Leitsatz (amtlich)

Der Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins durch die anerkannte Schädigungsfolge iS des BVG § 30 Abs 1 S 1 Halbs 2 aF steht nicht entgegen, daß der Versorgungsberechtigte wegen der nämlichen Schädigungsfolge auch eine Knappschaftsrente bezieht, durch die der Minderverdienst ausgeglichen wird. Die bürgerlich-rechtlichen Regeln der Vorteilsausgleichung finden im Rahmen der genannten Vorschrift keine Anwendung.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Fassung: 1956-06-06

 

Tenor

1. Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 1956 wird aufgehoben.

2. Das Urteil des Sozialgerichts Köln, Zweigstelle Aachen, vom 13. Dezember 1954 wird in Ziff. 2) und 3) aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Versorgungsamtes A vom 20. Oktober 1952 und der Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 18. Juni 1953 verurteilt, dem Kläger wegen Verlustes des linken Armes (22 cm langer Stumpf), Stecksplitter in der knöchernen Schädelkapsel des rechten Schläfenbeines und Stecksplitter im Gesichtsschädelanteil links, vor der Schädelbasis gelegen, Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 v. H. ab 1. Mai 1951 zu gewähren.

3. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der 1923 geborene Kläger war bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht im April 1942 als Formschmied in einem Bergwerksunternehmen tätig. Im Februar 1945 verlor er durch eine Granatsplitterverletzung seinen linken Arm. Infolge des Armverlustes kann der Kläger seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben. Er ist seit dem 1. Oktober 1947 in dem gleichen Betrieb, in dem er vor dem Wehrdienst als Formschmied arbeitete, als Hilfsarbeiter beschäftigt.

Nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) erhielt der Kläger wegen "Verlust des linken Armes (22 cm langer Stumpf)" eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. Mit Schreiben vom 9. Mai 1951 beantragte er, die MdE wegen seines besonderen beruflichen Schadens nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf 80 v. H. zu erhöhen. Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt (VersorgA), nachdem es die nach der SVD 27 anerkannte Schädigungsfolge und die Höhe der MdE im Umanerkennungsbescheid vom 20. Juni 1951 übernommen hatte, mit Bescheid vom 20. Oktober 1952 ab, weil es die Lohnminderung des Klägers von etwa 100,- DM monatlich durch den Bezug der Knappschaftsrente in monatlicher Höhe von 82,50 DM und der Versorgungsrente als voll ausgeglichen ansah und auch einen sozialen Abstieg des Klägers für nicht gegeben erachtete. Sein Einspruch blieb erfolglos. Gegen den Einspruchsbescheid legte der Kläger beim Oberversicherungsamt (OVA) Berufung ein, die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG) überging. Das SG, vor dem der Kläger auch noch die Anerkennung weiterer Kriegsleiden begehrte, erkannte durch Urteil vom 13. Dezember 1954 unter Ziff. 1) folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG an:

a) Verlust des linken Armes (22 cm langer Stumpf),

b) Stecksplitter in der knöchernen Schädelkapsel des rechten Schläfenbeins und

c) Stecksplitter im Gesichtsschädelanteil links vor der Schädelbasis gelegen.

Im übrigen wies es die Klage ab, weil es einen beruflichen Vermögensschaden des Klägers verneinte und eine Höherbewertung der MdE auch nicht wegen der zusätzlich anerkannten Schädigungsfolgen für gerechtfertigt hielt. Das SG ließ die Berufung zu. Durch Urteil vom 25. Januar 1956 wies das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurück. Eine Höherbewertung der MdE des Klägers nach § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG könne nicht vorgenommen werden, weil der Kläger beruflich nicht besonders betroffen sei. Wegen des Armverlustes könne er zwar seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben. Auch habe er als Hilfsarbeiter gegenüber einem im gleichen Werk beschäftigten Schmied ein Mindereinkommen, das im Juli 1952 4,20 DM pro Schicht betragen habe, und das sich im Januar 1956 auf 4,84 DM pro Schicht belaufe. Ein besonderer beruflicher Schaden liege aber deshalb nicht vor, weil der Kläger wegen der durch den Verlust seines linken Armes bedingten Berufsunfähigkeit, d. h. für die gleiche Schädigungsfolge, eine Knappschaftsrente erhalte. Da die monatliche Knappschaftsrente, die zur Zeit 119,20 DM betrage, dem Mindereinkommen von 4,84 DM pro Schicht oder von etwa 120,- DM im Monat entspreche, sei der berufliche Schaden des Klägers ausgeglichen. Das LSG ließ die Revision zu.

Mit der Revision beantragte der Kläger zuletzt:

das angefochtene Urteil aufzuheben, die diesem zugrunde liegenden Vorentscheidungen abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Mai 1951 ab Rente nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren,

hilfsweise , die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Revision rügt Verletzung des § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG. Bei der Berechnung des beruflichen Vermögensschadens, den der Kläger infolge der Aufgabe seines früheren Berufs als Formschmied erlitten habe, habe das LSG die Knappschaftsrente nicht dem als Hilfsarbeiter erzielten Berufseinkommen hinzurechnen dürfen. Die Zulässigkeit einer solchen Anrechnung ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 30 BVG. Die Regeln der Vorteilsausgleichung seien nur bei individuellen Schadensersatzansprüchen im Sinne des bürgerlichen Rechts anwendbar. Um einen solchen Anspruch handele es sich aber nicht bei einem Rentenanspruch nach dem BVG. Durch die Versorgungsrente werde kein individueller Schadensersatz geleistet, vielmehr richte sich die Versorgung nach einer generalisierenden Methode der Schadensvergütung. Ein besonderes berufliches Betroffensein liege beim Kläger aber auch deshalb vor, weil seine jetzige Tätigkeit als Hilfsarbeiter gegenüber seinem früher ausgeübten Beruf als Formschmied einen sozialen Abstieg bedeute.

Der Beklagte beantragte,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Er tritt den Ausführungen der Revision entgegen und hält den Erhöhungsantrag außerdem deshalb für unbegründet bzw. zumindest dessen Voraussetzungen für ungeklärt, weil entsprechend der Vorschrift des § 30 Abs. 6 BVG noch keine berufsfördernden Maßnahmen durchgeführt worden seien.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft; sie ist auch sachlich begründet.

Das LSG hat § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG in der bis zum 12. Juni 1956 geltenden Fassung - BGBl 1953 I S. 866 - (vgl. Art. IV Abs. 1 des 5. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 - BGBl I S. 463 -) nicht richtig angewandt. Seine Annahme, daß eine Höherbewertung der MdE des Klägers nach dieser Vorschrift deshalb nicht vorzunehmen sei, weil der Verdienst des Klägers als Hilfsarbeiter zusammen mit der Knappschaftsrente keine wesentliche Vermögensminderung gegenüber dem Einkommen eines Formschmiedes ergebe, ist unzutreffend. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. BVG aF ist die MdE nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; nach § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG aF ist der vor der Schädigung ausgeübte Beruf oder eine bereits begonnene oder nachweisbar angestrebte Berufsausbildung zu berücksichtigen. Aus dieser gesetzlichen Regelung läßt sich nicht entnehmen, daß eine Knappschaftsrente, die wegen der durch eine Schädigungsfolge im Sinne des BVG bedingten Berufsunfähigkeit des Beschädigten gezahlt wird, bei der Berechnung des beruflichen Vermögensschadens anzurechnen sei, so daß eine Erhöhung der MdE wegen dieses Berufsschadens zu unterbleiben habe.

Auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift läßt sich die Zulässigkeit einer Vorteilsausgleichung nicht ableiten. Die Begründung zum Entwurf des BVG (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. 1333 S. 57) führt in den Erläuterungen zu §§ 28 bis 33 lediglich aus, daß die Berücksichtigung des vor der Schädigung ausgeübten Berufes nur dann eine höhere Bewertung der Erwerbseinbuße bewirkt, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigung in der Ausübung seines Berufs besonders hart betroffen wird. Aus anderen Vorschriften des BVG und aus der Systematik dieses Gesetzes ist dagegen zu schließen, daß der Gesetzgeber bei der Frage der Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins die für bürgerlich-rechtliche Schadensersatzansprüche geltende Regel der Vorteilsausgleichung nicht übernehmen wollte. Wie sich aus der Vorschrift des § 87 BVG ergibt, geht das Gesetz davon aus, daß die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe neben den Versorgungsrenten auszuzahlen sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind besonders geregelt (vgl. §§ 33 Abs. 1, 41 Abs. 4, 47 Abs. 3 BVG). Das gilt auch, soweit Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Versorgungsansprüchen auf der gleichen Ursache beruhen. In § 65 BVG hat der Gesetzgeber im einzelnen bestimmt, in welchen Fällen und in welchem Umfang das Recht auf Versorgungsbezüge nach dem BVG ruht, wenn die gleiche Ursache den Versorgungsanspruch und andere gesetzliche Leistungsansprüche auslöst. Auch diese Vorschrift enthält keine Regelung für das Zusammentreffen einer Versorgungsrente mit einer Knappschaftsrente. Es liegt ferner kein Anhalt dafür vor, § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG aF seinem Inhalt nach als eine Sondernorm anzusehen, nach der bei Berechnung des infolge einer Schädigung erlittenen beruflichen Vermögensschadens die Regeln der Vorteilsangleichung anzuwenden sind. Diese gesetzliche Bestimmung bezweckt ebenso wie der 1. Halbs. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG aF, dem Beschädigten für die durch die Schädigungsfolgen entstandenen Nachteile eine deren erwerbsmindernder Auswirkung entsprechende Entschädigung zukommen zu lassen. Da nach dem 1. Halbs. des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG aF die Bemessung der MdE-Höhe nicht von der Anrechnung eines sonstigen, auf der gleichen Schadensursache beruhenden Einkommens abhängig gemacht ist, besteht mangels eines vom Gesetzgeber im 2. Halbs. dieser Vorschrift zum Ausdruck gebrachten anderen Willens keine rechtliche Handhabe, beim Vorhandensein eines vom 1. Halbs. nicht erfaßten zusätzlichen Berufsschadens einen Schadensausgleich vorzunehmen. Ein bloßer Schadensausgleich würde auch unberücksichtigt lassen, daß der frühere Facharbeiterberuf und der jetzige Hilfsarbeiterberuf hinsichtlich eines möglichen weiteren Berufsaufstiegs unter Umständen verschieden zu bewerten sind und daß der geringer entlohnte Beruf eine geringere Altersrente zur Folge hat. Deshalb kann der vom LSG vorgenommenen Gesetzesauslegung nicht gefolgt werden. Der mit Wirkung vom 1. Juni 1960 eingeführte Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 des BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I S. 453) - vgl. hierzu die DVO vom 30. Juli 1961, BGBl I S. 1115, § 7 - berührt die vorliegende Frage nicht, da er keine Erhöhung der MdE bezweckt.

Das LSG hat § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG aF aber auch deshalb verletzt, weil es bei der Prüfung der Frage einer besonderen beruflichen Schädigung des Klägers nur auf wirtschaftliche Gesichtspunkte abgestellt hat. Nach dieser Bestimmung ist die MdE aber auch dann höher zu bewerten, wenn die spätere Tätigkeit gegenüber dem früher ausgeübten Beruf nicht sozial gleichwertig ist (BSG 10, 69; Schieckel/Gurgel, Komm. zum BVG Bd. I § 30 Anm. 8). Zwar spricht § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BVG aF nur davon, daß der vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu berücksichtigen ist. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es jedoch, die über die Beeinträchtigungen im allgemeinen Erwerbsleben hinausgehenden speziellen beruflichen Nachteile auszugleichen (vgl. BSG Bd. 12 S. 212 und die Begründung zum Entwurf des BVG, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. 1333 zu §§ 28 bis 33 S. 57). Solche Nachteile sind aber nicht nur dann gegeben, wenn ein Beschädigter gegenüber einer Person, die in seinem früher ausgeübten Beruf tätig ist, einen erheblichen Minderverdienst hat; sie können auch vorliegen, wenn die spätere Tätigkeit eines Beschädigten in der sozialen Wertung hinter der früheren Tätigkeit wesentlich zurückbleibt (BSG 10, 69) oder wenn ein Beschädigter außergewöhnliche Tatkraft aufwenden und außergewöhnliche Anstrengungen machen muß, um einen wirtschaftlichen Schaden und ein Abgleiten in seinem Beruf zu verhindern (BSG 13, 20, 23). Dies hat nunmehr auch der Gesetzgeber in der Neufassung des § 30 BVG nach dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Erstes Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 - BGBl I S. 453 -) zum Ausdruck gebracht. § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes bestimmt unter Buchst. a, daß ein Beschädigter in seinem Beruf besonders betroffen ist, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann. Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber durch die Neufassung dieser Vorschrift nicht beabsichtigte, die Bewertung der MdE nach neuen Gesichtspunkten zu regeln. Der durch das Erste Neuordnungsgesetz ergänzte § 30 Abs. 2 BVG bringt vielmehr nur eine gesetzliche Auslegung und Klarstellung dessen, was der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des § 30 BVG (BGBl 1950 I S. 791) und in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl I S. 463) gewollt hat (vgl. BSG 13, 21; BSG, Urteil vom 26. November 1959 - 8 RV 1305/57 -; Wilke in KOV 1957, 66).

Für das LSG bestand somit auch Veranlassung zu prüfen, ob die vom Kläger jetzt ausgeübte Tätigkeit gegenüber seinem früheren Beruf als ein erheblicher sozialer Abstieg zu werten ist. Der Umstand, daß der Kläger durch den Bezug der Knappschaftsrente im wesentlichen wirtschaftlich nicht benachteiligt ist, spielt hier keine entscheidende Rolle. Denn ein Beschädigter ist nicht nur dann besonders beruflich geschädigt, wenn sein Einkommen durch die Art der Schädigung wesentlich hinter dem vor der Schädigung erzielten Einkommen zurückbleibt; er kann dies auch sein, wenn er vor der Schädigung als Facharbeiter tätig gewesen ist und wegen der Art der Schädigung nur noch als Hilfsarbeiter beschäftigt werden kann (BSG 10, 69).

Da das LSG nach alledem die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BVG aF nicht richtig angewandt hat und die angefochtene Entscheidung auf dieser Gesetzesverletzung beruht, ist das Urteil des LSG aufzuheben. Auf Grund der Feststellungen des LSG konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Tatsache, daß der Kläger seinen früheren Beruf als Formschmied infolge seines Armverlustes nicht mehr ausüben kann und als Hilfsarbeiter gegenüber einem im gleichen Werk beschäftigten Formschmied seit 1952 über 4,- DM weniger pro Schicht verdient (im Jahre 1952 betrug die Differenz der Schichtlöhne 4,20 DM, im Jahre 1956 sogar 4,84 DM) rechtfertigen es, beim Kläger ein besonderes berufliches Betroffensein zu bejahen. Der Minderverdienst des Klägers als Hilfsarbeiter ist so erheblich, daß die Auswirkung der Schädigungsfolge auf den Beruf im Sinne einer Erhöhung der MdE zu berücksichtigen ist. Dieser hohe Minderverdienst macht gleichzeitig deutlich, daß die Hilfsarbeitertätigkeit des Klägers auch nicht ausnahmsweise als sozial gleichwertig mit dem Beruf eines Formschmieds angesehen werden kann. Wie sich aus der im Mai 1951 vorgelegten Verdienstbescheinigung ergibt, betrug der Minderverdienst zwar damals nur 1,60 DM. Der Minderverdienst hat sich jedoch alsbald danach, nämlich bereits 1952, ganz beträchtlich erhöht. Mit Rücksicht hierauf war die Hilfsarbeitertätigkeit auch schon 1951 als eine nicht sozial gleichwertige Tätigkeit aufzufassen. Bei dieser Sachlage konnte es dahingestellt bleiben, ob ein besonderes berufliches Betroffensein stets schon dann anzunehmen ist, wenn der soziale Abstieg keinen Minder verdienst zur Folge hat. Der Anspruch des Klägers auf Höherbewertung seiner MdE ist nach alledem begründet. Dem Kläger steht Rente nach einer MdE um 80 v. H. zu. Zwar ist es dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt, den Grad der MdE selbst zu bestimmen, weil die Entscheidung der Frage, in welchem Umfange die Erwerbsfähigkeit eines Beschädigten gemindert ist, im allgemeinen eine tatsächliche Feststellung ist (vgl. BSG 6, 267). Im vorliegenden Fall kann der Senat diese Entscheidung jedoch deshalb treffen, weil die MdE des Klägers ohne Berücksichtigung seines besonderen beruflichen Betroffenseins vom Beklagten bereits mit 70 v. H. festgesetzt ist, der Kläger nur eine Höherbewertung seiner MdE um 10 v. H. beantragt hat und eine geringere Erhöhung der MdE im Gesetz nicht vorgesehen ist. Dem Kläger ist die Rente nach einer MdE um 80 v. H. seit dem Antragsmonat, d. h. ab 1. Mai 1951 zu gewähren (§ 60 Abs. 1 BVG). Der Hinweis des Beklagten auf § 30 Abs. 6 BVG konnte nicht durchgreifen, da diese Vorschrift erst am 1. Juni 1960 in Kraft getreten ist (Art. IV § 4 Abs. 1 des 2. Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 - BGBl I S. 453 -).

Auf die Berufung des Klägers war somit das Urteil des SG abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der anerkannten Leiden ab 1. Mai 1951 Rente nach einer MdE um 80 v. H. zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2387469

BSGE, 223

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge