Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkursantragstellung und Sozialgerichtsbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Streit um die Frage, ob die KK unter bestimmten Voraussetzungen bei der Beitreibung rückständiger Beitragsforderungen auf die Einzelvollstreckung beschränkt ist und Konkursanträge unterlassen muß ist von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden.

2. Wenn zu befürchten ist, daß schon von dem Konkursantrag Wirkungen ausgehen, die die wirtschaftliche Existenz des Schuldners bedrohen, ist seinem Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz nicht schon dadurch genügt, daß das Konkursgericht vor Konkurseröffnung die Zulässigkeit und Begründetheit des Konkursantrags prüft.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Welches Mittel von der Krankenkasse für die Beitreibung der Beitragsrückstände gewählt wird - Verwaltungsakt oder Konkursantrag - liegt im Ermessen der Einzugsstelle, das besonders von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt wird.

2. Die Forderung eines Beitragsschuldners, die Krankenkasse dürfe einen Konkursantrag nur bei einem Beitragsrückstand von 6 und nicht schon bei einem solchen von 2 Monaten stellen, könnte nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß ein rechtswidriges oder zumindest rechtsmißbräuchliches Vorgehen der Einzugsstelle zu befürchten ist.

3. Der Konkursantrag einer AOK wegen Rückstände der Sozialversicherungsbeiträge stellt ein Verwaltungshandeln dar, das der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegt.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 131 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; KO § 105 Abs. 1 Fassung: 1877-02-10

 

Verfahrensgang

SG Reutlingen (Entscheidung vom 10.12.1975; Aktenzeichen S 8 Kr 1202/75)

 

Tenor

Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Dezember 1975 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob die Klägerin auf dem Sozialrechtsweg vorbeugenden Rechtsschutz gegen einen befürchteten Konkursantrag der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) erlangen kann.

Im ersten Halbjahr 1975 bewegten sich die Gesamt-Sozialversicherungsbeiträge, die die klagende Firma an die Beklagte monatlich zu zahlen hatte, zwischen 8.000,- und 11.000,- DM. Als die Rückstände Ende Juni auf etwa 20.000,- DM angelaufen und mehrere Pfändungsversuche fruchtlos verlaufen waren, beantragte die Beklagte am 9. Juli 1975 beim Amtsgericht (AG) Freudenstadt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin. Am 25. August 1975 wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen.

Neben ihren vor dem AG erhobenen - erfolgreichen - Einwendungen gegen die Eröffnung des Konkursverfahrens unternahm die Klägerin noch folgende Schritte:

1.

Sie beantragte beim Sozialgericht (SG) Reutlingen den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Beklagte, mit der dieser aufgegeben werden sollte, den Konkursantrag zurückzuziehen, einen solchen jedenfalls so lange nicht zu stellen, wie die Rückstände keine sechs Monatszahlungen ausmachten. Dieser Antrag hatte keinen Erfolg; ebensowenig die Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg und die Verfassungsbeschwerde.

2.

Sie legte beim Landratsamt Freudenstadt Widerspruch mit dem Ziel der Aufhebung des Konkursantrages als eines Verwaltungsaktes ein. Das Landratsamt wies diesen Widerspruch mit Bescheid vom 15. August 1975 - zugestellt am 18. August 1975 - als unzulässig zurück.

3.

Sie erhob am 16. September 1975 Klage vor dem SG Reutlingen mit dem Antrag, der Beklagten aufzugeben, gegen die Klägerin keinen Konkursantrag zu stellen, hilfsweise, einen solchen nicht zu stellen, solange die Rückstände keine sechs Monatsbeiträge ausmachen. Diese Klage - Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens - hat das SG abgewiesen, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Es liege keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung vor. Der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens sei kein Verwaltungsakt. Deshalb sei keine Anfechtungsklage gegeben (§ 54 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Konkursantrag könne auch mangels eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage (§ 55 SGG) oder einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) sein.

