Leitsatz (amtlich)

1. In bindend gewordenen Verwaltungsakten (SGG § 77) können Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten berichtigt werden, auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift fehlt.

2. Voraussetzung, Umfang und Form der Berichtigung richten sich nach den Grundsätzen, die Rechtslehre und Rechtsprechung allgemein und zu entsprechenden Vorschriften über das Verwaltungsverfahren ( zB AO § 92 Abs 3, KOVfG § 25) und der Prozeßordnungen (ZPO § 319, SGG § 138, VwGO) entwickelt haben.

3. Ist die Mitteilung über die Umstellung der Rente nach AnVNG Art 2 § 30 Abs 1 dadurch fehlerhaft geworden, daß aus der Tabelle der Umstellungsfaktoren (AnVNG Art 2 § 31 Abs 1; AnVNG Anl 3 versehentlich ein nicht gewollter Vervielfältigungswert einer benachbarten Spalte abgelesen und als Umstellungsfaktor in die Umstellungsmitteilung eingesetzt wurde, so kann diese auch zu Ungunsten des Berechtigten nach diesen Grundsätzen berichtigt werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, wann Offenbarkeit eines Fehlers gegeben ist.

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 31 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 30 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03, § 138 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 25; ZPO § 319; VwGO § 118; AnVNG Nr. 3; ArVNG Art. 2 § 32 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 31 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 6 März 1959 wird aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 1958 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob die "Mitteilung über die Umstellung der Rente" nach Art. 2 § 30 Abs. 1 Satz 2 des "Gesetzes über die Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten" (AnVNG) vom 23. Februar 1957 nachträglich berichtigt werden darf, wenn sie zu Gunsten des Rentners fehlerhaft ist.

Der Kläger - geboren 1886 - bezieht seit 1951 Altersruhegeld. Der monatliche Steigerungsbetrag in der ursprünglichen Rente betrug 51,86 DM. Das Ruhegeld wurde auf Grund des AnVNG für die Bezugszeit vom 1. Januar 1957 an "umgestellt". Der dem Geburtsjahr (1886) und dem Jahr des Rentenbeginns (1951) entsprechende Umstellungsfaktor, mit dem der monatliche Steigerungsbetrag der Rente zu vervielfältigen ist (vgl. Art. 2 § 31 Abs. 1 AnVNG), beträgt 4,9, die umgestellte Rente also 254,20 DM. In der Umstellungsmitteilung vom 22. März 1957, die der Kläger von der Bundespost erhielt, war der Umstellungsfaktor jedoch unrichtigerweise mit fünf angegeben, d. h. mit dem Wert, der bei dem Geburtsjahr des Klägers einem Rentenbeginn im Jahre 1950 - statt 1951 - zugeordnet ist. Dementsprechend wurde die neue Rente mit 259,30 DM beziffert und zunächst in dieser Höhe gezahlt. Die Beklagte berichtigte im November 1957 die Umstellungsmitteilung und verrechnete die Überzahlung für die Zeit von Januar bis Dezember 1957 (12 x 5,10 = 61,20 DM) mit einer dem Kläger aus anderem Anlaß zustehenden Rentennachzahlung (Bescheide vom 7. November 1957). Vom 1. Januar 1958 an überwies sie dem Kläger monatlich 254,20 DM.

Der Kläger wandte sich gegen die Berichtigung der Umstellungsmitteilung und die Aufrechnung der überzahlten Beträge. Er bestreitet nicht, daß seine ursprüngliche Rente nur mit einem Vervielfältigungsfaktor von 4,9 - statt 5 - hätte umgestellt werden dürfen, ist jedoch der Meinung, daß die Beklagte an die Umstellungsmitteilung der Bundespost gebunden sei und erstrebt deshalb die Weitergewährung des darin genannten Zahlbetrags. Das Sozialgericht (SG) Berlin wies die Klage ab (Urteil vom 17. Februar 1958). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin verurteilte jedoch die Beklagte nach den Anträgen des Klägers; es ließ die Revision zu (Urteil vom 6. März 1959).

Die Beklagte legte gegen das ihr am 1. April 1959 zugestellte Urteil des LSG am 25. April 1959 Revision ein mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Sie begründete die Revision - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 1. Juli 1959 - am 3. Juni 1959 und rügte, das LSG habe bei seiner Entscheidung § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes - GG - (Art. 20 Abs. 1 GG) und die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die nach ihrer Meinung auch in der sozialen Rentenversicherung beachtet werden müßten, verletzt. Während des Revisionsverfahrens erkannte die Beklagte an, dem Kläger die bisher einbehaltenen 61,20 DM zu schulden und überwies ihm diesen Betrag. Das Streitverfahren bezieht sich deshalb nur noch auf die Höhe der Rente vom 1. Januar 1958 an.

Der Kläger war vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.

Die Revision ist zulässig und begründet. Die Beklagte durfte die fehlerhafte Umstellungsmitteilung der Bundespost berichtigen.

Das LSG sieht die Umstellungsmitteilung, die der Kläger erhalten hat, als einen begünstigenden und für die Beklagte bindend gewordenen Verwaltungsakt an, der zu Ungunsten des Klägers nicht mehr geändert werden darf (a. A. LSG Bremen, Urteil vom 18. Januar 1961, Die Sozialversicherung 1961 S. 115; Rohwer-Kahlmann, Zeitschrift für Sozialreform 1961 S. 129). Die Beklagte hält die Umstellungsmitteilung - entsprechend der ihr vom Gesetz selbst beigelegten Bezeichnung - lediglich für eine erklärende Mitteilung, der nicht der Rang eines Verwaltungsaktes oder Bescheids zukommt. Zu diesen unterschiedlichen Rechtsauffassungen braucht jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Stellung genommen zu werden. Auch dann, wenn die Umstellungsmitteilung der Bundespost als ein Verwaltungsakt der Beklagten gewertet werden müßte, kann ein Fehler der Art, wie er hier vorliegt, richtiggestellt werden, ohne daß es dabei auf die Rechtsgrundsätze ankommt, die in der Rechtsprechung und im Schrifttum zur Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte entwickelt worden sind.

Ein begünstigender Verwaltungsakt wird in der Regel mit dem Zugang an den Berechtigten für die Verwaltung bindend (vgl. § 77 SGG). Unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang und auf welche Weise solche Verwaltungsakte, wenn sie fehlerhaft sind, berichtigt oder zurückgenommen werden können, ist nur unvollständig durch ausdrückliche gesetzliche Vorschriften bestimmt. Rechtsprechung und Rechtslehre haben deswegen schon immer diese Vorschriften ergänzt, vor allem auch für den Fall, daß ein Verwaltungsakt Schreib- und Rechenfehler o. ä. offenbare Unrichtigkeiten enthält (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, 2. Aufl. S. 252 f; Forsthoff, Verwaltungsrecht, 7. Aufl. S. 205 und die dort zitierte Rechtsprechung). Dieselben Grundsätze hat für den Bereich der Sozialversicherung auch das Reichsversicherungsamt angewendet (vgl. Mitgliederkommentar, 2. Aufl. Anm. 5 f zu § 1583 RVO). Diese Grundsätze sind auch nach dem Erlaß des SGG für das Verwaltungsverfahren der Versicherungsträger anzuwenden, obwohl die Versicherungsgesetze keine ausdrückliche Vorschrift darüber enthalten wie etwa § 25 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung oder § 92 Abs. 3 der Abgabenordnung. Rechtsprechung und Rechtslehre haben insoweit den allgemeinen Rechtsgedanken angewendet, der auch den Vorschriften über die Berichtigung von Urteilen zugrunde liegt und in den einzelnen Verfahrensvorschriften fast wörtlich gleich lautet (vgl. u. a. § 138 SGG, § 319 ZPO. § 118 VerwGO). Dieser Rechtsgedanke und die Grundsätze, die zu den entsprechenden ausdrücklichen Vorschriften der Gesetze über das Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren entwickelt worden sind, sind auch für das dem sozialgerichtlichen Verfahren vorausgehende Verwaltungsverfahren der Versicherungsträger anzuwenden.

Danach dürfen Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit von Amts wegen berichtigt werden Welche Unrichtigkeiten unter diesen Tatbestand subsumiert werden können und was unter Offenbarkeit zu verstehen ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Die dazu vertretenen Ansichten decken sich nicht immer. Die Rechtsprechung und das Schrifttum stimmen jedoch einmal darin überein, daß die Berichtigung kein Mittel ist, eine als unrichtig erkannte Entscheidung nachträglich zu ändern und zum anderen, daß es dem Sinn dieser Vorschrift und dringenden praktischen Bedürfnissen entspricht, im übrigen eine weite Auslegung anzustreben und keine zu strengen Anforderungen an die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu stellen (vgl. u. a. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 2. Aufl. § 138 Anm. 1; Stein/Jonas, Komm. zur ZPO, 18. Aufl. § 319 Anm. I 3; Koehler, VwGO, § 118 Anm III; BGHZ 20, 188; OVG Lüneburg, DVBl 1960, 492; BFH, BStBl 1953 III S. 6 und S. 214, 1954 III S. 133, 1955 III S. 19). Der in der zu beurteilenden Umstellungsmitteilung enthaltene Fehler kann daher dann berichtigt werden, wenn er nach diesen Grundsätzen unter die den Schreib- und Rechenfehler vergleichbaren Unrichtigkeiten eingeordnet werden kann.

Der unterlaufene Fehler gehört zu diesen Unrichtigkeiten; denn er beruht weder auf einer unrichtigen Tatsachenwertung noch auf einem Rechtsirrtum. Bei der Umstellung der Rente des Klägers standen alle erforderlichen Merkmale fest und waren unbestritten. Es hat keine Zweifel in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht gegeben, die zuvor durch eine Entscheidung hätten geklärt werden müssen. Wäre das der Fall gewesen, hätten also etwa Zweifel an der Höhe des Steigerungsbetrages in der ursprünglichen Rente, am Jahr des Rentenbeginns oder am Geburtsjahr des Klägers bestanden und wäre durch eine Fehlentscheidung darüber die Umstellungsmitteilung tatsächlich unrichtig geworden, so läge insgesamt eine fehlerhafte Entscheidung vor, die - sofern man die Umstellungsmitteilung als einen Verwaltungsakt ansieht - nicht über den Weg der einfachen Berichtigung korrigiert werden könnte. Das war aber nicht so. Als Umstellungsfaktor kam deshalb eindeutig nur der Vervielfältigungswert in Betracht, der sich aus der gesetzlichen Umstellungstabelle im Schnittpunkt der Spalten "1886" (Geburtsjahr) und "1951" (Jahr des Rentenbeginns) ablesen läßt (=4,9). Eine Neuberechnung der Rente mit Hilfe dieses Faktors war gewollt. Wenn nun stattdessen der unmittelbar benachbarte Umstellungsfaktor (=5) in die Umstellungsmitteilung eingesetzt wurde, so ändert die spätere Korrektur das früher Gewollte nicht, sondern sie behebt lediglich ein mechanisches Versehen, das im Ablesen und Einsetzen einer nicht gewollten Zahl einer benachbarten Rubrik bestanden hat. Für die vereinfachte Korrektur von Versehen dieser Art sind gerade die Berichtigungsvorschriften in den Verfahrensordnungen geschaffen worden.

Die Unrichtigkeit war auch offenbar. Bei der Prüfung, ob Offenbarkeit gegeben ist, kommt es nicht auf das Erkennungsvermögen der im konkreten Fall Beteiligten, sondern auf das verständiger Personen an. Dabei ist zu bedenken, daß der Rentner von heute durch die modernen populären Aufklärungsmittel, wie etwa Presse, Broschüren und Rundfunk, über soziale Reformen und Rentenverbesserungen weitgehend unterrichtet wird und in groben Zügen auch über den Ablauf der jeweiligen Rentenneuberechnungen Kenntnis erhält. Ohne solche Kenntnisse und Hilfsmittel würden die Bescheide der Rentenversicherungsträger insgesamt - auch verständigen Lesern gegenüber - unverständlich bleiben. Es kann also in diesem Zusammenhang nicht zur Offenbarkeit gefordert werden, daß sich der Fehler in der Umstellungsmitteilung ohne weiteres allein beim Lesen dieses Schriftstücks aufdrängt, es muß vielmehr genügen, daß sich die Unrichtigkeit mit aus außerhalb der Umstellungsmitteilung liegenden Umständen ergibt. Die Möglichkeit, die Offenbarkeit eines Fehlers auch aus sonstigen verfügbaren Urkunden und Unterlagen abzuleiten, ist für die Berichtigung von Urteilen bereits anerkannt (vgl. u. a. Stein/Jonas, aaO; Koehler, aaO), sie muß erst recht in Fällen der vorliegenden Art gegeben sein.

Die Umstellungsmitteilungen mußten schnell und in sehr großer Zahl angefertigt werden. Sie waren für die Empfänger laufender Renten bestimmt, also für Berechtigte, die bereits einen, unter Umständen sogar mehrere Rentenbescheide erhalten hatten. Darauf sind die Umstellungsmitteilungen abgestellt. Sie stehen mit dem Erstbescheid und den etwa dazwischen liegenden weiteren Bescheiden in engem Zusammenhang. So kann zB die Richtigkeit des in der Umstellungsmitteilung genannten Steigerungsbetrages nur mit Hilfe der vorausgegangenen Bescheide nachgeprüft werden. Auf diese Urkunden muß beim Lesen der Umstellungsmitteilung zurückgegriffen werden. Wie es nun von der im Dezember 1956 laufenden zu der neuen, von Januar 1957 an zu gewährenden Rente gekommen und wie der in der Umstellungsmitteilung eingesetzte maßgebliche Umstellungsfaktor ermittelt worden ist, ergibt sich u. a. aus einer "Rentenfibel für alle", die jeder Rentner bei der ersten Empfangnahme seiner umgestellten Rente vom Zahlpostamt erhalten konnte. Die Tageszeitungen und der Rundfunk haben seinerzeit wiederholt darauf aufmerksam gemacht. Diese Rentenfibel hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegeben, um es jedem Rentner zu ermöglichen, seine neue Rente selbst zu berechnen und die Umstellungsmitteilung nachzuprüfen. Sie unterrichtet in einfacher und verständlicher Sprache über die Grundzüge der Neuordnung der Rentenversicherungen und enthält auch die Tabelle mit den Umstellungsfaktoren. Jeder interessierte Rentner war und ist also in der Lage, sich selbst zu überzeugen, ob der eingesetzte Umstellungsfaktor mit dem gesetzlichen übereinstimmt. Die Rentenfibel sollte, wie es in der "Einführung" heißt, zu den übrigen Versicherungspapieren gelegt werden. Sie war somit bewußt, wenn auch nicht gesetzlich, in die Praxis der Rentenumstellung einbezogen. Dieser Weg der Information und rechtlichen Aufklärung ist zwar neuartig und ungewöhnlich, aber in der außerordentlichen Situation, wie sie die Rentenreform 1957 mit sich brachte, sachdienlich und praktisch. Bei der großen Zahl von unterschiedlichen Sachlagen, die damals geregelt worden sind, hätten kurze Hinweise in der Umstellungsmitteilung selbst oder einzelne Merkblätter nicht genügt. Das Mittel der auf den Rentner abgestellten volkstümlichen Broschüre war besser geeignet, diesen über die Neuregelungen zu unterrichten und ihm zu helfen, die Umrechnung seiner Rente zu verstehen und nachzuprüfen. An diesen Erwägungen und Überlegungen kann auch die Rechtsprechung nicht vorbeigehen. Die Tabelle mit den Umstellungsfaktoren stand jedenfalls jedem Rentner leicht erreichbar zur Verfügung; sie muß deshalb mit zu den Unterlagen gezählt werden, aus denen sich die Offenbarkeit eines Fehlers in der Umstellungsmitteilung ergeben kann. Erstbescheid, Umstellungsmitteilung ... die allgemeinen Erläuterungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Rentenumstellung gehören eng zusammen. Unrichtigkeiten, die hieraus erkennbar sind, dürfen noch als offenbar bezeichnet werden. Sie sind berichtigungsfähig (im Ergebnis ebenso: Jennewein, Die Sozialgerichtsbarkeit 1959, S. 303).

Dieses Ergebnis wird durch die Berichtigungs-Regelungen in den Rentenanpassungsgesetzen (RAG; Gesetze vom 21. Dezember 1958, 21. Dezember 1959 und 19. Dezember 1960) mittelbar bestätigt. Diese Gesetze bestimmen in übereinstimmenden Vorschriften, daß eine fehlerhafte Anpassung zu berichtigen ist, ohne daß die Berichtigung auf Schreib- und Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten beschränkt wäre; Berichtigungen zu Ungunsten der Rentner sind allerdings nur im Jahr der jeweiligen Rentenanpassung zulässig; eine Rückforderung überzahlter Beträge findet nicht statt (vgl. § 7 1. RAG, § 7 2. RAG, § 6 3. RAG). Diesen gleichbleibenden Regelungen ist der Grundsatz zu entnehmen, daß in Verwaltungsverfahren, die im Interesse der Rentner als Massen- und Schnellverfahren ohne hinreichende Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden müssen, besonders leicht Fehler entstehen und daß solche fehlerhaften Verwaltungsakte "berichtigt", d. h. zurückgenommen und durch neue ersetzt werden können, wenn auch nur innerhalb einer bestimmten Frist und nur für die Zukunft. Bei der Rentenumstellung 1957 war die Interessenlage der Beteiligten nicht anders als bei den späteren Rentenanpassungen. Wenn damals die Notwendigkeit so weitgehender "Berichtigungen" noch nicht erkannt und deswegen nicht vorgesehen war, so spricht das nicht gegen sondern für die Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze über die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in Verwaltungsakten und gerichtlichen Entscheidungen.

Die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern und ähnlichen Unrichtigkeiten ist jederzeit statthaft. Im vorliegenden Fall erfolgte sie noch im Laufe des Jahres 1957, also ohne Bedenken rechtzeitig. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob es mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit und den Schutz der Rentner einen Endzeitpunkt für die Berichtigung von Fehlern anläßlich der Rentenumstellung 1957 gibt. Es könnte daran gedacht werden, Berichtigungen nur bis zum 31. Dezember 1959 zuzulassen. Bis zu diesem Tag mußten Fehler in der Rentenanpassung nach dem 1. RAG berichtigt sein (§ 7 1. RAG). Die Überprüfung der ersten Rentenanpassung bot eine Gelegenheit, auch die Rentenumstellung nachzuprüfen, so daß diese Ende 1959 endgültig hätte abgeschlossen sein können.

Die Berichtigung hat ihrem Wesen gemäß rückwirkende Kraft, weil der Verwaltungsakt als solcher trotz der Berichtigung und mit der Berichtigung inhaltlich bestehen bleibt, ähnlich wie gerichtliche Entscheidungen, die nach den Vorschriften der Prozeßordnungen berichtigt worden sind. Die Beklagte hat aber inzwischen die Berichtigung auf die Zeit nach der Zustellung des Berichtigungsbescheids beschränkt. Einer Entscheidung für die Zeit vorher bedarf es deshalb nicht.

Bei der Kostenentscheidung ist berücksichtigt worden, daß die Beklagte einen Teil des Anspruchs des Klägers, nämlich den zunächst umstrittenen Betrag von 61,20 DM, im Laufe des Verfahrens anerkannt hat (§ 193 SGG).

 

Fundstellen

BSGE, 96

NJW 1961, 2231

MDR 1961, 1047

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