Leitsatz (amtlich)

1. Die von einem zuständigen Gericht der sowjetisch besetzten Zone ausgesprochene Todeserklärung ist einschließlich des festgestellten Todestages auch in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin wirksam. Dies gilt auch dann, wenn nach dem Recht der Bundesrepublik und West-Berlins ein abweichender Todestag festgestellt werden müßte.

2. Falls eine von dem Revisionsgericht an das Berufungsgericht zurückverwiesene Sache auf Grund einer neuen Revision wieder bei dem Revisionsgericht abhängig wird, hat dieses der neuen Entscheidung seine in dem ersten Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen.

Dies gilt nicht, wenn zwischenzeitlich der Große Senat die maßgebende Rechtsfrage abweichend entschieden hat.

 

Normenkette

RVO § 1259 Fassung: 1934-05-17; SGG § 170 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1260 Fassung: 1934-05-17, § 1271 Fassung: 1957-02-23; BGBEG Art. 30; VerschG § 12 Fassung: 1951-01-15

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Januar 1961 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 13. Oktober 1953 und des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 1955 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Witwenrente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1953 bis zum 31. Dezember 1956 zu gewähren.

Die Klage wird, soweit sie die Zeit vor dem 1. Oktober 1953 betrifft, abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die am 10. September 1915 geborene, in Berlin (West) wohnende kinderlose Klägerin hat am 30. September 1953 bei der Beklagten die Witwenrente nach ihrem seit 1944 verschollenen und durch Entscheidung des Amtsgerichts in Bleicherode/Harz (Sowjetische Besatzungszone) vom 2. Juni 1950 mit Zeitpunkt vom 31. Juli 1949 für tot erklärten Ehemann, der zuletzt in Bleicherode wohnhaft gewesen war, beantragt.

