Leitsatz (amtlich)

Zur Auswahl des ärztlichen Sachverständigen, der bei der Gesamtbeurteilung der MdE im Falle mehrerer unterschiedlicher Behinderungen hinzuzuziehen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Über die Kompetenz desjenigen Sachverständigen, dem die Gesamtbeurteilung der MdE bei mehreren unterschiedlichen Behinderungen obliegt, werden sich schwerlich unverrückbare Rechtsgrundsätze oder auch nur Richtlinien aufstellen lassen. Dies schließt aber nicht aus, daß nachgiebige Regeln allgemeiner Art erarbeitet werden, an denen der Tatrichter einen Anhalt findet.

2. Die Gesamtbehinderung eines Menschen läßt sich rechnerisch nicht ermitteln. Vielmehr sind alle Behinderungsmomente in einer Gesamtschau unter Betrachtung ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander einzuschätzen, und zwar in einer Würdigung, wie sie dem Verfahren des ZPO § 287 entspricht (vgl auch BSG vom 1979-03-15 9 RVs 6/77 = SozR 3870 § 3 Nr 4 und BSG vom 1979-03-15 9 RVs 7/78).

3. Weil sonach wertungsbedingte Unsicherheitsfaktoren bei Bestimmung der Gesamt-MdE in Kauf zu nehmen sind, ist auf die sorgfältige Auswahl des hinzuzuziehenden Sachverständigen besonders zu achten. Je weniger die Sachaussage eines Sachverständigen in seine eigentliche Sachkompetenz fällt (hier: eines HNO-Arztes hinsichtlich Fragen aus der inneren Medizin und Orthopädie oder Chirurgie), um so mehr hängt die Überzeugung des Gerichts, daß seine Auffassung richtig sei, von dessen persönlicher Autorität ab. Daß dem Sachverständigen diese Autorität zu Recht zuerkannt worden ist, weil sie seiner Qualifikation entspricht, muß das Gericht dann besonders deutlich darlegen.

4. Die Bewertung der MdE ist im Recht der Kriegsopferversorgung und nach dem Schwerbehindertenrecht einheitlich vorzunehmen, gleichgültig, ob nach Lage des Falles mehr die Gesichtspunkte der Versehrtheit als solche oder stärker die Störung in der Berufsausübung im Vordergrund stehen.

5. Der Sachverständige, dem die Gesamtbeurteilung der MdE bei mehreren unterschiedlichen Behinderungen obliegt, muß in der Lage sein, die Auswirkungen dieser Behinderungen in ihrer Gesamtheit beweiskräftig zu bewerten.

 

Normenkette

SchwbG § 3 Abs. 3 Fassung: 1974-04-29; BVG § 30 Abs. 1; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 287 Fassung: 1950-09-12

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 13.06.1978; Aktenzeichen L 13 Vs 20/78)

SG Berlin (Entscheidung vom 27.01.1978; Aktenzeichen S 47 Vs 368/77)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. Juni 1978 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Gemäß § 3 Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) wurden als Behinderungen des Klägers festgestellt: a) genagelte Unterschenkelfraktur rechts mit noch liegenden Metallteilen; b) hochgradige Schwerhörigkeit rechts und geringgradige Schwerhörigkeit links bei Zustand nach gehörverbesserndem operativem Eingriff am linken Ohr, subjektive Ohrgeräusche, c) Reizmagen mit gelegentlicher Geschwürsbildung, d) Praesklerose mit medikamentös gut eingestelltem Bluthochdruck, e) Fehlstatik der Wirbelsäule, f) Sehbehinderung. Der Grad der auf diesen Behinderungen beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde insgesamt mit 40 vH festgesetzt. an Einzelbewertungen war die Versorgungsverwaltung von folgenden Vom-Hundert-Sätzen ausgegangen: a) 10, b) 20, c) 20, d) unter 10, e) 10 und f) 5 (Bescheid vom 16. Juni 1977; Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1977). Bei ihren Entscheidungen stützten sich die Behörden auf mehrere ärztliche Stellungnahmen, zuletzt auf das Gutachten des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr M... und die Zustimmung dazu von dem Prüfarzt Dr K...

Das Sozialgericht (SG) (Urteil vom 27. Januar 1978) verurteilte den Beklagten, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte die Schwerbehinderung des Klägers nach einem Grade der MdE von 50 vH seit dem 1. Juni 1975 anzuerkennen. Diese Behinderungsquote errechnete das SG nach der sogenannten Subtraktionsmethode. Von ihr nahm das SG an, sie sei im Recht der Kriegsopferversorgung üblich und damit auch für Schwerbehindertensachen verbindlich. Das Landessozialgericht (LSG) (Urteil vom 13. Juni 1978) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seines Erachtens ist die Subtraktionsmethode nicht zwingend vorgegeben und unangebracht, wenn - wie hier - eine größere Anzahl voneinander unabhängiger Körperschäden sich im einzelnen nur unwesentlich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkten. Richtigerweise sei die MdE durch Schätzung festzustellen. - Daß die Subtraktionsmethode im Recht der Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung angewendet werde, gebiete die gleiche Übung nicht auch für das Schwerbehindertenrecht. Letzteres diene dem Zweck, die Eingliederung der Behinderten in das Erwerbsleben sicherzustellen. Auf die Ursache der Behinderung komme es - abweichend von der Regelung zur Unfallversicherung und zur Kriegsopferversorgung - nicht an. Infolge dieser Differenz könnten Schädigungs- und Verletzungsfolgen dort in einem Ausmaß anzuerkennen sein, das hier als Behinderungen nicht oder nicht gleichermaßen bestätigt werden könne.

Der Kläger hat die - von dem Bundessozialgericht (BSG) zugelassene - Revision eingelegt. Er hält es für richtig, daß die Gesamtbewertung einer aus mehreren Behinderungen resultierenden Erwerbsbeschränkung im Wege einer Schätzung und nicht nach mathematischen Formeln vorgenommen wird. Er bezweifelt jedoch die fachliche Eignung eines Hals-, Nasen- und Ohrenfacharztes für die abschließende Beurteilung der Gesamt-MdE und vermißt die Darlegung der Gründe für die in diesem Falle vorgenommene Bewertung. Er meint, von dem Ohrenarzt habe eine hinlängliche Aussage über die Wechselwirkung der Unterschenkelfraktur, des Reizmagens, der Fehlstatik der Wirbelsäule und der Sehbehinderung nicht erwartet werden können. Für die Qualifikation und Auswahl der Mediziner, denen die Stellungnahme zur Gesamt-MdE anzuvertrauen sei, müßten Grundsätze gefunden werden. Der Kläger schlägt vor, in der Regel von der höchsten Einzelbehinderung auszugehen. Dies sei hier neben der Schwerhörigkeit das Magenleiden. Beziehe man die übrigen Befunde in die Überlegung mit ein, dann hätte sich für die Einschätzung des Gesamtzustandes ein Internist als der geeignetere Sachverständige angeboten. Daß dieser Gesichtspunkt nicht beachtet worden sei, werde nicht durch die Äußerung des Prüfarztes wettgemacht. Denn der Prüfarzt habe lediglich die Zahlenangabe des Ohrenfacharztes übernommen, sich aber nicht auf eine ins einzelne gehende Begründung der abgegebenen Bewertung stützen können; diese Bewertung sei überhaupt nicht näher erläutert worden.

Der Kläger beantragt,

das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen;

hilfsweise:

die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

Das LSG hat sich bei der Bewertung der körperlichen Erschwernisse, die den Kläger im Arbeits-, Berufs- und gesellschaftlichen Leben belasten, des zutreffenden Maßstabs bedient. Es hat sich, ohne dies im einzelnen zu erörtern, von den Regeln leiten lassen, die nach § 30 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vorgegeben sind. Diese Vorschrift ist nach § 3 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) entsprechend anzuwenden, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der Grad der MdE infolge mehrerer Behinderungen im ganzen festzustellen ist (dazu: Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung Behinderter nach dem SchwbG, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1977, Seiten 11, 36). Die Verweisung auf das Kriegsopferversorgungsrecht betrifft einmal die Mindest-vom-Hundert-Sätze, welche gemäß § 30 Abs 1 letzter Satz BVG für erhebliche Körperschäden festgesetzt werden; zum anderen bezieht sie sich auf die "Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben", so wie diese in § 30 Abs 1 Sätze 1 und 2 BVG beschrieben ist. Die Bewertung der MdE ist einheitlich vorzunehmen, gleichgültig, ob nach Lage des Falles mehr der Gesichtspunkt der Versehrtheit als solcher oder stärker die Störung in der Berufsausübung im Vordergrund steht. Dies hat der Senat in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - näher begründet. Darauf kann in dieser Sache hingewiesen werden, weil der Inhalt der Verweisung auf § 30 Abs 1 BVG hier nicht umstritten ist.

