Verfahrensgang

SG Reutlingen (Urteil vom 28.06.1989)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 1989 abgeändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 1988 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die von dieser in den Jahren 1984 bis 1986 getragenen Anteile an den Rentenversicherungsbeiträgen für Ausfallzeiten der Beigeladenen insoweit zu erstatten, als diese Beitragsanteile auf erstattetes Krankengeld entfallen.

Im übrigen bleibt die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, daß die Abweisung wegen Unzulässigkeit erfolgt.

Insoweit wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte haben den Beigeladenen die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin, eine Ortskrankenkasse, verlangt von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) die teilweise Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen, die sie für Krankengeldbezüge ihrer Mitglieder, ua der Beigeladenen zu 1) und 2), abgeführt hat; die Krankengeldzahlungen der Klägerin wurden später wegen nachträglicher Zuerkennung von Berufsunfähigkeitsrenten rückwirkend gekürzt.

Der im März 1924 geborene Beigeladene zu 1) bezog vom 19. November 1983 bis 24. Oktober 1984 Krankengeld. Die Klägerin führte deswegen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 20. August 1984 Rentenversicherungsbeiträge nach § 1385b Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) an die Beklagte ab. Mit Bescheid vom 14. August 1984 bewilligte diese dem Beigeladenen zu 1) rückwirkend ab 14. Dezember 1983 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte erstattete der Klägerin das für die Zeit vom 14. Dezember 1983 bis 20. August 1984 gezahlte Krankengeld in Höhe der auf denselben Zeitraum entfallenden Berufsunfähigkeitsrente. Diese wandelte sie zum 1. September 1984 in ein vorzeitiges Altersruhegeld um, bei dessen Berechnung sie Ausfallzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit und Krankengeldbezugs vom 19. November 1983 bis 31. August 1984 berücksichtigte.

Der im April 1936 geborene Beigeladene zu 2) bezog Krankengeld in der Zeit vom 27. August 1984 bis 12. Januar 1986. Für ihn entrichtete die Klägerin während des gesamten Bezugszeitraumes ebenfalls Beiträge nach § 1385b Abs 1 RVO. Mit Bescheid vom 2. Juni 1986 gewährte die Beklagte dem Beigeladenen zu 2) rückwirkend Berufsunfähigkeitsrente ab 1. August 1984. Der Rentenberechnung lag ua eine Zurechnungszeit vom 1. August 1984 bis 30. April 1991 zugrunde. Die Beklagte erstattete der Klägerin auch in diesem Falle das Krankengeld bis zur Höhe der auf den Bezugszeitraum entfallenden Berufsunfähigkeitsrente. Der Rentenbescheid wurde nach erfolgreicher Umschulung des Beigeladenen zu 2) mit Wirkung vom 31. Oktober 1988 aufgehoben.

Im Oktober 1988 verlangte die Klägerin für 17 ihrer Mitglieder, darunter auch die Beigeladenen zu 1) und 2), von der Beklagten die Erstattung abgeführter Rentenversicherungsbeiträge in der Höhe, wie sie auf erstattetes Krankengeld für Zeiten ab 1. Januar 1984 entfielen. Für den Beigeladenen zu 1) errechnete sie 1.158,64 DM und für den Beigeladenen zu 2) 2.788,22 DM. Die Beklagte lehnte die beantragte Erstattung mit Schreiben vom 17. November 1988 ab.