Die Beklagte hat diesen Antrag durch Bescheid vom 13. Oktober 1953 abgelehnt. Der Ehemann der Klägerin sei zwar durch ein Gericht der sowjetisch besetzten Zone für tot erklärt worden. Nach den dort maßgebenden Vorschriften werde der Zeitpunkt des Todes Kriegsverschollener aber generell auf den 31. Juli 1949 festgesetzt. Dieses Verfahren weiche erheblich von den in Westberlin geltenden Vorschriften ab. Die von Gerichten der sowjetisch besetzten Zone auf den 31. Juli 1949 festgesetzten Todeserklärungen könnten daher in Berlin (West) nicht als rechtsverbindlich anerkannt werden. Da der Ehemann der Klägerin seit Januar 1944 als verschollen gelte, werde der Todestag des Ehemannes nach § 1260 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf den 31. Dezember 1944 festgesetzt. Der Antrag auf Witwenrente müsse abgelehnt werden, weil der Tod des Ehemannes vor dem 1. Juni 1949 eingetreten sei und die Klägerin nach § 23 und § 49 des Rentenversicherungs-Überleitungsgesetzes ( RVÜG ) in Verbindung mit § 1256 RVO die erforderlichen Voraussetzungen (Invalidität, Vollendung des 55. Lebensjahres, Geburt von mindestens vier lebenden Kindern, Vollendung des 60. Lebensjahres oder Erziehung von mindestens vier oder zwei waisenrentenberechtigten Kindern oder eines waisenrentenberechtigten Kindes unter sechs Jahren) nicht erfüllt habe.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Beschwerde beim Beschwerdeausschuß der Beklagten eingelegt, die mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht Berlin übergegangen ist. Durch Urteil vom 18. Mai 1955 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne nach § 23 RVÜG vom 10. Juli 1952 (GVBl 1952, 588) die Witwenrente ohne die einschränkenden Vorschriften des § 1256 Abs. 1-3 und 5 RVO und des § 50 Abs. 1 Nr. 2-3 des Berliner Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (BSVAG) vom 3. Dezember 1950 (VOBl für Berlin Teil I 542) nur erhalten, wenn der Todesfall nach dem 31. Mai 1949 eingetreten sei, da sie nur dann eine uneingeschränkte Witwenrente erhalte, die Voraussetzungen für eine Witwenrente jedoch nicht erfülle, wenn der Todestag des versicherten Ehemannes vor dem 31. Mai 1949 eingetreten sei. Dem Beschluß des Amtsgerichts in Bleicherode komme zwar grundsätzlich dieselbe rechtliche Tragweite wie dem Beschluß eines Gerichts in der Bundesrepublik zu. Eine Übernahme des Inhalts eines solchen Beschlusses könne aber dann nicht in Frage kommen, wenn er von dem nach den Umständen des Falles wahrscheinlichen Todestag erheblich abweiche. Dies sei nach der Überzeugung des Gerichts hier der Fall. Der Todestag werde nach den sowjetzonalen Vorschriften ganz schematisch, ohne daß irgendwelche Ermittlungen darüber angestellt werden, ob dieser Tag der wahrscheinliche Todestag sei, auf den 31. Juli 1949 festgesetzt. Gerichtsbeschlüsse der sowjetischen Besatzungszone, die sich ohne weitere Ermittlungen auf die Verordnung vom 22. Februar 1949 stützen, könnten daher für die Festsetzung des Todestages nach § 1260 RVO nicht maßgebend sein. Es bedürfe somit im vorliegenden Falle einer besonderen Prüfung gemäß § 1260 RVO, welcher Tag am wahrscheinlichsten in Betracht komme, insbesondere ob anzunehmen sei, daß der Todestag nach dem 31. Mai 1949 liege. Der Klägerin sei die letzte Nachricht von ihrem Ehemann im Januar 1945 aus Hamburg zugegangen. Da sie nach diesem Zeitpunkt nichts mehr von ihrem Ehemann gehört habe, sei nach allgemeiner Erfahrung damit zu rechnen, daß er in den schweren Kämpfen vor dem Zusammenbruch im Frühjahr 1945 gefallen sei. Die besonderen Umstände ließen es unwahrscheinlich erscheinen, daß der Ehemann der Klägerin noch bis zum 31. Juli 1949 oder auch nur bis zum 1. Juni 1949 gelebt habe. Würde man dem Antrag der Klägerin folgen und den 31. Juli 1949 als Todestag annehmen, so würde dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung der Witwen führen, deren vermißte Ehemänner von Gerichten der sowjetischen Besatzungszone für tot erklärt würden, gegenüber den Witwen, deren Ehemänner noch nicht oder von Gerichten der Bundesrepublik bzw. Westberlins für tot erklärt worden seien, weil in diesen Fällen nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechts vom 15. Januar 1951 (BGBl I 59) als Zeit des Todes das Jahr 1945 festzustellen sei. Es sei daher davon auszugehen, daß der Tod des Ehemannes der Klägerin vor dem 1. Juli 1949 eingetreten sei. Sie könne somit die Witwenrente nur unter den einschränkenden Vorschriften des § 1256 Abs. 1 bis 3 und 5 RVO in Verbindung mit § 48 Nr. 1 RVÜG erhalten. Diese Voraussetzung erfülle sie jedoch nicht.

Gegen dieses ihr am 31. Mai 1955 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Das Landessozialgericht hat durch Urteil vom 17. April 1956 den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 1953 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 1955 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen neuen Bescheid über ihren Witwenrentenantrag zu erteilen, wobei davon auszugehen sei, daß der Versicherungsfall als am 31. Juli 1949 eingetreten gelte. Es hat die Revision zugelassen.

Das Landessozialgericht hat in den Entscheidungsgründen im wesentlichen ausgeführt, es sei zwar der Auffassung, daß die Bestimmungen der §§ 1259, 1260 RVO eine Sonderregelung der Ansprüche der Hinterbliebenen eines Verschollenen aus seiner Rentenversicherung darstellten, wobei § 1259 RVO einen besonderen Verschollenheitsbegriff gebe und § 1260 RVO die Versicherungsanstalt ermächtige, den Todestag eines Verschollenen nach billigem Ermessen festzusetzen, und daß sie als Sondervorschrift der allgemeinen Regelung des Verschollenheitsgesetzes (VerschG) vorgingen. Dennoch habe es sich den Ausführungen der in der Revisionsentscheidung des Reichsversicherungsamts vom 20. Januar 1931 (EuM Bd. 29 S. 265) gezogenen Folgerung nicht anzuschließen vermocht. Wenn eine Versicherungsanstalt von der Vorschrift des § 1260 RVO Gebrauch mache, die sich für die Hinterbliebenen von Versicherten nachteilig auswirke, und dieser Handhabung offenbar fiskalische Gründe zugrunde lägen, so habe sie von dem ihr durch § 1260 RVO eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Dies unterliege in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung. Wenn die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit nach dem VerschG einmal ausgesprochen seien, wirkten sie auch im Rahmen des Sozialversicherungsrechts. Die Sozialversicherungsträger und die Behörden könnten dann die Todesvermutung nicht mehr verneinen und den Todeszeitpunkt nicht mehr selbständig auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Es könne auch nicht angenommen werden, daß der Todeserklärungsbeschluß deshalb eine mindere Bedeutung habe, weil er von einem Gericht der sowjetisch besetzten Zone erlassen sei. Es handele sich nicht um eine Entscheidung, die rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspreche oder die auf Gesetzen beruhe, die im Widerspruch zu der westlichen Ideologie stünden.