Mit der durch den Vorsitzenden des SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung des § 51 SGG. Sie meint, der Sozialrechtsweg sei gegeben, weil sie Verstöße gegen das Verbot des Übermaßes und das Prinzip der Sozialstaatlichkeit geltend gemacht habe. Das SG habe zu prüfen, ob es zulässig sei, schon bei verzögerter Zahlungsweise - die auf vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten beruhten - einen Konkursantrag zu stellen. Es müsse berücksichtigt werden, daß dadurch die Einstellung des Betriebes und Arbeitslosigkeit drohe. Die durch einen Eröffnungsbeschluß herbeigeführten Nachteile könnten auch nicht durch Rechtsmittel gegen diesen Beschluß beseitigt werden, weil durch den Eröffnungsbeschluß alle Kredite fällig würden. Es sei nicht einzusehen, daß staatliches Handeln im Zusammenhang mit jeglicher Beitreibung überprüft werden könne, nicht aber bei der schärfsten Beitreibungsmethode, dem Konkursantrag. Auch schon der Konkursantrag allein bringe unabhängig davon, ob er Erfolg habe, wirtschaftliche Schwierigkeiten für den Schuldner. Da die Krankenkasse zur Glaubhaftmachung ihrer Forderungen nur einen hausintern hergestellten Titel vorzulegen bräuchte, könnte ein Arbeitgeber mit Hilfe einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung in den Konkurs gebracht und ruiniert werden. Im Konkursverfahren könnten die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen - ua die Grundrechtsbindungen besonders des Willkürverbots - nicht zur Geltung gebracht werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Reutlingen aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Karlsruhe zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist zulässig. Ihre nachträgliche Zulassung allein durch den Vorsitzenden des SG entspricht zwar nicht dem Gesetz (§ 161 SGG); das Bundessozialgericht (BSG) ist aber für eine Übergangszeit an solche Zulassungen gebunden (vgl SozR 1500 § 161 Nrn 4, 6, 7). Diese Übergangszeit war zur Zeit der Zulassung noch nicht abgelaufen (vgl SozR 1500 § 161 Nr 12).

Die Revision ist aber nicht begründet.

Entgegen der Meinung des SG ist der Klage allerdings nicht schon wegen Fehlens des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Erfolg zu versagen. Der Rechtsstreit, der nach dem Sachantrag der Klägerin zur Entscheidung gestellt wird, ist öffentlich-rechtlicher Natur und liegt auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (§ 51 Abs 1 SGG): Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage das Ziel, daß der beklagten AOK verboten wird, wegen der von ihr einzuziehenden Sozialversicherungsbeiträge einen Antrag auf Konkurseröffnung zu stellen, jedenfalls bevor die Beitragsrückstände sechs Monatszahlungen umfassen. Die Klägerin erstrebt damit - unter welche Klageart ihr Begehren auch immer eingeordnet wird - vorbeugenden Rechtsschutz gegen ein befürchtetes sie belastendes Handeln der Beklagten.

Dieses Handeln - Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens - kann indessen nicht als Verwaltungsakt gekennzeichnet werden. In diesem Fall wäre die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsstreits schon durch die Form des Vorgehens der Beklagten gegeben. Da der Konkursantrag, den die Klägerin zu dem vorliegenden Verfahren - Widerspruch und Klage - veranlaßt hat, bereits durch das Konkursgericht abgelehnt worden ist, müßte lediglich geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG gegeben sind. Insbesondere wäre zu prüfen, ob das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten besteht, nachdem rechtskräftig feststeht, daß dieses Vorgehen - Konkursantrag - unbegründet war. Im Hinblick auf eine etwaige Wiederholungsgefahr könnte das Rechtsschutzinteresse nicht von vornherein verneint werden. Das beanstandete Handeln ist aber schon deshalb kein Verwaltungsakt, weil eine Regelung nicht getroffen wird. Mit dem Antrag wird vielmehr erst eine Regelung - Eröffnung des Konkursverfahrens - durch das Konkursgericht erstrebt. Die - nicht näher begründete - Auffassung des Finanzgerichts Kassel (Entscheidungen der Finanzgerichte 1975, S 579), der Konkursantrag des Finanzamtes wegen rückständiger Abgaben sei ein belastender Verwaltungsakt, bietet keinen Anlaß, den Konkursantrag einer Krankenkasse wegen rückständiger Beiträge entsprechend zu beurteilen. Die Tatsache, daß schon von dem Konkursantrag erhebliche nachteilige Wirkungen auf die wirtschaftliche Situation der klagenden Firma ausgehen können, weist nicht auf einen Verwaltungsakt hin. Denn solche Wirkungen sind nicht das Ziel, sondern allenfalls ein unerwünschter Nebeneffekt des Konkursantrages.

