Leitsatz (amtlich)

1. Transportbetonbetriebe verrichten grundsätzlich keine Bauleistungen (Arbeiten am erdverbundenen Bau) iS des 8. DV AVAVG § 2 Nr 1.

2. Ein (einheitlicher) Betrieb kann von mehreren Unternehmungen gebildet werden. Voraussetzung ist eine gemeinsame technische Leitung, ein gemeinsamer Betriebszweck und eine enge Verflechtung in der Arbeitsgestaltung.

3. Arbeitsausfall ist nur dann durch zwingende witterungsbedingte Gründe verursacht, wenn die betreffende Arbeit unmittelbar durch Witterungseinflüsse behindert wird.

 

Normenkette

AVAVG §§ 143d, 143e Abs. 1 Nr. 1; AVAVGDV 8 § 2

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung von Schlechtwettergeld (SWG) für drei Fahrer von Transportbeton.

Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. Gemeinsam mit einem anderen Bauunternehmen, der Firma W H N., in L, gründete sie die Firma T-W GmbH & Co. KG mit dem Sitz in B. Dieses Unternehmen stellt fast ausschließlich Transportbeton für den Bedarf der beiden Gesellschafterfirmen her. Beide Gesellschafter sind an dem Transportbetonwerk zu gleichen Teilen beteiligt. Die kaufmännische und technische Leitung des Transportbetonwerkes obliegt dem Mitgesellschafter der Klägerin F M. Die anfallenden Buchhaltungs- und Verwaltungsarbeiten werden im Büro der Klägerin erledigt. Die für die Herstellung und den Transport benötigten Arbeitnehmer werden von den beiden Baufirmen gestellt, und zwar von der Klägerin die Fahrer D N und J, deren Anspruch auf SWG streitig ist, von der Firma H - nach Angaben der Klägerin - ein Facharbeiter. Die von diesen Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden werden dem Transportbetonwerk von den Gesellschafterfirmen in Rechnung gestellt, während demgegenüber der gelieferte Beton den Gesellschaftern nach Angaben der Klägerin nur in Höhe der Unkosten und ohne Gewinnspanne berechnet wird. Zum Abschluß des Jahres erstellt die Firma T W GmbH & Co. KG eine eigene Gewinn- und Verlustrechnung.

Die Klägerin beantragte in eigenem Namen SWG für die drei Fahrer. Das Arbeitsamt wies die Anträge ab. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Dortmund vom 21. Juli 1970; Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 1972). Das LSG hat das Transportbetonwerk als eigenständigen Betrieb angesehen, der nicht der SWG-Regelung unterliege.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin zunächst die unrichtige Besetzung des Berufungsgerichts und bringt hierzu vor: Der im Jahre 1971 als Berichterstatter bestellte Richter am LSG Dr. W habe, obwohl er dem Senat auch im Jahre 1972 angehört habe, bei der Entscheidung vom 25. Mai 1972 nicht mitgewirkt. - In der Sache rügt die Klägerin, das LSG habe den Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages Bau (BRTV Bau), auf den es für die SWG-Regelung ankomme, fehlerhaft abgegrenzt. Nach Nr. 6 d der Protokollnotiz zum BRTV Bau vom 21. Juni 1965 i. d. F. vom 6. September 1965 seien lediglich Betriebe ausgeschlossen, die Betonmischungen gewerbsmäßig herstellen und vertreiben. Hierunter falle das Betonwerk nicht, da es eine unselbständige Betriebsabteilung der Klägerin sei und nur in geringfügigem Umfang für den Markt produziere.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des LSG vom 25. Mai 1972 und das Urteil des SG vom 21. Juli 1970 aufzuheben,

2.

die Bescheide der Beklagten vom 5. März 1969, 25. März 1969 und 29. April 1969, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Oktober 1969 aufzuheben,

3.

die Beklagte zu verurteilen, für die Arbeitnehmer D und J SWG für die Ausfalltage in der Zeit vom 1. November 1968 bis 16. Februar 1969 und für den Arbeitnehmer N bis 28. Februar 1969 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß es sich bei dem Transportbetonwerk um einen selbständigen Betrieb handele, der keine baulichen Leistungen erbringe und deshalb nicht in die SWG-Regelung einbezogen sei. Selbst wenn man aber das Transportbetonwerk als unselbständige Betriebsabteilung ansehen wolle, so sei doch der witterungsbedingte Arbeitsausfall nicht im Betonwerk, sondern auf den Baustellen entstanden. Für das Betonwerk habe dieser Arbeitsausfall lediglich die Bedeutung eines Absatzmangels. Die Betonproduktion selbst sei durch die Witterung nicht ausgeschlossen gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und muß zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen.

Die Rüge der unrichtigen Besetzung des 16. Senats des LSG bei seiner Entscheidung am 25. Mai 1972 greift nicht durch, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist substantiiert vorgetragen worden ist. Die Frage der unrichtigen Besetzung des Gerichts ist nur auf Rüge eines Beteiligten zu prüfen (BSG, Urteil vom 28. Juli 1961 - 8 RV 145/59 - BSGE 14, 298; BAGE 11, 276, 277; BGH JZ 1962, 544; Heußner, NJW 1961, 1189 ff). Die somit notwendige Rüge ist zwar von der Klägerin erhoben worden, jedoch fehlt es an der Substantiierung. Hierzu ist erforderlich, daß innerhalb der Revisionsbegründungsfrist - hier bis zum 9. Oktober 1972 - die Tatsachen und Beweismittel angegeben werden, aus denen sich der Mangel ergibt (§ 164 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). In der Revisionsbegründungsschrift vom 26. September 1972 hat die Klägerin nur vorgebracht, daß Dr. W im Jahre 1971 Berichterstatter war und 1972 bei der angefochtenen Entscheidung des 16. Senats des LSG nicht mitgewirkt hat. Zur Substantiierung der Rüge einer unrichtigen Besetzung des 16. Senats des LSG hätte die Klägerin bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zumindest noch unter Angabe entsprechender Tatsachen und Beweismittel vorbringen müssen, daß eine im Jahre 1972 vom Vorsitzenden des 16. Senats des LSG getroffene Bestellung eines anderen Berichterstatters nicht den Vorschriften des SGG oder den insoweit entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprochen habe. Soweit die Klägerin in ihrem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 28. Februar 1973 hierzu weitere Ausführungen macht, können diese nicht mehr berücksichtigt werden.

In der Sache selbst geht das LSG zutreffend davon aus, daß die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG (§§ 143 d und e des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -) dann zu verneinen sind, wenn es sich bei dem Transportbetonwerk um einen selbständigen Betrieb handelt. Nach § 143 d Abs. 1 AVAVG wird SWG nur in Betrieben des Baugewerbes gewährt. Der Kreis der in Betracht kommenden Betriebe ist durch § 2 der 8. Durchführungsverordnung (DVO) zum AVAVG vom 9. Dezember 1959 (hier maßgeblich i. d. F. der 3. Verordnung zur Änderung und Ergänzung der 8. DVO vom 18. Oktober 1965- BGBl I 1651) näher bestimmt. Danach ist die Gewährung von SWG zulässig in Betrieben, die nach ihrer Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art errichten oder sonstige bauliche Leistungen erbringen und in denen insbesondere Arbeiten der im einzelnen aufgeführten Arten ausgeführt werden. In dem Katalog der Bauarbeiten ist auch das "Herstellen von Betonmischungen" ... "auch in selbständiger Teiltätigkeit" genannt. Diese Vorschrift stellt kumulativ zwei Voraussetzungen auf. Es müssen gewerblich Bauten aller Art errichtet oder sonstige bauliche Leistungen erbracht werden und es müssen insbesondere Arbeiten der im einzelnen aufgeführten Art verrichtet werden. Die Ausführung von Betonmischarbeiten, wie im Katalog des § 2 der 8. DVO z. AVAVG bezeichnet, reicht somit allein noch nicht aus, einem Betrieb den Charakter eines Baubetriebes zu geben. Der Betriebszweck muß außerdem auf bauliche Leistungen ausgerichtet sein. Hieran fehlt es bei einem Transportbetonwerk. Unter baulichen Leistungen sind, wie bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 3. Februar 1965 (AP Nr. 11 zu § 4 TVG Geltungsbereich)- und im Anschluß hieran der erkennende Senat (Urteil vom 16. Dezember 1971 - 7 RAr 48/68 -SozR Nr. 1 zu § 143 d AVAVG) entschieden hat, nur Arbeiten zu verstehen, die am erdverbundenen Bau verrichtet werden. Bei der Herstellung und Anlieferung von Transportbeton durch das Transportbetonwerk handelt es sich nicht um solche Arbeiten. Es fehlt dabei an den "baulichen Leistungen" im oben gekennzeichneten Sinne. Da weder festgestellt noch vorgetragen worden ist, daß die Arbeitnehmer des Transportbetonwerkes den an der Baustelle angelieferten Beton selbst am Bau verarbeiten, ist davon auszugehen, daß durch den Betrieb Transportbetonwerk zwar die Voraussetzungen für bauliche Leistungen im Sinne der 8. DVO z. AVAVG geschaffen werden, bauliche Leistungen in diesem Sinne von dem Betrieb jedoch nicht erbracht werden.

