Leitsatz (amtlich)

Wird die Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsweise im Wege des Vergleichs mit dem Fachgruppendurchschnitt geprüft, so erfordert nicht jede Behandlungsrichtung die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe; sie ist nur vorzunehmen, wenn die besondere Behandlungsmethode nach ärztlichem Berufsrecht zum Führen einer Zusatzbezeichnung berechtigt.

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsatz der Therapiefreiheit berechtigt den Arzt nicht, der Solidargemeinschaft der Versicherten unwirtschaftliche Kosten zu verursachen.

2. Ärzte, die der anthroposophischen Therapierichtung angehören, können bei der Überprüfung der Diagnoseleistungen auf Wirtschaftlichkeit regelmäßig mit den Ärzten für Allgemeinmedizin verglichen werden.

3. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen kann zweckmäßig sein, wenn sie eine hinreichend große Zahl von Ärzten umfaßt, die sich durch eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode in erheblicher Weise von Ärzten mit anderen Behandlungsarten unterscheiden.

4. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen ist regelmäßig dann angezeigt, wenn die besondere Behandlungsmethode nach ärztlichem Berufsrecht zum Führen einer Zusatzbezeichnung berechtigt, die nach Erfüllen spezieller Qualifikation verliehen wird.

 

Normenkette

RVO § 368e Fassung: 1972-08-10; EKV-Ä § 14 Nr 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.04.1978; Aktenzeichen L 10 Ka 1555/77)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 29.06.1977; Aktenzeichen S 14 b Ka 1357/75)

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Kürzung von Honorarabrechnungen.

Der Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin und als Vertragsarzt an der ersatzkassenärztlichen Versorgung beteiligt. Die Prüfungskommission der Beklagten kürzte die Honorarabrechnungen des Klägers für das Quartal III/1973 und IV/1973 sowie für das Quartal I/1974 und II/1974. Die Kürzung der ersten drei Quartale betrafen jeweils den Ansatz der Abrechnung Ziffer 772 der Ersatzkassen-Adgo (E-Adgo), die für chemische Analysen schwierig-quantitativer Art unter Anwendung hochwertiger Meßgeräte (Gruppe II) vorgesehen war. Die Prüfungskommission war der Auffassung, daß der Kläger eine ungezielte Labor-Diagnostik betreibe und Mehrfach-Untersuchungen durchführe, ohne daß sich aus den von ihm angegebenen Diagnosen deren Notwendigkeit ergebe. Die Kürzungen betrugen im Quartal III und IV/1973 jeweils 10 vH und beliefen sich auf 478,50 DM bzw 594,-- DM, im Quartal I/1974 betrugen sie 15 vH der abgerechneten Fallansätze. Gegen die Kürzungsbeschlüsse erhob der Kläger jeweils Widerspruch. Für die Quartale III und IV/1973 blieben die Widersprüche ohne Erfolg, für das Quartal I/74 setzte die Beschwerdekommission die Kürzung auf 10 vH herab, so daß sie sich sodann auf 528,-- DM belief.