Das Handeln, dessen Beurteilung die Klägerin begehrt, ist aber - obzwar es keinen Verwaltungsakt darstellt - jedenfalls ein Verwaltungshandeln, das, wenn überhaupt, der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegt. Denn das Klagebegehren zielt auf eine Einschränkung der Befugnisse ab, die die Krankenkasse als Träger öffentlicher Verwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeit als Sozialversicherungsträger und Einzugsstelle auch für die Beiträge anderer Sozialversicherungsträger in Anspruch nimmt. Die Klägerin begehrt eine Entscheidung - Feststellung oder Unterlassungsgebot - des Inhalts, daß die Beklagte nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen ihre rückständigen Beiträge mit Hilfe des Konkursverfahrens beitreiben kann und sich damit insoweit mit Einzelvollstreckungsmaßnahmen begnügen muß.

Die Zuständigkeit der Krankenkasse beschränkt sich nicht auf das Leistungs- und Beitragsrecht als solches, sondern grundsätzlich auch auf die Durchsetzung von Beitragsforderungen (vgl BSG 3, 204, 208). Mit dem Klagebegehren ist die Frage gestellt, ob sich die Kasse in den Grenzen ihrer Befugnisse hält, wenn sie in bestimmter Weise in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgeht. Handelt ein Träger der öffentlichen Verwaltung in Erfüllung seiner ihm durch Zuständigkeitsregelungen übertragenen Aufgaben - und nicht nur in der Durchführung von Hilfsgeschäften -, so ist der Streit über die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens ohne Rücksicht darauf öffentlich-rechtlicher Natur, ob die Folgen dieses Handelns privat-rechtlich zu beurteilen sind. Das hat das BSG und insbesondere der erkennende Senat mehrfach in anderem Zusammenhang entschieden (vgl BSG 21, 104; 38, 40 - Zulassung eines Knappschaftsarztes -; BSG 36, 238 - Mitgliederwerbung durch Ersatzkassen -; BSG 38, 73 - Zulassung einer medizinisch-technischen Assistentin -). Insofern folgt er nicht in vollem Umfang dem Beschluß der vereinigten Zivilsenate des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1976 - GSZ 2/75 - (BGHZ 67, 81), wonach die Betätigung eines Verwaltungsträgers, soweit sie Wettbewerbsrecht berührt, ihrer Art nach eine bürgerlich-rechtliche Angelegenheit nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes sei (vgl die kritischen Anmerkungen von Bettermann in DVBl 1977, 180 und Schimmelpfeng in NJW 1977, 1093; insoweit kritisch auch Büttner in DÖV 1976, 635 zu der gleichgelagerten Streitsache GSZ 1/75 in DÖV 1976, 633 = NJW 1976, 1794).

Die Auffassung von der öffentlich-rechtlichen Natur der hier vorliegenden Streitigkeit kann nicht mit dem Hinweis widerlegt werden, daß sich der Träger öffentlicher Verwaltung, wenn er einen Konkursantrag stellt, auf die Ebene der Gleichordnung mit anderen Gläubigern und dem Schuldner begebe. Der Rechtsstreit geht gerade um die Frage, ob die Verwaltung einen Konkursantrag stellen darf.

Auch die Tatsache, daß die Folgen des beanstandeten Verwaltungshandelns durch ein Zivilgericht - Konkursgericht - zu beurteilen sind, führt nicht zu der Folgerung, daß die Zivilgerichte auch zu beurteilen hätten, ob sich die Verwaltung zu diesem Handeln anstelle der Verwaltungsvollstreckung entschließen darf. Sicher ist, daß im Fall der Wahl der Verwaltungsvollstreckung durch die Einzugstelle (vgl §§ 28 Abs 1, 404 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO, § 4 Abs 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg vom 12. März 1974 - GBl S. 93 -), also im Falle des Entschlusses, mit Hilfe eines Verwaltungsakts die Beitreibung einzuleiten, die Sozialgerichte zuständig sind. Sie haben die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsanordnung in vollem Umfang zu untersuchen und zu prüfen, ob gegen die Wahl gerade dieses Beitreibungsmittels rechtlich relevante Bedenken bestehen. Das gilt auch dann, wenn die konkrete Verwaltungsvollstreckung sich erübrigt hat und im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr vorbeugender Rechtsschutz in Frage steht. Wenn das nach Meinung der Klägerin offenbar am meisten belastende Beitreibungsmittel, die Einleitung des Konkursverfahrens, in Aussicht steht, ist kein Grund ersichtlich, die Frage des vorläufigen Rechtsschutzes gegen dieses Verwaltungshandeln den Zivilgerichten zu überlassen.

Auch der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs der Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen befürchteten Konkursantrag mit den Fragen, die im Rahmen des amtsgerichtlichen Verfahrens über die Zulässigkeit und Begründetheit eines gestellten Konkursantrags auftreten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieser Gesichtspunkt kann entscheidend sein, wenn der Sachzusammenhang einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit mit einem der Zivilgerichtsbarkeit übertragenen Sachgebiet derart eng ist, daß eine Abtrennung sachwidrig wäre (zum Begriff der Sachnähe in Rechtswegfragen vgl Gemeinsamer Senat, Beschluß vom 4. Juni 1974 in BSG 37, 292, 296). So hat der 2. Senat des BSG für die Überprüfung einer durch das Gesetz ausdrücklich verlangten Ermessensentscheidung der Verwaltung bei Geltendmachung einer privatrechtlichen Forderung (§ 640 Abs 2 RVO "billiges Ermessen") die Zivilgerichtsbarkeit wegen unmittelbaren Sachzusammenhangs mit der privatrechtlichen Forderung für zuständig erklärt (BSG 37, 20, 25). Dieser Zusammenhang hat den 2. Senat dazu veranlaßt, der Ermessensentscheidung eine privatrechtliche Rechtsnatur zuzuschreiben. Obwohl sich die Frage der Rechtmäßigkeit eines - befürchteten - Konkursantrages mit der Frage der von dem Konkursgericht zu entscheidenden Zulässigkeit (§ 105 Abs 1 Konkursordnung) eines - gestellten - Konkursantrags weitgehend decken dürfte, ist es nicht sachgerecht, die Zivilgerichte auch für die erste Frage für zuständig zu erklären. Denn zur Entscheidung berufen wäre nicht das Konkursgericht, sondern das zuständige Prozeßgericht.