Nach Klageerhebung haben sich die Beigeladenen zu 1) und 2) damit einverstanden erklärt, daß die Klägerin „bei der Beklagten” die Erstattung auch ihrer, der Beigeladenen, Beitragsanteile „beantrage”, allerdings unter der Bedingung, daß die Beitragserstattung bei einem späteren Versicherungsfall keinerlei Nachteile bringe. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 1989 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beiträge seien nicht zu erstatten, da sie zu Recht abgeführt worden seien. Die Zeiten des Krankengeldbezuges seien im Fall des Beigeladenen zu 1) als Ausfallzeiten berücksichtigt worden; im Fall des Beigeladenen zu 2) sei mit ihrer zukünftigen Anrechnung als Ausfallzeit zu rechnen. Die Rechtmäßigkeit von Beiträgen beurteile sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Sprungrevision eingelegt. Sie macht geltend, es gehe nicht um die Beitragspflicht dem Grunde nach, sondern um den Beitragsumfang. Dieser richte sich nach der Höhe des bezogenen Krankengeldes. Werde diese Leistung rückwirkend gekürzt und teilweise erstattet, so könne in dieser Höhe von einem Bezug nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr seien die auf die erstatteten Leistungsteile entfallenden Beiträge zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG zu verurteilen, die von der Klägerin für die Beigeladenen abgeführten krankengeldbezogenen Beiträge zur Rentenversicherung, und zwar für den Beigeladenen zu 1) für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 20. August 1984 in Höhe von 1.158,64 DM, für den Beigeladenen zu 2) für die Zeit vom 27. August 1984 bis 12. Januar 1986 in Höhe von 2.788,22 DM, zusammen 3.946,86 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das angefochtene Urteil des SG mußte abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 17. November 1988 aufgehoben werden. Soweit die Klägerin vor dem SG beantragt hat, ihr Beitragsanteile der Beigeladenen zu erstatten, ist die Klage unzulässig. Jedoch hat die Beklagte der Klägerin die von dieser selbst in den Jahren 1984 bis 1986 getragenen Anteile an den Rentenversicherungsbeiträgen der Beigeladenen insoweit zu erstatten, als diese Beitragsanteile auf erstattetes Krankengeld entfallen.

Bislang hat die Klägerin ihr Begehren mit einer Leistungsklage (§ 54 Abs 5 des SozialgerichtsgesetzesSGG –) verfolgt und vor dem SG beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die im Rahmen des § 1385b RVO für die Beigeladenen entrichteten Beiträge in Höhe von 3.946,86 DM zu erstatten. Das gesamte Vorbringen der Klägerin läßt aber erkennen, daß sie sich durch die Ablehnung der Beitragserstattung im Schreiben der Beklagten vom 17. November 1988 beschwert fühlt. Insoweit hat die Beklagte der Klägerin einen Bescheid erteilt, den diese hinzunehmen ersichtlich nicht bereit ist. Der erkennende Senat kann daher die von der Klägerin erhobene Leistungsklage in eine verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) umdeuten (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 1978 in BSGE 45, 296, 297 = SozR 2200 § 381 Nr 26). Dabei handelt es sich nicht um eine Klageänderung iS des § 99 SGG, weil das Begehren der Klägerin inhaltlich gleich geblieben ist und die unzutreffende Rechtsauffassung des SG, hier sei ein Verwaltungsakt nicht erforderlich, zu der verkürzten Antragstellung geführt hat.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Beitragserstattung ist der hier noch anzuwendende, bis zum 31. Dezember 1988 geltende Abs 1 (aF) des § 26 des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV), der seither als Abs 2 (nF) unverändert weitergilt. Über diesen Anspruch war durch Verwaltungsakt zu entscheiden, weil die Erstattung davon abhing, ob eine Beitragspflicht – dem Grunde oder der Höhe nach – bestand. Zwar sind die Klägerin und die Beklagte als Versicherungsträger rechtlich gleichgeordnet. Wie der Senat aber bereits mehrfach entschieden hat, kann ein Über- und Unterordnungsverhältnis auch zwischen an sich in ihrer Rechtsstellung Gleichgeordneten vorhanden sein, wobei es darauf ankommt, ob zwischen den Verwaltungsträgern ein dem Regelverhältnis von Verwaltung und Betroffenem vergleichbares Rechtsverhältnis besteht, das die Züge von Über- und Unterordnung trägt (vgl Urteil des Senats vom 2. Februar 1978, aaO 298 f sowie SozR 2200 § 381 Nrn 29 und 39 mwN). Die Verpflichtung der klagenden Krankenkasse, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1385b Abs 1 RVO zu zahlen, tritt während der Ausfallzeiten an die Stelle des Arbeitgeberanteils dieser Beiträge. Was hinsichtlich der Bescheiderteilung für die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge gilt, muß auch gelten, wenn ihre Erstattung begehrt wird.

Im Schreiben der Beklagten vom 17. November 1988 ist der für die Anfechtungsklage der Klägerin erforderliche Verwaltungsakt enthalten. Der Bescheid regelt jedoch nur die Ablehnung der Beitragserstattung, soweit diese die umstrittenen, von der Klägerin selbst zu entrichtenden Beitragsanteile betrifft, nicht dagegen Beitragsanteile der Beigeladenen oder anderer Mitglieder der Klägerin. Die Beklagte hat nur eine Erstattung gegenüber der klagenden Krankenkasse, nicht gegenüber Versicherten abgelehnt. Maßgebend für den Inhalt der von einer Behörde in Form eines Verwaltungsaktes getroffenen Regelung iS des § 31 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) ist die darin abgegebene Erklärung und der aus ihr ersichtliche Erklärungswille in der Gestalt, in der beides für den Adressaten erkennbar geworden ist (so der 7. Senat des Bundessozialgerichts – BSG – in SozR 4100 § 117 Nr 21 mwN). Ausschlaggebend ist, wie der Empfänger der Erklärung diese verstehen durfte. Allerdings darf er sie dann nicht in einem bestimmten Sinn auffassen, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände – objektiv – nicht so verstanden werden konnte (vgl BSGE 48, 56, 59 = SozR 2200 § 368a Nr 5).

Zwar hat die Klägerin in ihrem Antrag auf Beitragserstattung im Schreiben vom 28. Oktober 1988 auf die beigefügte Aufstellung betreffend die Erstattungszeiträume und -beträge von 17 Versicherten verwiesen und die Beklagte um Zustimmung gebeten, den errechneten Gesamtbetrag bei der nächsten Monatsabrechnung verrechnen und die Versichertenanteile an die Mitglieder der Klägerin auszahlen zu dürfen. Der Inhalt dieses Schreibens spricht aber nicht für eine Absicht der Klägerin, die erwähnten Versicherten vertreten und eine Willenserklärung in deren Namen (Antrag auf Beitragserstattung) abzugeben zu wollen (§ 164 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –), zumal die Klägerin dann als Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetreten wäre. Dann müßte die Frage gestellt werden, ob die einseitige Willenserklärung schon gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam oder genehmigungsfähig (§§ 180 Satz 2, 177 Abs 2, 174 BGB) ist. Fraglich könnte weiter sein, ob eine Genehmigung nach Erlaß des Verwaltungsaktes vom 17. November 1988 überhaupt noch möglich ist und – wenn ja -ob es dann nicht einer weiteren Verwaltungsentscheidung über den nunmehr erst wirksamen Antrag auf Erstattung von Beitragsanteilen der Versicherten bedurft hätte.

§ 33 Abs 1 SGB X fordert, ein Verwaltungsakt müsse inhaltlich hinreichend bestimmt sein (vgl Urteil des Senats in SozR 1300 § 33 Nr 1). Einen Verfügungssatz über die Anteile der Versicherten enthält der angefochtene Bescheid nicht. Aus seinem Inhalt kann geschlossen werden, daß die Beklagte nicht über die Beitragsanteile der Versicherten entscheiden wollte. Dazu hat sie keine Entscheidung getroffen, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet gewesen wäre (§ 31 Satz 1 SGB X). Die Beklagte hat auch weder die Zustimmung zur Verrechnung des Gesamtbetrages erteilt, noch ist sie auf die Beitragsanteile der Versicherten eingegangen, noch hat sie das von der Klägerin vorgeschlagene Verrechnungsverfahren gebilligt. Schließlich hat die Beklagte auch nicht die von der Klägerin genannten 17 Versicherten als Beteiligte an dem Verwaltungsverfahren hinzugezogen, wozu ggf § 12 Abs 2 SGB X Veranlassung geboten hätte.

Alle diese Umstände lassen nur die rechtliche Würdigung zu, daß der angefochtene Verwaltungsakt der Beklagten keine Entscheidung über den Anspruch der Versicherten, also auch der Beigeladenen, auf Erstattung der von ihnen für die streitigen Zeiträume entrichteten Beitragsanteile enthält. Schon wegen des fehlenden Verwaltungsaktes ist daher die Anfechtungsklage der Klägerin, soweit sie Beitragsanteile der Beigeladenen betrifft, unzulässig. Deshalb kann hier unerörtert bleiben, ob sich das SG auf die Beiladung von 2 Versicherten beschränken durfte.

Selbst wenn man bei der Auslegung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu einer anderen Einordnung des rechtlichen Inhalts gelangte, so wäre die Klage auf Erstattung fremder Beitragsanteile unzulässig. Jedenfalls fehlte der Klägerin die Prozeßführungsbefugnis, im eigenen Namen „fremde”, den Beigeladenen ggf. zustehende Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Durch Gesetz ist der Klägerin eine Prozeßstandschaft nicht eingeräumt worden. Die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozeßstandschaft sind ebenfalls nicht erfüllt. Ob diese bei Anfechtungsklagen überhaupt zulässig ist (verneinend zB Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –, 9. Aufl, Rz 27 zu § 42; Kopp, VwGO, 8. Aufl, Vorb § 40 Rz 25), kann hier unentschieden bleiben. Die von der Klägerin während des erstinstanzlichen Verfahrens beigebrachten schriftlichen Erklärungen der Beigeladenen enthalten keine wirksame Zustimmung zu einer gewillkürten Prozeßstandschaft. Das Einverständnis wurde nur für einen Antrag bei der Beklagten erteilt, war also auf die Verwaltungsebene beschränkt. Außerdem enthielt es die Bedingung, die Beitragserstattung dürfe bei einem späteren Versicherungsfall keinerlei Nachteile bringen. Als Prozeßhandlung war diese Erklärung wegen der darin enthaltenen Bedingung unwirksam.

Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Erstattung der auf die Beigeladenen entfallenen Beitragsanteile zu verurteilen, ist die Klage also unzulässig. Hingegen ist die Revision betreffend die von der Klägerin selbst für Ausfallzeiten der Beigeladenen getragenen Anteile an den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung begründet. In diesem Umfang hätte das SG dem Klagebegehren stattgeben müssen. Dabei bedurfte es im Hinblick auf die Vorschrift des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGG eines Vorverfahrens nicht.

Gemäß § 26 Abs 1 SGB IV aF (jetzt Abs 2 nF) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, daß der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (Halbs 1). Die von der Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung für die Beigeladenen während der streitigen Zeiträume gezahlten Beiträge sind jedenfalls der Höhe nach zu Unrecht entrichtet worden.

Nach § 1385b Abs 1 RVO in der vom 1. Januar 1984 an geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) zahlen die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für Ausfallzeiten von Personen, die von ihnen Krankengeld beziehen, wenn diese vor Beginn der Leistung pflichtversichert waren, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Abs 1 Satz 3 dieser Vorschrift erklärt § 1385a Satz 2 RVO für entsprechend anwendbar, wonach für die Berechnung der Beiträge die Höhe der Leistung, hier also des Krankengeldes, und der jeweils geltende Beitragssatz maßgebend sind. Die Klägerin hat sich von Anfang an in diesem Verfahren nur gegen die Höhe der von ihr nach § 1385b RVO zu entrichtenden Beiträge gewandt. Schon im Schreiben vom 28. Oktober 1988 an die Beklagte heißt es, für die Zeit ab „Eintritt des Versicherungsfalles” (gemeint ist offenbar der Rentenbeginn) bis zum „Eingang des Rentenbescheides” sei das beitragspflichtige Krankengeld um den Betrag der Rente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen und Beitragspflicht bestehe nur aus dem restlichen Krankengeld. Noch in der Revisionsbegründung macht die Klägerin deutlich, es gehe nicht um die Entscheidung über eine grundsätzliche Beitragspflicht, sondern um den davon zu unterscheidenden Beitragsumfang. Der Beitragssatz sei nicht umstritten, sondern nur das Krankengeld als Berechnungsgrundlage. Gegenstand des Rechtsstreits ist also, ob die Höhe des Beitrags anhand des zunächst gezahlten Krankengeldes oder bei rückwirkender Korrektur auf der Basis des tatsächlich zustehenden Krankengeldes zu berechnen ist. Letzteres ist zutreffend. Ändert sich die Leistungshöhe nachträglich rückwirkend, so fällt auch – rückwirkend – der Rechtsgrund für die geleisteten Beiträge im Umfang der Änderung weg.

Wie der 8. Senat des BSG im Urteil vom 15. November 1989 (SozR 2100 § 26 Nr 9) bereits entschieden hat, besteht ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs 1 SGB IV aF, soweit Beitragsanteile von rückwirkend gekürztem Krankengeld entrichtet worden sind. Der erkennende Senat schließt sich dieser Entscheidung an. Sie ist zu der dem § 1385b RVO im Recht der knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Vorschrift des § 130b des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) ergangen. Unterschiede im Inhalt beider gesetzlichen Regelungen bestehen nicht.

Allerdings hat der erkennende Senat mehrfach die Versicherungspflicht des Rehabilitanden und daraus folgend die Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers im Rahmen der Rehabilitation grundsätzlich an den tatsächlichen Bezug von Übergangsgeld geknüpft (vgl Urteil vom 15. Mai 1984 in SozR 2200 § 381 Nr 50 mwN). Das hat das BSG sowohl entschieden, wenn rückwirkend der Rechtsgrund für die Leistung ausgetauscht worden ist (SozR aaO Nrn 35 und 39), als auch für andere Fälle eines materiell zu Unrecht gezahlten Übergangsgeldes (SozR aaO Nrn 40 und 43 = BSGE 51, 100). Dieser Rechtsprechung liege, so der Senat im Urteil vom 15. Mai 1984 (aaO mwN), der Gedanke zugrunde, daß das Bestehen von Versicherungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein müsse und deshalb rückwirkende Veränderungen grundsätzlich unbeachtlich seien. Für die Rentenversicherung sei das Bedürfnis nach Klarheit des Versicherungsschutzes allerdings weniger drängend. Dennoch habe wegen der einheitlichen Anknüpfung der Beitragspflicht an den Bezug von Übergangsgeld eine Differenzierung nach den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu unterbleiben. Diese Rechtsprechung kann nicht auf die Beitragspflicht aus § 1385b RVO übertragen werden.

Der 8. Senat des BSG hat im Urteil vom 15. November 1989 (aaO) zum Verhältnis zwischen Beitragspflicht und Rückerstattungsanspruch folgendes ausgeführt: Die Beitragspflicht sei ausschließlich vom Bezug des Krankengeldes, also von der tatsächlichen Leistungsgewährung abhängig. Dieser tatsächliche Vorgang sei nicht mehr aufzuheben. Das allein bedeute allerdings nicht, der Leistungsbezug sei rechtmäßig gewesen. Jedoch werde auch ohne eine solche Prüfung Klarheit über die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung geschaffen. Bei dem Rückerstattungsanspruch aus § 26 Abs 1 SGB IV aF gehe es nicht um den tatsächlichen Leistungsbezug und die allein hieran geknüpfte Beitragsentrichtung, sondern um die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges als Grundlage für die entrichteten Beiträge. Darin liege kein Widerspruch. Die Frage nach dem Entstehen von Mitgliedschaften, Leistungsansprüchen und Beitragspflichten müsse schnell und möglichst einfach geklärt werden können. Anders sei die Interessenlage jedoch dann, wenn Beiträge „unverbraucht” geblieben seien. Werde der unrechtmäßige Leistungsbezug rückgängig gemacht, so sei auch rückwirkend die Rechtsgrundlage für die Beitragsentrichtung entfallen.

In den erwähnten Urteilen des BSG zur Beitragspflicht wegen der Zahlung von Übergangsgeld ist – soweit ersichtlich – auch in Fällen, die Zeiträume nach dem Inkrafttreten des SGB IV am 1. Juli 1977 (Art 2 § 21 Abs 1 SGB IV) betreffen, § 26 SGB IV nicht geprüft worden. Im übrigen sind diese Entscheidungen des Senats (zB in SozR 2200 § 381 Nrn 39 und 50), was die Rentenversicherung anbetrifft, zur Versicherungs- und Beitragspflicht des Rehabilitanden bzw des Trägers der Rehabilitation und zu anderen Rechtsvorschriften ergangen. Zu Unrecht hat das SG hier allein auf die Umstände abgestellt, die bei der Entstehung der Beitragspflicht (§ 1385b Abs 1 RVO iVm § 22 Abs 1 SGB IV) vorhanden waren. Bei Beiträgen nach § 1385b RVO kann für den Beitragsgrund auch ein späterer Zeitpunkt maßgebend sein. So hat der Senat in seinen Urteilen vom 19. Juni 1986 und 5. Mai 1988 (SozR 2200 § 1385b Nrn 2 und 3) ausgeführt, für die Beurteilung des Merkmals „Ausfallzeit” iS des § 1385b RVO (bzw § 112b Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG –) sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem aufgrund der gleichzeitig mit der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend eine Versichertenrente festgestellt worden ist. Wird die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer gewährt, so waren von ihrem Beginn an die Voraussetzungen eines Ausfallzeittatbestandes objektiv nicht erfüllt. Damit steht zugleich nachträglich fest, daß ein Beitragsanspruch dem Grunde nach nicht bestanden hat. Wird statt einer Rente wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit eine solche wegen dauernder Berufsunfähigkeit gewährt, so gilt für die Frage der Beitragshöhe entsprechendes. In diesem Fall ist für die Höhe der nach § 1385b Abs 1 RVO zu entrichtenden Beiträge der Zeitpunkt maßgebend, zu dem rückwirkend Rente für den Bezugszeitraum des beitragspflichtigen Krankengeldes bewilligt wird. Die Kürzung des beitragspflichtigen Krankengeldes (hier noch nach § 183 Abs 5 RVO aF; vgl für die Zeit ab 1. Januar 1989 § 50 Abs 2 Nr 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V –) beeinflußt so rückwirkend die Höhe der für den Kürzungszeitraum zu leistenden oder bereits geleisteten Beiträge.

Sind demnach die Beiträge in der Höhe, für welche die Klägerin Erstattung geltend macht (§ 123 SGG), sowohl im Fall des Beigeladenen zu 1) als auch im Fall des Beigeladenen zu 2) zu Unrecht entrichtet, so steht der Klägerin, soweit sie diese Beiträge getragen hat, nach § 26 Abs 1 SGB IV aF ein Erstattungsanspruch zu. Dem stehen nicht die in der genannten Vorschrift enthaltenen „Verfallklauseln” entgegen. Danach ist eine Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge ausgeschlossen, wenn entweder aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht wurden oder zu erbringen waren. Zwar hat der Beigeladene zu 1) ab 1. Januar 1984 Altersruhegeld unter Anrechnung von Ausfallzeiten, für welche die (teilweise) streitigen Beiträge entrichtet worden sind, erhalten und dem Beigeladenen zu 2) wurden vom 17. August 1987 bis 1. Juli 1988 von der Beklagten berufsfördernde Maßnahmen gewährt. Beide Leistungen wurden aber nicht „aufgrund” der streitigen Beiträge gewährt. Die Anrechnung von Ausfallzeiten erfolgt unabhängig von Beiträgen nach § 1385b RVO (§§ 1258, 1259 RVO). Gleiches gilt für die Gewährung berufsfördernder Maßnahmen (§§ 1236, 1237a RVO), zu deren Voraussetzungen eine bestimmte Versicherungszeit oder ein Rentenbezug (§ 1236 Abs 1a Satz 1, Halbs 2 RVO) gehören, nicht aber Beiträge nach § 1385b Abs 1 RVO. Auch der zweite Ausnahmetatbestand des § 26 Abs 1 SGB IV aF ist hier zu verneinen; denn die zweite Verfallklausel gilt nicht für den Bereich der Rentenversicherung (vgl Urteil des Senats vom 25. April 1991 – 12/1 RA 65/89 –).

Nach allem steht der Klägerin – in Höhe der von ihr selbst getragenen Beitragsanteile – der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu, und die Revision ist insoweit begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172987

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