Leitsatz (redaktionell)

Ein Brachliegenlassen von Flächen hat zwar den Verlust der Unternehmereigenschaft zur Folge, ist jedoch keine Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens iS des GAL § 2 Abs 3. Auch durch den Ablauf der Frist von 9 Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des landwirtschaftlichen Unternehmers sind bei Vollendung seines 74. Lebensjahres die Abgabevoraussetzungen allein durch das Brachliegenlassen des Landes nicht erfüllt; der erforderliche neunjährige Verpachtungszeitraum erweitert sich bei erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres des landwirtschaftlichen Unternehmers erfolgten Verpachtungen uU bis weit nach Vollendung seines 74. Lebensjahres.

 

Normenkette

GAL § 2 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 1974 aufgehoben.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. März 1974 wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am 30. Juni 1899 geborene Kläger betrieb in Berlin seit 1946 ein gärtnerisches Unternehmen auf von der Stadt gepachtetem Land. Von 1957 bis Dezember 1972 entrichtete er Beiträge zur Beklagten. Mit Ablauf des Jahres 1972 meldete er das Unternehmen ab und stellte den Betrieb ein, ohne das Pachtland zurückzugeben.

Im März 1973 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersgeld. Der Antrag wurde abgelehnt, weil er sein Unternehmen noch nicht abgegeben habe (Bescheid vom 6. März 1974).

Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Altersgeld ab 1. Juni 1973; die weitergehende Klage (Zahlung ab 1. April 1973) wurde abgewiesen. Das SG sah den Verlust der Unternehmereigenschaft in der mit der Einstellung der Bewirtschaftung verbundenen Abmeldung des Unternehmens. Für eine Fortsetzung der Bewirtschaftung trotz Abmeldung gebe es keine Anhaltspunkte. Nach der Ansicht des SG erfüllt von der Vollendung des 74. Lebensjahres an allein der Verlust der Unternehmereigenschaft die Leistungsvoraussetzung der Abgabe im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Infolgedessen habe sich im Falle des Klägers die verlangte Abgabe für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres durch Zeitablauf von selbst erfüllt. Der Kläger habe somit sein Unternehmen zu dem Zeitpunkt abgegeben, in dem er sein 74. Lebensjahr vollendete (Juni 1973).

Das SG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte hat mit Zustimmung des Klägers Sprungrevision eingelegt; sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs. 3 GAL.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Beklagten ist begründet; ihr Bescheid vom 6. März 1974 ist rechtmäßig.

Der Anspruch des Klägers auf Altersgeld ist nach § 2 Abs. 1 GAL zu beurteilen. Streitig ist allein, ob er den von ihm bewirtschafteten Gärtnereibetrieb abgegeben hat (§ 2 Abs. 1 Buchst. c GAL).

"Abgabe" ist nach § 2 Abs. 3 GAL die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft; ist mit der Abgabe kein Eigentumsübergang verbunden, so ist - nach Satz 2 dieser Vorschrift - die Voraussetzung der Abgabe nur erfüllt, wenn sie für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des abgebenden Unternehmers schriftlich vereinbart worden ist. Das SG hat die Bedeutung dieser Vorschrift verkannt. Es ist zwar zutreffend davon ausgegangen, der Kläger habe dadurch, daß er seinen Betrieb abgemeldet und dessen Bewirtschaftung endgültig eingestellt hat, d. h. das Land nicht nur vorübergehend hat brach liegen lassen, seine Unternehmereigenschaft verloren; es hat aber zu Unrecht angenommen, der Kläger habe damit auch sein Unternehmen im Sinne des GAL abgegeben.

Der Senat hat schon wiederholt entschieden, daß das nicht nur vorübergehende Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Flächen zwar den Verlust der Unternehmereigenschaft zur Folge hat, daß das aber keine Abgabe im Sinne des GAL darstellt. Dem Abgebenden muß die Wiedererlangung der Unternehmereigenschaft möglichst endgültig verschlossen sein (vgl. SozR Nr. 6 zu § 2 GAL aF und Urteil vom 6. Juli 1972 - 11 RLw 8/71). Das alles gilt auch für den vorliegenden Fall. Der Umstand, daß der Kläger seinen Betrieb außerdem offiziell abgemeldet hat, ändert daran nichts.

Das landwirtschaftliche Unternehmen hat hier ausschließlich aus Pachtland bestanden. In solchem Falle erfolgt die Abgabe in der Regel in der Weise, daß der Pächter das Pachtland an den Verpächter zurückgibt, allenfalls auch dadurch, daß er es mit dessen Zustimmung an einen Dritten unterverpachtet. Dem SG ist zuzugeben, daß sich die Rückgabe an den Verpächter in den Wortlaut des § 2 Abs. 3 nicht ohne weiteres einordnen läßt. Dennoch kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kein Zweifel daran bestehen, daß sie auch einen endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft durch Rückgabe von Pachtland einbezieht. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ist das jemals bezweifelt worden (vgl. BSG aaO).

Dem Kläger steht es jederzeit offen, das Pachtland zurückzugeben, wenn auch nicht durch einseitige Kündigung einer Teilfläche, so doch durch entsprechende Vereinbarung mit dem Verpächter. Die Motive, die den Kläger bislang veranlaßt haben, von der Rückgabe des gesamten Pachtlandes abzusehen, sind rechtlich ohne Bedeutung. Maßgebend ist vielmehr allein, daß er das Pachtland noch nicht zurückgegeben hat.

Dem Gedankengang des SG bei der Auslegung des § 2 Abs. 3 GAL vermag der Senat nicht zu folgen. Schon der Ausgangspunkt des SG ist unrichtig, wenn es meint, von der Vollendung des 74. Lebensjahres des Unternehmers an, erfülle allein schon der Verlust der Unternehmereigenschaft die Voraussetzung der Abgabe. Es verkennt, daß die Abgabe, wenn mit ihr kein Eigentumsübergang verbunden ist, - außer bei der Rückgabe von Pachtland (siehe obige Ausführungen) - für einen Gesamtzeitraum von mindestens neun Jahren schriftlich vereinbart sein muß, auch wenn eine solche Vereinbarung erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgt. Ist demnach ein landwirtschaftlicher Unternehmer bei Verpachtung von Eigenland älter als 65 Jahre, so verlängert sich die notwendige Pachtdauer unter Umständen weit über sein 74. Lebensjahr hinaus. Die Ansicht des SG liefe im Ergebnis darauf hinaus, jedem ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer, der das 74. Lebensjahr vollendet hat, Altersgeld zuzubilligen, ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer oder Pächter eines landwirtschaftlichen Unternehmens ist, wenn er das Land nur nicht mehr bewirtschaftet. Eine derartig weitgehende Gesetzesauslegung verbietet sich jedoch, weil der Gesetzgeber offensichtlich eine andere Regelung gewollt hat, wie der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 2 GAL zeigt.

Weil somit eine Abgabe im Sinne des GAL nicht vorliegt, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung zur Gewährung von Altersgeld. Auf die Sprungrevision der Beklagten muß deshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647739

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