Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiäres Pflegeverhältnis. entlohnte Beschäftigung

 

Orientierungssatz

1. Eine pflegerische Tätigkeit in einem familiären Pflegeverhältnis ist keine entlohnte Beschäftigung iS von AFG § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b und auch nicht als Ersatztatbestand gemäß AFG § 134 Abs 3 iVm AlhiV §§ 1 bis 4 anzusehen.

2. Es erscheint sozialpolitisch und auch im Hinblick auf die Verwirklichung des Sozialstaatsgebots des GG Art 20 Abs 1 erwägenswert, auch Pflegepersonen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, um die Wartung und Pflege eines Hilfsbedürftigen zu übernehmen, von der vorstehend genannten Voraussetzung - einer entlohnten Beschäftigung - für die Gewährung von Alhi auszunehmen. Es sollte nicht unberücksichtigt bleiben, daß dieser Personenkreis häufig über einen längeren Zeitraum nicht unerhebliche Opfer bringt und meist dazu beiträgt, daß der Allgemeinheit höhere Pflegekosten erspart bleiben.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst b Fassung: 1976-12-23; AFG § 134 Abs 3 Fassung: 1975-03-18; AlhiV § 1 Fassung: 1974-08-07, § 2 Fassung: 1974-08-07, § 3 Fassung: 1974-08-07, § 4 Fassung: 1974-08-07; BSHG § 69 Abs 2 Fassung: 1974-03-25; GG Art 20 Abs 1; AFG § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b Fassung: 1976-12-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.09.1979; Aktenzeichen L 9 Ar 45/79)

SG Münster (Entscheidung vom 08.03.1979; Aktenzeichen S 2 Ar 8/78)

 

Tatbestand

Die 1941 geborene ledige Klägerin begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im November 1973 gab sie ihre Beschäftigung als Sparkassen-Angestellte auf, um ihre schwerkranke Mutter zu pflegen. Dieser wurde ab 20. Juli 1974 ein Pflegegeld nach § 69 Abs 4 Satz 2 iVm § 24 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt, das anfangs 737,-- DM betrug und bis 1976 auf 899,-- DM monatlich anstieg. Das Sozialamt erstattete außerdem die Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung ihres bisherigen Arbeitseinkommens und auch Krankenversicherungsbeiträge für eine Ersatzkasse.

Nach dem Tode ihrer Mutter im August 1976 war die Klägerin zunächst arbeitsunfähig. Danach meldete sie sich am 9. Mai 1977 arbeitslos und beantragte Alhi. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe im letzten Jahr vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld (Alg) bezogen noch mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gestanden; auch ein Ersatztatbestand nach den §§ 1 bis 5 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) liege nicht vor (Bescheid vom 7. Juni 1977 und Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1977).