Auf die Revision der Beklagten, die sich nur gegen die Zuerkennung des Anspruchs für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 richtet, hat das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts insoweit aufgehoben, als es den Rentenanspruch für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 betrifft und hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts im Verfahren auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Invalidenversicherung nach § 1258 bis § 1260 RVO aF, §§ 1264 und 1271 RVO nicht die sich aus der Verordnung über die Zulässigkeit von Anträgen auf Todeserklärungen von Kriegsteilnehmern vom 22. Februar 1949 (ZVBl S. 124) und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1949 (ZVBl S. 550), sondern die sich aus § 1260 RVO aF, § 1271 Abs. 3 RVO nF ergebenden Todes- und Lebensvermutungen maßgebend seien. In dem Verfahren auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Invalidenversicherung gingen bei der Entscheidung der sozialversicherungsrechtlichen Fragen die §§ 1260 RVO aF, 1271 Abs. 3 RVO als besonders Vorschriften den allgemeinen Verschollenheitsvorschriften jedenfalls dann vor, wenn die Festsetzung des Todestages durch das Amtsgericht nach schematischen Grundsätzen erfolgt sei, weil der Berechtigte die Erforschung und Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles nicht beantragt habe. Nach o.a. sowjetzonalen Vorschriften müsse das Amtsgericht aber, wenn ein Antrag des Berechtigten auf Feststellung des wahrscheinlichen Todestages nicht gestellt werde, den Todestag nach schematischen Grundsätzen feststellen, ohne daß es die Besonderheiten des Einzelfalles erforschen und berücksichtigen könne. Dieses Verfahren widerspreche dem das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Grundsatz der Wahrheitserforschung in entscheidendem Maße. Einer Prüfung, ob Todeserklärungen von Gerichten der sowjetisch besetzten Zone überhaupt in der Bundesrepublik anerkannt werden könnten, habe es nicht bedurft, weil schon aus dem angegebenen Grunde die sich aus den sowjetzonalen Vorschriften ergebenden Todes- und Lebensvermutungen für das Verfahren auf Gewährung von Hinterbliebenenrente unanwendbar seien. Die Zurückverweisung sei erforderlich, weil das Landessozialgericht nicht geprüft und festgestellt habe, ob der von der Beklagten nach § 1260 RVO aF (§ 1271 Abs. 3 RVO) festgesetzte Todestag als zutreffend angenommen werden könne.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht vom 19. Juni 1959 setzte die Beklagte den Todestag gemäß § 1260 RVO aF auf den 31. Dezember 1945 fest.

Das Landessozialgericht hat durch Urteil vom 20. Januar 1961 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und hat die Revision zugelassen. Entsprechend dem Urteil des Bundessozialgerichts hat es den vom Versicherungsträger nach § 1260 RVO aF festgestellten Todestag Verschollener als maßgebend angesehen. Die Klägerin habe in ihrem Antrag von September 1953 angegeben, ihr Ehemann sei seit Januar 1944 verschollen. In der mündlichen Verhandlung vom 17. April 1956 habe sie diese Angabe dahin berichtigt, daß sie seit Januar 1945 keine Nachricht von ihrem Mann mehr erhalten habe. Sie habe zum Beweis ihrer Behauptung den Umschlag eines von ihrem Mann abgesandten Feldpostbriefes aus dem Januar 1945 vorgelegt. Die Beklagte habe daraufhin in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 1959 ihren Bescheid vom 13. Oktober 1953 dahin berichtigt, daß als Todestag des Ehemannes der Klägerin der 31. Dezember 1945 statt des 31. Dezember 1944 festgesetzt werde. Es sei zu prüfen gewesen, ob die Festsetzung dieses Todestages nach billigem Ermessen erfolgt sei. Es müsse nach objektiven Gesichtspunkten festgelegt werden, welcher Zeitpunkt nach den Erfahrungen am wahrscheinlichsten sei. Der Ehemann der Klägerin habe sich im Januar 1945, wie nach den Angaben der Klägerin unterstellt werden könne, in Norwegen befunden. Ob er von dort abtransportiert und an die Ostfront gekommen sei, stehe nicht fest. Die von der Klägerin hierfür geäußerte Vermutung sei nicht bewiesen. Fest stehe lediglich, daß von dem Ehemann der Klägerin seit Januar 1945 keine Nachricht mehr vorliege und daß auch alle Bemühungen, über sein Schicksal Näheres zu erfahren, fehlgeschlagen seien. Es sei daher kein Ermessensmißbrauch der Beklagten, wenn sie von der Annahme ausgehe, daß der Ehemann der Klägerin das Jahr 1945 nicht überlebt habe. Wenn der Ehemann der Klägerin, wofür nichts dargetan sei, in russische Kriegsgefangenschaft geraten sein sollte, wäre in der Zwischenzeit über Kameraden, die seither in größter Anzahl entlassen worden seien, eine Nachricht an die Klägerin gelangt. Dies sei jedoch nicht geschehen. Wenn die Beklagte daher den 31. Dezember 1945 nach § 1260 RVO aF als Todestag angenommen habe, so sei hiergegen nichts einzuwenden. Die Klägerin habe danach für die Zeit bis zum 31. Dezember 1956 keinen Anspruch auf Witwenrente. Denn nach § 1256 RVO aF in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 21 Abs. 5 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) in der Fassung des dritten Gesetzes zur Änderung des SVAG vom 21. Januar 1956 (BGBl I 16) und § 15 der Durchführungsverordnung zum SVAG stünde ihr, da sie nicht invalide, noch nicht 45 Jahre alt und kinderlos geblieben sei, Witwenrente nur zu, wenn ihr Ehemann erst nach dem 31. Mai 1949 verstorben sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 21. Februar 1961 Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Sie rügt insbesondere die Verletzung des § 1260 RVO aF. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Entscheidung des Amtsgerichts in Bleicherode vom 2. Juni 1950 und den darin festgestellten Todestag nicht als bindend angesehen. Der Große Senat des Bundessozialgerichts habe zwischenzeitlich - am 11. Mai 1960 - entschieden (GS 3/59), daß auch eine gerichtliche Todeserklärung, bei der der Zeitpunkt des Todes des Verschollenen nach Art. 2 § 2 Abs. 3 Satz 1 des Verschollenheits-Änderungsgesetzes (VerschÄndG) vom 15. Januar 1951 ohne Ermittlungen festgestellt sei, eine Feststellung des Todeszeitpunktes durch den Versicherungsträger nach § 1260 Satz 1 RVO aF ausschließe. Dem Berufungsgericht sei zuzugeben, daß sich die Entscheidung des Großen Senats seinem Wortlaut nach nur auf gerichtliche Todeserklärungen nach dem VerschÄndG erstrecke. Dennoch seien keine Gründe erkennbar, die Entscheidung des Großen Senats nicht auch auf derartige gerichtliche Todeserklärungen anzuwenden, die unter gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen wie nach Art. 2 § 2 Abs. 3 Satz 1 VerschÄndG vom 15. Januar 1951 ohne Ermittlungen erfolgt seien. Hierzu gehörten auch die nach § 1 über die Zulässigkeit von Anträgen auf Todeserklärungen von Kriegsteilnehmern vom 22. Februar 1949 i.V.m. § 1 der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1949 von sowjetzonalen Amtsgerichten erfolgten gerichtlichen Todeserklärungen. Es möge berechtigt sein, Entscheidungen von Gerichten der sowjetisch besetzten Zone, soweit sie rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprächen, nicht anzuerkennen oder Gesetze, die im Widerspruch zu der westlichen Ideologie stünden, nicht zu beachten. Diese Voraussetzungen träfen bei dem im sowjetischen Besatzungsgebiet geltenden Verschollenheitsrecht aber nicht zu. Das westdeutsche Recht unterscheide sich nach Erlaß der Verordnung über die Zulässigkeit von Anträgen auf Todeserklärungen von Kriegsteilnehmern vom 22. Februar 1949 und der Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1949 von dem in der sowjetischen Besatzungszone geltenden Recht nur hinsichtlich des Zeitpunktes der Todesvermutung. Während nach Inkrafttreten des VerschÄndG vom 15. Januar 1951 der Todeszeitpunkt auf den 31. Dezember 1945 festzusetzen sei, werde in der sowjetischen Besatzungszone nach dem dortigen Verschollenheitsrecht als Todeszeitpunkt der 31. Juli 1949 angenommen. In beiden Fällen werde also für den Fall, daß sich kein Todeszeitpunkt feststellen lasse, der nach dem Ergebnis der Vermutung der wahrscheinlichste sei, schematisch verfahren. Damit sei aber die schematische Festsetzung des Zeitpunktes des Todes keine Eigentümlichkeit des in der sowjetischen Besatzungszone gültigen Verfahrens. Auch das Verfahren selbst weise hinsichtlich der der Todeserklärung vorangehenden Ermittlungen und öffentlichen Aufforderungen in den beiden Rechtsgebieten keine Verschiedenheiten auf. Damit seien aber keine berechtigten Gründe erkennbar, die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 1960 nicht auch in gleicher Weise auf eine gerichtliche Todeserklärung nach dem Verschollenheitsrecht der sowjetisch besetzten Zone anzuwenden und damit zu dem Ergebnis zu gelangen, daß auch eine gerichtliche Todeserklärung nach diesem Verschollenheitsrecht eine Feststellung des Todeszeitpunktes durch den Versicherungsträger nach § 1260 Satz 1 RVO aF ausschließe. Das Berufungsgericht hätte folglich bei seiner Entscheidung bei zutreffender Gesetzesanwendung davon ausgehen müssen, daß der Todeszeitpunkt des verschollenen Ehemannes der Klägerin entsprechend der Entscheidung des Amtsgerichts in Bleicherode vom 2. Juni 1950 am 31. Juli 1949 eingetreten sei. Damit bleibe aber für den von der Beklagten nach § 1260 RVO aF auf den 31. Dezember 1945 bestimmten Todeszeitpunkt kein Raum mehr. Bei einem Todeszeitpunkt vom 31. Juli 1949 bestehe aber der Rentenanspruch auch für die noch streitige Zeit vom 1. Oktober 1952 bis 31. Dezember 1956.

