Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei Ausbildungsveranstaltungen der DLRG

 

Leitsatz (amtlich)

Anfängerschwimmkurse sind keine Ausbildungsveranstaltungen in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen, deren Teilnehmer nach § 539 Abs 1 Nr 8 RVO unfallversichert sind. Geschützt sind nur diejenigen, die unmittelbar für den Unternehmenszweck (Hilfe bei Unglücksfällen) ausgebildet werden.

 

Orientierungssatz

1. Maßgebend ist für das Versichertsein eines Teilnehmers an einem Ausbildungslehrgang der DLRG nach § 539 Abs 1 Nr 8 RVO, ob der jeweilige Lehrgang eine hinreichend unmittelbare Sachnähe zur Hilfe bei Unglücksfällen hat.

2. Die in § 539 Abs 1 Nr 8 RVO ausgewiesenen Aufgabenbereiche richten sich nach den konkreten Gefahren, in denen Hilfe zu leisten ist. Bei der DLRG sind dies die Gefahren des Wassers, denen mit Rettungsmaßnahmen aus Wassernot sachgerecht begegnet werden soll. Zweifelsfrei sind daher Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen für angehende Rettungsschwimmer versichert.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 8 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

SG Bayreuth (Entscheidung vom 19.09.1979; Aktenzeichen S 11/7 U 42/79)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Unfall der damals vierjährigen Klägerin als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Die am 12. November 1973 geborene Klägerin ist seit 15. August 1977 Mitglied des Kreisverbandes Bayreuth der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Am 24. Januar 1978 nahm sie an einer Jugendschwimmstunde (19 - 20 Uhr) der Nichtschwimmergruppe der DLRG im Städtischen Hallenbad Bayreuth teil. Zur Wassergewöhnung sprangen die Kinder unter Aufsicht fußwärts in das Nichtschwimmerbecken. Nachdem die Klägerin das Becken nach einem solchen Übungssprung verlassen hatte, stürzte sie auf den Vorderkopf und zog sich eine schwere Gehirnerschütterung mit Benommenheit und Erbrechen zu. Sie wurde deshalb bis 31. Januar 1978 stationär im Städtischen Krankenhaus Bayreuth behandelt.

Die Beklagte lehnte es ab, den Unfall zu entschädigen, weil die Klägerin im Alter von vier Jahren nicht an einem Rettungsschwimmlehrgang, sondern nur an der Anfängerschwimmausbildung teilgenommen habe und daher nicht nach § 539 Abs 1 Nr 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen sei (Bescheid vom 23. Februar 1979).

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat die auf Aufhebung des Bescheides und Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 19. September 1979) und die Sprungrevision mit Zustimmung der Beklagten nachträglich zugelassen (Beschluß vom 16. Oktober 1979).

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 539 Abs 1 Nr 8 RVO.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts

Bayreuth und des Bescheides des Beklagten diesen

zu verurteilen, den Unfall der Klägerin

als Unfall im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 8 RVO

anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen. Die wegen etwaiger Spätfolgen des Unfalles zulässige Klage auf Feststellung (§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG) der Gesundheitsstörung "schwere Gehirnerschütterung" als Folge eines Arbeitsunfalles (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) hat das SG zu Recht abgewiesen.

Nach § 539 Abs 1 Nr 8 RVO sind ua die Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen eines Unternehmens zur Hilfe bei Unglücksfällen gegen Arbeitsunfälle versichert. Wenn auch die DLRG zu diesen Unternehmen ebenso wie ua das Deutsche Rote Kreuz, die Bergwacht und die freiwillige Feuerwehr gehört (Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd 1, 3. Aufl, Stand April 1980, § 539 Anm 51, 54), so ist dennoch die Schwimmstunde der Nichtschwimmergruppe, an der die Klägerin teilnahm und während der sie das Springen in das Wasser zur Wassergewöhnung übte, nicht schon deshalb eine Ausbildungsveranstaltung zur Hilfe bei Unglücksfällen gewesen. Zwar nennt § 2 Abs 2 der Satzung der DLRG idF vom 22. Oktober 1966 und der Änderung vom 21. Mai 1977 als allgemeine Aufgabe der DLRG "die Schaffung und Förderung aller Einrichtungen und Maßnahmen, die der Bekämpfung des Ertrinkungstodes dienen", wozu nach Abs 3 aaO ua die Förderung des Anfängerschwimmens und des Schulschwimmunterrichts, aber auch "Aus- und Fortbildung von Schwimmern, Rettungsschwimmern, Bootsführern, Funkern, Tauchern und Rettungstauchern" gehören. Maßgebend ist hingegen für das Versichertsein eines Teilnehmers an einem Ausbildungslehrgang der DLRG nach § 539 Abs 1 Nr 8 RVO, ob der jeweilige Lehrgang eine hinreichend unmittelbare Sachnähe zur Hilfe bei Unglücksfällen hat. Versichert sind nicht die Teilnehmer an jeglicher Ausbildungsveranstaltung des Unternehmens iS von § 539 Abs 1 Nr 8 RVO. Das Gesetz schützt vielmehr nach seiner Zielsetzung nur diejenigen, die für den Unternehmenszweck, nämlich die Hilfe bei Unglücksfällen, ausgebildet werden. Die in § 539 Abs 1 Nr 8 RVO ausgewiesenen Aufgabenbereiche richten sich nach den konkreten Gefahren, in denen Hilfe zu leisten ist. Bei der DLRG sind dies die Gefahren des Wassers, denen mit Rettungsmaßnahmen aus Wassernot sachgerecht begegnet werden soll. Zweifelsfrei sind daher Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen für angehende Rettungsschwimmer versichert. Bei solchen Teilnehmern ist die erforderliche hinreichend unmittelbare Sachnähe zur Hilfe bei Unglücksfällen vorhanden. Es kann hier offen bleiben, bei welchen anderen Ausbildungsveranstaltungen der DLRG eine solche Sachnähe ebenfalls zu bejahen wäre. Jedenfalls fehlt sie bei den Übungen während einer Jugendschwimmstunde einer Nichtschwimmergruppe. Zwar will Brackmann (Handbuch der Sozialversicherung, Bd II, 1.-9. Aufl 1980, 53. Nachtrag, S 472z mit Hinweis auf Vollmar, GUV 1962, 49, 50) bereits das Schwimmenlernen als Vorstufe des Rettungsschwimmens versichert wissen, während Vollmar, ZfS 1978, 156 - anders als früher (aaO) - es als noch versicherungsrechtlich umstritten bezeichnet, ob auch die zu den satzungsmäßigen Aufgaben dieser Organisation zählende Nichtschwimmerausbildung als - Schluß fehlt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660175

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