Leitsatz (amtlich)

1. Wird die von einer Krankenkasse an eine Kassenzahnärztliche Vereinigung zu entrichtende Gesamtvergütung gemäß RVO § 368f Abs 3 nach Einzelleistungen berechnet und haben die Vertragspartner vereinbart, daß an der Entscheidung des Prüfungsbeschwerdeausschusses Vertreter der Krankenkassen stimmberechtigt mitwirken (vergleiche RVO § 368n Abs 5), so liegt bei Streit wegen Prüfungsmaßnahmen gegen einen Kassenzahnarzt eine "Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts" iS des SGG § 12 Abs 3 S 1 vor.

2. SGG § 17 Abs 4 verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG Art 20 Abs 2, GG Art 97 Abs 1).

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 17 Abs. 4 Fassung: 1955-08-17; GG Art. 20 Abs. 2 Fassung: 1949-05-23, Art. 97 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; RVO § 368n Abs. 5 Fassung: 1955-08-17, § 368f Abs. 3 Fassung: 1955-08-17

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1964 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der für den Regierungsbezirk Arnsberg errichtete RVO-Prüfungsausschuß (PA) hatte den Antrag der Klägerinnen, die Honorarabrechnung des Kassenzahnarztes Dr. M aus allen vier Abrechnungsvierteljahren des Jahre 1959 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise zu kürzen, mit Entscheidung vom 15. Februar 1961 abgelehnt; er hatte Dr. M lediglich auf seinen überhöhten Behandlungsumfang hingewiesen. Auf ihre Beschwerde hatte der für den gesamten Bereich der Beklagten zuständige RVO-Prüfungsbeschwendeausschuß (BA) mit Beschluß vom 23. Mai 1962 die von Dr. M seinerzeit abgerechneten kassenzahnärztlichen Leistungen um DM 140,- gekürzt; im übrigen hatte er der Beschwerde der Klägerinnen nicht entsprochen.

Klage und Berufung der Klägerinnen sind ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht (SG) Münster (Urteil vom 5. Dezember 1962) und das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28. Januar 1964) haben jeweils in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten als ehrenamtlichen Richtern entschieden. Das SG hat Dr. M beigeladen. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.

Mit ihrer Revision haben die Klägerinnen als wesentlichen Mangel des Verfahrens gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerügt, daß das Berufungsgericht unrichtig besetzt gewesen sei. Die Betriebskrankenkassen (BKK) von Nordrhein-Westfalen vergüteten die kassenzahnärztlichen Leistungen nach Einzelleistungen. Nach der am 31. August 1959 vom Landesverband der BKKen Nordrhein-Westfalen mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) Nordrhein und Westfalen-Lippe geschlossenen Prüfungsvereinbarung sei an den Sitzungen des PA ein Vertreter der Krankenkassen (KK) mit beratender Stimme beteiligt; an den Sitzungen des BA nähmen drei vom Landesverband der Betriebskrankenkassen ( LVBKK ) benannte Vertreter mit beschließender Stimme teil. Es handele sich somit um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts, so daß das Gericht gemäß § 33 Satz 1, § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG mit je einem Landessozialrichter aus den Kreisen der KKen und der Kassenzahnärzte hätte besetzt sein müssen.

Die Beklagte hält die Rechtsauffassung der Klägerinnen für unzutreffend. Ob es sich bei einer Streitsache um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts oder der Kassenzahnärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) handele, richte sich nach dem Willen des Gesetzgebers und nicht nach der Zusammensetzung der Stellen, welche die angefochtenen Verwaltungsakte erlassen hätten. Der Gesetzgeber habe in § 368 n Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) das Prüfungswesen ausdrücklich der Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte zugewiesen. Dies gehe auch daraus hervor, daß nach dieser Vorschrift die KZV Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten habe, während die Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen, wie die Zulassungsinstanzen und die Schiedsämter, nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von den Vertragspartnern zu errichten seien. § 368 n Abs. 5 RVO besage nichts darüber, daß bei der Honorierung der kassenzahnärztlichen Leistungen nach Einzelleistungen die Prüfungsinstanzen von der KZV und den Landesverbänden der KKen gemeinsam zu bilden seien; er lasse nur zu, die Zusammensetzung der Ausschüsse und das Verfahren abweichend von § 368 n Abs. 4 RVO zu regeln. Die Verteilung der Gesamtvergütung sei, auch wenn sie nach Einzelleistungen berechnet werde, eine ausschließliche Angelegenheit der KZV. Die Interessenlage der KKen sei bei dieser Vergütungsart keine wesentlich andere als bei Vergütung nach Kopfpauschale, wie sich aus § 368 f Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 5 RVO ergebe. Die KZV trage auch in vollem Umfange die Kosten, welche die Prüfungsinstanzen verursachten. Die alleinige Mitwirkung von Kassenzahnärzten bei der Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsinstanzen auf ihre Rechtmäßigkeit sei auch deshalb geboten, weil nur Zahnärzte beurteilen könnten, ob die Behandlungsweise des betreffenden Zahnarztes nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und unter Beachtung der Sorgfaltspflichten nach dem kassenzahnärztlichen Vertragsrecht erfolgt sei. Diese Notwendigkeit lasse auch § 368 n Abs. 4 Satz 2 RVO erkennen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Vertreter der Beklagten geltend gemacht, daß Bundessozialrichter N, der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Landkrankenkassen ist, bei der Entscheidung des Senats nicht mitwirken dürfe. § 17 Abs. 4 SGG, der vorschreibe, daß Geschäftsführer und deren Stellvertreter bei den Trägern und Verbänden der Krankenversicherung sowie den kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen als Sozialrichter in den Kammern für Angelegenheiten des Kassenarzt- und Kassenzahnarztrechts nicht ausgeschlossen seien, sei mit den Verfassungsgrundsätzen der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Richter nicht zu vereinbaren. Geschäftsführer von KKen und deren Verbänden besäßen in derartigen Streitigkeiten - trotz aller persönlichen Unantastbarkeit - keine wirkliche innere Unabhängigkeit; es bestehe bei ihnen die Besorgnis, daß sie sich von der ihnen geläufigen und gewohnten Verwaltungsübung innerlich nicht lösen könnten. Dasselbe gelte für die Geschäftsführer Kassenärztlicher und Kassenzahnärztlicher Vereinigungen. Diese hätten deshalb bewußt davon abgesehen, solche Personen als ehrenamtliche Richter der Sozialgerichtsbarkeit vorzuschlagen. Es hätten hier dieselben Grundsätze Geltung, die den Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG) veranlaßt hätten, die Mitwirkung aktiver Versorgungsbeamter als ehrenamtlicher Beisitzer in den Spruchkörpern für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung als rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechend anzusehen. Bei der Mitwirkung von Geschäftsführern liege ebenfalls eine Verquickung von verwaltender und rechtsprechender Tätigkeit in derselben Angelegenheit vor, es bestehe insoweit eine Interessenkollision. Der Geschäftsführer der KK habe nach § 8 Abs. 4 des Selbstverwaltungsgesetzes vom 22. Februar 1951 die laufenden Geschäfte der KK zu führen; hierzu gehöre auch das Prüfungswesen.

Der Vertreter der Klägerinnen hat diesen Ausführungen widersprochen. Er hat u. a. darauf hingewiesen, daß die von den KZVen als ehrenamtliche Richter in der Sozialgerichtsbarkeit vorgeschlagenen Kassenzahnärzte ebenfalls nicht ganz unbefangen seien; sie würden - wie allgemein bekannt sei - für ihre richterlichen Aufgaben von den KZVen besonders geschult.

Die Klägerinnen haben beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, hilfsweise die Entscheidungen des LSG, des SG sowie des BA aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Prüfungsbescheid zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der beigeladene Dr. M hat sich nicht geäußert.

II

Der Senat hat zunächst geprüft, ob er in der vorliegenden Streitsache in der Besetzung mit je einem Bundessozialrichter aus den Kreisen der KKen und der Kassenzahnärzte ordnungsgemäß zusammengesetzt ist (§ 40 Satz 1, § 33 Satz 2, § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Er hat dies bejaht.

