Leitsatz (amtlich)

Ist ein Strafurteil gegen einen Wehrmachtsangehörigen, das auf Grund des KrSStRV § 5 vom 1938-08-17 (RGBl 1939 1 1455) wegen Zersetzung der Wehrkraft ergangen ist, nach StFreiV BZ § 7 vom 1947-06-03 (Amtsblatt für die Britische Zone 1947, 68) aufgehoben, so war die Verurteilung und die Vollstreckung des Urteils eine Strafmaßnahme, die als offensichtliches Unrecht im Sinne des BVG § 1 Abs 2 Buchst d anzusehen ist.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. d Fassung: 1950-12-20; KrSStRV § 5 Fassung: 1938-08-17; StrFrhV BrZ § 7 Fassung: 1947-06-03

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 18. März 1958 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Klägerinnen zu 2) und 3), Herbert Sch (Sch.), diente seit 1935 in der Luftwaffe als Berufssoldat. Am 1. Juli 1940 wurde er zum Wachtmeister bei einer Flakeinheit befördert. Im Jahre 1943 verurteilte ihn das Feldgericht des kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau XVII wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit unerlaubter Entfernung von der Truppe und wegen Gebrauchmachens von einer verfälschten Urkunde in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Entfernung zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen sowie zu Rangverlust. Die Strafe wurde zum Teil vollstreckt, zum Teil zur Bewährung ausgesetzt; Sch. kam zu diesem Zweck in eine Bewährungseinheit. Am 23. Juli 1944 wurde er einem Ausbildungs- und Ersatzbataillon zugeteilt, das in Italien zur Bekämpfung von Partisanen eingesetzt war. Auf Grund von Äußerungen über die Kriegslage wurde er am 15. August 1944 durch Urteil des Feldgerichts beim Feldluftgaukommando XXVIII wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Nach Ablehnung eines Gnadengesuchs vom 19. August 1944 wurde Sch. am 12. Januar 1945 in Ingolstadt hingerichtet.

Die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein bewilligte mit Bescheid vom 1. Juli 1948 Hinterbliebenenrente nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD Nr. 27). Durch Bescheid vom 3. Januar 1953 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) Schleswig Ansprüche der Klägerinnen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit der Begründung ab, daß die Verurteilung ihres Ehemannes und Vaters zum Tode nach den vorhandenen Unterlagen nicht als ein offensichtliches Unrecht i.S. des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG anzusehen sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Berufung haben die Klägerinnen vor allem geltend gemacht, die Verurteilung des Sch. sei nach § 5 der Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz (KSSVO) vom 17. August 1938 (RGBl 1939 I 1455) erfolgt, die nicht rechtsgültig gewesen sei. Ferner sei Sch. zur Zeit der Tat in seiner Willensbildung beeinträchtigt gewesen; im übrigen müsse ihnen die Rente nach dem BVG schon deswegen weitergezahlt werden, weil sie bereits nach der SVD Nr. 27 gewährt worden sei.

Das Landessozialgericht (LSG) Schleswig hat die Berufung der Klägerinnen durch Urteil vom 18. März 1958 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, das Feldgericht habe die militärrechtlichen Verfahrens- und Vollstreckungsvorschriften beachtet. Es habe Sch. nach § 5 KSSVO wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Zwar seien Urteil und Akten verlorengegangen, der Sachverhalt könne aber im wesentlichen aus dem Gnadengesuch und der Kriegsstammrolle rekonstruiert werden, die 18 Disziplinarstrafen und drei gerichtliche Vorstrafen enthalte. Allein aus dem Gnadengesuch könne allerdings nicht entnommen werden, ob die Äußerung, der Krieg sei verloren und jeder weitere Kampf bedeute Selbstmord, allein oder zusammen mit anderen Äußerungen zu dem Todesurteil geführt habe. Der Umstand, daß die Kriegsstammrolle des Sch. zahlreiche Vorstrafen aufweise, habe sicherlich beim Strafmaß besondere Berücksichtigung gefunden. Dafür, daß die freie Willensbestimmung des Sch. beeinträchtigt gewesen sei, hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Die KSSVO stelle eine gültige Rechtsgrundlage für das Todesurteil dar und sei vom Feldgericht auch nicht willkürlich angewandt worden. Die Strafe habe nicht in einem so erheblichen Mißverhältnis zu den im Kriege gemachten Äußerungen gestanden, daß sie als offensichtliches Unrecht anzusehen sei. Die Hinterbliebenenrente könne schließlich auch nicht deshalb nach dem BVG weitergewährt werden, weil sie nach der SVD Nr. 27 bewilligt worden sei; denn die Bindung der Beteiligten nach § 85 BVG erstrecke sich hierauf nicht, da die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der früheren Versorgungsgesetze von denen des BVG abwichen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerinnen haben gegen das ihnen am 25. Juni 1958 zugestellte Urteil am 17. Juli 1958 Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des LSG Schleswig vom 18. März 1958 und des Sozialgerichts Schleswig vom 2. April 1954 nach dem Klageantrag zu erkennen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Schleswig zurückzuverweisen.

