein für allemal auf einen Zeitpunkt fixieren; es beruht auf Bodenbewirtschaftung; im Laufe einer unternehmerischen Tätigkeit verändert sich aber der Umfang des bewirtschafteten Bodens oft beträchtlich.

Andererseits können als Unternehmen nicht nur die Flächen im Zeitpunkt der letzten Abgabe verstanden werden, da damit eine stufenweise Abgabe überhaupt entfiele. Damit wird entscheidend, wie weit zurück in die Vergangenheit gegriffen werden darf. Der Senat ist der Meinung, daß das von den Umständen des Einzelfalles und deren Gesamtschau abhängt. Einen gewissen Anhalt können insoweit die Bestimmungen des § 41 Abs. 1 Buchst. d und e geben, die auf die der Abgabe vorausgegangenen fünf Jahre abstellen, soweit es auf den Hauptberuf des Unternehmers und die Höchstgröße des Unternehmens ankommt. Das bedeutet, daß jedenfalls die Trennungsvorgänge der letzten fünf Jahre den gesetzlichen Abgabeerfordernissen genügen müssen.

Im vorliegenden Falle hält der Senat die 1964 erfolgte Verpachtung der 1,7 ha zur Anlage eines Fischteiches für die Dauer von 20 Jahren nicht schon für den Beginn einer stufenweisen Unternehmensabgabe. Die Verpachtung umfaßte nur einen kleinen Bruchteil des damaligen Gesamtunternehmens; sie war für die weitere unternehmerische Tätigkeit des Klägers offenbar ohne wesentlichen Einfluß. Bis 1971, also in den folgenden rund sieben Jahren, ist es dann zur Abgabe sonstiger Flächen nicht mehr gekommen. Erst 1971 hat der Kläger die Rest- und eigentlichen Unternehmensflächen von rund 13 ha abgegeben. Unter diesen Umständen kann bei der Beurteilung des im März 1971 gestellten Rentenantrags als Unternehmen im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL nur der Flächenbestand nach der Verpachtung der 1,7 ha, d. h. der Flächenbestand in den folgenden Jahren bis zum Jahre 1971 verstanden werden.

Dem Begehren des Klägers auf Landabgaberente läßt sich daher nicht entgegenhalten, daß die Verpachtung der 1,7 ha im Jahre 1964 den Erfordernissen der §§ 41, 42 GAL nicht genügte, aus welchen Gründen auch immer (Abgabe vor dem 1. August 1969, der Pächter war kein landwirtschaftlicher Unternehmer). Der Senat kann daher hier offen lassen, ob der Begriff des Unternehmens im Rahmen der Vorschriften über die Landabgaberente noch weiter dahin einzuschränken wäre, daß überhaupt nur der Umfang des Unternehmens am und nach dem 1. August 1969 maßgebend sein kann.

Die Teichflächen sind auch später nicht mehr Teil des Unternehmens des Klägers geworden. Das LSG meint zwar, der Kläger hätte 1971 vor dem Verkauf an Edwin H. noch für eine juristische Sekunde die volle Verfügungsgewalt über die Teichflächen erlangt. Was es darunter versteht, ist unklar; die Verfügungsgewalt des Eigentümers kann jedenfalls nicht gemeint sein. Sollte es an Besitz und Nutzung gedacht haben, dann wendet sich der Kläger hiergegen zu Recht (wobei seine Rügen gegebenenfalls als Verfahrensrügen einer Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - zu behandeln sind). Es fehlt an jedem Anhalt dafür, daß die Vertragspartner von 1964 anläßlich des Verkaufs der Teilflächen im Jahre 1971 dem Kläger für irgendeine Zeit, und sei es auch nur für eine Sekunde, wieder die Möglichkeit zu Besitz und Nutzung der Teilflächen zukommen lassen wollten. Zum Zustandekommen des Kaufvertrages bedurfte es keiner Aufhebung des Pachtvertrages; der Erwerber trat kraft Gesetzes (§§ 581 Abs. 2, 571 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) in die Rechtsstellung des Verpächters ein; wie lange der Pachtvertrag danach fortbestand, hatten allein der bisherige Pächter (Vater H.) und der neue Eigentümer = Verpächter (Sohn H.) zu entscheiden.

Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Kläger 1971 noch für einen Augenblick die Möglichkeit zu eigener Nutzung der Teichflächen erlangte. Zum Unternehmen gehören nur diejenigen Flächen, die der Unternehmer landwirtschaftlich nutzt (in die Bodenbewirtschaftung einbezieht); es reicht nicht aus, daß ihm eine solche Nutzung bloß möglich wäre. Ein Unternehmer kann aus vielen Gründen davon absehen, Eigenland selbst zu bewirtschaften; ein Grund ist auch der, daß er bestimmte Flächen nach dem Ende einer Verpachtung demnächst an andere Personen wieder verpachten oder verkaufen will. Nutzt er die Flächen in der Zwischenzeit selbst landwirtschaftlich nicht, dann können die Flächen weder für die Pachtzeit noch für die Zwischenzeit dem Unternehmen zugerechnet werden.

Sonach kommt es auch nicht darauf an, daß Edwin H. als der Erwerber der Teilflächen im Jahre 1971 kein landwirtschaftlicher Unternehmer war.

Der Senat kann gleichwohl in der Sache nicht abschließend entscheiden. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich nicht, daß im übrigen die Voraussetzungen für eine Landabgaberente nach dem GAL 1971 bzw. 1972 gegeben wären. Da der Senat die erforderlichen - durch den Bescheid der Beklagten vom 17. März 1976 nicht entbehrlich gewordenen - Feststellungen selbst nicht treffen darf, war der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten, an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1648031

BSGE, 153

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