Bei der Abgrenzung der Angelegenheiten des Kassenzahnarztrechts (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG) von denen der Kassenzahnärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung darauf abgestellt, ob die angefochtenen Verwaltungsakte allein in den Aufgabenbereich der kassenzahnärztlichen Selbstverwaltung fallen oder ob sie zum Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen gehören. Als entscheidendes äußeres Merkmal hat er hierbei angesehen, ob im Verwaltungsverfahren eine ausschließlich mit Kassenzahnärzten besetzte Stelle zu entscheiden hat oder ob hier auch Vertreter der KKen stimmberechtigt mitwirken. Nach seiner Rechtsprechung (BSG 5, 50; 11, 1, 3, 102, 105; 15, 161, 164; 19, 123, 125; SozR SGG § 12 Bl. Da 8 Nr. 13) hängt davon die Besetzung der Kammern und Senate für Angelegenheit des Kassenarztrechts ab.

Nach der zwischen dem LVBKK von Nordrhein-Westfalen einerseits und den KZVen Nordrhein und Westfalen-Lippe andererseits am 31. August 1959 getroffenen Vereinbarung über das Prüfungsverfahren besteht der PA aus mindestens drei Kassenzahnärzten; der LVBKK kann zu jeder Sitzung des PA einen oder zwei Beauftragte entsenden, die an den Sitzungen mit beratender Stimme teilnehmen (§ 1 Abs. 3, 7). Der BA setzt sich gemäß § 9 Abs. 1 dieser Vereinbarung aus je drei vom LVBKK und von der KZV benannten Vertretern zusammen. Die BKKen von Nordrhein-Westfalen haben somit - auf Grund der ihnen in § 368 n Abs. 5 RVO bei Berechnung der kassenzahnärztlichen Gesamtvergütung nach Einzelleistungen (§ 368 f Abs. 3 RVO) eingeräumten vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit - Wert darauf gelegt, am Prüfungsverfahren entscheidend beteiligt zu sein, während beispielsweise die Ersatzkassen bei der Überprüfung der Honorarabrechnungen der für sie tätigen Zahnärzte auf eine beschließende Mitwirkung am Zustandekommen der Verwaltungsentscheidungen verzichtet haben (s. § 13 des Vertrages zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und den Verbänden der Angestellten-Krankenkassen und Arbeiter Ersatzkassen vom 29. November 1963). Aus diesem Verzicht hat der erkennende Senat gefolgert, daß Entscheidungen dieser Art in den Selbstverwaltungsbereich der KZV fallen und sie deshalb Angelegenheiten der Kassenzahnärzte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG sind, so daß über die Rechtmäßigkeit solcher Verwaltungsakte von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit allein unter Zuziehung von Kassenzahnärzten zu befinden ist (BSG 11, 102, 105). Vorliegendenfalls verhält es sich indessen umgekehrt. Maßgeblich ist hierbei, daß der BA paritätisch aus Vertretern der Kassenzahnärzte und der KKen, denen gleiches Stimmrecht zukommt, zusammengesetzt ist; denn Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung ist die Verwaltungsentscheidung in dem ihr vom BA gegebenen Inhalt (vgl. § 95 SGG). Es macht insoweit keinen Unterschied, ob die von den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen vereinbarte Gesamtvergütung nach § 368 f Abs. 2 oder 3 RVO berechnet wird; denn soweit § 368 n Abs. 4 RVO die Errichtung von Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen vorschreibt und den Beschwerdeausschüssen den Charakter von Widerspruchsstellen verleiht, gilt für § 368 n Abs. 5 RVO nichts Abweichendes. Es ist daher ohne rechtliche Bedeutung, daß nach § 1 Abs. 7 der Prüfungsvereinbarung Kassenvertreter an den Entscheidungen des PA nur mit beratender Stimme teilnehmen können. Die beschließende Mitwirkung von Vertretern der BKKen im BA hat zur Folge, daß die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Kassenzahnärzte und der KKen nachzuprüfen sind.

Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Das LSG hat geglaubt, aus § 368 n Abs. 3 Satz 1 RVO, wonach die KZVen die kassenzahnärztliche Tätigkeit zu überwachen haben, den Schluß ziehen zu müssen, daß die - nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift auf die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung beschränkte - Tätigkeit der Prüfungsinstanzen allein den KZVen zuzurechnen sei. § 368 n RVO trifft indessen in seinen Absätzen 4 und 5 für ein begrenztes Gebiet der - den KZVen allgemein obliegenden - Überwachung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit eine Sonderregelung. Zwar haben nach § 368 n Abs. 4 Satz 1 RVO die KZVen zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung "im einzelnen" Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten; ihre ausschließliche Zuständigkeit zur Bildung dieser Ausschüsse ist aber nur gegeben, "sofern die Gesamtvergütung nicht nach Einzelleistungen berechnet wird". Hieraus ist im Zusammenhang mit § 368 n Abs. 5 RVO zu schließen, daß es dem freien Willen der Vertragspartner überlassen bleibt zu bestimmen, ob die im Rahmen dieser Vorschrift zu bildenden Prüfungsinstanzen Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen oder allein der betreffenden KZV sind.

Für die Beurteilung dieser Frage kommt es weniger darauf an, welcher der Vertragspartner sie "errichtet" und ihre laufenden Geschäfte führt, sondern wie sie zusammengesetzt sind, wie also die Gewichte innerhalb des entscheidenden Gremiums verteilt sind. Jene Frage wird dagegen im wesentlichen von Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit bestimmt. So hat der Gesetzgeber vorgeschrieben, daß die Zulassungsinstanzen und Schiedsämter, die nach allgemeiner Ansicht Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen sind, von diesen zwar gemeinsam zu errichten (§ 368 b Abs. 1, § 368 i Abs. 1 RVO), daß aber die Geschäfte der Zulassungsinstanzen bei den KZVen (§ 368 b Abs. 3 Satz 1 RVO), die der Schiedsämter hingegen bei den Verbänden der Ortskrankenkassen (§ 11 der Schiedsamtsordnung vom 28. Mai 1957) zu führen sind. Die seit 1. Juli 1962 geltende - also erst nach Erlaß der Entscheidung des BA in Kraft getretene - Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 1 des Bundesmantelvertrags für Zahnärzte vom 2. Mai 1962 sieht vor, daß die Prüfungseinrichtungen "bei" der KZV zu errichten sind, wenn die Gesamtvergütung nach Einzelleistungen berechnet wird.

Auch die Frage, wer die Kosten der Prüfungsinstanzen trägt, kann nicht ausschlaggebend sein, wenngleich die Vertragspartner in den Fällen des § 368 n Abs. 5 RVO bestrebt sein werden, sich in die anfallenden Kosten in etwa zu teilen. So ist es auch hier. Nach § 12 der Vereinbarung vom 31. August 1959 tragen die Vertragspartner die Kosten, die ihnen durch die Teilnahme ihrer Vertreter an den Sitzungen der Prüfungsinstanzen entstehen, jeweils selbst. Die Sachunkosten fallen zwar der KZV zur Last. Offenbar zum Ausgleich dafür ist in § 13 der Prüfungsvereinbarung festgelegt, daß für das Verfahren vor dem BA grundsätzlich Gebühren zu entrichten und diese zur Deckung der der KZV durch die Prüfungsinstanzen entstandenen Kosten bestimmt sind.

Der Hinweis der beklagten KZV, daß die Verteilung der Gesamtvergütung auch dann, wenn diese nach Einzelleistungen berechnet werde, ihre ausschließliche Aufgabe sei, trifft zwar zu (§ 368 n Abs. 3 Satz 1 RVO); es kann aber nicht übersehen werden, daß in einem solchen Fall dieser Aufgabe zwangsläufig nicht die Bedeutung zukommt, als wenn die Gesamtvergütung nach § 368 f Abs. 2 RVO berechnet wird. Bei Errechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen wirken sich Honorarprüfung und -verteilung unmittelbar zu Gunsten oder zu Lasten der zur Zahlung der Gesamtvergütung verpflichteten KK aus, während sie bei anderer Berechnungsweise in der Hauptsache die Gesamtheit der Kassenzahnärzte, dagegen weniger die KKen berühren.