Zutreffend sind das LSG und die Beteiligten dieses Rechtsstreits der Ansicht, daß die Gesamtbehinderung eines Menschen sich rechnerisch nicht ermitteln läßt. Die mathematische Darstellung des menschlichen Gesundheits- und Kräftezustandes ist weder durch das Gesetz vorgeschrieben noch sachgerecht. Bereits der Wortlaut des § 3 Abs 3 SchwbG enthält die Aussage, daß bei mehreren Behinderungen nicht einfach eine Addition des Prozentsatzes für jede von ihnen richtig ist, sondern daß die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen erst noch "in ihrer Gesamtheit festzustellen" sind. In dieser Verbindung spricht das Gesetz ferner von der "Gesamtbeurteilung". In ähnlicher Weise drücken sich die Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG aus (dort Nr 3): Beim Zusammentreffen verschiedener Schäden sei "eine die Gesamtauswirkung der Gesundheitsstörungen zusammenfassende Minderung der Erwerbsfähigkeit (Gesamt-MdE)" festzusetzen. Die einzelnen Leiden sind nicht isoliert einem vorbestimmten Grad einer starren Skala der Leistungsfähigkeit zuzuordnen; aus dieser Zuordnung ist nicht bloß die Summe zu ziehen. Bereits die Zahlenwertskala, die zur "Bemessung" von Einzelleiden angeboten wird, stellt ein formalisiertes Modell dar, das bestenfalls Annäherungs- "Größen" - "Mindest-vom-Hundert-Sätze" - liefert und damit dem Bedürfnis nach einfacher Handhabung entgegenkommt, aber auf dezisionären Setzungen beruht. Es läßt allzu leicht vergessen, daß die Vielfalt individueller Gegebenheiten nicht mit der Exaktheit von Ziffern oder Prozenten angemessen zu erfassen ist. Naturgemäß kann eine mathematische Berechnungsmethode noch weniger bei dem Versuch einheitlicher Erfassung mehrerer Gesundheitsstörungen befriedigen. Die Ergebnisse, welche bei den verschiedenen Vorgehensweisen dieser Art, wie der Subtraktions-, Prozentual- oder Bruchteilsmethode herauskommen, halten einer natürlichen, wirklichkeitsorientierten Kontrolle im allgemeinen nicht stand. Gerade bei einer Häufung von gesundheitlichen Arbeitsbehinderungen ist der funktionale Gesichtspunkt ausschlaggebend. Funktionseinbußen entziehen sich jedoch einem mathematischen Überschlag. Wie eingeengt eine individuelle Erwerbsfähigkeit ist, könnte einem vorgegebenen Zahlengrundriß nur abgelesen werden, wenn auch die Bewertungsansätze situationsgerecht ermittelt worden wären, was sie - wie gesagt - nicht sind und nicht sein können (dazu BSGE 40, 120, 123 f). Es erweist sich vielmehr, daß der zu würdigende Beschwerdekomplex je nach Art, Umfang und Stärke der Störungen mal größer sein kann, als eine gesamte Betrachtung jedes Einzelbefundes bei einem im übrigen Gesunden ergäbe. Das andere Mal verstärkt sich hingegen das Maß der Behinderung durch hinzutretende Leiden nicht. Alle Behinderungsmomente sind deshalb in einer Gesamtschau unter Betrachtung ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander einzuschätzen, und zwar in einer Würdigung, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung entspricht (vgl Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 -). Weil sonach wertungsbedingte Unsicherheitsfaktoren bei Bestimmung der Gesamt-MdE in Kauf zu nehmen sind, ist auf die sorgfältige Auswahl des hinzuzuziehenden Sachverständigen besonders zu achten. In dieser Beziehung bezweifelt der Kläger zutreffend, daß das von einem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten erstattete Gutachten das zu leisten vermochte, was zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung nötig war. Die Bedenken des Klägers sind nicht von einem Mißtrauen gegen den hinzugezogenen Arzt persönlich getragen und bringen keine Herabwürdigung seiner Fähigkeit zum Ausdruck. Solche Gedankengänge könnten auch nicht, jedenfalls nicht ohne weitere rechtliche Begründung, zum Gegenstand revisionsrichterlicher Prüfung gemacht werden; dem Revisionsgericht ist sogar grundsätzlich verwehrt zu entscheiden, inwieweit ein Sachverständigengutachten für eine tatrichterliche Entscheidung als Grundlage ausreicht und ob dieser oder jener oder mehrere Sachverständige zu befragen sind. Solche Erwägungen unterliegen der freien Beweiswürdigung des Tatrichters. Der Revisionsrichter vermag darin nur einzugreifen, wenn die Grenzen tatrichterlicher Überzeugungsbildung überschritten, insbesondere wenn Kriterien nicht beachtet worden sind, die generell die Unzulänglichkeit eines erstatteten Gutachtens ergeben können, und wenn die für die Beweiswürdigung angegebenen Gründe das Gegenteil nicht erkennen lassen. So ist es, wenn nicht ausreichend gesichert ist, daß der Arzt, auf dessen Beurteilung sich das Gericht verlassen hat, von seinem Fachgebiet her allein ohne weiteres die Sachkunde erwarten läßt, die von der konkret gestellten Aufgabe her benötigt and üblicherweise von anderen und verschiedenen Spezialisten vermittelt wird. In diese Richtung geht der Angriff der Revision. Sie erblickt eine mögliche Fehlerquelle der Tatsachenfeststellungen darin, daß das Berufungsgericht sich von einem Sachverständigen hat beraten lassen, der auf den hier in Betracht kommenden Gebieten der inneren Medizin und der Orthopädie oder Chirurgie nicht die gebotene umfangreiche Erfahrung und Praxis besaß, um die gestellten Fragen arbeitsphysiologischer Art abschließend und zuverlässig beantworten zu können.