Der Ausschluß von Betrieben, die ausschließlich oder überwiegend der Herstellung und Lieferung von Transportbeton dienen, wird nicht etwa deshalb aufgehoben, weil Beton kein lagerfähiges Produkt ist, seine Herstellung stets auf spezielle Anforderung für ein bestimmtes Bauvorhaben erfolgt und somit die Produktion und Lieferung ebenfalls von der Witterung an der Baustelle abhängig ist. Der Gesetzgeber - ebenso wie der Verordnungsgeber - hat, obwohl dieses Problem hinlänglich bekannt ist, bei der Frage der Einbeziehung oder Ausschließung von Betrieben in die SWG-Regelung deutlich zwischen denjenigen Betrieben unterschieden, die bauliche Leistungen erbringen und solchen, die hierfür Zulieferungen vornehmen, ohne daß dabei zwischen Zulieferungen von Beton, anderen Baumaterialien oder sonstigen Gegenständen unterschieden wird. Die letzteren Betriebe sind aber nicht in die SWG-Regelung einbezogen worden. Im übrigen gehen die Tarifvertragsparteien ebenfalls davon aus, daß die Herstellung und Anlieferung von Transportbeton nicht zu den baulichen Leistungen gehört. Wenn es in der Protokollnotiz 6 b vom 21. Juli 1965 zum BRTV Bau heißt, daß die Herstellung von Betonmischungen als bauliche Leistung gilt, sofern sie für den eigenen Bedarf erfolgt, so handelt es sich dabei um eine Fiktion, die durch den Gebrauch des Wortes "gilt" verdeutlicht wird. Aus dieser Fiktion folgt aber, daß nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden die Betonherstellung und Lieferung an sich nicht zu den baulichen Leistungen zählt. Verstärkt wird dies durch den zweiten Satz der Protokollnotiz, in der bestimmt wird, daß Betriebe ausgeschlossen sind, die Betonmischungen gewerbsmäßig herstellen und vertreiben.