Der weitere Einwand der Beklagten, auch bei paritätischer Besetzung der Prüfungsinstanzen seien allein Kassenzahnärzte zur Mitwirkung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Prüfungsinstanzen berufen, weil nur Kassenzahnärzte beurteilen könnten, ob die Behandlungsweise des betreffenden Kassenzahnarztes den Geboten der Wirtschaftlichkeit entspreche, ist ebenfalls unzutreffend. Gemäß § 1 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 4 der Prüfungsvereinbarung vom 31. August 1959 bestimmt zwar die KZV die Vorsitzenden der Prüfungsinstanzen; diese werden also im allgemeinen Kassenzahnärzte sein. Soweit § 9 Abs. 1 Satz 4 dieser Vereinbarung besagt, daß § 1 Abs. 3 entsprechend gilt, kann eine sachgemäße Auslegung dieser Bestimmung nur dazu führen, daß deren letzter Satz für das Verfahren vor dem BA entsprechend zu gelten hat, Mitglieder des BA also nicht zugleich dem PA angehören können. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 der Vereinbarung geregelte Frage, daß für jedes Mitglied des PA ein Stellvertreter zu bestellen ist, ist nämlich für die Mitglieder des BA in § 9 Abs. 1 Satz 3 ohnehin gesondert getroffen worden. Hieraus ist zu schließen, daß § 1 Abs. 3 Satz 1, wonach der PA aus mindestens drei Kassenzahnärzten besteht, nicht unter die nach § 9 Abs. 1 Satz 4 für den BA entsprechend geltenden Vorschriften fällt, die von den KKen benannten Mitglieder des BA somit nicht Kassenzahnärzte zu sein brauchen. Es haben demgemäß an der in der vorliegenden Streitsache ergangenen Entscheidung des BA nicht nur Zahnärzte, sondern auch Verwaltungsfachleute mitgewirkt. Wenn die KZV hierzu ihre Zustimmung gegeben hat, so muß davon ausgegangen werden, daß sie den Vertretern der KK'en die nötige Sachkunde zutraut, im Verein mit Kassenzahnärzten über die Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung zu entscheiden. Jedenfalls würde sie sich mit ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn sie die Mitwirkung von Vertretern der KK'en bei der gerichtlichen Entscheidung als unsachgemäß beanstandet, obwohl sie selbst diese Mitwirkung bei der von den Gerichten zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung gutgeheißen hat.

Nach dem Inhalt der von dem LVBKK und den KZV'en im Lande Nordrhein-Westfalen getroffenen Vereinbarung sind sonach die auf Grund dieser Vereinbarung gebildeten Prüfungsinstanzen Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen. Daß dies rechtlich möglich ist, wird auch im Schrifttum überwiegend bejaht (vgl. Jantz/Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Randziffer 16 zu § 368 n RVO; Hess/Venter, Handbuch des Kassenarztrechts, Band I S. 301; Heinemann/Koch, Kassenarztrecht, Stand: Mai 1963 S. I, 51; aM Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Anmerkung 8 zu § 368 n RVO). Die Auffassung des LSG, dies könne schon deshalb nicht richtig sein, weil der Gesetzgeber den solcherart gebildeten Prüfungsinstanzen keine Parteifähigkeit verliehen habe, kann nicht gefolgt werden; denn hierauf kann es für die Beantwortung der Frage, ob es sich um Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und KKen handelt, nicht ankommen. Ob solchen Organen durch Gesetz Parteifähigkeit zu verleihen ist (s. § 70 SGG), bestimmt sich vielmehr nach Erwägungen der Zweckmäßigkeit. So ist dem Berufungsausschuß und dem Schiedsamt diese Fähigkeit durch Artikel 2 Nr. 3 des Gesetzes über Kassenarztrecht, der dem § 70 SGG eine Nummer 4 entsprechenden Inhalts eingefügt hat, verliehen worden. Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes haben verschiedene LSG mangels Parteifähigkeit der Zulassungsinstanzen diejenigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Beklagte angesehen, denen die Tätigkeit der Zulassungsinstanzen zuzurechnen ist (vgl. zB die Rechtsprechung des Bayerischen LSG - ÄM 1954 S. 516 - und des LSG Niedersachsen - ÄM 1955 S. 284). In einigen Bundesländern - auch im Gebiet des Berufungsgerichts - hat schon seit jeher der Grundsatz gegolten, daß Behörden im Verwaltungsstreitverfahren klagen und verklagt werden können. Das Gesetz zur Ausführung des SGG im Lande Nordrhein-Westfalen vom 29. November 1955 (GVBl. Ausgabe A S. 230) hat nun ausdrücklich bestimmt, daß Behörden fähig sind, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit i. S. des § 70 SGG beteiligt zu sein. Der Senat trägt nach seiner bisherigen Rechtsprechung (BSG 2, 201, 204) keine Bedenken, den BA als Behörde i. S. des § 70 Nr. 3 SGG anzusehen. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob § 70 Nr. 4 SGG ausdehnend in dem Sinne ausgelegt werden kann, daß der BA auf Grund dieser Vorschrift parteifähig ist.

In der vorliegenden Streitsache handelt es sich somit um eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenzahnärzte und KKen. Der erkennende Senat ist daher mit je einem Vertreter aus den Kreisen der Kassenzahnärzte und der KKen ordnungsgemäß besetzt.

Es war ferner zu prüfen, ob seine Zusammensetzung auch insofern gesetzmäßig ist, als der in ihm mitwirkende Bundessozialrichter N. Geschäftsführer eines Krankenkassenverbandes ist. Nach § 17 Abs. 4 SGG, der gemäß § 47 Satz 2 SGG auch für das Revisionsverfahren gilt, sind Geschäftsführer von KKen und deren Verbänden sowie von Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen als ehrenamtliche Richter in den Kammern und Senaten für Angelegenheiten des Kassenarztrechts nicht ausgeschlossen. Die Beklagte hält diese Vorschrift für verfassungswidrig. Sie verstößt aber weder gegen Art. 20 Abs. 2 noch gegen Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Wie der Große Senat des BSG in seiner - von der Beklagten erwähnten - Entscheidung vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 237, 238) zum Ausdruck gebracht hat, dürfen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - als unabhängige besondere Verwaltungsgerichte - Verwaltungsbehörden nicht angegliedert sein und mit ihnen auch sonst nicht im Zusammenhang stehen; insbesondere dürfen mit Rücksicht auf den Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) im gleichen Sachgebiet dieselben Personen nicht sowohl in der Verwaltung als auch in der Rechtsprechung tätig sein. Wer nämlich in einem bestimmten Sachgebiet über einen längeren Zeitraum hinweg zugleich rechtsprechende und verwaltende Tätigkeit ausübt, verfügt meist nicht über die Unabhängigkeit und Unbeteiligtheit, die Art. 97 Abs. 1 GG für die Richter fordert. Diese Verfassungsgrundsätze vermögen aber - trotz der bei Entscheidungen in Angelegenheiten des Kassenarzt- und Kassenzahnarztrechts nahezu in jedem Fall in mehr oder minder großem Umfange gegebenen Verknüpfung der eigenen Interessen der Kreise, welche die ehrenamtlichen Richter zu benennen haben, mit den im Rechtsstreit zu entscheidenden Fragen - die Mitwirkung besonders sachkundiger Beisitzer nicht auszuschließen. Dies widerspräche dem Grundgedanken des SGG, die jeweils beteiligten Selbstverwaltungskreise durch ehrenamtliche Richter aus ihren Reihen auch an der Rechtsprechung zu beteiligen (vgl. auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Januar 1962, veröffentlicht in SozR ZPO § 41 Bl. Da 5 Nr. 6 und in ÄM 1962 S. 1899). Den gleichen Standpunkt hat der Große Senat des BSG in seiner bereits erwähnten Entscheidung eingenommen, indem er § 17 Abs. 4 SGG als durch besondere Verhältnisse gerechtfertigte Ausnahmevorschrift angesehen hat.

Aus den Erwägungen des erkennenden Senats über seine eigene Besetzung ergibt sich, daß die Rüge der Klägerinnen, das LSG hätte nicht in der Besetzung mit zwei Kassenzahnärzten entscheiden dürfen, zutreffend erhoben worden ist. Die Revision ist somit statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG i. V. m. § 202 SGG, § 551 Nr. 1 ZPO) und zugleich begründet. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Da dem Senat eine abschließende Entscheidung mangels ordnungsgemäßer Feststellungen nicht möglich ist, hat er deshalb nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG entschieden, wie geschehen. Das LSG wird, bevor es erneut entscheidet, darauf hinzuwirken haben, daß die Klage gegen den BA gerichtet wird.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 237

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge