Entscheidungsstichwort (Thema)

Stillegung eines Betriebes. Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Konkursverwalter den Betrieb stillgelegt und gilt seine Tätigkeit nur noch der Verwertung des Betriebsvermögens, so besteht keine Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung.

 

Orientierungssatz

1. Zum Begriff Betrieb und Betriebsstillegung.

2. Ist der Betrieb durch die Kundgabe des ernstlichen und endgültigen Entschlusses des Betriebsinhabers, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben, stillgelegt worden, so bedarf es zur Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit und damit zur Wiederbegründung der Förderungsfähigkeit der Kundgabe eines entsprechenden Entschlusses des Konkursverwalters. Die bloß theoretische Möglichkeit, die Betriebstätigkeit durch Heranziehung der freigestellten Arbeitnehmer und Wiederbeschaffung sächlicher Mittel wieder aufzunehmen, steht der Betriebsstillegung nicht entgegen.

 

Normenkette

AFG § 186a Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 22.08.1985; Aktenzeichen L 9 Ar 162/84)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.06.1984; Aktenzeichen S 15 Ar 188/83)

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist ein Verwaltungsakt der Beklagten, mit dem diese gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma Carl B. KG Ansprüche auf Winterbauumlage, Pauschale für Mehraufwendungen und Säumniszuschläge als Masseforderungen festgestellt hatte.

Über das Vermögen der Carl B. KG ist am 1. September 1981 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger als Konkursverwalter eingesetzt worden. Die Beklagte forderte den Kläger auf, die Lohnhöhe der noch nicht entlassenen Arbeitnehmer für die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens mitzuteilen, um hieraus die Winterbauumlage zu errechnen. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte die Beklagte die Löhne auf 25.000,00 DM und machte mit Bescheid vom 25. März 1983 eine Forderung von insgesamt 841,40 DM als Masseforderung geltend, die sich aus der Winterbauumlage in Höhe von 750,00 DM, der Pauschale für Mehraufwendungen in Höhe von 75,00 DM und Säumniszuschlägen in Höhe von 16,40 DM zusammensetzte. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und den Bescheid vom 25. März 1983 idF des Widerspruchsbescheides aufgehoben, soweit die Beklagte Winterbauumlage und Nebenkosten für die Zeit nach Konkurseröffnung (1. September 1981) als Masseschuld geltend macht. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben sei. Die Forderung der Beklagten auf Winterbauumlage sowie Nebenkosten (Säumniszuschlag, Pauschale für Mehraufwendungen) sei begründet. Dieser Forderung stehe weder der Konkurs des Betriebsinhabers noch die Tatsache entgegen, daß nach Eröffnung des Konkurses Arbeitsentgelte nicht mehr gezahlt worden seien. Der Senat habe sich nicht davon überzeugen können, daß der Betrieb nach Konkurseröffnung bis zum 31. Dezember 1981 nicht doch weitergeführt worden sei. Die vom Kläger vorgetragene Freistellung der restlichen 21 Arbeitnehmer habe nicht zur Folge gehabt, daß Förderungsleistungen nach Konkurseröffnung ausgeschlossen gewesen seien. Der Arbeitgeber hätte jederzeit ihre Arbeitsleistungen bis zum 31. Dezember 1981 verlangen können. Auch wenn die Baugeräte zu diesem Zeitpunkt bereits verwertet gewesen seien, so hätten doch kleinere Baumaßnahmen ohne Geräte oder mit geliehenen Geräten theoretisch durchgeführt werden können. Damit stehe fest, daß weder objektiv betriebliche Gründe einer Förderung entgegengestanden noch daß eine Förderung rechtlich ausgeschlossen gewesen sei. Die Höhe der Forderung sei zwischen den Beteiligten nicht streitig; die Beklagte habe bei der Verhängung der Säumniszuschläge von ihrem Ermessen auch ausreichend Gebrauch gemacht. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil sei aber insoweit unbegründet, als die Forderung als Masseschuld geltend gemacht worden sei. Der nach Konkurseröffnung fällig gewordene Umlageanspruch der Beklagten sei nicht in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e der Konkursordnung (KO) aufgeführt. Zwar seien die Lohnansprüche den Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 2 KO zuzuordnen; diese Qualität besäßen die Umlageforderungen aber nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der im wesentlichen geltend macht, der Umlageanspruch der Beklagten bestehe nicht. Das LSG habe seinen Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt, daß bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens jede Betriebstätigkeit eingestellt worden sei. Er sei daher nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mehr Arbeitgeber des Baugewerbes iS des § 75 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gewesen. Die restlichen Arbeitnehmer seien nur mit Rücksicht auf den Kündigungsschutz freigestellt worden und noch nicht ausgeschieden. Darüber hinaus seien auch alle Betriebsmittel bereits verwertet worden. Hinzu komme, daß er als Konkursverwalter wegen eines Beschlusses der Gläubigerversammlung nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, Bauleistungen auszuführen. Ein Betrieb sei nicht mehr vorhanden gewesen. Vielmehr habe er als Konkursverwalter nur die Masse verwaltet und keine auf Bauleistungen gerichteten arbeitstechnischen Zwecke verfolgt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Die Beklagte, die ebenfalls Revision eingelegt hat, beantragt, 1. das Urteil des Landessozialgerichts insoweit aufzuheben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. 2. die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Berufungsurteil für richtig, soweit darin die Berufung des Klägers zurückgewiesen, die Forderung der Beklagten also für begründet gehalten worden ist. Die Revision der Beklagten richtet sich gegen das Berufungsurteil, soweit darin der Forderung der Charakter als Masseschuld abgesprochen worden ist. Beitragsansprüche und Umlageansprüche seien Lohnnebenforderungen, die im geltenden Konkursrecht den Arbeitsbezügen gleichgestellt und daher nach § 59 Abs 1 Nr 2 KO Masseforderungen seien.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, weil die festgestellten Tatsachen zur abschließenden Entscheidung nicht ausreichen.

Nach § 186a Abs 1 AFG werden die Kosten der produktiven Winterbauförderung "von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieb die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs 2 AFG)", durch eine Umlage aufgebracht. Voraussetzung für die Umlagepflicht des Klägers wäre also, daß er in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter Arbeitgeber und Inhaber eines zu fördernden Betriebes geworden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwar davon auszugehen, daß es sich bei dem Betrieb der Carl B. KG um einen zu fördernden Betrieb gehandelt hat, dessen Inhaber umlagepflichtig war. Die Umlagepflicht des Konkursverwalters entfällt nicht allein dadurch, daß über das Vermögen der Betriebsinhaberin der Konkurs eröffnet und Arbeitsentgelte an die freigestellten Arbeitnehmer nicht mehr gezahlt wurden (vgl BSG SozR 4100 § 186a Nr 18 mwN). Der Konkursverwalter wird vielmehr umlagepflichtig, wenn er den zu fördernden Betrieb des Gemeinschuldners übernimmt und weiterführt. Ob dies der Fall gewesen ist, läßt sich aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.

Zunächst einmal steht nicht fest, ob in der streitigen Zeit vom 1. September bis zum 31. Dezember 1981 überhaupt noch ein Betrieb vorhanden war, denn nach den Feststellungen des LSG waren die Baugeräte bereits verwertet, wobei nicht erkennbar ist, zu welchem Zeitpunkt dies geschehen ist. Unter einem Betrieb versteht man die organisatorische Einheit, innerhalb deren ein Unternehmer mit Hilfe sächlicher und sonstiger Betriebsmittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl BSG SozR 4100 § 75 Nr 9 Blatt 17 mwN sowie BSGE 18, 180, 195; 37, 245, 246). Waren also - wie der Kläger schon in den Vorinstanzen behauptet hat - die sächlichen und sonstigen Betriebsmittel zur fortgesetzten Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke nicht mehr vorhanden, so kann der Kläger nicht Inhaber eine Baubetriebes gewesen sein, auch wenn er Arbeitgeber der freigestellten Arbeitnehmer gewesen ist. Das LSG wird deshalb festzustellen haben, welche sächlichen und sonstigen Betriebsmittel in der streitigen Zeit noch vorhanden waren, die geeignet waren, die Fortsetzung des Betriebszweckes zu ermöglichen.

Auf diese Feststellungen käme es allerdings dann nicht an, wenn der Kläger trotz Vorhandenseins eines Baubetriebes in der streitigen Zeit nicht umlagepflichtig gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats (SozR 4100 § 186a Nrn 14, 18) träfe das dann zu, wenn objektive betriebliche Gegebenheiten oder rechtliche Gründe die Förderung des Betriebes ausschließen. Die Förderung ist zwar dann nicht ausgeschlossen, wenn der Konkursverwalter nicht nur das Betriebsvermögen verwertet, sondern - gleichgültig in welchem Umfang - den Betrieb weiterführt, wobei die Möglichkeit der Weiterführung genügt. Hat der Konkursverwalter jedoch den Betrieb stillgelegt und gilt seine Tätigkeit nur noch der Verwertung des Betriebsvermögens, so handelt es sich nicht um einen zu fördernden Betrieb, so daß die Umlagepflicht für diesen Fall nicht besteht. Ob der Kläger jedoch einen bereits stillgelegten Betrieb übernommen oder den Betrieb selbst stillgelegt hat, geht aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht hervor. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen. Diese liegt vor, wenn der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich doch nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben (vgl BSG SozR 7610 § 613a Nr 5 Blatt 5 sowie BAG, ZIP 1987, 731, 733 mwN; zur Beendigung der Betriebstätigkeit vgl BSG SozR 4100 § 141b Nr 19). Es wird daher festzustellen sein, ob die frühere Betriebsinhaberin bereits vor der Konkurseröffnung oder der Kläger nach der Konkurseröffnung den ernsthaften Willen zum Ausdruck gebracht hat, die Betriebstätigkeit dauerhaft, also für unbestimmte Zeit aufzugeben. War also erkennbar, daß die Tätigkeit des Klägers ausschließlich auf die Auflösung des Betriebes und die Verwertung des Betriebsvermögens gerichtet, eine noch so eingeschränkte Fortführung des Betriebszweckes also ausgeschlossen war, muß von der Stillegung des Betriebes ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat zwar zum Ausdruck gebracht, es habe sich nicht davon überzeugen können, daß der Betrieb nach der Konkurseröffnung bis zum 31. Dezember 1981 nicht doch weitergeführt worden sei. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Tatsachenfeststellung, an die der erkennende Senat nach § 163 SGG gebunden wäre. Vielmehr ist das LSG unzutreffend davon ausgegangen, daß der Konkursverwalter mit der Folge der Umlagepflicht einen Betrieb auch dann weiterführt, wenn er - rein theoretisch - mit den freigestellten Arbeitnehmern und wiederbeschafften sächlichen Mitteln die eingestellte Betriebstätigkeit wiederaufnehmen könnte. Es ist zwar richtig, daß es für die Frage der Betriebsstillegung nicht darauf ankommt, ob der Konkursverwalter tatsächlich den Betriebszwecken dienende Tätigkeiten weiterführen läßt; vielmehr genügt für das Vorhandensein eines funktionsfähigen und zu fördernden Betriebes die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Weiterführung durch den Konkursverwalter. Ist der Betrieb aber durch die Kundgabe des ernstlichen und endgültigen Entschlusses des Betriebsinhabers, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben, stillgelegt worden, so bedarf es zur Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit und damit zur Wiederbegründung der Förderungsfähigkeit der Kundgabe eines entsprechenden Entschlusses des Konkursverwalters. Die bloß theoretische Möglichkeit, die Betriebstätigkeit durch Heranziehung der freigestellten Arbeitnehmer und Wiederbeschaffung sächlicher nicht entgegen. Das LSG wird daher festzustellen haben, ob die frühere Betriebsinhaberin vor der Konkurseröffnung oder der Konkursverwalter danach den Willen zur dauerhaften Einstellung der Betriebstätigkeit zum Ausdruck gebracht hat. Als Indizien könnten dabei von Bedeutung sein, ob die Tätigkeit des Konkursverwalters ausschließlich auf die Verwertung des Betriebsvermögens gerichtet war, ob es - wie der Kläger behauptet - einen entsprechenden Beschluß der Gläubigerversammlung gab, ob die noch nicht entlassenen Arbeitnehmer lediglich mit Rücksicht auf den Kündigungsschutz nur freigestellt waren, in welchem Umfang noch sächliche Betriebsmittel vorhanden waren, die der Fortführung des Betriebes hätten dienen können und ob der Betrieb bei den zuständigen Stellen (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Innung usw) abgemeldet worden ist.

Der Senat kann die zur abschließenden Entscheidung notwendigen Tatsachenfeststellungen nicht selbst treffen, so daß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war, das auch über die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

ZIP 1987, 1264

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