Sie beantragt,

1. unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13. Oktober 1953 und der Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 1955 und des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Januar 1961 die Beklagte zu verurteilen, ihr auch für die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis 31. Dezember 1956 Witwenrente zu gewähren,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Verlangen der Klägerin, den vom Amtsgericht in Bleicherode auf den 31. Juli 1949 festgestellten Todestag ihres verschollenen Ehemannes für den Bereich der Rentenversicherung als bindend anzuerkennen, verstoße gegen den Grundsatz, daß gleiche Tatbestände gleich zu behandeln seien. Nach dem für die Bundesrepublik Deutschland und für das im Land Berlin geltende Recht wäre bei einem völlig gleichen Tatbestand der Todestag auf den 31. Dezember 1945 festzusetzen. Wolle man den auf den 31. Juli 1949 festgesetzten Todestag als maßgebend ansehen, würde dies bedeuten, daß der Klägerin eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verschollenen Ehemannes nach § 23 des Berliner RVÜG bereits von dem 1. April 1952 an zustünde mit der weiteren Folge, daß auch Steigerungsbeträge bis zum 31. Juli 1949 zu berücksichtigen wären. Die Klägerin würde damit gegenüber der Ehefrau eines Verschollenen, der vor seiner Verschollenheit den Wohnsitz im Bundesgebiet oder in Berlin (West) gehabt habe, besser gestellt werden. Dies verstoße gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist, da das Landessozialgericht sie zugelassen hat, statthaft. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit nicht. Es konnte ihr auch der Erfolg im wesentlichen nicht versagt bleiben.

Da sich die Revision der Beklagten während des ersten Revisionsverfahrens nur gegen die Zuerkennung des Anspruchs für die Zeit vor dem 1. Januar 1957 gerichtet hat und demgemäß die Verurteilung für die spätere Zeit durch das Berufungsgericht rechtskräftig geworden ist, war nur noch der Anspruch für die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 im Streit befangen. Das Berufungsgericht hätte daher in seinem Urteil vom 20. Januar 1961 nur hierüber befinden dürfen.

Gleichgültig ob sich der Witwenrentenanspruch der Klägerin nach §§ 23, 49 des Berliner RVÜG vom 10. Juli 1952 (GVBl S.588) oder gemäß § 2 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848), nach §§ 1256, 1259 RVO aF i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 21 Abs. 5 SVAG idF des dritten Gesetzes zur Änderung des SVAG vom 21. Januar 1956 (BGBl I 16) und § 15 der Durchführungsverordnung zum SVAG richtet, stände der Klägerin, da sie nicht invalide und selbst am 31. Dezember 1956 erst 42 Jahre alt war sowie kinderlos geblieben ist, Witwenrente nur zu, wenn ihr Ehemann erst nach dem 31. Mai 1949 gestorben wäre. Da sein Tod nicht feststeht, kommt es darauf an, ob der Eintritt seines Todes nach dem 31. Mai 1949 zu vermuten ist. Ist der Eintritt seines Todes dagegen vor dem 1. Juni 1949 zu vermuten, so steht der Klägerin ein Anspruch auf Witwenrente für diese Zeit nicht zu. Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt.

Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 1960 (BSG 12, 139) richtet sich bei Verschollenen, falls eine Todeserklärung vorliegt, der vermutliche Todeszeitpunkt nach dem in der Todeserklärung festgestellten Todeszeitpunkt. Die Landesversicherungsanstalt hat keine Möglichkeit, in diesen Fällen einen anderen Todestag festzustellen. Dieser Grundsatz ist zwar nur für das bundesdeutsche Recht und das Recht Westberlins ausgesprochen worden, muß aber auch angewandt werden, wenn die Todeserklärung nach der sowjetzonalen Verordnung über die Zulässigkeit von Anträgen auf Todeserklärungen von Kriegsteilnehmern vom 22. Februar 1949 (ZVBl S. 124) in Verbindung mit der Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1949 (ZVBl S. 550) ausgesprochen worden ist. Denn die von einem zuständigen Gericht der sowjetisch besetzten Zone ergangene Todesfeststellung ist auch im Gebiet der Bundesrepublik und Westberlins wirksam.

Die Frage der Wirksamkeit sowjetzonaler Todeserklärungen beantwortet sich nach den Grundsätzen des interzonalen Rechts, das grundsätzlich jedenfalls dem interlokalen Recht entspricht. Allerdings ergeben sich aus dem Unterschied zwischen Zonen einerseits und Ländern eines Bundesstaats andererseits naturgemäß gewisse Abweichungen. Da auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit das interlokale Recht nur schwach ausgebildet ist, muß auf die Grundsätze des interlokalen Privatrechts zurückgegriffen werden, das wiederum weitgehend den Regeln des internationalen Privatrechts folgt (Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - 8. Aufl. Bd. IV Anm. 13 zur Vorbemerkung zu Art. 7 EG BGB). Während aber im internationalen Privatrecht die Staatsangehörigkeit maßgebender Anknüpfungspunkt ist, die Staatsangehörigkeit also darüber entscheidet, welches Recht anzuwenden ist, wird für das interzonale Recht allgemein - da es an unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten fehlt - der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort als maßgebender Anknüpfungspunkt angesehen (Ficker, Grundfragen des Deutschen interlokalen Rechts, S. 29 ff; Staudinger, Komm. zum BGB, 11. Aufl. Anm. 4 zu § 12; Soergel, 8. Aufl. Anm. 8 zu § 12). Für das Verschollenheitsrecht ergibt sich dies zudem auch aus § 15 VerschG, der ausdrücklich das Gericht für zuständig erklärt, in dessen Bezirk der Verschollene seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (d.h. auch in der heutigen sowjetisch besetzten Zone) hatte. Dies war im vorliegenden Falle Bleicherode (Harz). § 15 a VerschG kommt hier nicht zum Zuge, da ein Gerichtsstand nach § 15 VerschG begründet war und in Bleicherode (Harz) weiterhin eine deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird. Zwar würde nach Art. 2 § 7 VerschÄndG u.U. nicht § 15 VerschG, sondern § 15 a VerschG maßgebend und damit das Amtsgericht Berlin (West) zuständig sein. Das VerschÄndG ist aber, da zur Zeit seines Inkrafttretens der Beschluß des Amtsgerichts in Bleicherode bereits ergangen war, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl. dazu Art. 4 § 1 VerschÄndG). Auch nach dem Recht der sowjetisch besetzten Zone war das Amtsgericht Bleicherode zuständig, weil der letzte Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns der Klägerin im Bezirk des Amtsgerichts Bleicherode lag (vgl. dazu Soergel aaO Anm. 3 zu § 15 des VerschG; Staudinger, BGB, 11. Aufl. Anm. 4 zu § 12). Der Beschluß des Amtsgerichts in Bleicherode ist daher auch in der Bundesrepublik und Berlin (West) grundsätzlich wirksam.

Die Frage, ob ein sowjetzonales Urteil innerhalb der Bundesrepublik und Berlins (West) vollstreckt werden kann (§ 328 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), spielt hier keine Rolle, weil dies naturgemäß nur für Leistungsurteile, allenfalls für Leistungsentscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Bedeutung sein kann, nicht aber für ihrer Art nach überhaupt nicht vollstreckungsfähige Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Soergel aaO Anm. 5 Vorb. vor Art. 7 EG BGB).

Zu prüfen war allerdings, ob dieser Beschluß nicht ausnahmsweise nach dem auch im interzonalen Recht entsprechend anwendbaren Art. 30 EG BGB unberücksichtigt bleiben mußte. Dies wäre der Fall, wenn er gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland oder Westberlins verstoßen würde. Ein solcher Verstoß kann aber nur angenommen werden, wenn der Unterschied zwischen den staatspolitischen oder sozialen Anschauungen, auf denen das nach den Vorschriften des interzonalen Rechts an sich maßgebende Recht der sowjetisch besetzten Zone und das davon abweichende Recht der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins beruhen, so erheblich ist, daß die Anwendung des sowjetzonalen Rechts direkt die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins angreifen würde. Es muß sich also schon um einen schweren Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland oder Westberlins handeln, um die Nichtanwendung sowjetzonalen Rechts zu rechtfertigen. Die Anwendung des sowjetzonalen Rechts muß für die Anschauung von Sitte und Recht, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin herrschen, schlechthin untragbar sein (so für das internationale Privatrecht des RG in ständiger Rechtsprechung, vgl. RG 138, 214, 216; Soergel aaO Anm. 1 und 3 zu Art. 30 EG BGB). Der Senat sah keinen Anlaß, für das interzonale Recht andere Grundsätze als die vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung für das internationale Privatrecht entwickelten anzuerkennen. Ein solch schwerer Verstoß liegt hier aber nicht vor. Da sich das Verfahren bei Todeserklärungen in der sowjetisch besetzten Zone im Grundsatz jedenfalls nicht wesentlich von dem in der Bundesrepublik und Westberlin geltenden Verschollenheitsrecht unterscheidet, wären allenfalls hinsichtlich der zu unterschiedlichen Todestagen führenden Vorschriften Bedenken möglich. Dieser Unterschied aber allein kann nicht als so wesentlich angesehen werden, daß der von dem sowjetzonalen Amtsgericht festgestellte Todestag für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins schlechthin untragbar wäre. Es muß bedacht werden, daß diese Frage nur einheitlich beantwortet werden kann, daß es also nicht möglich ist, wegen der sich für einzelne Rechtsgebiete, hier für das Sozialversicherungsrecht, ergebenden unterschiedlichen Folgen gegenüber dem in der Bundesrepublik und in West-Berlin bestehenden Rechtszustand einen solchen Todestag mit Wirkung für dieses Rechtsgebiet nicht anzuerkennen. Werden solche unterschiedliche Folgen nicht als tragbar angesehen, so steht es dem Gesetzgeber frei, eine entsprechende Regelung zu treffen. Während dies für das Recht der privaten Lebensversicherung in Art. 4 § 3 VerschÄndG geschehen ist, fehlt es an einer solchen Regelung für das Sozialversicherungsrecht. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber für das Recht der privaten Lebensversicherung ausdrücklich die Folgen der unterschiedlichen Todestage (vor bzw. nach dem Stichtag der Währungsumstellung) ausgeräumt hat, ist im übrigen zu schließen, daß er die von Gerichten der sowjetisch besetzten Zone festgestellten Todestage auch in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) als maßgebend ansieht. Denn andernfalls wäre diese Regelung überflüssig gewesen. Eine analoge Anwendung des Art. 4 § 3 aaO auf das Recht der Sozialversicherung, an die man vielleicht denken könnte, ist schon deshalb nicht möglich, weil es sich um ganz andersartige Folgen der unterschiedlichen Todestage handelt.

Die Beklagte meint, diese unterschiedliche Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Sie übersieht hierbei aber, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz überhaupt nur dann vorliegen kann, wenn es sich bei beiden zu vergleichenden Gesetzen um solche der Bundesrepublik und West-Berlins handelt, wenn beide zu vergleichenden Gesetze dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung unterworfen sind. Ein solcher Verstoß kann nicht deshalb gegeben sein, weil ein ausländisches oder sowjetzonales Gesetz einen von einem Gesetz der Bundesrepublik und West-Berlins abweichenden Inhalt hat. Allenfalls könnte daran gedacht werden, einen solchen Verstoß darin zu erblicken, daß der Gesetzgeber das interzonale Recht, welches seiner Verfügungsgewalt unterliegt, in dem Sinne geregelt hat, daß die nach sowjetzonalem Recht festgestellten - abweichenden - Todestage in der Bundesrepublik und in West-Berlin anerkannt werden, oder daß er es verabsäumt hat, wie für das Recht der privaten Lebensversicherung, die unterschiedlichen Folgen verschiedener Todestage auszuräumen. Diese Überlegungen könnten aber nur dann zur Annahme einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führen, wenn die unterschiedliche Regelung sachfremd und willkürlich wäre. Für eine solche Annahme besteht jedoch hier kein Anhalt. Es darf nicht übersehen werden, daß das interzonale Recht, wenn es auch bundesdeutsches Recht und Recht West-Berlins ist, praktisch mit dem interzonalen Recht der sowjetisch besetzten Zone insofern verknüpft ist, als jede Änderung des interzonalen Rechts der Bundesrepublik oder West-Berlins die Gefahr einer entsprechenden Änderung des interzonalen Rechts der sowjetisch besetzten Zone heraufbeschwören würde. Man kann dem Gesetzgeber nicht den Vorwurf der Sachfremdheit und der Willkür machen, wenn er von einer Regelung absieht, die eine solche Gefahr heraufbeschwören könnte.

Da somit die Todeserklärung des sowjetzonalen Amtsgerichts auch im Gebiet der Bundesrepublik und West-Berlins maßgebend ist, steht der Klägerin die Witwenrente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1953 bis zum 31. Dezember 1956 zu. Insoweit war ihrer Klage daher stattzugeben. Zwar hat die Klägerin beantragt, ihr die Rente bereits vom 1. Oktober 1952 an zu gewähren. Insoweit aber ist die Klage unbegründet. Denn der maßgebende Rentenantrag ist erst am 28. September 1953 gestellt worden. Die Klägerin hat übersehen, daß ihr erster Antrag vom 23. Oktober 1952 durch bindend gewordenen Bescheid abgelehnt worden ist und daß sich ihre Klage in Wirklichkeit gegen den auf ihren zweiten Antrag erlassenen Bescheid vom 13. Oktober 1953 richtet. Nach § 1286 Abs. 1 RVO aF steht ihr die Rente damit aber erst vom 1. Oktober 1953 an zu.

Der Umstand, daß der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. Oktober 1957 die Bedeutung von amtsgerichtlichen Todeserklärungen gegenüber der nach §§ 1259, 1260 RVO aF durch den Versicherungsträger festgestellten Todestage anders beurteilt hatte als es inzwischen durch den Großen Senat des Bundessozialgerichts geschehen ist, und daher die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen hatte, steht der jetzt getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Zwar ist das Revisionsgericht ebenso an seine bisherige Rechtsauffassung gebunden wie das untere Gericht nach § 170 Abs. 4 SGG an die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts gebunden ist. Dies kann aber nicht gelten, wenn, wie hier, der Große Senat inzwischen die maßgebende Rechtsfrage anders entschieden hat. Denn wenn der entscheidende Senat an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten wollte, müßte er nach § 42 SGG den Großen Senat anrufen und wäre dann nach § 44 Abs. 2 SGG an dessen Entscheidung gebunden. Da nicht anzunehmen ist, daß der Große Senat von seiner bisherigen Auffassung abweichen wird, wäre ein solches Verfahren ohne Sinn. Es muß daher insoweit eine Ausnahme von der Bindung des Gerichts an eine eigene Entscheidung zugelassen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 50

NJW 1962, 1541

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