Die Kürzung für das Quartal II/1974 bezog sich auf den Gebührenansatz für die Ziffer 22 der E-Adgo, die für subkutane, submuköse, intrakutane und intramuskuläre Injektionen vorgesehen war. Die Prüfungskommission war der Auffassung, daß der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Praxisbesonderheiten das Maß des Notwendigen insbesondere dadurch überschritten habe, daß er Injektionen und Bestrahlungen serienweise nebeneinander verabreichte. Die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise werde besonders dadurch offensichtlich, daß der Ansatz der Ziffer 22 gegenüber dem Vorquartal um ca 37 vH angestiegen sei, obwohl sich die Fallzahl nicht verändert habe. Die Prüfungskommission hielt eine Kürzung von 30 vH, die sich auf den Betrag von 1.850,90 DM belief, für angemessen, Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Gegen die Beschlüsse der Beschwerde-Kommission hat der Kläger Klagen vor dem Sozialgericht Stuttgart erhoben. Das Gericht hat die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat sich darauf berufen, daß bei ihm zwei Besonderheiten seiner Praxis vorlägen, die den Honoraransatz erklärten und deren Berücksichtigung zum Wegfall der Kürzungen führen müsse. Die eine Besonderheit bestehe darin, daß er eine anthroposophische Behandlungsweise betreibe, und andererseits sei zu beachten, daß er seine Diagnosen auf internistischem Gebiet selbst stelle. Das Sozialgericht hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 29. Juni 1977): Ein Vergleich der vom Kläger abgerechneten Werte mit den Werten seines Fachgruppendurchschnitts ergebe ein offensichtliches Mißverhältnis, weil die Honorarforderungen des Klägers mehr als 40 vH über den Durchschnittswerten lägen. Die Ziffer 772 E-Adgo habe er im Quartal III/1973 mehr als sechsmal, im Quartal IV/1973 mehr als fünfmal und im Quartal I/1974 noch nahezu viermal so häufig als seine Fachkollegen abgerechnet. Die Ziffer 22 der E-Adgo habe er im Quartal II/1974 nahezu siebenmal so häufig abgerechnet wie die anderen niedergelassenen Allgemeinmediziner. Die Kürzungen seien auch unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten nicht zu beanstanden, denn danach verblieben dem Kläger noch erhebliche Überschreitungen der Durchschnittswerte, die in jedem Falle zum Ausgleich der Besonderheiten ausreichten.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat das Rechtsmittel mit Urteil vom 26. April 1978 zurückgewiesen: Es hat festgestellt, daß der Kläger bei der Abrechnung der Ziffer 772 E-Adgo den Durchschnitt der frei praktizierenden Allgemeinmediziner im Quartal III/1973 um 602,1 vH, im Quartal IV/1973 um 450 vH und im Quartal I/1974 um 310,7 vH überschritten hat und daß seine Überschreitung bei der Abrechnung der Ziffer 22 E-Adgo im Quartal II/1974 998,4 vH beträgt. Diese Werte machten die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise offensichtlich. Die Beklagte sei bei der Heranziehung von Vergleichswerten zutreffend von der Gruppe der frei praktizierenden Allgemeinmediziner ausgegangen. Die anthroposophische Behandlungsmethode, die der Kläger anwende, sei nicht als eine anerkannte spezielle Behandlungsmethode anzusehen, die zur Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe nötige. Im übrigen folge die anthroposophische Medizin der Schulmedizin, soweit es sich um die Diagnostik handele. Soweit es um die vom Kläger abgerechneten Injektionsserien gehe, sei seiner Behandlungsmethode bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß ihm nur 30 vH der Abrechnungsfälle gestrichen, jedoch Behandlungskosten belassen worden seien, die den Fachgruppendurchschnitt immer noch um 670 vH überstiegen. Der Kläger habe auch keine ausgleichende Kostenersparnis auf anderen Gebieten nachweisen können, zumal seine Behandlungskosten pro Einzelfall selbst nach der Streichung noch um 40 bis 70 vH über denjenigen der anderen Allgemeinpraktiker lägen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision des Klägers. Er ist der Auffassung, daß als Vergleichsgruppe für ihn nicht die Allgemeinärzte, sondern nur die Gruppe der Ärzte mit anthroposophischer Therapierichtung genommen werden könne, weil der bei dieser Behandlungsweise entstehende Mehraufwand für bestimmte Behandlungen durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werde. Die von ihm vertretene Therapierichtung sei anerkannt und entspreche den Regeln der ärztlichen Kunst, die zugleich den Maßstab für die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung abgäben. Der Kläger rügt, das LSG habe keinen Beweis darüber erhoben, daß bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bestimmte Mittel lokal injiziert werden müßten und durch perorale nicht ersetzt werden könnten. Daraus folge, daß die von ihm abgerechneten serienmäßigen Injektionen nicht gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstießen. Schließlich sei das LSG seinem Vorbringen nicht gefolgt, daß die anthroposophische Behandlungsweise zu einer Einsparung bei den Überweisungen an Fachärzte, Krankschreibungen, Einweisungen ins Krankenhaus, Verschreibungen einer Kur und dergleichen führten.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.04.1978 - L 10 Ka 1555/77 - abzuändern und unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.1977 - S 14 b Ka 1357/75 - die Bescheide der Beklagten vom 07.02.1974 betreffend die Ersatzkassenabrechnungen für das dritte und das vierte Quartal 1973, vom 25.07.1974 betreffend das erste Quartal 1974 der Ersatzkassenabrechnung und vom 07.09.1974 betreffend das zweite Quartal 1974 der Ersatzkassenabrechnung jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das einbehaltene Resthonorar auszubezahlen.

