Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 ArVNG (= AnVNG Art 2 § 49a Abs 2). Konkretisierung des Nachentrichtungsantrags. fehlender Nachentrichtungsbescheid. Ausstellung einer Beitragsbescheinigung

 

Orientierungssatz

1. Zur Verwirklichung des durch Antrag entstehenden Nachentrichtungsrechts nach Art 2 § 49a AnVNG ist es nicht erforderlich, daß auch die Konkretisierung des Nachentrichtungsantrages innerhalb der Antragsfrist (spätestens bis zum 31.12.1975) erfolgen muß (vgl BSG 1980-03-27 12 RK 7/79 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 38).

2. Als äußerste Grenze, bis zu der weitere oder abändernde Konkretisierungen möglich sind, ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung der Beiträge anzusehen (vgl BSG 1979-09-13 12 RK 39/78).

3. Die Möglichkeit, eine beantragte Beitragsnachentrichtung noch zu ändern, entfällt aber schon vor der Beitragsentrichtung mit Eintritt der Bindungswirkung des Bescheides, den der Versicherungsträger auf den Antrag hin erteilt. Daß ein solcher Bescheid zu ergehen hat, folgt aus dem gesetzlichen Antragserfordernis in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG, dem auf seiten des Versicherungsträgers die Pflicht zur Bescheidung des Antrages entspricht. Dieser - das Verwaltungsverfahren abschließende - Bescheid legt die Berechtigung des Antragstellers nach Zeit und Höhe fest. Als feststellender Verwaltungsakt kann er nach § 77 SGG in Bindung erwachsen (vgl BSG 1977-12-15 11 RA 52/77 = BSGE 45, 247, 249). Mit dem Eintritt der Bindung des Bescheides erlischt deshalb grundsätzlich die Befugnis des Berechtigten, von den im Bescheid festgelegten Beitragsklassen und Entrichtungszeiträumen abzuweichen. Bis dahin, dh solange der Bescheid noch nicht bindend geworden ist, bleibt der Berechtigte dagegen - im Rahmen der gesetzlichen Belegungsvorschriften zur Änderung der von ihm beantragten und im Bescheid nach Grund, Zeit und Höhe festgestellten Beitragsnachentrichtung befugt (vgl BSG 1980-02-22 12 RK 12/79 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 36).

 

Normenkette

AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 11.10.1979; Aktenzeichen L 6 An 1424/78)

SG Wiesbaden (Entscheidung vom 26.09.1978; Aktenzeichen S 3 An 35/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) berechtigt ist.

Mit einem bei der Beklagten am 3. Dezember 1975 eingegangenen formlosen Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten beantragte die Klägerin die Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG, wobei sie angab, daß ein "Belegungsgebot" nachgereicht werde. Am 19. Juli 1976 ging bei der Beklagten ein Verrechnungsscheck über 3.888,-- DM zusammen mit einem vom 3. Februar 1976 datierten Formblattantrag ein, in dem eine Belegungsaufstellung für die Jahre 1969 bis 1973 mit insgesamt 36 Beiträgen der Klasse 600 enthalten ist. Die Beklagte verbuchte die Beiträge demgemäß und erteilte der Klägerin eine Beitragsbescheinigung. Am 25. Februar 1977 gingen ein weiterer Verrechnungsscheck über 3.888,-- DM und eine Belegungsaufstellung für die Jahre 1965 bis 1968 mit wiederum insgesamt 36 Beiträgen der Klasse 600 ein. Die Beklagte sah hierin einen weiteren Nachentrichtungsantrag und lehnte ihn wegen Versäumung der mit dem 31. Dezember 1975 abgelaufenen Antragsfrist ab. Der erste Antrag habe sich nur auf die Zeit von Juli 1969 bis Dezember 1973 bezogen. Diese Nachentrichtung sei bereits abschließend durchgeführt worden (Bescheid vom 23. Mai 1977). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1978). Auf die Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) Wiesbaden die Beklagte, der Klägerin die Nachentrichtung weiterer freiwilliger Beiträge gemäß Art 2 § 49a AnVNG rücklaufend bis 1956 zu gestatten (Urteil vom 26. September 1978). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Oktober 1979). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Der Antrag der Klägerin vom 25. Februar 1977 stelle sich nicht als bloße Konkretisierung des am 3. Dezember 1975 fristgerecht gestellten Nachentrichtungsantrages dar. Nach Sinn und Zweck des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG hätten Umfang und Höhe der beabsichtigten Nachentrichtung bis zum 31. Dezember 1975 feststehen müssen. Dem Antrag vom 3. Dezember 1975 lasse sich nicht entnehmen, daß die Klägerin ihr Recht zur Beitragsnachentrichtung in vollem zeitlichen Umfang habe ausschöpfen wollen. Dem Wortlaut des Antrages müsse vielmehr entnommen werden, daß sie eine endgültige Entscheidung über Umfang und Höhe der beabsichtigten Nachentrichtung erst noch treffen werde. Das ergebe sich aus dem Hinweis auf das nachzureichende Belegungsgebot. Dieses am 19. Juli 1976 bei der Beklagten eingegangene Belegungsgebot sei eindeutig auf eine Nachentrichtung von 36 Beiträgen der Klasse 600 für die Zeit von 1969 bis 1973 beschränkt gewesen. Anhaltspunkte, daß ein Belegungsgebot auch noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1969 erfolgen sollte, ergäben sich hieraus nicht. Auch die Tatsache, daß die Beklagte über den Antrag vom 3. Dezember 1975 keinen förmlichen Bescheid erteilt habe, berechtige die Klägerin nicht zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit vor dem 1. Januar 1969.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 2 § 49a AnVNG. Sie ist der Auffassung, daß aus dem gesetzgeberischen Grund für das Antragserfordernis nicht die Unzulässigkeit der nachträglichen Ausfüllung und Konkretisierung eines rechtzeitig gestellten Antrages gefolgert werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der

Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1969 rücklaufend bis zum 1. Januar 1956 zu gestatten. Die entgegenstehende Entscheidung des LSG kann keinen Bestand haben.

Wie der erkennende Senat in seiner neueren Rechtsprechung wiederholt entschieden hat, ist es zur Verwirklichung des durch Antrag entstehenden Nachentrichtungsrechts nach Art 2 § 49a AnVNG nicht erforderlich, daß auch die Konkretisierung des Nachentrichtungsantrages innerhalb der Antragsfrist (spätestens bis zum 31. Dezember 1975) erfolgen muß. Eine Frist, bis zu der ein solcher Antrag konkretisiert werden mußte, enthält das Gesetz nicht. Deshalb besteht auch keine rechtliche Notwendigkeit, eine später durch den Nachentrichtungsberechtigten erfolgte (und zur Ausübung des Nachentrichtungsrechts auch erforderliche) Konkretisierung in dem Sinne für abschließend zu halten, daß sie nicht mehr geändert werden könne (Urteile des Senats vom 22. Februar 1980 - 12 RK 12/79 - und vom 27. März 1980 - 12 RK 7/79 und 12 RK 61/79 -). Als äußerste Grenze, bis zu der weitere oder abändernde Konkretisierungen allenfalls möglich sind, hat der Senat den Zeitpunkt der tatsächlichen Entrichtung der Beiträge angesehen (Urteil vom 13. September 1979 - 12 RK 39/78 - und die oa Urteile). Andererseits entfällt die Möglichkeit, eine beantragte Beitragsnachentrichtung noch zu ändern, auch schon vor der Beitragsentrichtung mit Eintritt der Bindungswirkung des Bescheides, den der Versicherungsträger auf den Antrag hin erteilt. Daß ein solcher Bescheid zu ergehen hat, folgt aus dem gesetzlichen Antragserfordernis in Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG, dem auf seiten des Versicherungsträgers die Pflicht zur Bescheidung des Antrages entspricht. Dieser - das Verwaltungsverfahren abschließende - Bescheid legt die Berechtigung des Antragstellers zur Entrichtung von Beiträgen im einzelnen nach Zeit und Höhe fest. Als feststellender Verwaltungsakt kann er nach § 77 SGG in Bindung erwachsen (vgl BSGE 45, 247, 249). Mit dem Eintritt der Bindung des Bescheides erlischt deshalb grundsätzlich die Befugnis des Berechtigten, von den im Bescheid festgelegten Beitragsklassen und Entrichtungszeiträumen abzuweichen. Bis dahin, dh solange der Bescheid noch nicht bindend geworden ist, bleibt der Berechtigte dagegen - im Rahmen der gesetzlichen Belegungsvorschriften (vgl insbesondere Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG) - zur Änderung der von ihm beantragten und im Bescheid nach Grund, Zeit und Höhe festgestellten Beitragsnachentrichtung befugt (Urteil des Senats vom 22. Februar 1980 - 12 RK 12/79).

Die Beklagte hat der Klägerin weder auf den Antrag vom 3. Dezember 1975 noch auf die erste Konkretisierung im Juli 1976 hin einen Bescheid erteilt. Sie durfte daher die weiteren Konkretisierungen, mit denen die Klägerin (zuletzt durch den vor dem SG gestellten Klageantrag) den Nachentrichtungszeitraum bis zurück zum Jahre 1956 ausgedehnt hat, nicht ablehnen. Sie ist vielmehr verpflichtet, der Klägerin - über den durch die Entrichtung von Beiträgen bereits belegten Zeitraum (1969 bis 1973) hinaus - die Nachentrichtung auch für die Zeit bis zum Jahre 1956 zurück zu gestatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658298

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