Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei stationärer Behandlung. Verfahrensrüge bei Sprungrevision

 

Orientierungssatz

1. Die Reaktion des Versicherten auf Medikamente sowie die Folgen falscher oder unterlassener Maßnahmen des Pflegepersonals sind dem nicht vom Versicherungsschutz erfaßten Risiko der ärztlichen Behandlung zuzurechnen (vgl BSG 1981-06-24 2 RU 83/79 = USK 81120).

2. Der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO erstreckt sich jedoch auf die mit dem Krankenhausaufenthalt verbundenen Gefahren, die sich aus der Einrichtung des Krankenhauses ergeben (vgl BSG 1981-05-12 2 RU 7/80 = USK 81106. Die Unfallgefahr braucht im Krankenhaus nicht von einer objektiv gefährlichen Einrichtung auszugehen. Es genügt, daß die Gefahr im konkreten Einzelfall von Umständen ausgeht, welche der Versicherte im Gegensatz zum häuslichen Bereich in dem jeweiligen Krankenhaus vorfindet (vgl BSG 1980-10-29 2 RU 41/78 = SozR 2200 § 539 Nr 72).

3. Zwar sind Revisionsbeklagte grundsätzlich berechtigt, tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts, die sich für sie im Revisionsverfahren ungünstig auswirken, noch bis zum Schluß der Revisionsinstanz mit Verfahrensrügen anzugreifen (vgl BFH 1970-03-19 IV R 72/69 = NJW 1971, 168), da jedoch eine Sprungrevision nach § 161 Abs 4 SGG nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann und dem Gegner der Sprungrevision insoweit nicht weitergehende Rechte eingeräumt werden können, als sie der Revisionskläger hat, ist es auch den Klägern als Revisionsbeklagten nicht gestattet, Verfahrensrügen zu erheben, seien sie gegen die Sachaufklärung oder die Beweiswürdigung des SG gerichtet.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a Fassung: 1974-08-07; SGG § 161 Abs 4 Fassung: 1974-07-30

 

Verfahrensgang

SG Stuttgart (Entscheidung vom 28.08.1980; Aktenzeichen S 10 U 160/78)

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Witwe und die Kinder des am 24. Juli 1977 verstorbenen D N (N.). Dieser hatte am 19. Juli 1977 mit dem Kraftwagen einen Unfall erlitten. Nach der Erstversorgung durch den Durchgangsarzt Dr. H in der F in F-B wurde N. in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T überwiesen. Dort sprang er am 24. Juli 1977 gegen 2.50 Uhr über die Brüstung eines geöffneten Fensters seines Krankenzimmers und zog sich dabei tödliche Verletzungen zu. Die Beklagte lehnte durch Bescheide vom 11. Januar und 26. April 1978 Entschädigungsansprüche der Kläger ab. N. sei infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration 1,93 Promille bzw 1,96 Promille) verunglückt, die als die allein wesentliche Unfallursache anzusehen sei. Der Tod am 24. Juli 1977 stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer versicherten betrieblichen Tätigkeit.

Dagegen haben die Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Das SG hat die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft beigeladen, da N. bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) für den Fall der Krankheit versichert gewesen sei und deshalb eine Leistungspflicht der Beigeladenen gemäß § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) in Betracht kommen könne (Beschluß vom 23. Juli 1979). Die Kläger haben beantragt, die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihnen wegen des Unfalls vom 19. Juli 1977 bzw des Unfalls vom 24. Juli 1977 Witwen- und Waisenrente zu gewähren. Das SG hat die Beigeladene verurteilt, den Klägern wegen des Unfalls vom 24. Juli 1977 Witwen- und Waisenrente zu gewähren; im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. August 1980). Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der Unfall des N. am 19. Juli 1977 sei kein unter dem Schutz der RVO stehender Arbeitsunfall (§ 539 Abs 1 Nr 1 iVm § 548 oder 550 RVO) gewesen. N. sei infolge Alkoholgenusses (Blutalkoholkonzentration mindestens 1,93 Promille) absolut fahruntüchtig gewesen und diese absolute Fahruntüchtigkeit sei auch die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen. Die von den Klägern vorgetragene Unfallursache, daß eine unsachgemäß verwahrte Geldbombe Ursache des Zusammenstoßes mit einem entgegenkommenden Kraftwagen gewesen sei, hat das SG nicht als erwiesen angesehen. Da der Unfall vom 19. Juli 1977 kein Arbeitsunfall gewesen sei, könne auch der Unfall vom 24. Juli 1977 nicht als mittelbare Folge eines Arbeitsunfalls angesehen werden. Die Klagen gegen die Bescheide der Beklagten vom 11. Januar und 26. April 1978 seien daher abzuweisen.

Den Anträgen der Kläger sei jedoch zu entsprechen, soweit sie sich gegen die Beigeladene richteten. Auszugehen sei davon, daß der Hergang des Geschehnisses am 24. Juli 1977 unstreitig sei, wie auch die Tatsache, daß N. bei der DAK krankenversichert gewesen sei. Soweit von klägerischer Seite zur Höhe des Fensters des Krankenzimmers (223 cm) und zur Höhe von Fenstersims (40 cm) und Fensterbrüstung (57 cm) andere Zahlen genannt würden, werde festgestellt, daß das Gericht die Angaben seiner Entscheidung zugrunde lege, die Staatsanwalt Dr. R (von der Staatsanwaltschaft T) anläßlich der Einnahme des Augenscheins am 25. Januar 1978 ermittelt habe. Diese Zahlen seien nach Auffassung des Gerichts deshalb richtig, weil Dr. R seine Messungen gerade wegen der unterschiedlichen Angaben im Laufe des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gemacht habe. Einer besonderen Einnahme des Augenscheins habe es deshalb nicht mehr bedurft. Rechtsgrundlage für die Ansprüche der Kläger auf Hinterbliebenenrenten sei ua § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO. Danach seien Personen gegen Arbeitsunfall versichert, denen von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Behandlung iS des § 559 RVO gewährt werde. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung sollten Risiken in den Versicherungsschutz einbezogen werden, denen der Versicherte bei der stationären Behandlung ausgesetzt sei, da der Versicherte sich in eine besondere Einrichtung begeben müsse und dort überwiegend anderen Risiken als zu Hause ausgesetzt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei das Risiko der ärztlichen Behandlung nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. Das gelte auch für die mit der Entwicklung und den Verlauf der die stationäre Behandlung bedingenden Erkrankung verbundenen Risiken, auch wenn sie zu einem Unfall führten. Die Reaktion auf Medikamente und die Entscheidung des Arztes über die Unterbringung des Patienten in einem geeigneten Krankenzimmer gehörten zu dem nicht versicherten Risiko der ärztlichen Behandlung. Im vorliegenden Fall begründe daher das auf einer einwandfreien Fehldiagnose der Ärzte beruhende Nichterkennen der psychischen Erkrankung des N. insoweit nicht den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO. Auch die Absperrung des Fensters im Krankenzimmer, bestehend aus der Wand und dem Gitter, sei keine wesentliche Bedingung für den Sturz des N. gewesen, selbst wenn die Absperrung niedriger als sonst üblich gewesen sei. Denn N. sei nicht zum Fenster hinausgefallen, sondern hinausgesprungen. Mit dem Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. April 1979 sei auch das Gericht der Auffassung, daß nicht nachgewiesen werden könne, daß der Sprung aus dem Fenster bei einem höheren Gitter vermieden worden wäre. Anders als in den vom BSG entschiedenen Fällen hätten vorliegend nicht Entwicklung und Verlauf der die stationäre Behandlung bedingenden Erkrankung das Unfallereignis ausgelöst. N. sei wegen eines Knochenbruchs in die Klinik eingeliefert worden, gestorben sei er jedoch an den Folgen einer psychischen Erkrankung. Gleichgültig, ob man den Verwirrtheitszustand des N. als durch Alkoholentzug, Medikamentenentzug oder Fehlen der häuslichen Atmosphäre ausgelöst sehe, stehe fest, daß gerade die stationäre Behandlung selbst und nicht die die stationäre Behandlung bedingende Erkrankung Ursache des Verwirrtheitszustandes gewesen sei. In einem solchen Fall sei Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO gegeben.

Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

Die Beigeladene hat dieses Rechtsmittel mit Zustimmung der Kläger und der Beklagten eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: N. sei dem Risiko der ärztlichen Behandlung, hier in Form eines ärztlichen Fehlverhaltens bei einer ärztlichen Behandlung und ärztlichen Unterbringung auf einer offenen Station des Krankenhauses erlegen. Er sei Alkoholiker gewesen. Ihn habe der stationäre Aufenthalt besonders schwer getroffen, weil er im Krankenhaus nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich Alkohol zu verschaffen. Die Gefahr eines in einem solchen Fall stets zu befürchtenden Alkoholdeliriums und das allgemein bekannte medizinische Erfahrungswissen hierüber verböten die Unterbringung in einer offenen Station. Das Nichterkennen einer solchen Erkrankung sei ein ärztlicher Kunstfehler, gegen den § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO keinen Schutz gebe.

Die Beigeladene beantragt,

unter Aufhebung bzw entsprechender Abänderung des

angefochtenen Urteils nach dem Antrag in der

Vorinstanz auf Klageabweisung,

hilfsweise auf Zurückverweisung der Sache an den

Erst- oder Zweitrichter zu erkennen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die fehlende Feststellung, daß die DAK die stationäre Behandlung gewährt habe, zwinge nicht zur Zurückverweisung. Sofern die stationäre Behandlung durch eine Berufsgenossenschaft gewährt werde, liege bei einem Krankenversicherten darin zugleich eine im Auftrag der Krankenkasse gewährte Heilbehandlung. Zumindest bestehe Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO. Denn N. sei in gleicher Weise tätig geworden, als wenn die gesetzliche Krankenversicherung den stationären Aufenthalt gewährt hätte. Zum Unfall des N. habe wesentlich die bauliche Situation des Fensters im Krankenhaus beigetragen. Wenn das Gitter die baupolizeilich vorgesehene Höhe von 1,05 m gehabt hätte, wäre der Unfall nicht geschehen. Da zwischen dem leicht zugänglichen Fenstersims und der Oberkante des Gitters nur eine Höhendifferenz von 57 cm bestanden habe, habe N. mit einem normalen Schritt das Gitter überwinden können. N. habe eine imaginäre Figur verfolgt; er sei ihr nachgeschritten. Solange sich seinem Schreiten kein ernsthaftes Hindernis in den Weg stellte, habe er diese Figur verfolgt. Die Überwindung einer Höhendifferenz von 57 cm sei nach der Lebenserfahrung mit einem leichten Schritt getan. Eine Höhendifferenz von 1,05 m hätte erfordert, daß N. seine Aufmerksamkeit auf die Überwindung des Hindernisses richtete. Dadurch wäre er von dem imaginären Bild abgelenkt worden und sein Verfolgungstrieb wäre unterbrochen gewesen. Die mangelhafte Unterbringung eines Alkoholikers sei kein typisches Risiko der ärztlichen Behandlung, sondern hänge bereits mit der ärztlichen Fürsorgepflicht zusammen, auch wenn die richtige Unterbringung eine zutreffende medizinische Beurteilung voraussetze. Wesentliche Ursache für den Tod sei die durch die stationäre Unterbringung bedingte Unmöglichkeit gewesen, Alkohol zu sich zu nehmen. Zu Hause wäre kein Alkoholdelirium entstanden.

Die Beklagte trägt vor, daß ein von ihr zu entschädigender Arbeitsunfall nicht vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beigeladenen ist begründet.

Soweit das SG die gegen die Beklagte gerichteten Klagen auf Aufhebung der Bescheide vom 11. Januar und 26. April 1978 und auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Witwen- und Waisenrenten wegen des Unfalls des N. vom 19. Juli 1977 abgewiesen hat, ist das Urteil von den dadurch beschwerten Klägern nicht mit der Revision angefochten worden. Das Vorbringen der Kläger im Revisionsverfahren bezieht sich ausschließlich auf die Revision der Beigeladenen gegen deren Verurteilung, den Klägern Witwen- und Waisenrenten wegen des weiteren Unfalls des N. vom 24. Juli 1977 zu gewähren. Das die Klagen der Kläger gegen die Beklagte abweisende Erkenntnis des SG unterliegt daher nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.

Auf die Revision der Beigeladenen war das Urteil des SG zu ändern. Die Klagen der Kläger auf Verurteilung der Beigeladenen zur Gewährung von Witwen- und Waisenrenten wegen des Unfalls des N. vom 24. Juli 1977 sind nicht begründet.

Nach § 589 Abs 1 Nr 3 RVO iVm den §§ 590 und 595 RVO ist bei Tod eines Versicherten durch Arbeitsunfall der Witwe Witwenrente und der Waise Waisenrente zu gewähren. Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO sind in der Unfallversicherung ua Personen versichert, denen ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Behandlung iS des § 559 RVO gewährt. N. befand sich zwar zur Zeit des Unfalls vom 24. Juli 1977 in stationärer Krankenhausbehandlung, jedoch fehlt es im angefochtenen Urteil an der Feststellung, daß ihm die stationäre Behandlung von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung oder von einem anderen der in § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO genannten sonstigen Rehabilitationsträgern der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse gewährt worden ist. Das SG hat lediglich festgestellt, daß N. Mitglied der DAK war. Daraus ist jedoch nicht schon herzuleiten, daß dieser Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auch die hier in Betracht kommende stationäre Behandlung gewährt hat. Die fehlende Feststellung, welcher der in § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO genannten Rehabilitationsträger die stationäre Behandlung des N. gewährt hat, erfordert jedoch nicht die Zurückverweisung der Sache an das SG, damit dieses insoweit den Sachverhalt aufklärt. Denn selbst wenn die DAK die stationäre Behandlung des N. gewährt hätte, wären die Rentenansprüche der Kläger nicht begründet, weil N. den Unfall nicht bei einer versicherten Tätigkeit erlitten hat, der Unfall vom 24. Juli 1977 somit kein Arbeitsunfall war.

Wie der erkennende Senat bereits wiederholt entschieden hat, sind nach dem Sinn und Zweck des § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO die mit der Entwicklung und dem Verlauf einer Erkrankung der Versicherten verbundenen Risiken, gleichgültig, ob diese Erkrankung Anlaß zur stationären Behandlung gegeben hat oder nicht, nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes nach dieser Vorschrift (BSGE 46, 283, 284; SozR 2200 § 539 Nr 48, 56 und 71; USK 78132; Urteile vom 24. Juni 1981 - 2 RU 51/79 - und vom 24. Juni 1981 - 2 RU 83/79 -; vgl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Auflg S 475 g; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflg, § 539 Anm 97 h Buchst d). Der Senat hat ferner entschieden, daß die Reaktion des Versicherten auf Medikamente sowie die Folgen falscher oder unterlassener Maßnahmen des Pflegepersonals dem nicht vom Versicherungsschutz erfaßten Risiko der ärztlichen Behandlung zuzurechnen sind (BSG SozR 2200 § 539 Nr 56 und 71; Urteil vom 24. Juni 1981 - 2 RU 83/79 -). Mit der von den Klägern vertretenen Gegenmeinung hinsichtlich der vom Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO umfaßten Risiken hat sich der Senat in den angeführten Urteilen ausführlich auseinandergesetzt (bezüglich eines durch Alkoholentzug im Krankenhaus bedingten Verwirrtheitszustandes insbesondere SozR 2200 § 539 Nr 71 und Urteil vom 24. Juni 1981 - 2 RU 83/79 -). Die Ausführungen der Kläger geben insoweit keinen Anlaß, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Der Senat verweist insoweit auf die angeführten Urteile.

Der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO erstreckt sich jedoch auf die mit dem Krankenhausaufenthalt verbundenen Gefahren, die sich aus der Einrichtung des Krankenhauses ergeben (BSG, SozR 2200 § 539 Nr 72; Urteil vom 12. Mai 1981 - 2 RU 7/80 -). Insoweit bestehen gewisse Parallelen zu der Situation von Beschäftigten, die sich auf eine Dienst- oder Geschäftsreise begeben müssen und am fremden Ort zwangsläufig den damit verbundenen besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Auch der Versicherte, der sich in stationäre Behandlung begeben muß, ist dort überwiegend anderen Risiken als im häuslichen Bereich ausgesetzt (s BSGE 46, 283, 285). Die Unfallgefahr braucht im Krankenhaus nicht von einer objektiv gefährlichen Einrichtung auszugehen. Es genügt, daß die Gefahr im konkreten Einzelfall von Umständen ausgeht, welche der Versicherte im Gegensatz zum häuslichen Bereich in dem jeweiligen Krankenhaus vorfindet (BSG, SozR 2200 § 539 Nr 72)+.

Das SG hat verneint, daß die baulichen Verhältnisse des Fensters, aus dem N. gestürzt ist, eine wesentliche Bedingung für den Unfall vom 24. Juli 1977 gewesen sind, selbst wenn die Absperrung an dem Fenster, bestehend aus der Wand (40 cm hoch) und dem Gitter (57 cm hoch), etwas niedriger als sonst üblich gewesen ist. Denn N. sei nicht zum Fenster hinausgefallen, sondern gesprungen. Und es sei nicht zu erweisen, daß der Sprung bei einem höheren Gitter vermieden worden wäre. Die Kläger gehen demgegenüber von einem Sachverhalt aus, den das SG nicht festgestellt hat. Sie vertreten die Auffassung, daß N. das auf dem Fenstersims angebrachte Gitter überschritten und nicht übersprungen habe. Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten im Schriftsatz vom 11. Februar 1980 jedoch ausdrücklich vortragen lassen, daß N. "auf das flache Sims getreten und von dort über die zu niedrige Brüstung gesprungen" sei. Zwar sind Revisionsbeklagte grundsätzlich berechtigt, tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts, die sich für sie im Revisionsverfahren ungünstig auswirken, noch bis zum Schluß der Revisionsinstanz mit Verfahrensrügen anzugreifen (BSG AP Nr 12 zu § 554 ZPO; BAGE 17, 236, 238; BVerwGE 32, 228, 235; BFH NJW 1971, 168). Da jedoch eine Sprungrevision nach § 161 Abs 4 SGG nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann und dem Gegner der Sprungrevision insoweit nicht weitergehende Rechte eingeräumt werden können, als sie der Revisionskläger hat, ist es im vorliegenden Fall auch den Klägern als Revisionsbeklagten nicht gestattet, Verfahrensrügen zu erheben, seien sie gegen die Sachaufklärung oder die Beweiswürdigung des SG gerichtet. Es ist somit im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob das SG in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Sprung des N. aus dem Fenster seines Krankenzimmers auch bei einem höheren Gitter nicht vermieden worden wäre und deshalb die baulichen Verhältnisse des Fensters keine wesentliche Bedingung für den Unfall vom 24. Juli 1977 gewesen sind.

Da die für den Unfall des N. am 24. Juli 1977 in Betracht kommenden Umstände nicht unter die von § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a iVm § 548 RVO erfaßten Risiken fallen, ist der Tod des N. nicht Folge eines Arbeitsunfalls. Die Kläger als Hinterbliebene des N. haben daher keinen Anspruch auf Witwen- und Waisenrenten. Die Klagen der Kläger mußten deshalb unter Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661524

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