In der Revisionsbegründung vom 13. August 1958, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 15. August 1958, rügen die Klägerinnen eine Verletzung des § 1 BVG sowie der §§ 103, 128 und 136 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie meinen, das Berufungsgericht habe nur ganz allgemein ausgeführt, daß die besonderen Bedürfnisse der Strafrechtspflege im Kriege auch rückschauend unter rechtsstaatlichen Erwägungen Strafmaßnahmen der vorliegenden Art erfordert hätten; es habe jedoch die Frage der Rechtsgültigkeit des § 5 KSSVO nicht ausreichend geprüft. Was Unrecht sei, könne nur nach den Anschauungen und gesetzlichen Regelungen in demokratischen Rechtsstaaten beurteilt werden, z.B. nach dem Militärstrafgesetzbuch, das in Deutschland vor 1933 gegolten hat, oder nach den Vorschriften, die in anderen europäischen Staaten während des zweiten Weltkrieges Strafandrohungen gegen Wehrkraftzersetzung enthalten haben. Dort sei die Todesstrafe nur in äußerst schweren Fällen und in der Regel nur dann angedroht gewesen, wenn der Täter die Absicht gehabt habe, zu demoralisieren. Mit Schriftsatz vom 14. August 1962 haben sich die Klägerinnen ferner auf die Vorschriften der in der ehemaligen britischen Zone erlassenen Verordnung über die Gewährung von Straffreiheit vom 3. Juni 1947 berufen. Im übrigen wird auf den Inhalt der Revisionsbegründung ausdrücklich Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die gerügten Verfahrensmängel nicht für gegeben.

Die zugelassene Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, zulässig (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist auch begründet.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gewährung einer Hinterbliebenenrente nach der SVD Nr. 27 nicht ohne weiteres auch den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem BVG rechtfertigt. Mit dem Inkrafttreten des BVG am 1. Oktober 1950 sind nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassene Bescheide grundsätzlich hinfällig geworden. Die Versorgungsbezüge nach dem BVG sind auf Grund einer selbständigen, von früheren Entscheidungen unabhängigen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen neu festzustellen (vgl. BSG 4, 21; 11, 209 = SozR BVG § 86 Bl. Ca 6 Nr. 8). Nur soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang i.S. des § 1 BVG entschieden worden war, ist diese Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich (§ 85 Satz 1 BVG). Sie ist es aber nicht für die hier zu entscheidende Frage, ob der Beschädigte zu dem nach dem BVG versorgungsberechtigten Personenkreis gehört, also überhaupt ein schädigender Vorgang i.S. des § 1 BVG vorliegt (vgl. BSG 4, 21; ferner BSG in SozR BVG § 85 Bl. Ca 6 Nr. 8).

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG wird die Hinterbliebenenrente nur gewährt, wenn der Tod die Folge einer durch den Wehrdienst verursachten Schädigung i.S. des § 1 BVG ist. Dabei stehen einer Schädigung durch militärischen oder militärähnlichen Dienst i.S. des § 1 Abs. 1 BVG Schädigungen gleich, die durch eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst zusammenhängende Strafmaßnahme herbeigeführt worden sind, sofern diese Maßnahme den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist (§ 1 Abs. 2 Buchst. d BVG). Das LSG hat die aus dem Gnadengesuch des Sch. zu entnehmende Äußerung, der Krieg sei verloren und jeder weitere Kampf bedeute Selbstmord, zur Grundlage seiner rechtlichen Beurteilung gemacht, es dabei aber offen gelassen, ob diese Äußerung allein Gegenstand des feldgerichtlichen Verfahrens gewesen ist. Es ist jedenfalls auf Grund dieses Sachverhalts zu der Überzeugung gelangt, daß Sch. nach § 5 KSSVO wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt und nach Ablehnung des Gnadengesuchs hingerichtet worden ist. Das LSG hat die Verurteilung zum Tode zwar als eine mit dem militärischen Dienst zusammenhängende Strafmaßnahme, aber nicht als offensichtliches Unrecht i.S. des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG angesehen. Dies hat das LSG im wesentlichen deshalb verneint, weil Sch. in einem den damaligen Vorschriften entsprechenden Verfahren verurteilt worden war und im Kriege auch andere europäische Länder für strafbare Handlungen, wie die Zersetzung, der Wehrkraft, in bestimmten Fällen ebenfalls die Todesstrafe angedroht hatten. Das LSG hat dabei § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG aber insoweit nicht richtig angewandt, als es die Vorschriften der für die ehemalige britische Zone erlassenen Verordnungen über die Gewährung von Straffreiheit vom 3. Juni 1947 (StraffreiheitsVO 1947 - Verordnungsblatt für die Britische Zone 1947, S. 68 -) und deren Auswirkung auf Straferkenntnisse der hier vorliegenden Art nicht beachtet hat. Diese Verordnung ist vom Präsidenten des Zentraljustizamtes für die britische Zone erlassen worden, der dazu durch die am 1. Oktober 1946 in Kraft getretene Verordnung Nr. 41 der britischen Militärregierung Art. IV Ziff. 8 und Anhang Ziff. 1 (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, britisches Kontrollgebiet, 1946 S. 299) berechtigt gewesen ist und die Verordnung - wie die Präambel ergibt - auch mit Genehmigung der Militärregierung erlassen hat.