Das Sozialgericht Münster (SG) hat die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 9. Mai bis 23. Oktober 1977 Alhi zu gewähren. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils vom 28. September 1979 hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Alhi. Das SG habe neben den übrigen, hier nicht streitigen Anspruchsvoraussetzungen insbesondere zutreffend bejaht, daß die Klägerin im letzten Jahr vor ihrer Arbeitslosmeldung in entlohnter Beschäftigung iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gestanden habe. Dem stehe nicht entgegen, daß sie während der der Arbeitslosigkeit vorausgegangenen Pflegetätigkeit nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Ob eine entlohnte Beschäftigung iS von § 134 AFG ein Arbeitsverhältnis voraussetze, sei in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Diese Frage müsse dahin beantwortet werden, daß der Arbeitslose nicht als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne tätig gewesen sein müsse. Eine entlohnte Beschäftigung setze also kein Arbeitsverhältnis voraus. Sinn und Zweck der Regelung des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG sei es, zu gewährleisten, daß diejenigen Alhi beziehen könnten, die für eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer in Betracht kämen. Hierbei werde die Arbeitnehmereigenschaft vermutet, wenn ein Arbeitsloser innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung ua 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden habe. Diese Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft lasse sich auch dann begründen, wenn Beschäftigungen außerhalb arbeitsrechtlicher Bindungen den Schluß zuließen, daß der Arbeitslose zum Kreis der Arbeitnehmer gehöre und bei geeignetem Arbeitsangebot voraussichtlich eine Arbeitnehmertätigkeit aufnehmen werde. Dies entspreche einer weiteren, mit dem Wortlaut des § 134 AFG zu vereinbarenden Auslegung des Begriffs der entlohnten Beschäftigung, die hier insoweit vorliege. Die Klägerin habe während ihrer Pflegetätigkeit ihre volle Arbeitskraft wie eine Arbeitnehmerin eingesetzt und sich nach Beendigung der Pflegetätigkeit wieder um eine Arbeit als Arbeitnehmerin bemüht. Sie habe auch wie in einem Arbeitsverhältnis eine Entlohnung in Höhe des vom Sozialamt gezahlten Pflegegeldes erhalten. Dieses habe zwar nicht dem vollen Wert der Arbeitsleistung der Klägerin entsprochen; auf eine solche objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung komme es jedoch nicht an. Das Bild einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung werde schließlich dadurch abgerundet, daß das Sozialamt für die Klägerin die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung erstattet habe. Der Annahme einer entlohnten Beschäftigung stehe hier nicht entgegen, daß bei den Motiven für das Handeln der Klägerin nicht der Erwerbsgedanke, sondern die sittliche Verpflichtung zur Hilfe im Vordergrund gestanden habe. Entscheidend sei vielmehr, wie die tatsächliche Verrichtung ausgestaltet sei. Diese spreche im Falle der Klägerin für eine arbeitnehmerähnliche, noch unter den Begriff der entlohnten Beschäftigung fallende Tätigkeit.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG in der bis zum 31. Juli 1979 geltenden Fassung. Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Auffassung des LSG habe die Klägerin, als sie ihre Mutter pflegte, nicht in einer Beschäftigung gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gestanden. Abgesehen davon könne das angefochtene Urteil aber auch keinen Bestand haben, weil die Pflegetätigkeit der Klägerin, auch wenn diese über das ihrer Mutter ausbezahlte Pflegegeld habe verfügen können, nicht als entlohnt angesehen werden könne. Das folge aus der Konzeption des § 69 BSHG, das zwischen der Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahestehen und der Pflege durch besondere Pflegekräfte unterscheide. Für erstere würden gemäß § 69 Abs 2 BSHG nur die angemessenen Aufwendungen erstattet, während für letztere die für die Pflege angemessenen Kosten zu übernehmen seien.

Das angefochtene Urteil lasse sich auch nicht mit der Begründung halten, es liege deshalb eine im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke vor, weil der Fall der Klägerin nicht in der Alhi-VO angeführt sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das

Land Nordrhein-Westfalen vom 28. September 1979

und das Urteil des Sozialgerichts Münster vom

8. März 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Nach den der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Alhi. Zu Unrecht sieht das LSG die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG in der bis zum 31. Juli 1979 geltenden Fassung als erfüllt an. Die pflegerische Tätigkeit der Klägerin kann nicht als eine entlohnte Beschäftigung angesehen werden.

Die Auffassung des LSG, die Klägerin habe während ihrer pflegerischen Tätigkeit in einer Beschäftigung iS von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG gestanden, ist unzutreffend. Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. März 1979 - 7 RAr 98/78 - (SozR 4100 § 134 Nr 13) ausgeführt hat, begründet den Alhi-Anspruch bereits ein bestimmter Alg-Vorbezug (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG) oder eine entlohnte - nicht notwendig beitragspflichtige - Beschäftigung von 10 Wochen (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG). Durch diese Anspruchsvoraussetzungen soll der Kreis der Anspruchsberechtigten entsprechend dem Zweck und Charakter der Alhi eingegrenzt werden. Die Alhi dient dem Schutz der Arbeitslosen, die kein Alg erhalten, weil sie entweder die Anwartschaft noch nicht erfüllt haben oder ihr Alg-Anspruch schon erschöpft ist.

Anspruchsberechtigt sollen aber nur diejenigen sein, die für eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer in Betracht kommen. Ein entsprechender Nachweis wird durch den Alg-Vorbezug oder die mindestens 10-wöchige entlohnte Beschäftigung erbracht. Wer innerhalb eines Jahres vor Arbeitslosmeldung Alg bezogen oder mindestens 10 Wochen in einer entlohnten Beschäftigung gestanden hat, für den spricht die Vermutung, daß er die Arbeitnehmereigenschaft besitzt und zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung weiterhin bereit ist. Diese Auslegung des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG beruht, wie der Senat in dem oa Urteil dargelegt hat, auch auf seiner Entstehungsgeschichte. Aus allem folgt, daß "Beschäftigung" iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ist. Unerheblich ist daher, daß die Klägerin ihre volle Arbeitskraft wie eine Arbeitnehmerin eingesetzt hat. Das Arbeitsförderungsgesetz kennt eine dem § 539 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entsprechende Versicherung gegen Arbeitslosigkeit nicht. Eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin hat die Klägerin aber nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht ausgeübt, als sie ihre Mutter pflegte.

Sie hat keinen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingenommen, der ggf für Arbeitsuchende zur Verfügung stand. Eine persönliche Abhängigkeit der Klägerin von ihrer Mutter lag nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG ebensowenig vor wie eine Weisungsgebundenheit, was bei einer Tätigkeit als Arbeitnehmer der Fall zu sein pflegt. Geprägt wurde das Pflegeverhältnis zwischen Mutter und Tochter vielmehr hier durch die engen familiären Bande. Gegen diese Ansicht spricht nicht, daß für die Klägerin für ihre Alterssicherung Beiträge zur Rentenversicherung entsprechend ihrer früheren Tätigkeit als Sparkassen-Angestellte entrichtet worden sind. Es hat sich hierbei um eine freiwillige Versicherung gehandelt, die jeder unter den sonstigen Voraussetzungen der §§ 1233 RVO, 10 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) eingehen kann, sofern er nicht versicherungspflichtig ist. Diese Versicherung ist also auch für Personen gedacht, die nicht zum Kreis der Arbeitnehmer gehören. Zutreffend - allerdings ohne rechtliche Konsequenzen daraus zu ziehen - hat daher das LSG auch darauf hingewiesen, daß die Klägerin - wenn auch vorübergehend - ihren Status als Arbeitnehmerin solange aufgegeben hatte, wie es für die Pflege ihrer Mutter erforderlich war. Damit hatte sie sich vom Arbeitsmarkt gelöst. Wenn diese Lösung den zeitlichen Rahmen des § 134 Abs 1 Satz 1 AFG überschreitet, wie das hier der Fall ist, dann kann ein entsprechender Bezug zum Arbeitsmarkt erst wieder durch eine mindestens 10-wöchige entlohnte Beschäftigung hergestellt und dadurch die Arbeitnehmereigenschaft unter Beweis gestellt werden, was hier nicht geschehen ist.

Es kann hiernach dahingestellt bleiben, ob die pflegerische Tätigkeit der Klägerin entlohnt war. Dagegen könnte sprechen, daß sie unter Umständen lediglich einen Ersatz für von ihr geleistete Aufwendungen erhalten hat. Das könnte, wie die Beklagte zutreffend herausgestellt hat, aus § 69 Abs 2 BSHG folgen. Danach soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, daß bei häuslicher Wartung und Pflege diese durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahestehen oder im Wege der Nachbarschaftshilfe übernommen werden. In diesen Fällen sind dem Pflegebedürftigen die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten; auch können angemessene Beihilfen gewährt und Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden. Ist neben oder anstelle der Wartung und Pflege durch eine Pflegeperson die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich, so sind die angemessenen Kosten hierfür durch den Träger der Sozialhilfe zu übernehmen. Der Gesetzgeber geht also davon aus, daß die Pflegeperson kein Entgelt für ihre Tätigkeit erhält, sondern nur einen Ersatzanspruch für ihre Aufwendungen hat.

Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit ist auch nicht als Ersatztatbestand gemäß § 134 Abs 3 AFG iVm §§ 1 bis 4 Alhi-VO vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) anzusehen. Die Tatbestände des § 1 Nrn 1, 2 und 4 Alhi-VO liegen offensichtlich nicht vor. Der § 1 Nr 3 Alhi-VO stellt auf eine Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger ab. Die Klägerin war nicht selbständig tätig. Sie hat nach den Feststellungen des LSG keine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausgeübt. Sie hat auch ihre Mutter nicht bei einer solchen Tätigkeit unterstützt und kann deshalb nicht als mithelfende Familienangehörige in diesem Sinne angesehen werden. Der § 2 Alhi-VO setzt voraus, daß der Arbeitslosigkeit eine Ausbildung vorangegangen ist, was hier gleichfalls nicht zutrifft. Gleichfalls scheidet der § 3 der Alhi-VO als Ersatztatbestand aus, weil die Klägerin die dort genannten Sozialleistungen nicht bezogen hat. Ein Fall des § 4 der Alhi-VO liegt hier gleichfalls nicht vor.

Es ist auch nicht möglich, im Wege der Analogie die Tätigkeit der Klägerin unter einen der Ersatztatbestände der Alhi-VO einzuordnen. Hierbei handelt es sich um Ausnahmeregelungen, bei denen von dem Erfordernis einer vorherigen entlohnten Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi abgesehen wird. Ausnahmeregelungen sind nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen.

Auch eine Rechtsfortbildung durch die Füllung einer Gesetzeslücke kommt nicht in Betracht. Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Regelung für den Fall der Klägerin. Der Gesetzgeber hatte jedoch offensichtlich nicht die Absicht, eine solche Regelung zu treffen. Es kann davon ausgegangen werden, daß ihm die Situation der Pflegepersonen nach Abschluß ihrer Pflegetätigkeit bekannt war. Wenn sie dennoch nicht ausdrücklich in den Kreis der Alhi-Berechtigten einbezogen worden sind, so spricht dies für einen dahingehenden Willen.

Allerdings kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit gemäß § 134 Abs 3 AFG durch Rechtsverordnung ua bestimmen, wenn wirtschafts- oder sozialpolitische Gründe dies erfordern, unter welchen Voraussetzungen eine vorherige entlohnte Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi nicht erforderlich ist, was in den §§ 1 bis 4 der Alhi-VO auch bereits geschehen ist. Nach Auffassung des Senats erscheint es sozialpolitisch und auch im Hinblick auf die Verwirklichung des Sozialstaatsgebots des Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) erwägenswert, auch Pflegepersonen, die, wie die Klägerin, ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, um die Wartung und Pflege eines Hilfsbedürftigen zu übernehmen, von der vorstehen genannten Voraussetzung - einer entlohnten Beschäftigung - für die Gewährung von Alhi auszunehmen. Es sollte nicht unberücksichtigt bleiben, daß dieser Personenkreis häufig über einen längeren Zeitraum nicht unerhebliche Opfer bringt und meist dazu beiträgt, daß der Allgemeinheit höhere Pflegekosten erspart bleiben. Eine entsprechende Entscheidung liegt allerdings im Ermessen des Verordnungsgebers, dem hierzu eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist. Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung ist es dem Senat verwehrt, von einer Regelung auszugehen, die ihm zwar wünschenswert erscheint, aber noch nicht vorliegt. Er würde damit unzulässigerweise sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Verordnungsgebers setzen.

Die Urteile des LSG und des SG müssen nach alledem aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655322

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