Durch diese Fiktion der Protokollnotiz 6 b wird das Transportbetonwerk nicht etwa entgegen dem Wortlaut des § 143 d AVAVG und des § 2 der 8. DVO z. AVAVG in die SWG-Regelung einbezogen. Die Fiktion, daß die Herstellung von Betonmischungen für den eigenen Bedarf als bauliche Leistung gilt, ist nicht Inhalt der 8. DVO z. AVAVG geworden. Zwar heißt es in der amtlichen Begründung (BABl 65, 835), es habe sich bewährt, daß die gesetzliche SWG-Regelung auf alle Betriebe des Baugewerbes angewendet werde, die vom fachlichen Geltungsbereich der Tarife für die Bauwirtschaft erfaßt würden. Daher erhalte § 2 der 8. DVO z. AVAVG eine neue Fassung, deren Nr. 1 weitgehend mit dem fachlichen Geltungsbereich der neuen tariflichen Regelung übereinstimme. Diese Übereinstimmung solle es auch ermöglichen, bei der Auslegung der Nr. 1 die Protokollnotizen der Tarifparteien vom 21. Juni 1965 und 6. September 1965 mit heranzuziehen. Diese Vorstellungen des Verordnungsgebers können jedoch nicht dazu führen, daß Abgrenzungen der Tarifvertragsparteien, die wie die Protokollnotiz 6 b offensichtlich nicht aus dem Begriff "bauliche Leistungen" abgeleitet sind, sondern praktischen Bedürfnissen durch eine eigenständige Regelung Rechnung tragen, zur Grundlage der Auslegung des Gesetzes und der DVO gemacht werden. Abgesehen von dem Wortlaut der 8. DVO z. AVAVG verbietet dies auch die unterschiedliche Zweckbestimmung von DVO und Tarifvertrag. Während es sich für den Tarifbereich insoweit nur um eine Zuständigkeitsregelung handelt, betrifft die Regelung des SWG die Abgrenzung des berechtigten Personenkreises.

Aus allem folgt daher, daß das Transportbetonwerk dann nicht zu den Betrieben im Sinne des § 143 d i. V. m. der 8. DVO z. AVAVG zählt, wenn es sich dabei um einen selbständigen Betrieb handelt.

Zu Unrecht geht jedoch das LSG davon aus, daß das Transportbetonwerk nicht als Betriebsteil eines die Firma M KG mitumfassenden Betriebes angesehen werden kann und hat deshalb ungeprüft gelassen, ob unter dieser Voraussetzung Ansprüche auf SWG begründet sein können. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß auch selbständige Betriebsabteilungen von Baubetrieben nicht anders zu behandeln sind als der Gesamtbetrieb. Weder § 143 d AVAVG noch § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 8. DVO z. AVAVG sehen eine Differenzierung für Betriebsabteilungen vor. Das Gesetz enthält insoweit auch keine Lücke, die durch entsprechende Anwendung des § 129 Abs. 1 AVAVG, der für das Kurzarbeitergeld Betriebsabteilungen den Betrieben gleichstellt, ausgefüllt werden müßte, wie der erkennende Senat in einer anderen Sache entschieden hat (BSG, Urteil vom 19. März 1974 - 7 RAr 6/71 -).

Die Zugehörigkeit zu einem einheitlichen Betrieb ist, im Gegensatz zur Auffassung des LSG, nicht dadurch von vornherein ausgeschlossen, daß das Betonwerk unter eigener Rechtspersönlichkeit errichtet worden ist. Das BAG hat bereits mehrfach entschieden (BAG, Urteil vom 4. Juli 1957 - 2 AZR 86/55 - AP Nr. 1 zu § 21 KSchG; BAG, Urteil vom 1. Dezember 1961 - 1 ABR 9/60 - AP Nr. 1 zu § 80 ArbGG; BAG, Urteil vom 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - AP Nr. 10 zu § 3 BetrVG 1952), daß ein Betrieb auch von zwei Unternehmen betrieben werden kann. Diese Auffassung wird im Schrifttum geteilt (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 151; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. Bd. 1 S. 93 f; und die Anmerkungen zu den zitierten Urteilen des BAG aaO). Ein Unternehmen ist eine rechtlich-wirtschaftliche, der Betrieb eine technisch-organisatorische Einheit. Die Merkmale eines Betriebes liegen dementsprechend mehr im Bereich der tatsächlichen Gestaltung und nicht in der rechtlichen Ordnung der Eigentums- und Gewinnansprüche. Die Übernahme dieser Rechtsprechung kann zwar nicht unbesehen erfolgen, weil der Betriebsbegriff am Ziel der jeweiligen gesetzlichen Regelung auszurichten ist (BSGE 34, 120, 122). Die enge Verbindung des SWG-Rechts mit dem Tarifrecht und die Antragsbefugnis der Betriebsvertretung erlauben jedoch eine Anlehnung an die für diese Bereiche des Arbeitsrechts entwickelten Kriterien.

