Leitsatz (amtlich)

Bei der Hofübergabe ist die Abgabe iS des GAL § 2 Abs 3 frühestens mit der Auflassung vollzogen (BSG 1973-09-20 11 RLw 10/72 = SozR Nr 10 zu § 2 GAL 1965). Die Rechtsprechung des BGH zur Höfeordnung der ehemals britischen Zone, die nach Treu und Glauben unter bestimmten Verhältnissen trotz Formmangels wirksame Vereinbarungen über die Hofnachfolge unterstellt, ist insoweit ohne Bedeutung.

 

Normenkette

GAL § 2 Abs. 3 Fassung: 1965-09-14; HöfeO Fassung: 1947-04-24

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. April 1975 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. November 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der im Januar 1906 geborene Kläger hat bis zum Jahre 1969 ein rd. 26 ha großes landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet, das einen Hof im Sinne der (in den Ländern der ehemals britischen Besatzungszone geltenden) Höfeordnung vom 24. April 1947 darstellt. Im Dezember 1970 teilte er der Beklagten mit, er habe den Betrieb an seinen Sohn G. übergeben und beantrage Altersgeld. Die Beklagte übersandte ihm das übliche Antragsformular, das er im April 1972 ausgefüllt zurückreichte. Sie gewährte dem Kläger Altersgeld ab 1. Januar 1972 (Bescheid ohne Rechtsmittelbelehrung vom 23. August 1972). Nach Einwendungen des Klägers, der diese Leistung schon ab 1. Januar 1971 beansprucht, lehnte es die Beklagte in einem weiteren Bescheid vom 24. April 1974 ab, Altersgeld schon von da an zu zahlen, weil der notarielle Übergabevertrag erst am 27. Januar 1972 abgeschlossen worden sei.

Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab und ließ die Berufung zu. Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld schon ab 1. Januar 1971. Nach Ansicht des LSG waren sämtliche Voraussetzungen zur Gewährung von Altersgeld schon im Januar 1971 erfüllt. Das gelte auch für die Abgabe des Unternehmens. Der Kläger habe sich endgültig der Verfügungsbefugnis über seinen Hof begeben, als er ihn 1969 seinem Sohn zur Bewirtschaftung überlassen habe. Insoweit folge das LSG der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) in Landwirtschaftssachen (BGHZ 12, 286 ff und 23, 249 ff); danach könne eine trotz Formmangels wirksame Vereinbarung über die Hofnachfolge angenommen werden, wenn der Hofeigentümer durch Art. Umfang und Dauer der Beschäftigung eines Abkömmlings zu erkennen gegeben habe, daß dieser den Hof übernehmen solle. Die dadurch nach Treu und Glauben bewirkte Bindung an die tatsächlichen Verhältnisse sei hier um so mehr zu bejahen, als schon 1969 dem Amtsgericht ein von dem Kläger und seinem Sohn gebilligter Entwurf eines Hofübergabevertrages vorgelegen habe, der in den entscheidenden Teilen dem später im April 1972 genehmigten Übergabevertrag entsprochen habe.

Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Sie rügt u. a. eine Verletzung des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) und verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. September 1973 (SozR Nr. 10 zu § 2 GAL 1965), wonach für den Zeitpunkt der Abgabe der notarielle Übergabevertrag entscheidend sei. Die Rechtsprechung des BGH zum Höferecht sei auf die Unternehmensabgabe nach dem GAL nicht übertragbar.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf Altersgeld für die Zeit vor Januar 1972.

Das SG hat in seinem Urteil vom 13. November 1974 die Berufung ausdrücklich zugelassen (§§ 145 Nr. 1, 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - i. V. m. § 30 GAL); da das LSG dies offenbar übersehen hat, erübrigt es sich, auf seine Ausführungen zur Statthaftigkeit der Berufung einzugehen.

Streitig ist, ob der Kläger die Voraussetzungen zur Gewährung von Altersgeld schon im Januar 1971 erfüllt hat (§ 10 Abs. 2 Satz 1 GAL). Das hängt hier davon ab, zu welchem Zeitpunkt er sein landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben hat. Diese Frage ist nach § 2 Abs. 3 GAL zu beurteilen. Abgabe ist danach die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Dabei unterscheidet Satz 2 noch danach, ob mit der Abgabe der Übergang des Eigentums verbunden ist oder nicht; in letzterem Falle muß die Abgabe für eine längere Zeit schriftlich vereinbart worden sein. Da das LSG keine derartige Vereinbarung festgestellt hat, kommt es also nur darauf an, ob vor Januar 1972 schon eine mit einem Eigentumsübergang verbundene Unternehmensübergabe erfolgt ist. Das war nicht der Fall.

In seinem Urteil vom 20. September 1973 (SozR aaO) hat der Senat bereits dargelegt, daß bei dieser Abgabeform die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Eigentumsübergang zu beachten sind. Diese erfordern eine notariell oder gerichtlich protokollierte Einigung (Auflassung) und die Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Infolgedessen kann in solchen Fällen die Abgabe niemals vor der Auflassung vollzogen sein. Die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften gebieten es freilich nicht, die Abgabe sogar erst auf die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch zu verlegen. Nach Sinn und Zweck der Abgabevorschriften des GAL ist es erforderlich wie genügend, daß der Unternehmer sich "prinzipiell endgültig" von dem Land (Unternehmen oder Teilfläche) gelöst hat; das trifft schon im Zeitpunkt der Auflassung zu (vgl. § 873 Abs. 2 BGB), sofern auch das Land dem Erwerber zur Bewirtschaftung überlassen war. Der Senat hat allerdings nicht entschieden, wie es sich verhält, wenn zu dieser Zeit eine notwendige amtliche Genehmigung noch ausstand; das kann jedoch offen bleiben, weil jedenfalls die fehlende Auflassung hier die Bejahung einer Abgabe vor Januar 1972 ausschließt.

Dem steht die Rechtsprechung des BGH zum Höferecht nicht entgegen. Nach ihr können zwar vertragliche Beziehungen (Vorvertrag, Hofübergabevertrag, Erbvertrag) und eine Bindung hinsichtlich der Hofnachfolge aus tatsächlichem Verhalten erwachsen; sachenrechtlich erforderliche Handlungen (Auflassung, Eintragung im Grundbuch) werden jedoch dadurch nicht ersetzt. Infolgedessen hat sich auch ein in der Hofnachfolge bereits festgelegter Unternehmer von seinem Land noch nicht in dem für eine Abgabe erforderlichen Umfang gelöst; ihm ist es nicht "prinzipiell endgültig" verwehrt, das Land vorerst weiterhin zu bewirtschaften oder anderweit darüber zu verfügen. Davon abgesehen ist nicht einzusehen, warum ein Hofeigentümer nicht klare Verhältnisse schaffen soll, bevor er Altersgeld beansprucht. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, ihm eine Berufung auf eigenes treuwidriges Verhalten zu gestatten. Die Rechtsprechung des BGH bezweckt jedoch allein den Schutz präsumptiver Hofnachfolger; im übrigen hat der BGH schon selbst die Übertragung seiner Rechtsprechung auf andere Rechtsgebiete abgelehnt (BGHZ 47, 184).

Auf die Revision der Beklagten waren deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646681

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