Leitsatz (amtlich)

1. Der Sechs-Wochen-Zeitraum des § 105b AFG, während dessen der Arbeitslose den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verliert, läuft kalendermäßig ab.

2. Der kalendermäßige Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums nach § 105b AFG wird durch die Gewährung von Übergangsgeld an den Arbeitslosen nicht unterbrochen.

 

Orientierungssatz

Nachrang des Krankengeldanspruchs gegenüber Leistungen nach § 105b AFG:

1. Der Anspruch auf Krankengeld ist gegenüber dem auf § 105b AFG gestützten Anspruch auf Arbeitslosengeld nachrangig (vgl BSG vom 24.7.1986 - 7 RAr 13/85 = SozR 4100 § 105b Nr 6); für den auf § 105b, § 134 Abs 4 AFG gestützten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gilt nichts anderes (vgl BSG vom 14.03.1985 - 7 RAr 64/84).

2. Für die Anwendung der Berufungsausschlußnorm des § 149 SGG kommt es bei Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten auf den Gesamtwert des mit der Berufung verfolgten Anspruchs an. Wie sich dieser errechnet, ist unerheblich (vgl BSG vom 25.2.1966 - 3 RK 96/63 = BSGE 24, 260 = SozR Nr 13 zu § 149 SGG). Das gilt auch, wenn das SG zwei Klagen miteinander verbunden und über sie in einem Urteil entschieden hat.

 

Normenkette

AFG § 105b Abs. 1 S. 1, § 134 Abs 4; SGG § 149

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 28.06.1988; Aktenzeichen L 8 Al 134/87)

SG Regensburg (Entscheidung vom 08.05.1987; Aktenzeichen S 8 Al 301/85)

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Ortskrankenkasse, verlangt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Erstattung von Krankengeld.

Die Beklagte bewilligte dem Beigeladenen Josef A. (A) ab 12. Dezember 1980 Arbeitslosengeld (Alg). A erkrankte am 2. Januar 1981 arbeitsunfähig. Die Alg-Bewilligung hob die Beklagte mit Wirkung vom 23. Januar 1981 auf, weil A von diesem Tage Übergangsgeld (Übg) von einer Landesversicherungsanstalt (LVA) bezog. Das bis zum 11. März 1981 überzahlte Alg wurde der Beklagten von der LVA erstattet. Das Übg bezog A bis zum 15. April 1981. Im Anschluß daran zahlte die Klägerin wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bis zum 19. Juni 1981.

Mit Schreiben vom 11. November 1983 meldete die Klägerin am 21. November 1983 bei der Beklagten vorläufig einen Ersatzanspruch an. Sie hat am 30. Dezember 1985 Klage erhoben und diese damit begründet, daß nach Beendigung des Bezuges des Übg der Anspruch des A auf Alg wieder aufgelebt sei. Infolgedessen habe die Beklagte auch den noch nicht verbrauchten Rest der sechswöchigen Leistungsfortzahlung nach § 105b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von drei Wochen während der Arbeitsunfähigkeit vom 16. April bis 5. Mai 1981 erfüllen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei ihr in Höhe des Alg das Krankengeld von 712,80 DM zu erstatten.

Die Beklagte bewilligte ferner dem Beigeladenen Wilhelm N. (N) Alg für die Zeit vom 14. bis 27. Juli 1981 und im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi). N erkrankte arbeitsunfähig am 28. Juli 1981. Die Bewilligung der Alhi hob die Beklagte mit Wirkung vom 12. August 1981 auf, weil N von diesem Tage an Übg von einer LVA bezog. Die bis zum 7. September 1981 gezahlte Alhi wurde der Beklagten von der LVA erstattet. Das Übg bezog N bis zum 17. Dezember 1981. Im Anschluß daran zahlte die Klägerin wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bis zum 30. April 1982.