Voraussetzung für die Annahme eines einheitlichen Betriebes zweier Unternehmen ist allerdings in jedem Fall die Identität des Betriebsinhabers. Das bedeutet, beide beteiligten Unternehmen müssen miteinander durch eine einheitliche Inhaberschaft zu einem, beide Betriebskomplexe umfassenden Betrieb verbunden sein. Diese Verbindung ist regelmäßig darin zu sehen, daß sich beide Unternehmen über eine einheitliche Leitung des gesamten Betriebes geeinigt haben (vgl. Hueck/Nipperdey aaO S. 93 Fußnote 8). Die damit verbundene Streitfrage, ob es sich hier um ein tatsächliches Zusammenwirken oder um die stillschweigende Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Bedeutsam ist jedenfalls, daß damit die einheitliche, vor allem technische Leitung des Unternehmens zum wesentlichen Merkmal eines einheitlichen Betriebes wird. Um diese Frage für den vorliegenden Fall entscheiden zu können, reichen die Feststellungen des LSG jedoch nicht aus. Fest steht zwar, daß der Mitgesellschafter der Klägerin, F M, das Betonwerk leitet. Unklar ist demgegenüber, ob er auch den Baubetrieb der Klägerin zumindest überwiegend technisch leitet.

Die gemeinsame technische Leitung reicht allerdings allein nicht aus, die Einheitlichkeit des Betriebes zu sichern. Es ist vielmehr auch anhand der übrigen Merkmale des Betriebsbegriffes festzustellen, wieweit hier eine Verflechtung vorliegt und abzuwägen, ob der Gesamtumfang der Verflechtung die Zusammenfassung zu einem Betrieb rechtfertigt. Neben der gemeinsamen technischen Leitung ist als verbindendes Element eine gemeinsame Zweckausrichtung beider Betriebsteile erforderlich (vgl. Hueck/Nipperdey aaO). Auch hierzu müssen noch Feststellungen getroffen werden. Fest steht zwar, daß das Betonwerk den im Rahmen des Bauunternehmens der Firma Müsse KG benötigten Beton herstellt. Das reicht allein jedoch nicht aus. Die erforderliche enge Zweckverbindung wäre aber dann gegeben, wenn sich erweist, daß die Lieferung lediglich zum Selbstkostenpreis erfolgt und der Gewinn aus der Betonherstellung erst im Rahmen der Bautätigkeit erzielt wird und wenn außerdem der von der Firma M KG abgenommene Anteil wenigstens annähernd die Hälfte der gesamten Produktion umfaßt. Auch dann bleibt noch ein wesentlicher Produktionsanteil, der anderen Zwecken dient. Diese Einschränkung der gemeinsamen Zweckbestimmung wird aber möglicherweise ausgeglichen durch eine Vielzahl weiterer Verflechtungen.

Festgestellt ist, daß die Verwaltung für beide Werke gemeinsam bei der Klägerin geführt wird. Da F M neben der technischen auch die kaufmännische Leitung des Betonwerks innehat, könnte zudem eine gemeinsame kaufmännische Leitung vorliegen. - Eigenes Personal hat das Betonwerk nicht. Es wird von den Gesellschaftern gestellt. Das Vorbringen der Klägerin spricht außerdem dafür, daß das Personal überwiegend von der Klägerin gestellt wird und je nach Bedarf wieder im Baugeschäft tätig wird, so daß man von einer im wesentlichen einheitlichen Belegschaft ausgehen könnte. Eine weitere Verbindung könnte darin liegen, daß auch technische Einrichtungen (z. B. Lastwagen für die Materialanfuhr) von der Klägerin gestellt werden und andere Arbeiten (z. B. technische Wartungsarbeiten) von ihr mit ausgeführt werden.

Hierzu wird das LSG ebenfalls noch weitere Feststellungen treffen müssen.

Was die räumliche Entfernung zwischen dem Betonwerk und dem Baubetrieb der Klägerin betrifft, so steht diese der Annahme eines einheitlichen Betriebes grundsätzlich nicht entgegen. Der Senat hat zwar in der bereits zitierten Entscheidung (BSGE 34, 120) darauf hingewiesen, daß immer noch verbreitet von der grundsätzlichen Entscheidung Nr. 4056 des Reichsversicherungsamtes vom 7. November 1930 (AN 1931, IV 195) ausgegangen wird, wonach in Anlehnung an die damalige Vorschrift des § 9 des Betriebsrätegesetzes nur diejenigen Anlagen einem Betrieb zuzurechnen seien, die sich innerhalb derselben Gemeinde oder in nahe beieinanderliegenden wirtschaftlich zusammenhängenden Gemeinden befinden. Der Senat hat jedoch in seiner Entscheidung nicht mehr diese enge Begrenzung aufrechterhalten, sondern darauf abgestellt, ob die beiden interessierenden Produktionsstätten "räumlich weit" voneinander entfernt sind. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, daß sich Gemeindegrenzen, ebenso wie die allgemeinen wirtschaftlichen Verflechtungen von Gemeinden, nach anderen Kriterien und Gesetzen richten als diejenigen, die für die Zusammengehörigkeit von Betrieben (speziell von Baubetrieben) Bedeutung haben. Im Verhältnis zwischen einem Transportbetonwerk und einem Baubetrieb ist außerdem zu berücksichtigen, daß für das Zusammenwirken weniger die Entfernung zwischen dem Betriebssitz der Baufirma und dem Betonwerk als vielmehr die Entfernung zwischen dem Betonwerk und den einzelnen Baustellen von Bedeutung ist. Insoweit sind die jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall von entscheidender Bedeutung. Generell kann nur soviel gesagt werden, daß die Entfernung dann als weit anzusehen sein wird, wenn die vorhandenen technischen Möglichkeiten es nicht mehr erlauben, die für die Betriebszusammengehörigkeit notwendige enge technisch-organisatorische Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Dies wird bei einem Transportbetonwerk kaum in Betracht kommen, weil hier schon von er Herstellungsmethode und der Wirtschaftlichkeit her enge technisch-organisatorische Grenzen gesetzt sind.

Müssen nach dem Ergebnis der Feststellungen der Baubetrieb der Klägerin und das Betonwerk als Teile eines einheitlichen Betriebes aufgefaßt werden, so ist dieser als Baubetrieb anzusehen, wenn die Errichtung von Bauten dem Gesamtbetrieb das Gepräge gibt. Auch hierzu sind vom LSG noch Feststellungen zu treffen. Sofern sich aus den noch zu treffenden Feststellungen ergibt, daß es sich hier um einen einheitlichen Baubetrieb handelt, sind auch noch die notwendigen Feststellungen zu § 143 d Abs. 1 Nr. 1 und 2 AVAVG zu treffen.

Inwieweit die weiteren betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG vorliegen, wird das LSG ebenfalls noch feststellen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß für die betrieblichen Voraussetzungen nach § 143 e AVAVG die Witterungsverhältnisse im Betonwerk maßgeblich sind. Ausschließlich durch witterungsbedingte Gründe (§ 143 e Abs. 1 Nr. 1 AVAVG) tritt der Arbeitsausfall nur dann ein, wenn die Tätigkeit am jeweiligen Arbeitsplatz unmittelbar betroffen ist. Wird hingegen lediglich eine andere Arbeit witterungsbedingt unmöglich, die technisch die Voraussetzungen für das Weiterarbeiten im Transportbetonwerk darstellt, so sind unmittelbar die technischen Gründe und nicht die Witterung die Ursachen des Arbeitsausfalls (vgl. BSGE 24, 58, 61). Die Unmöglichkeit, aus zwingenden witterungsbedingten Gründen Beton auf einer Baustelle zu verbauen, ist somit für das Transportbetonwerk kein Arbeitsausfall im Sinne des § 143 e Abs. 1 Nr. 1 AVAVG. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das LSG bei seiner abschließenden Entscheidung mit zu befinden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647424

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