Nach Art. I § 1 Abs. 2 der StraffreiheitsVO 1947 wird Straffreiheit für Straftaten gewährt, die allein nach nationalsozialistischer Auffassung strafbar waren. Dies gilt nach dieser Vorschrift insbesondere für Zuwiderhandlungen gegen die durch Art. I und II des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1946 Nr. 3 S. 55) aufgehobenen Vorschriften. Hierzu gehört nach Art. II Nr. 1 Buchst. d dieses Gesetzes ausdrücklich auch die KSSVO vom 17. August 1938 (RGBl 1939 I 1455) einschließlich aller zusätzlichen Gesetze, Durchführungsbestimmungen, Verordnungen und Erlasse. Nach Art. IV § 7 der StraffreiheitsVO 1947 sind solche Straferkenntnisse, welche ausschließlich wegen Straftaten der in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Art ergangen sind, durch die StraffreiheitsVO aufgehoben worden, ohne daß es einer besonderen gerichtlichen Entscheidung bedarf; die Staatsanwaltschaft erteilt hierüber lediglich eine Bescheinigung. Soweit Straffreiheit nach den Vorschriften in Art. I der Verordnung nicht gewährt wird, sind auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Verurteilten oder seiner Hinterbliebenen alle in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 ergangenen Urteile auf ein gerechtes Strafmaß zurückzuführen, wenn grausame oder übermäßig hohe Strafen verhängt worden sind (Art. II § 4 Abs. 1). Ist auf Todesstrafe wegen eines Verbrechens erkannt worden, für das sie vor dem 30. Januar 1933 gesetzlich nicht vorgesehen war, so ist eine angemessene Strafe im Rahmen der vor diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen festzusetzen (Art. II § 4 Abs. 2).

Die StraffreiheitsVO 1947 regelt hiernach in § 4 Fälle, in denen verdiente oder doch im Zeitpunkt ihres Anspruches vertretbare Strafen gemildert werden, und solche Fälle, in denen materielles Unrecht, das durch Bestrafung ohne gesetzliche Grundlage oder auf Grund formal geltender, aber materiell ungerechter Gesetze zugefügt worden ist, beseitigt, wird (§ 7 der VO). Im Rahmen des § 4 aaO wird es sich in der Regel um einen Gnadenerweis mit Wirkung für die Zukunft handeln; es sind aber auch insoweit Fälle denkbar, in denen das Urteil von Anfang an mit dem schweren Makel des Unrechts behaftet ist, weil eine extrem hohe, allein nach nationalsozialistischer Auffassung in dieser Höhe oder Art in Betracht kommende Freiheitsstrafe verhängt worden war. Diese Frage bedarf im vorliegenden Falle jedoch keiner Entscheidung. Jedenfalls ist für die Straferkenntnisse, die nach § 7 aaO der Aufhebung unterliegen, die rückwirkende Beseitigung der Strafe mit allen damit verbundenen Folgen entsprechend den für ein Wiederaufnahmeverfahren geltenden Grundsätzen zu bejahen (BGHZ 10, 75 = NJW 1953 S. 1587; vgl. auch BVerwG in DVBl 1960 S. 324 und in NJW 1962 S. 2367 mit weiteren Hinweisen). Die in § 7 der StraffreiheitsVO bezeichneten Straferkenntnisse sind unmittelbar durch Gesetz aufgehoben. Einer besonderen gerichtlichen Entscheidung bedarf es nicht; die Staatsanwaltschaft bescheinigt nur die Aufhebung des einzelnen Strafurteils. Handelt es sich aber um Straferkenntnisse, die durch Gesetz für aufgehoben erklärt sind, so ist die Lage im wesentlichen keine andere als in den Fällen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach den §§ 359 ff der Strafprozeßordnung (vgl. für den Fall der Aufhebung eines Todesurteils durch gerichtliche Entscheidung auch BSG 12, 216 = SozR BVG § 1 Bl. Ca 22 Nr. 48). Die Wirkung der "Aufhebung" des Urteils durch die StraffreiheitsVO 1947 muß dieselbe sein wie im Falle der Aufhebung des Urteils im Wiederaufnahmeverfahren; dies gilt um so mehr, als die Gründe, die zur Aufhebung zwingen, hier noch stärker sind als in den Fällen eines erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens (vgl. BGHZ 10, 75). Die Folge ist, daß die nach § 7 der StraffreiheitsVO 1947 aufgehobenen Straferkenntnisse schlechthin nicht rechtmäßig ergangen und mit dem Makel offensichtlichen Unrechts behaftet sind. Sie stellen damit Strafmaßnahmen i.S. des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG dar, ohne daß es noch einer Prüfung im einzelnen bedarf, ob nach dem festgestellten Sachverhalt im vorliegenden Falle die Verhängung der Todesstrafe ein offensichtliches Unrecht gewesen ist.

Allerdings muß es sich hierbei um Straferkenntnisse handeln, die "ausschließlich" wegen einer Straftat der in § 1 Abs. 1 und 2 der StraffreiheitsVO 1947 bezeichneten Art ergangen sind. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Todesstrafe ausschließlich wegen einer Zuwiderhandlung gegen die durch Kontrollratsgesetz Nr. 11 aufgehobenen Vorschriften der KSSVO verhängt worden sein muß. Unerheblich ist insoweit, daß für die in § 5 KSSVO aufgeführten strafbaren Handlungen in besonders schweren Fällen, vor allem, wenn die Tat im Felde begangen wird, auch schon nach den §§ 78, 83, 99 und 102a des Militärstrafgesetzbuches in der Neufassung vom 10. Oktober 1940 (RGBl I 1347) die Todesstrafe angedroht war. Diese Vorschriften waren durch § 6 KSSVO in der geänderten Fassung vom 10. Oktober 1940 (RGBl I 1362) während der Geltungszeit dieser Verordnung ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt worden; im übrigen waren auch die von den Sondertatbeständen des § 5 KSSVO erfaßten strafbaren Handlungen nur nach dieser Vorschrift zu beurteilen.

In den Fällen des § 7 der StraffreiheitsVO 1947 kann die Rechtslage nur danach beurteilt werden, wie sie sich nach der rückwirkenden Aufhebung eines Strafurteils darstellt. Ist ein ausschließlich wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der KSSVO verhängtes Todesurteil aufgehoben, so ist damit in allgemein verbindlicher Weise klargestellt, daß dieses Urteil offensichtlich zu Unrecht erlassen ist. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob - wie das LSG ausgeführt hat - im Kriege kein Staat ohne besonders schwere Strafandrohungen für Tatbestände wie die Zersetzung der Wehrkraft ausgekommen ist. Die Frage, ob die Verurteilung ein offensichtliches Unrecht gewesen ist, kann nicht mehr selbständig und unabhängig von der gesetzlichen Aufhebung des Straferkenntnisses geprüft werden. Sind die Voraussetzungen für die Aufhebung des vom Feldgericht gegen Sch. verhängten Todesurteils nach § 7 der StraffreiheitsVO gegeben, so entbehrt dieses Urteil der Rechtsgrundlage mit der Folge, daß die Verurteilung und Hinrichtung des Sch. ein offensichtliches Unrecht darstellen.

Das LSG hat die Vorschriften der StraffreiheitsVO 1947 und die sich daraus für die Anwendung des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG ergebende Rechtslage nicht beachtet, so daß das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde aufzuheben war. Es brauchte daher nicht mehr geprüft zu werden, ob die von der Revision für eine Verletzung des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG weiter vorgebrachten Gründe gerechtfertigt erscheinen und ob die von den Klägerinnen gerügten Verstöße gegen die §§ 103, 128 und 136 SGG vorliegen. Da das LSG, das die StraffreiheitsVO 1947 übersehen hat, zu der für die Anwendung des § 7 dieser Verordnung entscheidenden Frage, ob die Verurteilung des Sch. zum Tode "ausschließlich" wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der KSSVO erfolgt ist, keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, konnte der Senat jedoch nicht selbst entscheiden. Die Sache war daher an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2136314

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