Mit Schreiben vom 22. November 1983 meldete die Klägerin am 23. November 1983 bei der Beklagten vorsorglich einen Ersatzanspruch an. Sie hat am 30. Dezember 1985 Klage erhoben und in diesem Falle die Erstattung von 1.087,90 DM verlangt, nämlich des Krankengeldes in Höhe der Alhi für die Zeit vom 18. Dezember 1981 bis 14. Januar 1982.

Das Sozialgericht (SG) hat beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sie durch Urteil vom 8. Mai 1987 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen, nachdem es A und N beigeladen hatte (Urteil vom 28. Juni 1988).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG zunächst ausgeführt, die Berufung sei auch insoweit statthaft, als die Klägerin im Falle A nur 712,80 DM und damit weniger als die in § 149 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannte Berufungssumme von 1.000,-- DM erstattet verlange. Bei Erstattungsstreitigkeiten sei nämlich der Gesamtwert der Erstattungsbeträge maßgebend (BSG SozR Nr 13 zu § 149 SGG), der hier mehr als 1.000,-- DM ausmache. In der Sache sei die Berufung unbegründet. Die in § 105b AFG vorgesehene Leistungsfortzahlung von Alg bzw Alhi bei Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen ende kalendermäßig jedenfalls mit Ablauf des Tages der sechsten Woche, der durch seine Benennung dem Tage entspreche, in den der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gefallen sei. Die sechs Wochen seien im Falle A somit mit dem 13. Februar 1981 und im Falle N mit dem 8. September 1981 abgelaufen. Sprachlich, grammatikalisch und logisch könnte § 105b AFG zwar auch dahin verstanden werden, daß solche Tage außer Betracht zu bleiben hätten, für die wegen des Ruhens des Anspruchs auf Alg bzw Alhi kein Zahlungsanspruch bestehe. Eine solche Auslegung lasse der Sinnzusammenhang jedoch nicht zu. Alg und Alhi seien grundsätzlich nur an Personen zu leisten, die der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stünden. Die Leistungsfortzahlung nach § 105b AFG nach Wegfall der Verfügbarkeit stelle deshalb eine Ausnahmevorschrift dar, die einschränkend auszulegen sei. Die restriktive Auslegung sei auch nach den Motiven des Gesetzes gerechtfertigt. Die Leistungsfortzahlung solle nämlich den Wechsel des Sozialleistungsträgers bei Krankheiten von weniger als sechs Wochen vermeiden. Auch hiernach müsse der Sechs-Wochen-Zeitraum, für den Anspruch auf Leistungsfortzahlung bestehe, zusammenhängend verlaufen. Dem stehe nicht entgegen, daß für die insoweit gleichlautende Vorschrift des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) die Berechnung der Dauer der sechs Wochen in der Praxis so erfolge, daß Tage außer Betracht blieben, für die wegen Ruhens des Arbeitsverhältnisses kein Lohnanspruch bestehe und sich die Sechs-Wochen-Frist um diese Tage verlängere. Denn während beim LFZG der Schutz des einzelnen Arbeitnehmers im Vordergrund stehe, solle § 105b AFG einen Wechsel des Leistungsträgers bei kurzzeitiger Erkrankung vermeiden. Die unterschiedlichen Zweckrichtungen beider Vorschriften rechtfertigten eine verschiedene Auslegung trotz gleichen Wortlauts. Hiernach sei der Erstattungsanspruch der Klägerin unbegründet, ohne daß es noch darauf ankomme, ob der Anspruch innerhalb der Ausschlußfrist des § 111 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) geltend gemacht worden sei.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 105b AFG. Sie trägt vor, der Wortlaut der Vorschrift spreche dafür, daß die Verpflichtung der Beklagten, Alg bzw Alhi trotz Arbeitsunfähigkeit weiter zu leisten, auch dann bis zum Ablauf von sechs Wochen bestehen bleibe, wenn der sechswöchige Bezugszeitraum durch eine dazwischenliegende Zeit des Bezuges von Übg unterbrochen worden sei. Die vom LSG vorgenommene einschränkende Auslegung sei nicht zwingend. Unter dem Aspekt der angestrebten Vermeidung eines Wechsels des zuständigen Leistungsträgers während eines relativ kurzfristigen Erkrankungszeitraums sei ein Verbleiben der Leistungsverpflichtung bei der Beklagten sogar sachnäher, da bei einer weiterführenden Zuständigkeit nach Dazwischentreten des dritten Leistungsträgers ein weitergehender Wechsel zu einem Krankenversicherungsträger häufig vermieden werde. Es sei nämlich nicht von vornherein auszuschließen, daß nach Abschluß einer vom Rentenversicherungsträger getragenen Rehabilitationsmaßnahme die Arbeitsunfähigkeit innerhalb des Sechs-Wochen-Zeitraums beendet würde und es von daher nicht zu einer Leistungsverpflichtung des Krankenversicherungsträgers käme. Auch für den Versicherten bleibe seine Beziehung zu dem jeweilig zuständigen Leistungsträger überschaubarer, wenn er nach einer Unterbrechung sich zunächst wieder an den ursprünglich zuständigen Leistungsträger halten könne.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 712,80 DM und 1.087,90 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe des LSG, die sie für zutreffend hält. Ergänzend führt sie aus, zur vorliegenden Fallgestaltung liege Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwar noch nicht vor. Die bisherige Rechtsprechung des BSG gehe jedoch ersichtlich davon aus, daß als Folge der Einführung des § 105b AFG die Krankenkassen in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit an Arbeitslose kein Krankengeld zu zahlen hätten. Im übrigen habe der erkennende Senat im Urteil vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 13/85 - darauf hingewiesen, daß § 105b AFG nur dann Anwendung finde, wenn bis zu dem Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Leistungen wie Alg und Alhi zu zahlen seien und weitergezahlt werden müßten, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht eingetreten wäre. Den Verlust eines Anspruchs auf Alg oder Alhi aus anderen Gründen könne § 105b AFG nicht ausgleichen. In den vorliegenden Leistungsfällen A und N hätte jeweils zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug kein Anspruch auf Auszahlung von Alg oder Alhi bestanden. Die jeweiligen Bewilligungen seien nämlich wirksam rückwirkend aufgehoben worden. Infolgedessen habe ein Fall des § 105b AFG jeweils nicht vorgelegen.

Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen unverzichtbare verfahrensrechtliche Grundsätze durch die Vorinstanzen, die bei einer zugelassenen, form- und fristgerecht eingelegten und ordnungsgemäß begründeten Revision vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten sind, liegen nicht vor.

Das LSG hat A und N beigeladen. Das Verfahren kann mithin nicht an der Unterlassung einer (echten) notwendigen Beiladung dieser beiden Rechtsgenossen leiden, und zwar ungeachtet der Frage, ob an dem Erstattungsverhältnis zwischen Krankenkasse und BA in Fällen vorliegender Art der Arbeitslose derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl dazu - verneinend - BSGE 57, 15, 17 ff = SozR 4100 § 105b Nr 1; SozR 4100 § 105b Nrn 4 und 6; Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Februar 1989, § 100 Rdz 22).

Zutreffend hat das LSG die Berufung der Klägerin nach § 143 SGG als statthaft und nicht als durch die §§ 144 ff SGG ausgeschlossen angesehen. Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG wäre die Berufung zwar ausgeschlossen, wenn die Klägerin - zB kraft Überleitung oder als Prozeßstandschafterin - Alg des A und Alhi des N geltend machen würde; denn dann beträfe die Berufung nur Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von drei bzw vier Wochen (vgl BSGE 22, 181 = SozR Nr 26 zu § 144 SGG; BSG SozR Nrn 18, 19 und 20 zu § 146 SGG und Nr 36 zu § 148 SGG). Die Klägerin verlangt jedoch nicht Alg und Alhi, sondern macht Erstattung des von ihr gezahlten Krankengeldes geltend, weil, wie sie meint, an ihrer Stelle die Beklagte Alg bzw Alhi hätte leisten müssen. Die Vorschrift des § 149 SGG aber, nach der bei Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts die Berufung nicht zulässig ist, wenn der Beschwerdewert 1.000,-- DM nicht übersteigt, greift wegen der Höhe der Berufungssumme hier nicht Platz. Denn diese beträgt 1.800,70 DM. Maßgebend ist nämlich der Gesamtwert des mit der Berufung verfolgten Anspruchs; wie sich dieser Wert errechnet, ist unerheblich (BSGE 24, 260 f = SozR Nr 13 zu § 149 SGG; SozR 1500 § 149 Nr 3). Das gilt auch dann, wenn das SG, wie hier, zwei Klagen miteinander verbunden und über sie in einem Urteil entschieden hat (BSGE 24, 260 f = SozR Nr 13 zu § 149 SGG). Es ist deshalb ohne Bedeutung, daß von den beiden Posten, die die Gesamtforderung ausmachen, die im Falle A nur 712,80 DM beträgt.