Die Zuständigkeit des Konkursgerichts im Stadium zwischen Konkursantrag und Konkurseröffnung kann auch nicht dazu führen, ein Rechtsschutzinteresse an einem vorbeugenden Rechtsschutz überhaupt zu verneinen. Weil die Eröffnung des Konkurses tiefgreifende Wirkungen auf die wirtschaftliche Existenz hat, stellt die konkursrechtliche Rechtsprechung zwar strenge Anforderungen an das Interesse des Gläubigers, gerade mit dem Konkursverfahren seine Forderung durchzusetzen (vgl die Hinweise bei Jäger/Weber, Konkursordnung, 8. Aufl § 103 Anm 6 und bei Metzel/Kuhn, Konkursordnung, 8. Aufl § 105 Anm 6). Darüber wird aber erst im Rahmen der Zulässigkeit und Begründetheit des Konkursantrages - regelmäßig nach einer Ermittlungstätigkeit des Konkursgerichts - entschieden. Es kann indessen nicht die substantiiert vorgetragene Behauptung der Klägerin widerlegt werden, daß schon der Konkursantrag selbst, der die Tätigkeit des Konkursgerichts erst einleitet, erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen kann, die durch die ablehnende Entscheidung des Konkursgerichts nicht aus der Welt zu schaffen sind. Insbesondere könnten die Ermittlungen des Konkursgerichts dazu führen, daß den Kreisen, von dem der Schuldner wirtschaftlich abhängig ist, bekannt wird, daß ein Konkursantrag gestellt worden ist.

Der Vortrag der Beteiligten läßt erkennen, daß die Beklagte bei vergleichbaren Verhältnissen wieder einen Konkursantrag zu stellen beabsichtigt. Sie wird im Falle eines Beitragsrückstandes von etwa zwei Monatszahlungen abermals dem Konkursgericht die Prüfung überlassen, ob nur eine vorübergehende Zahlungsschwierigkeit oder Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 102 Abs 1 der Konkursordnung vorliegt. Damit ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerin dargetan. Sie hat Anspruch auf Entscheidung der Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, mit einer solchen Maßnahme länger abzuwarten, als sie es durch ihr bisheriges Verhalten angekündigt hat.

Die hierfür vorgesehene Klage - vorbeugende Unterlassungsklage (ob nach § 54 Abs 1 SGG oder nach § 54 Abs 5 SGG - vgl dazu Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Stand Juni 1977, § 54 Anm 5c S. 185/13-4/3- und Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, § 54 Rdnr 42 - kann hier dahinstehen) - ist aber nicht begründet. Die Klägerin selbst hat keine Begründung für ihre Rechtsbehauptung gegeben, die Kasse müsse mit Beitragsrückständen mindestens sechs Monate abwarten, bis sie das Konkursverfahren einleiten dürfe. Möglicherweise hat sie dabei an das Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 - BGBl I 1481 - gedacht. Hierdurch wurde die Rechtsstellung der Kasse als Einzugsstelle im Falle des Konkurses eines Arbeitgebers wesentlich verbessert, insbesondere wurde § 28 Abs 3 RVO neu gefaßt (Art 2 § 4 des Gesetzes) und die Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung zu Masseschulden erklärt (nunmehr in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e der Konkursordnung geregelt). - Diese im Interesse der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer geschaffene Verbesserung kann aber nicht dadurch aufs Spiel gesetzt werden, daß die Kassen etwa sechs Monate abwarten, bis sie mit Hilfe des Konkursverfahrens Rückstände beitreiben. Es besteht auch kein sonstiger Anhaltspunkt dafür, daß die Kasse, wenn sie schon bei einem Rückstand von zwei Monatszahlungen einen Konkursantrag stellt, rechtswidrig oder rechtsmißbräuchlich handelt. Welches Mittel der Beitreibung gewählt wird - Verwaltungsakt oder Konkursantrag - liegt im Ermessen der Kasse, das besonders von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt wird. Da die Beklagte nach den unangegriffenen Feststellungen des SG vergeblich versucht hat, durch Einzelvollstreckung die Rückstände hereinzubekommen, besteht auch kein Anlaß, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob im Hinblick auf das Verbot des Übermaßes und der größtmöglichen Schonung des Schuldners von dem Mittel des Konkurses erst nachrangig Gebrauch gemacht werden darf. Schließlich hat die Klägerin auch nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagte etwa unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorgegangen ist und die Klägerin aus sachfremden Motiven schlechter behandelt als andere säumige Beitragsschuldner.

Die Revision der Klägerin gegen das in seinem Tenor zutreffende Urteil des SG war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 109

NJW 1978, 2359

JZ 1978, 318

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