Hilfsweise:

das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.04.1978 - L 10 Ka 1555/77 - aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß sich die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise vor allem bei einer individuellen Prüfung der beanstandeten Abrechnungen erweise und macht dazu nähere Ausführungen. Die Bevorzugung von Injektionsbehandlungen sei zwar für die vom Kläger vertretene Therapierichtung typisch, sie schließe aber nicht aus, das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Der Kläger müsse mit der Gruppe der Allgemeinärzte verglichen werden, weil sein Krankengut von dem der Allgemeinärzte nicht wesentlich abweiche. Im übrigen zeige ein Vergleich der Behandlungskosten je Fall, daß der Kläger auch nach der Kürzung noch erheblich über dem Durchschnitt seiner Fachkollegen liege.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat über den vorliegenden Rechtsstreit unter Mitwirkung von zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern entschieden. Nach der Rechtsprechung des Senats hängt die Besetzung des Senats für Angelegenheiten des Kassenarztrechts grundsätzlich davon ab, ob die angefochtenen Verwaltungsakte allein in den Aufgabenkreis der Kassenärztlichen Selbstverwaltung fallen, oder ob sie zum Zuständigkeitsbereich der "gemeinsamen Selbstverwaltung" der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen gehören. Nach § 15 Abs 1 sowie Nr 2a und 2b des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages vom 20. Juli 1963 (AEV 63) bestehen die Prüfungs- und Beschwerdekommission ausschließlich aus von der Kassenärztlichen Vereinigung bestellten Vertragsärzten; der Verband der Angestelltenkrankenkassen hat lediglich das Recht, sich durch einen Vertreter mit beratender Stimme zu beteiligen. Da in dem dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangenen Verwaltungshandeln so verfahren worden ist, sind im Rechtsstreit als ehrenamtliche Richter zwei Kassenärzte hinzuzuziehen (vgl BSGE 11, 102, 105; 42, 268, 269).

Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Honoraransätze des Klägers zu Recht gekürzt.

Die vom Kläger beanstandeten Kürzungen finden ihre rechtliche Grundlage in § 14 Nr 1 iVm § 15 AEV 63. Danach hat die Prüfungskommission - und nach Widerspruch die Beschwerdekommission - darüber zu entscheiden, ob die ärztliche Behandlungsweise und Abrechnungsweise im einzelnen und insgesamt den vertraglichen Bestimmungen entspricht, insbesondere ob sie dem Erfordernis der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit genügt. Die Prüfungskommission hat notfalls die Honorarabrechnung des Vertragsarztes zu korrigieren und bei der Festsetzung des dem Vertragsarzt zustehenden Honorars Abstriche vorzunehmen. Die hier streitigen Kürzungen betreffen für die Quartale III/73 bis I/74 die Abrechnung der Ziffer 772 E-Adgo, die für chemische Analyse schwierig-qualitativer Art vorgesehen war. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger bei der Abrechnung dieser Ziffer den Durchschnitt der frei praktizierenden Allgemeinmediziner im Quartal III/73 um 602,1 vH, im Quartal IV/73 um 450 vH und im Quartal I/74 um 310,10 vH überschritten hat. Gegen diese Feststellungen hat der Kläger keine Rügen erhoben, sie sind somit für den Senat bindend (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Der Kläger wendet sich dagegen, daß für ihn als Vergleichsgruppe die Kassenärzte bzw Vertragsärzte im Bereich der Beklagten herangezogen worden sind, die als Ärzte für Allgemeinmedizin zugelassen sind. Diese Einwendung ist unbegründet. Es bedarf in dem Zusammenhang keiner Erörterung des Umstandes, daß der Kläger Anhänger der anthroposophischen Therapierichtung ist, denn die von der Prüfungs- und Beschwerdekommission verfügte Streichung betrifft eine diagnostische Leistung. Das Bestimmungsverfahren nach Ziffer 772 E-Adgo gehört zur Gruppe der Laboruntersuchungen (Abschnitt F der Adgo) und ist dazu bestimmt, das Krankheitsbild des Patienten zu erkennen. Der Kläger hat nichts darüber vorgetragen, und es ist auch von Amts wegen nichts erkenntlich, daß er für seine Behandlungsweise andere diagnostische Verfahren oder eine aufwendigere Diagnostik überhaupt benötige als die Schulmedizin. Ist das nicht der Fall, so besteht auch kein Grund, ihn nicht mit der Gruppe der Ärzte zu vergleichen, die, wie der Kläger, als Ärzte für Allgemeinmedizin zugelassen sind und ihre Diagnostik nach den gleichen Grundsätzen betreiben. Das LSG ist somit von der zutreffenden Vergleichsgruppe ausgegangen. Es hat auch ohne Rechtsirrtum aus den festgestellten Überschreitungen der durchschnittlichen Fachgruppenwerte auf eine Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers geschlossen. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist ein Mißverhältnis zum Fachgruppendurchschnitt jedenfalls anzunehmen, wenn die Überschreitung mehr als 100 vH beträgt (vgl BSGE 19, 123, 128; 46, 145, 149). Das ist beim Kläger der Fall. Es sind auch keine Praxisbesonderheiten ersichtlich, die seinen Mehraufwand rechtfertigen könnten. Was der Kläger zum Zusammenhang von Mehraufwendungen und Einsparungen generell vorträgt, betrifft Besonderheiten seiner Behandlungsweise, besagt aber nichts zur Diagnostik. Im übrigen zeigt auch ein Vergleich der Fallkosten des Klägers eine erhebliche Überschreitung der Durchschnittswerte der Fachgruppenkollegen in den drei Quartalen. Selbst nach der Kürzung verbleibt dem Kläger noch eine Überschreitung um 40 bis 70 vH. Dadurch wird zugleich deutlich, daß die Beklagte die Kürzungen in maßvoller Weise vorgenommen hat; eine Überschreitung ihrer Befugnisse könnte erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn der Kürzungsbetrag die volle Höhe des auf die Wirtschaftlichkeit entfallenden Mehraufwandes erreicht hätte (vgl BSG 17, 80, 88).

Die Kürzung für das Quartal II/74 betrifft die Ziffer 22 der E-Adgo, die für Injektionen vorgesehen ist. Hierzu hat das LSG festgestellt, daß der Kläger den Fachgruppendurchschnitt der Allgemeinmediziner um 998,4 vH überschritten hat. Diese Feststellung ist nicht mit zulässiger Revisionsrüge angegriffen worden, mithin für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) und demgemäß der Entscheidung zugrundezulegen. Die Einwendung des Klägers, die Überschreitung dürfe ihm deshalb nicht entgegengehalten werden, weil sie nicht von der richtigen Vergleichsgruppe ausgehe, ist unbegründet. Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zugelassen, für ihn ist deshalb zutreffend die Fachgruppe Ärzte für Allgemeinmedizin zum Vergleich herangezogen worden. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung der Frage, ob bei einem homöopathisch behandelnden Arzt eine Verengung der Vergleichsgruppe auf die Untergruppe homöopathischer Ärzte stattzufinden hat, wie das in dem Rechtsstreit 6 RKa 24/59 (Urteil vom 29. Mai 1962 - BSGE 17, 79, 85) als sachgerecht angesehen worden ist, um mit dieser Art des Vergleichs den Praxisbesonderheiten des von der Kürzung betroffenen Arztes Rechnung zu tragen. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen kann zweckmäßig sein, wenn sie eine hinreichend große Anzahl von Ärzten umfaßt, die sich durch eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode in erheblicher Weise von Ärzten mit anderen Behandlungsarten unterscheiden. Diese Voraussetzung kann dann als erfüllt angesehen werden, wenn die besondere Behandlungsmethode nach ärztlichem Berufsrecht zum Führen einer Zusatzbezeichnung berechtigt, die nach Erfüllen spezieller Qualifikation verliehen wird. Daraus folgt jedoch nicht, daß jede Behandlungsrichtung die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe erfordert; wesentlich für die Rechtmäßigkeit einer vergleichenden Bewertung ist lediglich, daß eine besondere - medizinisch anerkannte - Behandlungsweise eines Arztes bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung als seine Praxisbesonderheit berücksichtigt wird. Diesem Erfordernis hat das LSG im angefochtenen Urteil entsprochen. Es hat die Kürzung der Ziffer 22 E-Adgo deshalb für rechtmäßig gehalten, weil dem Kläger auch danach noch eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 670 vH verblieben und damit der von ihm vertretenen anthroposophischen Therapierichtung hinreichend Rechnung getragen ist. Die Honorarkürzung ist um so weniger zu beanstanden, als auch ein Vergleich der Injektionsbehandlung des Klägers im streitigen Quartal mit den Werten seines Vorquartals eine Steigerung um etwa 37 vH zeigt, obwohl die Fallzahl des Klägers ziemlich gleichgeblieben ist. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 29. Mai 1962, auf die sich der Kläger beruft, darauf hingewiesen, daß gerade ein Vergleich mit der eigenen Behandlungstätigkeit des Arztes in anderen Abrechnungszeiträumen zweckmäßig sein könne (vgl BSGE 17, 79, 86). Schließlich ist noch zu beachten, daß der Kläger auch bei den allgemeinen Fallkosten den Durchschnitt der praktischen Ärzte überschreitet. Das LSG hat festgestellt, daß selbst nach der Kürzung seine Behandlungskosten pro Einzelfall noch um 40 bis 70 vH höher liegen als die seiner Fachgruppenkollegen. Selbst wenn man im vorliegenden Fall den Ansatz einer einzigen Berechnungsziffer als nicht aussagekräftig bewerten wollte, ergibt doch der Vergleich der Gesamtkosten einen brauchbaren Anhalt für die Frage, ob die Behandlungsweise des Klägers als unwirtschaftlich zu bezeichnen ist. Diese Frage kann nicht, wie das der Kläger offenbar annimmt, in Zusammenhang gebracht werden mit dem Prinzip der Therapiefreiheit. Es bleibt dem Kläger unbenommen, die Therapiemethode, die er für zutreffend hält, bei seinen Patienten anzuwenden, es kann ihm aber nicht gestattet werden, durch das Ausmaß seiner Leistungen Kosten zu verursachen, die das Maß des Zumutbaren überschreiten. Eine solche Überschreitung liegt hier vor. Er übersieht, daß er als Vertragsarzt - ebenso wie der Kassenarzt - Teil eines Leistungssystems ist, dem eine besonders bedeutsame soziale Funktion zukommt. Seine Handlungsweise läßt sich nicht von den Rechten und den Pflichten der anderen an diesem System Beteiligten lösen. Sie ist vielmehr eingebettet in einen Gesamtzusammenhang, der auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft der Versicherten aufbaut (vgl dazu auch BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77). Die Kosten, die durch die Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung entstehen, werden durch alle Versicherten gemeinsam aufgebracht. Sie dienen dazu, für alle Versicherten eine zweckmäßige und ausreichende Krankenversorgung sicherzustellen (§ 182 Abs 2, § 368e RVO), wobei allen Versicherten nach dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch darauf zusteht, "gleich gut" behandelt zu werden. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn nicht notwendige und unwirtschaftliche Leistungen vermieden werden (§ 368e RVO, § 2 Nr 2 AEV 63).

Da die Feststellungen des LSG über die der streitigen Honorarkürzung zugrundeliegende Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers nicht zu beanstanden ist, war seine Revision gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 84

AusR 1990, 20

AusR 1992, 38

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