Dieser - die Grenzen der tatrichterlichen Beweiswürdigung berührende Mangel ist, in der Tat nicht auszuschließen. Es wäre eingehender zu erläutern gewesen, weshalb der genannte Facharzt Für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten über Kenntnisse und differenziertere Einsichten verfügte, als normalerweise anzutreffen ist (BSG SozR Nr 90 zu § 128 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Somit ist offengeblieben, inwiefern der betreffende Ohrenfacharzt ebenso wie ein Facharzt der anderen genannten Bereiche die Auswirkungen des Magen- und Bluthochdruckleidens sowie des Wirbelsäulenbefundes bei einem Arbeitseinsatz des Klägers erkennen und bewerten konnte. Je weniger die Sachaussage eines Sachverständigen in seine eigentliche Fachkompetenz fällt, um so mehr hängt die Überzeugung des Gerichts, daß seine Auffassung richtig sei, von dessen persönlicher Autorität ab. Eine solche Autorität kann sich durch das bewährte Verständnis für arbeitsmedizinische Fragestellung und durch den Überblick über ein größeres Beobachtungsmaterial erwiesen haben. Daß dem Sachverständigen diese Autorität zu Recht zuerkannt worden ist, weil sie seiner Qualifikation entspricht, muß das Gericht dann besonders deutlich darlegen. Daran läßt es das Berufungsurteil fehlen.

Was die Kompetenz desjenigen Sachverständigen anbetrifft, dem die Gesamtbeurteilung der MdE bei mehreren unterschiedlichen Behinderungen obliegt, so werden sich schwerlich unverrückbare Rechtsgrundsätze oder auch nur Richtlinien aufstellen lassen. Dies schließt aber nicht aus, daß nachgiebige Regeln allgemeiner Art erarbeitet werden, Regeln, an denen der Tatrichter einen Anhalt findet. Solche Regeln werden fortwährend zu erproben und zu verbessern sein. Sie haben jeweils zurückzutreten, wenn es die Eigenart oder die besondere Gestaltung des Einzelfalles verlangt. Ob der Tatrichter bei seinem Vorgehen sich von einer Regel oder von Einzelfallgegebenheiten bestimmen läßt, wird er sorgsam abzuwägen und darüber wird er in den Gründen seines Urteils zu berichten haben. Es werden Lehren und Erfahrungen darüber zu sammeln sein, welchen Anforderungen ein Sachverständiger zu genügen hat, der die Auswirkungen mehrerer Behinderungen in ihrer Gesamtheit beweiskräftig bewerten soll. Zu überlegen und zu erforschen ist zB, (a) ob bestimmte Fachärzte hierfür besonders befähigt sind oder ob (b) man sich jeweils an denjenigen Facharzt halten soll, in dessen Gebiet das Schwergewicht der Behinderungen liegt und oh (c) bestimmte, besonders begrenzte Fachkompetenzen die Zuständigkeit für Gesamtbeurteilungen einschränken oder (d) ob und ggf unter welchen Voraussetzungen ein Gutachter-Team zu Rate zu ziehen ist. Die Tatrichter werden auf diese und entsprechende Fragen ihr Augenmerk zu richten haben. Dabei sollten sie je nach Lage des anstehenden Falles von Arbeitsphysiologen, Berufsorganisationen der Ärzte oder zentralen Gesundheitsbehörden Vorschläge über ein geeignetes Handeln einholen.

Das Berufungsurteil, dessen Beweiswürdigung die Revision in den angegebenen Beziehungen zu Recht kritisiert hat, ist aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit die aufgezeigten Beanstandungen behoben werden können.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653191

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