Die geltend gemachte Erstattungsforderung steht der Klägerin nicht zu.

Ob der Klägerin ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zukommt, richtet sich nach dem durch Art I des Sozialgesetzbuches - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) eingeführten §§ 102 ff SGB 10. Bis zum Erlaß dieser Vorschriften konnte ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn er von der Beklagten Ersatz des Krankengeldes verlangte, weil die Beklagte dem gegen Krankheit Versicherten vorrangig eine wie das Krankengeld für den Lebensunterhalt bestimmte Leistung hätte erbringen müssen, sich auf den allgemein und gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen (vgl BSGE 57, 15, 18 = SozR 4100 § 105b Nr 1). Mit den §§ 102 ff SGB 10 hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt. Daß diese Vorschriften, die mit Wirkung vom 1. Juli 1983 in Kraft getreten sind (Art II § 25 Abs 1 des Gesetzes vom 4. November 1982), der Entscheidung zugrunde zu legen sind, folgt aus Art II § 21. Nach dieser Vorschrift sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften der neu eingeführten §§ 86 ff SGB 10 zu Ende zu führen. Zwar hatte im vorliegenden Falle vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. November 1982 ein Erstattungsverfahren noch nicht begonnen, weil die Klägerin erst im November 1983 vorsorglich "Ersatzansprüche" bei der Beklagten anmeldete. Wenn aber von Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 begonnene, aber noch nicht zu Ende geführte Verwaltungsverfahren erfaßt werden, in denen die Leistungsträger Erstattungsansprüche geltend machen, wie das BSG wiederholt entschieden hat (vgl BSGE 56, 69, 70 f = SozR 1300 Art II § 21 Nr 1; BSGE 57, 15, 18 = SozR 4100 § 105b Nr 1; SozR 4100 § 59d Nr 3 und § 105b Nr 3), muß dies erst recht für nach Inkrafttreten des Gesetzes begonnene Verfahren gelten, in denen Erstattungstatbestände aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Entscheidung stehen.

Nach § 104 SGB 10 hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 103 SGB 10 vorliegen, was hier der Fall ist, gegenüber dem Leistungsträger einen Erstattungsanspruch, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Hiernach käme ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Betracht, wenn der A einen auf § 105b AFG gestützten Anspruch auf Alg und der N einen auf § 134 Abs 4, § 105b AFG gestützten Anspruch auf Alhi hatte; denn wie der Senat schon entschieden hat, ist der Anspruch auf Krankengeld gegenüber dem auf § 105b AFG gestützten Anspruch auf Alg nachrangig (SozR 4100 § 105b Nrn 3, 4 und 6); für den auf § 105b, § 134 Abs 4 AFG gestützten Anspruch auf Alhi (vgl dazu das nicht veröffentlichte Urteil des Senats vom 14. März 1985 - 7 RAr 64/84 -) gilt nichts anderes. Indessen hatte nach § 105b AFG weder A einen Anspruch auf Alg noch N einen Anspruch auf Alhi für die streitigen, mehrere Monate nach dem jeweiligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit liegenden Tage, für die die Klägerin Krankengeld geleistet hat.

Nach § 105b Abs 1 Satz 1 AFG verliert der Arbeitslose den Anspruch auf Alg und gemäß § 134 Abs 4 AFG den Anspruch auf Alhi für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nicht dadurch, daß er während des Bezuges infolge Krankheit arbeitsunfähig geworden ist. Daß A während des Bezuges von Alg und N während des Bezuges von Alhi infolge Krankheit arbeitsunfähig geworden sind, ist nicht zweifelhaft. Vorausgesetzt wird grundsätzlich, daß der Arbeitslose zu dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsunfähigkeit eintritt, einen Anspruch auf auszuzahlendes Alg oder Alhi hat; solange die Bewilligung nicht rückwirkend zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben worden ist, genügt der auf der Bewilligung beruhende Bezug (vgl BSG SozR 4100 § 105b Nr 6). Diese Voraussetzungen waren nach den Feststellungen des LSG gegeben. Ob der Arbeitslose aufgrund des § 105b AFG Alg bzw Alhi auch dann zu beanspruchen hat, wenn er - wie hier - während des Bezuges von Alg oder Alhi arbeitsunfähig erkrankt ist und die Arbeitsunfähigkeit über die Dauer eines Heilverfahrens hinaus andauert, währenddessen er vom Rentenversicherungsträger Übg erhalten hat, hat der Senat bislang nicht entschieden. Jedenfalls für den hier gegebenen Fall, daß die Übg-Zahlung nach Ablauf von sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit endet, ist die Frage zu verneinen.

Der Arbeitslose verliert den Anspruch nach § 105b AFG nur bis zur Dauer von sechs Wochen nicht. Dieser Sechs-Wochen-Zeitraum beginnt mit der Arbeitsunfähigkeit und läuft, wie das LSG richtig erkannt hat, kalendermäßig ab (Eckert in Ambs ua, Gemeinschaftskomm zum AFG, Stand April 1989, § 105b Rdz 7; Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Februar 1989, § 105b Rdz 28). Tage während des Sechs-Wochen-Zeitraums, für die die Beklagte aus anderen Gründen als mangelnder Verfügbarkeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Alg oder Alhi nicht zu zahlen hat, zB wegen zuerkannten Übg (§ 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG), unterbrechen die fortlaufende Zahlung, nicht aber den Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums. Das ergibt sich aus der Beschränkung der mit § 105b AFG verfolgten Zwecke auf kurzfristige Erkrankungen.

Die Vorschrift des § 105b AFG, mit deren Einführung weder eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des erkrankten Arbeitslosen noch eine Entlastung der öffentlichen Hand bezweckt worden ist, gründet auf praktischen Erwägungen. Die Regelung soll, wie der Bundestags-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, auf den die Einführung der Vorschrift zurückgeht, zu ihrer Begründung ausgeführt hat, den Beziehern von Lohnersatzleistungen nach dem AFG bei kurzfristigen Erkrankungen die Unzuträglichkeiten ersparen, die sich bisher dadurch ergaben, daß Leistungsbezieher im Krankheitsfalle anstelle der Leistungen der BA in gleicher Höhe Krankengeld von den für sie zuständigen Krankenkassen erhielten (vgl BT-Drucks 8/4022 S 90). Die Unzuträglichkeiten des Wechsels der Leistungsträgerschaft von der BA zur Krankenkasse wird dem Leistungsbezieher aber nicht generell erspart, sondern nur "bei Krankheiten von weniger als sechs Wochen" (so BT-Drucks aaO), also nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht mehr als sechs Wochen anhält. Hiernach aber muß der Sechs-Wochen-Zeitraum kalendermäßig nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ablaufen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Rechtsgrundsätzen, die zur Fortzahlung des Arbeitslohns im Krankheitsfalle entwickelt worden sind. Denn wenn bei der Schaffung des § 105b AFG Regelungen des LFZG auch als Muster gedient haben (vgl BT-Drucks aaO), hat § 105b AFG die Leistungspflicht der Beklagten hiervon abweichend bestimmt, was durch die unterschiedlichen Voraussetzungen und die unterschiedlichen Zwecke der beiden unterschiedlichen Regelungen veranlaßt war. So beruht der Anspruch auf Krankenlohn (Lohnfortzahlung) auf der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die auch den Umfang des Anspruchs bestimmt; er soll zudem die öffentliche Hand entlasten. Demgegenüber ist die Weiterzahlung von Alg und Alhi nach eingetretener Arbeitsunfähigkeit aus den oben erwähnten praktischen Erwägungen angeordnet worden. Wenn daher im Lohnfortzahlungsrecht aus Gründen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers angenommen wird, daß der Sechs-Wochen-Zeitraum der Lohnfortzahlung sich um die Tage verlängere, für die wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses kein Lohnanspruch besteht (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl 1987, § 98 IV 1 S 641; Kehrmann/Pelikan, LFZG, 1970, § 1 Rdz 60; Brecht, Lohnfortzahlung für Arbeiter, 3. Aufl 1979, § 1 Rdz 50), kann dies jedenfalls nicht für § 105b AFG gelten. Die vom LSG ferner erwähnte, ebenfalls auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestützte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der der Sechs-Wochen-Zeitraum nicht zu laufen beginnt, solange das Arbeitsverhältnis wegen Erfüllung der Wehrpflicht oder unbezahlten Urlaubs ruht (BAGE 11, 19; USK 1971, 7181; AP Nr 36 zu § 1 LFZG), ist nicht einschlägig; sie behandelt den Beginn des Sechs-Wochen-Zeitraums, nicht die Frage seiner Unterbrechung bzw Verlängerung.

Was die Revision hiergegen ins Feld führt, vermag nicht zu überzeugen. Soweit sie meint, bei einer weiterführenden Zuständigkeit der Beklagten nach Dazwischentreten eines anderen Leistungsträgers (hier: des Rentenversicherungsträgers) würde ein weitergehender Wechsel zum Krankenversicherungsträger häufig vermieden, übersieht sie, daß schon zweifelhaft ist, ob eine Wiederaufnahme der Alg- oder Alhi-Zahlung an den weiterhin arbeitsunfähigen Arbeitslosen den praktischen Zweck erfüllt, der mit § 105b AFG erreicht werden soll; denn die Vorschrift sollte lediglich den Wechsel des Leistungsträgers von der BA zur Krankenkasse verhindern, wenn die BA schon eine Ersatzleistung erbringt. Diese Bedenken gelten übrigens auch dann, wenn der Übg-Bezug noch vor Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit endet. Entgegen der Auffassung der Revision ist es für den Arbeitslosen auch nicht überschaubarer, wenn er sich nach dem Übg-Bezug an das Arbeitsamt wenden soll, obwohl er sich wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit der Vermittlung nicht zur Verfügung stellen kann. Es liegt in Fällen dieser Art näher, daß der erkrankte Versicherte sich an seine Krankenkasse wendet, zumal diese im allgemeinen auch das Übg ausgezahlt hat, auch wenn es der Rentenversicherungsträger gewährt.

Da die Tage, für die die Klägerin Erstattung ihrer Leistungen verlangt, nach den tatsächlichen, von der Revision nicht angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) jeweils außerhalb der beiden Sechs-Wochen-Zeiträume liegen, hatten weder A noch N nach § 105b AFG einen Anspruch auf Alg bzw Alhi. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob solchen Ansprüchen etwa auch entgegensteht, daß die Beklagte die Alg- und Alhi-Bewilligungen in vollem Umfange aufgehoben hat, so daß gemäß § 151 Abs 2 AFG die Wiederbewilligung der beiden Leistungen Anträge von A und N voraussetzte (vgl BSGE 42, 199 = SozR 4100 § 151 Nr 5; ferner das schon genannte Urteil des Senats vom 14. März 1985 - 7 RAr 64/84 -), an denen es offenbar fehlt. Standen hiernach A und N keine Ansprüche gegen die Beklagte zu, muß die Revision der Klägerin ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG, soweit sie die Aufwendungen der Klägerin und der Beklagten betrifft. Im übrigen beruht sie auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517977

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge